Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

SAMSTAG, 8. FEBRUAR 2003 VOLKS BLATT 
INLAND 
VERFASSUNG UND EUROPARAT REGIERUNG WEIST VORWÜRFE ZURÜCK REGIERUNG Europarat-Stellungnahme: Re­ gierung weist Vorwurf zurück VADUZ - Die Regierung hat in ihrer Stel­ lungnahme vom 30. Januar 2003 zuhanden der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur laufenden Verfassungsdis­ kussion und dem Initiativvorschlag des Lan­ desfürsten und des Erbprinzen sachlich kor­ rekt Stellung bezogen und zu einem fairen Umgang mit dem Fürstentum Liechtenstein aufgerufen. Regierung weist Vorwurf zurück Der Ausschusses Arbeitskreises Monar­ chie und Demokratie unterstellt der Regie­ rung, versucht zu haben, den Europarat irre­ zuführen. Diese sachlich unhaltbare Unter­ stellung weist die Regierung zurück. Falsche Behauptungen Entgegen den Behauptungen des Arbeits­ kreises ist es nicht richtig, dass das Sankti­ onsrecht als solches und damit das Mitwir­ kungserfordernis des Fürsten in der Gesetz­ gebung in Art. 9 der Verfassung Gegenstand der Initiative ist. Die Initiative regelt in Art. 65 nur, innerhalb welchcr Zeit die Sanktion zu erfolgen hat. Verbesserung bei Richterbestellung Bei der Richterbestellung hat die Regie­ rung auf den wesentlichen Inhalt der Initia­ tive des Landesfürsten und des Erbprinzen hingewiesen, nämlich dass im Gegensatz zur bestehenden Verfassung jeder Richter vom Volk auch gegen den Willen des Lan­ desfürsten durchgesetzt werden kann. Regierungsentlassung bisher nicht eindeutig geregelt Die Stellung der Regierung und damit die Möglichkeit der Regierungsentlassung ist entgegen Üei' Meinung des Ausschusses des Arbeitskreises Monarchie und Demokratie in der geltenden Verfassung nicht eindeutig geregelt und hat zu unterschiedlichen wis­ senschaftlichen Auslegungen geführt. Die einheitliche Auslegung dieser Verfassungs­ bestimmung durch eine Landtagskommissi­ on, den Landtag, die Regierung und den Landesfürsten im Jahr 1965 einfach als «rechtlich unverbindliche Landtagskommis- sions-Meinung» abzutun, ist nach Überzeu­ gung der Regierung nicht richtig. Keine Parallelverfassung auf Ebene der Hausgesetze Auch ist nicht richtig, dass mit der Initia­ tive des Landesfürsten und des Erbprinzen eine Parallejverfassung auf Ebene der Haus­ gesetze geschaffen wird, wie die Regierung in ihren Ausführungen an den Landtag dar­ gelegt hat. Die Behauptung, dass der Fürst mit der Annahme der Initiative aussdrhalb der liechtensteinischen Rechtsordnung stehe, wird mit einem aus dem Zusammen­ hang gerissenen Zitat untermauert. In ihrer Stellungnahme an den Europarat zeigt die Regierung sehr wohl auf, dass der Fürst in Ausübung seiner Kompetenzen an Verfas­ sung und Gesetz gebunden ist.. Haltlose persönliche Angriffe gegen Liechtensteins Delegationsleiterin Die persönlichen Angriffe gegen die liechtensteinische Delegationsleiterin bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Renate Wohlwend, werden ihrer Arbeit und ihrem Engagement in kei­ ner Weise gerecht. Für eine ausgewogene Behandlung Liechtensteins ausgesprochen Die Regierung hat mit ihrer Stellungnah­ me an den Europarat zur liechtensteinischen Verfassung und der Verfassungsinitiative des Landesfürsten und des Erbprinzen ihre Rechtsauffassung dargelegt und sich im Interesse des Staates Liechtenstein und sei­ ner Bürgerinnen und Bürger für eine ausge­ wogene Behandlung Liechtensteins im Rah­ men des Europarates ausgesprochen, (pafl) 
«Gemeinsamer Kompromiss» Warum Regierungschef Otmar Hasler von «unhaltbarer Unterstellung» spricht VADUZ -•«Versuchte Irreführung des Europarates» ist einer der neusten Vorwürfe von Demo- kratie-Verfechtern an die Adres­ se der Regierung. Für Regie­ rungschef Otmar Hasler eine «unhaltbare Unterstellung». «Martin Frömmel t Volksblatt: Herr Regierungschef, Ihnen wird vom Arbeitskreis Monarchie und Demokratie «versuchte Irreführung des Europarates» vorgeworfen: An sich ein happiger Vorwurf... Otmar Hasler: Das ist eine Unterstellung, die unhaltbar ist. Was hat denn die Regierung gemacht? Sie hat zu Fragen der liechtensteinischen Verfassung sowie der Initiative S. D. des Lan­ desfürsten und des Erbprinzen zu Händen des Präsidenten der 
Parla- EINE UNHALTBARE UNTERSTELLUNG mentarischen Versammlung des Europarates Stellung bezogen und ein faires Vorgehen für Liechten­ stein verlangt. Die Regierung hat darin auch zum Ausdruck gebracht, dass diese Diskussion im europä­ ischen Kontext zu führen sei und die einzelnen europäischen Demo­ kratien differenziert zu betrachten seien. Die Stellungnahme der Regierung als Irreführung zu taxie­ ren, ist kein akzeptabler politischer Umgangston. Ich möchte an dieser Stelle dazu aufrufen, sachlich zu bleiben und nicht mit Unterstellun­ gen zu operieren. In einer Demo­ kratie gilt es, auch andere Meinun­ gen zu respektieren. Es wird Ihnen auch vorgeworfen, dem Liechtensteiner Volk «den mit der Fürsteninitiative verbun­ denen Demokratieabbau zu ver­ bergen» ... In diesem Vorwurf ist bereits eine Wertung der Initiative enthal­ ten, die ich nicht teile. Die 
Regie- EIN GEMEINSAMER KOMPROMISS rung hat mit der Ausarbeitung einer Regierungsvorlage "den politischen Willen bekundet, als Mittlerin zwi­ schen Fürst und Landtag 
aufzutre­ ten. In zahlreichen Verhandlungen und Gesprächen mit dem Fürsten und dem Erbprinzen ist es gelun­ gen, einen gemeinsamen Kompro­ missentwurf zu verabschieden. Das war nur möglich, weil beide Seiten aufeinander zugegangen sind. Die­ ser Kompromiss wird von der Regierung sowie der Mehrheit des Landtages und der Verfassungs­ kommission als tragfahige Grund­ lage für eine Lösung des Verfas­ sungskonfliktes akzeptiert. Meiner Überzeugung nach wird das in der Verfassung von 1921 geschaffene Machtgleichgewicht zwischen Volk und Fürst dadurch nicht ver­ ändert. Aber, die Initianten der Gegen­ initiative «Verfassurigsfrieden» nehmen für sich in Anspruch, dass ihr Vorschlag die richtige Lösung sei *•« Mit der Initiative 
«Verfassu'ngs-«ln 
einer Demokratie gilt es, auch andere Meinungen zu respektieren»: Regierungschef Otmar Hasler zu gewis­ sen Vorwürfen. frieden» wird deshalb keine Lösung erreicht, weil unsere beste­ hende Verfassung das 
Zusammen- «VERFASSUNGSFRIE- DEN» KEINE LÖSUNG wirken der obersten Staatsorgane in der Gesetzgebung verlangt, vor allem dann, wenn es um Fragen der Kompetenzzuordnung der obersten Staatsorgane geht. Genau das ist hier aber nicht passiert. Die Kom­ promisslösung ist mit der vom Fürsten und dem Erbprinzen einge­ reichten Initiative zu Stande gekommen. Sie werden vom Arbeitskreis Monarchie und Demokratie für Ihre Aussage kritisiert, dass das Sanktionsrecht des Fürsten nicht Gegenstand der Initiative sei, demgegenüber vertritt der Arbeitskreis die Auffassung, das absolute Veto werde nun durch die neu vorgesehene Befristung desselben «zementiert und ver­ stärkt»... Das Sanktionsrecht als solches ist nicht Gegenstand der Initiative des Landesfürsten und dementspre­ chend wird Artikel 9 auch nicht abgeändert Die Gesetzgebung ist die gestaltende Kraft im Staat und ordnet zukunftsgerichtet das 
Zusam- VOLK ERHÄLT DAS LETZTE WORT menleben der Menschen. Sie ist das Herzstück des Dualismus. Die Initiative'ergänzt Art. 65 der Verfas­ sung mit der Bestimmung, dass eine Sanktion innerhalb von sechs Mona­ ten zu erfolgen hat und danach der Gesetzgbbungsprozess abgeschlos­ sen ist. j)iese zeitliche Eingrenzung ist eine Verbesserung gegenüber der bestehenden Verfassung. Ihre Aussage, wonach der Lan- desfürst bei der Richterbestel­ lung ein absolutes Vetorecht habe, wurde als Falschmeldung kritisiert: Es Ist doch in der Tat so, dass der Fürst nur Bei den 
Vorsitzenden der Höchstgerichte ein Veto einlegen kann ... Die Stellungnahme der Regie­ rung hat sich insbesondere auf die vorgebrachten Argumente 
 ; der Venedig-Kommission bezogen. Die Aussage, dass der Fürst nach der neuen Vorlage kein absolutes Y9torecht mehr hat, ist richtig. Das Volk kann die Richterbestellung gemäss der Initiative des Landes­ fürsten und den Erbprinzen in jedem Fall gegen den Fürsten durchsetzen. Demokratie-Verfechter kritisie­ ren, dass Regierung und Europa- rats-Delegationsleiterin die Dringlichkeitsdebatte im Euro­ parat «verhindert» hätten: Warum hat sich die Regierung gegen diese Debatte ausgespro­ chen? Ich bin überzeugt, dass die Ver­ fassungsdiskussion von den Stimmbürgerinnen und Stimmbür­ ger in Liechtenstein entschieden werden muss und nicht Thema einer Dringlichkeitsdebatte im Europarat sein soll. Selbstverständ­ lich bin ich der gleichen Ansicht wie Aussenminister Emst Walch, dass die Regierung, wenn über die Thematik Monarchie und Demo­ kratie beim Europarat umfassend diskutiert wird, gerne dazu Stel­ lung nimmt. So grundlegende Fra­ gen können aber ganz sicher nicht einfach nur in einer nur zweistün­ digen Debatte abgehandelt werden. Delegationsleiterin Renate Wohl­ wend wird nun von den Demo­ kratie-Verfechtern vorgeworfen, Sie hätte «für die Verteidigung der Demokratie hierzulande» keinen Finger gerührt... Die liechtensteinische Delegati­ onsleiterin bei der Parlamentari­ schen Versammlung beim Europa­ rat ist wegen ihres Engagements für Fragen im Bereich der Men­ schenrechte ein hoch geschätztes Mitglied des Parlaments. Renate Wohlwend weiss sehr wohl demo­ kratische Rechte zu verteidigen. Als Landtagsabgeordnete trägt sie dazu bei, dass die demokratischen Rechte in Liechtenstein auch wahr­ genommen 
werden. Sie ist eine jener Persönlichkeiten,*die sich 
durch ihre Europaratsarbeit für unser Land grosse Verdienste erworben hat. Deshalb sind solche Vorwürfe unverständlich. Letztlich hat Renate Wohlwend doch nichts anderes; getan, als sich für einen demokratischen Volksentscheid in Liechtenstein einzusetzen. Wie interpretieren Sie die Absa­ ge der Dringlichkeitsdebatte des Europarätes und die Tatsache, dass der Europarat vor der Abstimmung in Liechtenstein keine Meinung zu den geplanten Verfassungsänderungen abgeben wird? Der Europarat setzt sich immer wieder für die -kulturelle, gesell­ schaftliche und nicht zuletzt auch staatliche Vielfalt in Europa ein. Durch seinen Entscheid, keine Dringlichkeitsdebatte 
durchzu- EUROPARAT FÜR VOLKSENTSCHEID führen, anerkennt der Europarat auch, .dass in Liechtenstein die Stimmbürgerinnen und Stimmbür­ ger demokratisch über die Verfas­ sungsinitiativen abstimmen und entscheiden sollen. Ich möchte hier den Vizepräsidenten des Politischen Ausschusses des Europarates, Micha­ el Spindelegger, zitieren, der dazu sagt, dass die unmittelbare Entschei­ dung 
durch das Volk die höchste Form der demokratischen Auseinan­ dersetzung ist Dieser Aussage habe ich nichts hinzuzufügen. Laut alt Regierungschef Walter Kleber geht es nun um die Schicksalsfrage, ob das Fürsten­ tum Liechtenstein eine Monar­ chie mit einem dualen Verfas­ sungssystem bleiben will, oder ob es zu einer Fassaden-Monarchie verkommen wolle: Teilen Sie seine Ansicht? Ich teile die Meinung von alt Regierungschef Walter Kieber, dass wir heute darüber diskutieren, ob die duale Verfassungsstruktur, wie sie in unserer bestehenden Ver­ fassung grundgelegt ist und wir sie heute kennen, erhalten bleiben soll oder nicht 
 l' ' <
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.