Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2004)

FREITAG, 26. MÄRZ 2004 VOLKS I BLATT I 
LIECHTENSTEIN MUSEUM 
KUNST- TRAIMSPORTE 
13 MEINUNGEN Für 
Vaduz nicht möglich, Rah­ menbedingungen zu schaffen Schloss Vaduz ist Sitz einer der bedeutends­ ten privaten Kunstsammlungen der Welt. In den letzten Jahrzehnten wurde es für das Land Liechtenstein zum Glücksfall, dass eine kleine Auswahl erlesener Objekte aus den Fürstlichen Sammlungen in Form von thematischen Wechselausstellungen in Va­ duz präsentiert werden konnte. Die kultu­ relle Ausstrahlungskraft der Sammlungen hat bislang viele Besucherinnen und Besu­ cher nach Liechtenstein gebracht. Der Wunsch, möglichst viele Meister­ werke der Öffentlichkeit dauerhaft zugäng­ lich zu machen, ist verständlich. Leider war es in Vaduz nicht möglich, die entsprechen­ den Rahmenbedingungen zu schaffen. Die­ se Gelegenheit bietet sich nun in Wien mit der Eröffnung des Liechtenstein Museums im Palais Liechtenstein. Nach den umfang­ reichen Instaiulsclzungsarbeiten können zahlreiche Kunstwerke wieder ihrer eigent­ lichen Bestimmung zugeführt werden. Die meisten Kunstgegenstände werden aber weiterhin in Vaduz bleiben und das Kunst­ museum Liechtenstein wird auch in Zu­ kunft die Möglichkeit haben, Ausstellungen mit Werken aus den Sammlungen des Fürs­ ten von Liechtenstein zu zeigen. Wir dürfen uns daher auf ein Wechselspiel zwischen den Ausstellungen im Kunstmuseum Liechtenstein und denen im ursprünglichen Domizil der Sammlungen in der Wiener Kossau freuen. Gleichzeitig werden wir feststellen, dass Vaduz und Wien näher zusammenkommen. Die Distanz wird sich aufgrund der Kunst­ erlebnisse verkürzen. Die Eröffnung des Liechtenstein Museums ist eine ausge­ zeichnete Gelegenheit, die Verbindungen zwischen Österreich und Liechtenstein weiter /u vertiefen. Ich bin mir zudem si­ cher, dass sich die Kombination der beiden Standorte positiv auf das Image Liechten­ steins auswirken wird. Regierungsrai Dr. Alois Ospelt. Ressort Kultur Ein lachendes und ein weinendes Auge Ich sehe den Wegzug der Fürstlichen Sammlungen nach Wien mit einem lachen­ den und einem weinenden Auge. Lachend deswegen, weil die Kunstwerke nun in ei­ ner grossen Metropole ausgestellt werden, weinend, weil wir in Liechtenstein nicht mehr unmittelbar Zugang zu den Sammlun­ gen haben. Aber in der heutigen Zeit, in der die Verkehrsverbindungen so exzellent sind, hat jede Liechtensteinerin und jeder Liechtensteiner die Möglichkeit, die Sammlung in Wien zu besuchen. Für mich, als neuer Präsident der Kunst­ gesellschaft, sind die Fürstlichen Sammlun­ gen 
von grosser Bedeutung. Sie sind ein grosses Kulturgut. Wir sind sicher gut bera­ ten, wenn wir diese Sammlung in unser Herz schliessen und sie auch in Wien be­ achten. Peter Monauni, Präsident der Liechtensteinischen Kunstgesellschaft 
Kunstwerke gerettet Wie es die drei schafften, die Kunstwerke unversehrt nach Vaduz zu schmuggeln Gegen Mittag trafen sie endlich in Lauffen bei Ischl ein. Die fürst­ lichen Bilder lagen tief im Berg­ werk. Der Eingang des Stollens war bereits zur Sprengung vorbe­ reitet worden, im Falle, dass der Feind anrücken würde. Da die grossen Gemälde noch in Gatning lagerten, war es nötig, die Partie zu trennen. Während Franz Ritter mit ein paar Arbeitern die Kunstwerke aus dem Bergwerk einlud, fuhren Andreas Ritter und Gustav Wil­ helm nach Gaming, um das grosse Männerporträt von Frans Hals, die grossen vier Canale, die Orgelflü­ gel von Rubens, die Rubenssöhne und andere wichtige Bilder zu ho­ len. «Es war schwer, auf den Stras­ sen vorwärts zu kommen, denn uns entgegen strömte, die ganze Stras- senbreite ausfüllend, der Strom der Flüchtlinge aus Ungarn. Es war ein erbärmlicher Anblick, wie Greise, Frauen und Kinder, meist zu Fuss, dahinwankten», berichtete Gustav Wilhelm später. Wagen von Deutschen beschlagnahmt Bei der Rückfahrt nach Lauffen wurden Andreas Ritter und Gustav Wilhelm plötzlich von einem deut­ schen Militärauto angehalten. Nachdem die Soldaten die Aus­ weispapiere kontrolliert hatten, gab man den beiden zu verstehen, dass der Autobus einstweilen beschlag­ nahmt sei. So mussten sie einem Militärauto zu einem bewaldeten Militärplatz, folgen, in dessen Mitte ein grosses Feuer brannte. Gustav, Wilhelm schrieb: «Im Zeltlager der Wehrmacht herrschte - wie wir so­ fort bemerkten - eine feuchtfröhli­ che Stimmung. Während ich sehr besorgt über einen Ausweg für den Bildertransport nachdachte, flüster­ te mir Chauffeur Ritter ins Ohr: <Hier sind doch alle schon betrun­ ken. Verschwinden wir doch ein­ fach mit dem Autobus.>» Zwei liechtensteinische Fahnen zur Tarnung Gesagt - getan: Die beiden nah­ men Reissaus, erreichten unbe­ merkt die Landstrasse und rasten davon. Am Karfreitag kamen And­ reas Ritter und Gustav Willhelm wieder in Lauffen an: Das Trio war wieder komplett. Als es eindunkel­ te. traten sie den Rückweg an. Sie zogen zwei grosse Liechtensteiner Fahnen über die Dächer der Fahr­ zeuge. um zu zeigen, dass es sich um ausländisches Bergungsgut handelte. Schlaf fanden die drei praktisch keinen. Am Samstagvor­ mittag hörten sie die Radiomel­ dung über den Einflug feindlicher Fliegerverbände. Sofort versteck­ ten sie sich in einem Waldstück und deckten die Fahrzeuge mit Ästen ab. Gustav Willhelm schrieb: «In grosser Höhe sichteten wir ei­ nen Verband von Fliegern, hörten dann Abwehrfeuer aus der Nähe und Bombeneinschläge. Ein einzel­ nes Flugzeug löste sich aus dem Verband und kam auf uns nieder, flog aber weiter, da es uns wohl nicht bemerkte, dann hörten wir die Bordwaffen.» Am Abend des Kar- samstags kamen die drei endlich beim Zollamt in Tisis an. Aller­ dings war das deutsche Zollamt über den Transport unterrichtet worden. Sie hatten keine Chance mit den Fahrzeugen durchzukom­ men. Bis zum Ostermontag muss­ ten die beiden voll geladenen Fahr­ zeuge an der Grenze stehen blei­ ben. In der Zwischenzeit durften die Chauffeure nach Hause. «Wir, freuten uns riesig, dass unsere 
Vii-So 
wurden die Bilder im Bergwerksstollen in Lauffen gelagert. Der Mann mit Hut Im Bild Ist Bergungsleiter Vik­ tor Luithlen. ter nach Hause kamen. Ich stand an der Grenze, die ich nicht überque­ ren durfte und sah, wie mein Vater die'Fahrzeuge kontrollierte», er­ innert sich Theres Matt heute. Zollabfertigung ausgetrickst Am Ostermontag .trat Gustav Wilhelinmit den Brüdern Ritter die Reise nach der Insel Reichenau an. Ziel war das Schloss der Familie Hohner, die bekannt für die Her- Stellung 
von Mundharmonikas war. Solche Mundharmonikas brachten die Brüder dann auch ihren Kinder mit. «Wir haben noch lange mit diesen Mundharmonikas gespielt», erzählt Manfred Ritter. Zwei Tage lang, blieben die Fahr­ zeuge auf der Insel Reichenau ste­ hen. Wilhelm folgte dort auch zum Teil dem Befehl, die Bilder auszula­ den. Anstatt der gesamten Fracht liess er aber nur 165 Kunstwerke zurück, die wertvollsten führten er und die beiden Chauffeure nach Vorarlberg. «Ich erinnere mich noch genau, dass mein Vater die Weisung 
hatte, wenigstens das wertvollste Gemälde, nämlich das Männerpor­ trät von Frans Hals nach Liechten­ stein zu bringen. Falls man sie er­ wischt hätte, hätte er dieses Kunst­ werk griftbereit gehabt und im Not­ fall aus dem Rahmen geschnitten», erinnert sich Irene Matt. Um nicht wieder von den Grenzkontrollen aufgehalten zu werden, versteckten sie sich und ihre kostbare Fracht auf dem Hof von Andreas Ritters Schwiegereltern in Meiningen. Ta­ ge später brachte Wilhelm unter dem Vorwand, es handle sich um Umzugslast des Fürsten, die Kunst­ güter schliesslich auf die Bahn in Bregenz. Die Zollbeamten in Bre- genz waren jedoch skeptisch, Wil­ helm überlistete sie jedoch mit der Angabe, dass die entsprechenden Listen der Güter in Feldkirch liegen würden und die Zollorgane die Frachtstücke in den nächsten Tagen auf Schloss Vaduz abfertigen könn­ ten. Mit zwei plombierten Waggons wurden die Kunstwerke schliesslich zum Bahnhof Schaan-Vaduz ge­bracht. 
Herbert Ritter erinnert sich noch genau an die Ankunft der Waggons: «Ich durfte mitfahren, als mein Vater mit dem Lastwagen t|ie- se Kunstwerke vom Bahnhof zum Schloss brachte. Ich könnte heute noch sagen, wie sie abgeladen und in welchem Raum sie aufbewahrt wurden.» Einiges dennoch verloren Hinter den dicken Schlossmau­ ern waren die wertvollen Stücke fortan in Sicherheit. Andere Kunst­ werke gingen an die Russen verlo­ ren, so beispielsweise die Depots im mittelmährischen Schloss Stern­ berg und in der Burg Liechtenstein bei Mödling. In Moskau blieb auch ein Teil des Hausarchivs. Dieses ist jedoch vor wenigen Jahren wieder in den Besitz der Familie Liechten­ stein übergegangen - im Tausch ge­ gen das berühmte Sokolov-Archiv, welches die Ermordung der Zaren- familie dokumentiert. Seither waren einige Bilder der Fürstlichen Sammlungen immer wieder in Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert worden. Quellen: • Interview mit Herbert Ritter, Theres Matt und Manfred Ritter (Nachkommen von Franz Ritter) und mit Irene Matt (Tochter von Andreas Ritter) am 27. Februar 2004 in Eschen. • Historisches Jahrbuch, Band 95, Bericht aus dem Tagebuch von Gustav Wilhelm. Deponierung von Bildern im Stol­ len des Salzbergwerkes von Lauf­ ten.
	        

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