Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2004)

SAMSTAG, 6. MÄRZ 2004 VOLKS I IIVII ALVIN 
  TAG DE R KRANKEN BLATTl 
IIVI-MILLU IM GESPRÄCH MIT JUDITH 
8 IM GESPRÄCH «Das Lachen und der Humor sind wichtig» SCHAAN - «Jeder hat seinen Rucksack zu tragen und wird mit Situationen kon­ frontiert, die man sich im ersten Mo­ ment nicht wünscht», sagt Judith. Seit drei Jahren gehört die entzündliche Er­ krankung Sarkoldose zu ihrem Leben. Und trotzdem hat. sie das Lachen nicht verloren. «Cornelia Hota r  • Volksblatt: Sarkoidose gehört seit drei Jahren zu Ihrem Leben. Das Lachen ha­ ben Sie trotzdem nicht verloren. Judith: Das Lachen und der Humor sind wichtig und ich bin ein Mensch, der gerne lacht und das Leben liebt. Natürlich hat es in den letzten drei Jahren auch schwierigere Momente gegeben und nicht immer war mir zum Lachen zu Mute, aber das geht wohl je­ dem Mensch so. Jeder hat seinen Rucksack zu tragen und wird mit Situationen konfron­ tiert, die man sich im ersten Moment nicht wünscht. Zu Beginn meiner Krankheit hatte ich denn auch überhaupt kein Interesse dar­ an, mehr darüber zu erfahren. Das kam erst etwa ein halbes Jahr später und heute sind es Phasen, in denen ich mich einmal mehr und einmal weniger damit befasse. Macht eine chronische Krankheit auch Angst? Eine Krankheit ist wohl immer auch mit Ängsten verbunden. Meine Angst betraf ganz einfach die Gesundheit meines unge­ borenen Kindes. Ich dachte in dieser Zeit weniger an mich, als an das Kind und heute bin ich natürlich sehr froh und dankbar, dass das Kind gesund zur Welt kam und es ihm gut geht. Später erlebte ich einen zweiten Moment der Angst. Dann nämlich, als ich im Internet nach Informationen suchte und irgendwann las, dass die Sarkoidose zu Ar­ beitsunfähigkeit führen kann. Da bin ich ge­ hörig erschrocken und der Gedanke, einmal am Morgen nicht mehr aufstehen und für meine Familie sorgen zu können, gab mir sehr zu denken. Seither habe ich mein Ver­ hältnis zu den jährlichen Routineuntersu­ chen geändert - nicht, dass ich heute über­ aus gerne gehe, aber ich habe begriffen, dass sie wichtig und nötig sind, um einem mög­ lichen Lungenbefall sofort auf die Schliche zu kommen.. Sie haben sich im internet informiert - wie wichtig ist die eigene Information und Auseinandersetzung über und mit einer Krankheit? Ich denke,-das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Bei mir ist es beispiels­ weise so, dass, wenn ein Arzttermin naht; mein Interesse wieder viel grösser ist und ich wieder länger am Computer sitze... Für mich ist das Gespräch mit Ärzten einerseits sehr wichtig, andererseits möchte ich ihnen nicht ausgeliefert sein und deshalb 
versuche ich, ausserhalb der Arztpraxis selber an In­ formationen heranzukommen. Da Sarkoido­ se eine seltene Krankheit ist, war für mich auch eine zweite Meinung wichtig, die vie­ les bestätigt und somit verstärkt hat. Ich bin froh, ausserdem einen Hausarzt gefunden zu haben, der sich bereit erklärt hat, sich mit meiner Krankheit auseinander zu setzen und der mir auch offen sagen konnte, dass er nicht alles über diese Krankheit wisse. Für viele Krankheiten gibt es Selbsthilfe­ gruppen - wie sieht es bei Sarkoidosepa- tientenaus? Ich gehöre dem Schweizerischen Sarkoi- doseverein an und wir treffen uns einmal jährlich zur Generalversammlung und zu ei­ nem Vortrag eines Arztes, der Forschungsar­ beit macht. Für mich sind di^se Begegnun­ gen sehr wertvoll, denn ich lerne immer wieder etwas Neues Uber die Sarkoidose oder erhalte praktische Tipps von anderen Betroffenen. Und wenn ich bei diesen Tref­ fen mit Leuten spreche, deren Organe befal­ len sind und schon jahrelang Kortison ein­ nehmen müssen, gehe ich jeweils sehr dank­ bar wieder nach Hause und mache mir be- wusst, wie gut es mir selber eigentlich geht, auch wenn ich mir natürlich oft wünsche, ohne die Sarkoidose leben zu können. 
Ein Zufall mit Folgen Morgen Sonntag ist der Tag der Kranken - Die Geschichte von Judith SCHAAN - Morgen Sonntag ist der Tag der Kranken. Judith* ist eine junge Ehefrau und Mutter von zwei kleinen Kindern. Und setzt sich täglich mit der selte­ nen entzündlichen Erkrankung Sarkoidose auseinander. «Cornelia Hotar «Eigentlich war es ein Zufall, dass man die Sarkoidose bei mir festge­ stellt hat.» Einen Moment überlegt Judith und dann erzählt sie 
von ei­ nem ihrer regelmässigen Kosme­ tikterminen vor gut drei Jahren, als sie zum zweiten Mal schwanger war. «Die Kosmetikerin mächte mich auf einen Knoten am Kinn aufmerksam. Sie riet mir dann, die­ se untersuchen zu lassen.» Die jun­ ge Frau lacht und sagt: «Krank sein und Arztbesuche, das kannte ich bis zu jenem Zeitpunkt kaum. Da ich aber schwanger war, fiel mir der Gang in die Arztpraxis leichter; denn ich dachte vor allem an das Kind und wollte sicher gehen, dass dieser 
Knoten nichts Schlimmes bedeutete.» Wieder lacht Judith und für einen ganz kurzen Augen­ blick geht ihr Blick zu ihren beiden Kindern, die auf der Couch bzw. auf dem kleinen roten Kinderstuhl sitzen und in die Welt von «Little Stewart» abgetaucht sind. Die Vergangenheit Vielleicht sieht sich Judith noch einmal in die Anfänge ihrer Krank­ heitsgeschichte vor drei Jahren zu­ rückversetzt. Ihre Ausführungen und Erklärungen jedenfalls sind ge­ nau und lassen kaum ein Detail aus. Sie erzählt vom ersten Arztbesuch und der Ratlosigkeit des Arztes, vom grossen, dicken Buch der Krankheiten, das immer wieder zu . Rate herbeigezogen wurde und von den bohrenden Frage: «Wo bin ich hier reingeraten? Weshalb bin ich 
Eine Krankheit kommt meist überraschend und manchmal kann es sogar ein Zufall sein, dass sie (estgestellt wird, wie dies belludiths Sarkoidose der Fall gewesen ist. überhaupt zum Arzt gegangen? Was hab ich denn eigentlich?» Nach Antworten musste Judith aber nicht lange suchen, denn «in sol­ chen Momenten dachte ich einfach immer an meine Familie und dann wusste ich, dass dieser Weg der richtige war.» Nach drei Wochen Ungewissheit erhielt der ' Lymph­ knoten an Judiths Hals endlich ei­ nen Namen: Sarkoidose. , Die Gegenwart Mein Blick hat meine Frage wohl sofort verraten und Judith erklärt: «Die Sarkoidose ist eine seltene entzündliche Erkrankung, die typi­ scherweise die Lungen angreift, aber auch alle anderen Organe wie Haut, Augen, Knochen, Lymph­ knoten, Herz, Milz, Leber, Bauch­ speicheldrüse und Nervensystem befallen kann. In meinem Fall sind 
es die Lymphe. Man unterscheidet zwischen der akuten und der chro­ nischen Sarkoidose. Die akute be­ ginnt plötzlich, meist mit hohem Fieber und ausgeprägtem Krank­ heitsgefühl, während die chroni­ sche völlig unbemerkt und schlei­ chend anfängt.» Diese Erfahrung musste auch Judith machen, denn das trickreiche an der chronischen Sarkoidose ist vor allem, dass die Patienten meist überhaupt keine Beschwerden verspüren. Das ist bei Judith auch heute nicht anders. «Die Lymphknötchen am Hals schmerzen nicht, und ich muss auch nicht regelmässig Medika­ mente einnehmen. Wären aber Or­ gane befallen, müsste ich Kortison nehmen.» Die Zukunft . Damit Judith diesem Schritt vor­beugen 
kann, gehören heute regel­ mässige Besuche in der Arztpraxis mit Röntgenuntersuchungen und Chcck der Lunge zu ihrem Leben. • Die junge Frau weiss zwar, dass chronische Sarkoidose ausheilen kann, Judith ist sich aber auch be- wusst, dass «es zu einem Lungen­ befall kommen kann und deshalb nehme ich Routineuntersuche heu­ te gerne auf mich.» Für einen ganz kurzen Augenblick geht Judiths Blick wieder zu ihren beiden Kin­ dern, die auf der Couch bzw. auf dem kleinen roten Kinderstuhl sit­ zen und noch immer in. die Welt von «Little Stewart» abgetaucht sind. Und dann macht sich ein Lä­ cheln auf Judiths Gesicht breit, * Vollständiger Name der Redak­ tion bekannt WAS IST SARKOIDOSE? Die Sarkoidose ist eine seltene entzündliche Erkrankung, die ty­ pischerweise die Lungen angreift, aber auch alle anderen Organe wie Haut, Augen, Knochen, JLymph- knoten, Herz, Milz, Leber, Bauch­ speicheldrüse und Nervensystem befallen kann. Es wird ein Zu­ sammenhang mit genetischen Faktoren ' und Umweltfaktoren untersucht. Nur jeder zweite Be­ ttoffene leidet unter Beschwerden, die dann vom jeweils betroffenen Organ abhängig sind. Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Sie tritt üblicherweise im Alter zwi­ schen 15 und 40 Jahren auf. Wie entstellt die Saricoidose? Die Ursache der Sarkoidose ist bisher nicht eindeutig geklärt.'Zur Zeit werden verschiedene Fakto­ ren diskutiert, die bei der Entste­ hung einer Sarkoidose von Bedeu­ tung sein könnten: Bei -der Mehr­ zahl der Betroffenen ist eine Lun- genbeteiligung zu beobachten. Es liegt, daher die Vermutung nahe, dass eine Aktivierung des Immun­ systems durch das Einatmen von schädigenden Stoffen erfolgt. Da­ bei ist allerdings noch völlig un­ klar, um welche Stoffe es sich da­ bei' handeln könnte. Infrage kom­ men neben Bakterien, Pilzen oder Viren 
auch Chemikalien, Pollen ' oder Stäube. Vermutet wird auch, dass genetische Faktoren bei der Entstehung der, Erkrankung eine 
Rolle spielen, da ein gehäuftes Auftreten der Sarkoidose inner­ halb einer Familie beobachtet wurde. Die Erkrankung ist durch das Auftreten zahlreicher herdför­ miger Granulome gekennzeichnet und wird häufig auch als Granulo­ matose bezeichnet. Unter einem Granulom versteht man eine kriöt-. chenartige Gewebeneubildung, die durch eine Aktivierung des Im­ munsystems verursacht wird. Weiche Symptome treten bei Sarkoidose auf? Bei der Sarkoidose wird zwi­ schenakuter Krankheit und chro­ nischem Verlauf unterschieden. Die akute Sarkoidose beginnt plötzlich, meist mit hohem Fieber und ausgeprägtem Krankheitege­ fühl. Hinzu kommen die durch den jeweiligen Organbefall verur­ sachten Beschwerden. Trotz des eher heftigen Krankheitsverlaufes ist die Prognose der akuten Sarko­ idose günstig. Eine Sonderform der akuten • Sarkoidose ist das Löfgren-Syn- drom. Dabei treten neben einem plötzlichen Fieberanstieg drei cha­ rakteristische Veränderungen auf: ein Erythema nodosum (Knoten­ rose), eine Arthritis (Gelenkent­ zündung) sowie eine Lymphkno­ tenschwellung im Bereich der bei­ den Lungen. Die chronische Sar­ koidose beginnt, entweder völlig unbemerkt oder schleichend. Häu­fig 
haben Erkrankte gar keine Be­ schwerdein, so dass die Diagnose rein zufällig bei einer Röntgen­ untersuchung des Brustkorbs ge­ stellt wird. Bei der Mehrzahl der Betroffenen liegt ein Befall der Lunge sowie der Lymphknoten im Brustkorb vor. Weitere Krank­ heitszeichen sind: . Allgemeines Unwohlsein, leich­ tes Fieber, Gewichtsverlust, Atem­ not, Gelenkschmerzen (Arthritis), Schmerzen am Sprunggelenk, Haut: Totblaue schmerzhafte Flecken meist an den Streckseiten der Unterschenkel (Erythema no­ dosum), Entzündung der Regen­ bogenhaut des Auges (Iritis). Nur etwa jeder zweite Betroffene hat Beschwerden durch die chroni­ sche Sarkoidose. Die Prognose der chronischen Form der Sarkoidose ist schlechter als die der akuten Form. Da seltener Beschwerden auftreten, verzögert sich häufig der Beginn der Behandlung. Wie wird die Diagnose gesteilt? Anhand einer Röntgenuntersu­ chung sowie weiterführend einer Computertomographie der Lunge lassen sich die typischen Verände­ rungen 
an der Lunge und den Lymphknoten feststellen. In 60 Prozent der Krankheitsfälle zeigt sich im Blut ein Anstieg des En­ zyms Angiotensin Converting En­ zyme (ACE). Die Menge an ACE 
im Blut erlaubt Rückschlüsse auf den Aktivitätszustand der Sarkoi­ dose. Entscheidend ist die histolo­ gische (mikroskopische) Untersu­ chung mittels einer Lungenspiege­ lung sowie die Analyse einer hier­ bei 
zu gewinnenden Splilflüssig- keit aus dem Bereich der Lungen­ bläschen. Ist die Behandlung er­ folgreich oder kommt es zu einem spontanen Rückgang der Verände­ rungen, geht der ACE-Gehalt im Blut zurück.. Gewebeproben der vergrösserten Lymphknoten, des Lungengewebes, der Leber, der Haut oder anderer betroffener Or­ gane können typische Veränderun­ gen aufweisen. Wie verläuft die Behandlung? Eine Behandlung der Sarkoido­ se; ist nicht in jedem Fall erforder­ lich.. Die akute Sarkoidose heilt bei mehr als zwei Drittel der Be­ troffenen auch ohne Behandlung komplikationslos ab. Eine Be-- handlung orientiert sich an den Beschwerden. In erster Linie wer­ den fiebersenkende, entzündungs­ hemmende, schmerzstillende nichtsteroidale Medikamente, wie z. B. Aspirin oder Ibuprofen, ein­ gesetzt. Bei den prognostisch eher ungünstigen chronischen Sarkoi­ dose, sowie bei einem Befall von Herz, Nerven, Augen, Nieren öder anderen in ihrer Funktion bedroh­ ten Organen, kommt Kortison zum Einsatz.
	        

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