Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2004)

SAMSTAG, 22. MAI 2004 
VOLKSI 
l/J I I T| I D BAROCKMUSIK BLATTl 
IVUL I Uli BUCHPRÄSENTATION 
33 i. . ..TAKINO 
. ;..vw «Monsieur Ibrahim et les fleurs du coran» | Monsieur Ibrahims Geschäft in der Rue ' | Bleue hat quasi Tag und Nacht geöffnet. ; Schliesslich ist Monsieur Ibrahim Araber, i | und wie er selber sagt, bedeutet das in seiner ; Branche weniger die Bezeichnung der Her- ; kunlt als vielmehr: nachts und auch am Sonntag geöffnet. ' Für den jungen Moses ist der Laden tägli­ che Anlaufstelle. Nirgendwo lassen sich • Konservendosen besser klauen als in Mon- , sieur Ibrahims voll gestopftem Reich. Die I wenigen Sätze, die die beiden anfangs mit- ! einander wechseln, wachsen sich bald zu tiefsinnigen Gesprächen aus. denn Monsieur Ibrahim erweist sich als Kenner des Lebens. Er ist so ganz anders als Moses' depressiver ' Vater, der von der Vergangenheit heimge­ sucht wird, sich dem Leben verschliesst und in Büchern vergräbt. Jude sein, sagt er eines Tages zu Moses, bedeutet Erinnerungen zu haben; schlechte Erinnerungen. Monsieur ' Ibrahim aber lebt in der Gegenwart und er j kennt das Geheimnis des Glücks. Mit Hilfe . seiner Weisheiten, die er dem Leben und dem Koran entnimmt, eröffnet er dem jun­ gen Moses eine neue Welt. Er steht ihm bei, • ; wenn es um die ersten Liebeserfahrungen geht, er verrat ihm. wie man Brigitte Bardot eine Flasche Wasser überteuert verkauft, und er sensibilisiert den Jungen fiir die Freu- , den des Alltags. «Monsieur Ibrahims et les fleurs du co­ ran» ist von heute Samstag bis Montag je- wdls um 20.30 Uhr im TaKino zu sehen. { «Le temps du loup» Pass in «Le tenips du loup» etwas grund­ sätzlich mc|it stimmt, wird schon nach kür­ zester Zeit klar: Anne kommt mit ihrem Ehemann, den zwei Kindern und einem Wellensittich in ihrem beschaulichen Wo­ chenendhaus auf dem Land an und findet • dort eine unbekannte Familie vor, panisch und bewaffnet. Die unberechenbare Situa-  t tion eskaliert, sie und die Kinder werden , von den Eindringlingen aller Vorräte beraubt und fortgejagt. Nfchts ist mehr so, wie es vorher war! Im nächstgelegenen Dorf bitten sie vergeb­ lich um Hille, denn offensichtlich sind die wenigen Einwohner/-innen mit dem eigenen Überleben beschäftigt. Ohne jegliche Zu­ flucht irren die Vertriebenen deshalb mitten in der Nacht durch unbekanntes Gebiet, auf der Suche nach den Grundbedürfnissen des • Menschen - Wasser. Nahrung, Wärme und einem 
Dach über dem Kopf. Sie befinden 
 ! sich unvermittelt in einer Extremsituation, , ohne zu wissen, was genau vor sich geht. Das Grundwasser ist verseucht, die Strom- * Versorgung 
ist zusammengebrochen, 
Nah­ rungsmittel sind kaum mehr aufzutreiben - die Gesetze der westlichen Zivilisation sind [ ausser Kraft gesetzt, archaischere Formen j des Miteinander bestimmen das Zu- ; sammcnleben. Michael Hanekes Porträt einer postapoka- 
 : lyptischen Schicksalsgemeinschaft ist von ) einer betörenden Unmittelbarkeit und Kon- { | sequenz. Die Universalität von Schauplatz \ und Handlung sowie die zum Teil wunder- i • bar ineinander messenden Einstellungen • i machen seinen Film zu einem eindrück- ; | liehen Lehrstück Uber die menschliche Psy- i ! che, das sieh vor allem darum dreht, wie i j 
sich Menschen nach dem Zusammenbruch • aller sozialen Verbindlich- und Verlässlich-  ; keiten konkret verhalten würden. Obwohl \ unzweifelhaft die «Zeit der Wölfe» angebro- ; chen ist. keimen da und dort Nächstenliebe und Solidarität: etwa in jenen grossartigen Szenen, in denen sich Annes Tochter gedul­ dig um einen scheinbar hartherzigen Jungen j kümmert, der sie immer wieder zurück- ; weist. Oder in jenem als Metapher der Hoff- ; nung zu lesenden Moment, als die äusserst i knapp vorhandene Ziegenmilch einem ; schwachen Greis zukommt. So fragt «Le tenips du loup» denn vor allem auch, was «Menschlichkeit» ist - und liefert die Ant­ wort in seiner versöhnlichen Schlusseinstel- < lung gleich selbst. «Le temps du loup» ist am Samstag und \ Sonntag um 18.30 Uhr sowie am kommen­ den Dienstag um 2030 Uhr im TaKino zu i sehen. (TaKino) • 
Alles ist Theater II Giardino Armonico mit Luca Pianca im Vaduzer Saal VADUZ - Luca Pianca, einer der gesuchtesten Musiker auf dem Gebiet der Interpretation auf Originalinstrumenten, tritt am 1. luni mit dem Barockensem- ble Giardino Armonico, dessen Mitbegründer er ist, im Vaduzer Saal auf. Das Liechtensteiner Volksblatt sprach mit dem Lau­ tenisten. «Arno lätfle r Volksblatt: Sie treten in Vaduz nicht nur als Solist auf, sondern auch als Leiter des Giardino Ar­ monico. Ist Giovanni Antonini nicht mehr dabei? Luca Pianca: Es gibt verschie­ dene Programme, wodurch alle Musiker ein bisschen Freizeit von Giardino haben. Und natürlich hat auch Giovanni seine Pausen: Die Musik aus dem 17. Jh. rund um Monteverdi übernehme ich: bei der Orchesterbesetzung übernimmt Giovanni die Leitung. Bei Pro­ grammen wie jenem mit Katja und Maria Labeque - Bach und Mozart mit zwei Hamnierklavieren - bin ich nicht dabei. Was dürfen die Zuhörer in Vaduz erwarten? In Vaduz wird ein Programm mit dem «Combatiimento di Tancredi e Clorinda» zu hören sein, einem Hauptstück des italienischen Ba­ rock. Rund um dieses Meisterwerk .spielen wir Instrumental- und Vo­ kalmusik von Zeitgenossen Monte- verdis. Das Programm ist stilistisch sehr einheitlich und aufgebaut wie ein Opernakt. wo die-Instrumental­ musik dramatische Musik, theatra­ lische Charaktermusik oder 
Tanz-«Spezialisten 
für Barockmusik auf historischen Instrumenten»: v. I. Vitto- rio Ghielmi und Interviewpartner Luca Pianca. niusik ist; dazwischen gibts Madri­ gale und Soloarien. Wir spielen den ganzen ersten Teil ohne Pausen; die Stücke sind durch kleine instru­ mentale Improvisationen verbunden. Ist das historische Aufführungs- praxis? Darauf legen Sie ja Wert. Ja. wir machen das normaler­ weise so bei Stücken aus dieser Pe­ riode. Das ist anders als bei einem Bach-Konzert, das selbständig ist und 20 Min. dauert; dann kann man applaudieren, und dann sind wir in 
einer anderen musikalischen Welt. Bei unserem Programm sind wir immer in derselben Welt. Das Kon­ zert kann nicht nach jedem der dreiminütigen Stücke durch einen Applaus unterbrochen werden. Im 17. Jh. ist alles Gcbrauchsmiisik. Die Sonaten von Castello könnten beispielsweise sehr gut im Rahmen einer Liturgie gespielt werden oder während eines Festes. Die Stücke gehören in einen dramatischen Kontext, ob sakral oder weltlich. Es ist sowieso alles Theater in Italien. 
Damals wurde diese Theatralisic- rungmit Gesang, Instrumentalmu­ sik und Sprache sehr konsequent durchgeführt. Wir machen dassel­ be. Sie arbeiten auch mit Vittorio Ghielmi zusammen? Ja, wir haben auch schon in Va­ duz zusammen gespielt. Wir haben eine namens «Bagpipes From Hell» gemacht. Und auf «Pieces de caractöre» geht es um französische Musik. Heuer wird eine CD mit deutscher und eine mit englischer Musik erscheinen. Werden Sie auch mit dem Giar­ dino in nächster Zeit CD-Projek- te realisieren? Die Aufnahmen für eine CD über die Sturm-und-Drang-Periode sind fast fertig. Darauf werden zu hören sein; Boccherini, «La Casa del Di- avolo», eine Sinfonie von Karl Philipp Immanuel Bach, ein Cem­ balo-Konzert von Wilhelm Fried­ mann und ein Concerto Grjosso, «II Pianto d'Arianna», von Locatelli. Die CD wird im Herbst 2004 auf Naive Opus 111 veröffentlicht wer­ den. Ist Giardino jetzt exklusiv bei Naive unter Vertrag? Nein, wir arbeiten von Projekt zu Projekt. Heute ist ein Exklusivver­ trag nicht mehr gut für ein Ensem­ ble. Es ist zu unsicher, sich an ein Label zu binden, das vielleicht ein Jahr später nicht mehr existiert. Wir waren immer mit Teldec ver­ bunden, und Teldec ist plötzlich nicht mehr da, nicht einfach gestor­ ben, sondern umgebracht von AOL Time Warner. Intensität des Lebens Buchpräsentation des Künstlerporträts über Paul Grass von Evi Kliemand VADUZ - Die Publizistin, Dichte­ rin und Malerin Evi Kliemand stellt mit dem Buch «Paul Grass. Das verborgene Werk. Eine Spu­ renlese» ein Künstlerporträt der subtilen Art vor. Präsentiert wird das neue Buch am Don­ nerstag, 27. Mai um 18 Uhr im Kunstmuseum in Vaduz. • Geroll Hause r Die Stimme des Dichters, Bildners, Lehrers und Chronisten und der Autorin führen durchs Labyrinth, das einer Lebensplastik gleich­ kommt. Im Juli 2003 verstarb Paul Grass, 77-jährig. Die Schweiz ver­ liert mit ihm eine aussergewöhnli- chc Persönlichkeit und gewinnt zu­ gleich ein Werk von Rang und komplexer Eigenart, das noch aus­ zuschöpfen ist. Gesamtkunstwerk Evi Kliemand stellt mit dem Buch «Paul Grass. Das verborgene Werk. Eine Spurenlese» ein Künstlerporträt der subtilen Art vor. Präsentiert wird das neue Buch am Donnerstag, 27. Mal iim 18 Uhr Im Kunstmuseum Vaudz. mens. Der Bildner, Dichter, Den- auch dem Kunstpädagogen, Wahr- Format 16,5 x 24 cm, Fr. 48.- ker, Chronist, Lehrer, Plastiker und nehm'ungspfiilosophen und Ethiker, beiliegende CD «Paul Grass liest Hüttenwart Paul Grass war für vie- der sich zwischen Schriftwerk und Paul Grass» leitet klanglich ins le schon zu Lebzeiten eine Legen- Bildwerk bewegt. dichterische Werk ein. Zur Bucli- dc». Die Begegnung mit seinem Präsentation 
bietet ein Video Ein- Lebenswerk ist eine Entdeckungs- 
Stimme des Dichters blick ins plastische Werk. Zugleich reise besonderer Art. Neben dem Im Kunstmuseum in Vaduz wer- verfolgt es die biografischen Spu- sehon bekannten plastischen und den am Donnerstag, 27. Mai um 18 ren des Künstlers. Die Aufnahmen dichterischen Werk des Künstlers Uhr Til Schaap vom Benteli Verlag des Filmers Luciano Paltenghi sind tritt uns eine unvergleichliche, vor Bern, in dem das Buch erschienen begleitet von der authentischen allem handschriftliche Zettelwelt ist, und die Autorin Evi Kliemand Stimme des Dichters und der Mü- entgegen, die in ihrer gestaffelten sprechen. Die dem Buch (600 Sei-' sik von Ermano Maggini, einem Kongruenz einem Gesamtkunst- ten, 50 farbige und 150 schwarz- langjährigen Kollegen von Paul werk gleicht. Hier begegnet man Weisse Abbildungen, Broschur, Grass. 
Paul Grass Das verborgene Werk Die Autorin Evi Kliemand hat sich im Austausch mit Paul Grass über vier Jahre dem bildnerischen und schriftstellerischen Werk des Künstlers zugewandt. Mit dieser Publikation wird nicht nur ein ver­ borgenes Werk der Öffentlichkeit erschlossen, sondern auch ein kul­ turelles und künstlerisches Umfeld in Erinnerung gerufen. «Mit dem Buch ist ein verborgenes Lebens­ werk aufgefangen», sagt Evi Klie­ mand, «aber eigentlich noch vieles darüber hinaus. Es ist auch ein Buch für jene, die Paul Grass nicht gekannt haben. Es wird zu einer Schule überraschenden Wahrneh-
	        

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