Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

SAMSTAG, 20. DEZEMBER 2003 VOLKS | 
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3 Berufliche Vorsorge macht Sorgen «Nur mit mehr Transparenz kann das Vertrauen der Versicherten zurückgewonnen werden.» VADUZ - Rezession, steigende Ar­ beitslosigkeit und Unsicherheit über die Höhe der Rente, die man nach der Pensionierung erhält, schaffen ein Klima der Verunsi­ cherung. Versicherungsgesell­ schaften, Aufsichtsbehörden und Politik geraten ins Kreuzfeuer der Kritik. Viele Fragen tauchen auf und sind nicht immer einfach zu beantworten. Willi Frommelt, Vor­ sorge- und Finanzplaner bei der Liechtensteinischen Landesbank AG (Vaduz), beantwortet einige grundsätzliche Fragen iur Pen­ sionskassen-Thematik. »Martin Rlsc h Volksblatt: Seit wann gibt es in Liechtenstein die obligatorische, be­ rufliche Vorsorge (Pensionskasse)? Willi Frömmelt: In der Schwciz trat das berufliche Vorsorgegesetz (BVG) bereits am 1.1.1985 in Kraft und in Liechtenstein vier Jahre später am 1.1.1989 das eigenständige, betrieb­ liche Personalvorsorgcgcsetz (BPV). Bis vor einiger Zeit galt das Drei- Säulen-System fiir die Altersvorsor- ge 
als ein sicheres Konstrukt. Wa­ rum wanken die 1. und 2. Siiule? Die staatliche und berufliche Vor­ sorge sind sowohl in der Schweiz als auch in Liechtenstein nach wie vor sehr stabil. Sie bedürfen jedoch ver­ schiedener Anpassungen, weil die Le­ benserwartung der versicherten Perso­ nen ansteigt, die Geburtenrate zurück­ geht 
lind sich somit die Alterspyra­ mide aufgrund dieser demogrüfischen Entwicklung verschiebt. Es. gibt im­ mer mehr ältere und weniger junge Leute. Zusätzlich hatten wir in den vergangenen drei Jahren eine schwie­ rige Wirtschafts- und Börsensituation. Die erste wie die zweite Säule sind obligatorisch. Die Erwerbstätigen werden gezwungen zu sparen, köri­ nen aber nicht direkt Einfluss neh­ men. Warum erzeugt diese Diskus­ sion über die Rentensysteme so vie­ le Emotionen? Es sind in der Schweiz und in Liechtenstein Hunderttausende betrof­ fen. Wenn es um die soziale Sicherheit geht, entstehen schnell Ängste. Es handelt sich um eine komplexe Mate­ rie, die nicht für alle auf den ersten Blick verständlich ist. In der Hitze des Gefechtes haben sachliche Argumente oft einen schweren Stand. ES ENTSTEHEN SCHNELL ÄNGSTE Unmut hat auch die Senkung des Umwandlungssatzes hervorgerufen. Was bezeichnet dieser, womit wird die Senkung begründet und was sind die Folgen fiir den Einzelnen? Der Rentenumwandlungssatz be­ stimmt die Höhe der Jahresrente als • Prozentsatz des angesparten Alters­ guthabens einer versicherten Person. Seit 1985 beträgt dieser in der Schweiz?,2 % für Männer im Renten­ alter 65, das heisst, ein Alterskapital von beispielsweise CHF 100 000 er­ gibt eine lebenslange Rente von CHF 7200 pro Jahr. In Liechtenstein haben die Vorsorgeeinrichtungen mit 7,0 % im Alter 64 gerechnet, was der schweizerischen Lösung entspricht. ES ENTSTEHT EIN FEHLBETRAG Die beiden bestimmenden Grössen für den Rentenumwandlungssatz ha­ben 
sich mittlerweile verändert: die Erträge auf dem Kapitalmarkt, die den technischen Zinssatz beeinflussen, so­ wie die Lebenserwartung / Sterblich­ keit. Mit anderen Worten: Das ange­ sparte Kapital bringt niedrigere Erträ­ ge und sollte erst noch länger reichen. Würde der Umwandlungssatz nicht gesenkt, wird pro Jahr zu viel Geld ausgeschüttet. Es entsteht ein Fehlbe­ trag, der die Solvenz der Pensionskas- sen gefährdet. Das Vorsichtsprinzip verlangt, dass die versichcrungstech- nischcn Grundlagen auf der sicheren Seite liegen. Ein niedrigerer Uniwand­ lungssatz bedeutet aber eine lebens­ lang tiefere Rente für die Versicherten. Liechtenstein kennt keinen Min­ destzinssatz. Wie wird bei uns ver­ zinst und wer bestimmt die Min« destverzinsung? In der Schwciz legt der Bundesrat per Verordnung den Mindestzinssatz fest. In Liechtenstein ist der Stiftungs­ rat der jeweiligen Vorsorgeeinrichtung (= Pensionskasse) dafür zuständig. Bisher haben sich die meisten liech­ tensteinischen Pensionskassen an der schweizerischen Lösung orientiert: seit 1985 lag der Mindestzinssatz bei 4 % und seit 1.1.2003 steht er bei 3,25 %. Ab 1.1.2004 sind neu 2,25 % für die gesetzliche Pensionskasse festge­ legt. Wahrscheinlich werden die liech­ tensteinischen Vorsorgecinrichtungen diesen Satz übernehmen. ZUSÄTZLICHE GE­ WI N N B E T EILIG II N G E N GUTGESCHRIEBEN Es ist aber nicht auszuschlicssen, dass sie auch einen tieferen Zinssatz anwenden werden. Man muss dabei auch berücksichtigen, dass einige Pensionskassen ihren Mitgliedern in den ertragsstarken Jahren zusätzliche Gewi nnbeteil igungen gutgeschrieben haben. Im Zuge der Pensionskassen-Dis­ kussionen wurde auch immer wie­ der betont, dass kleine, unabhängi­ ge Pensionskassen sicherer seien und eine höhere Rente garantieren könnten, weil sie unter anderem ge­ ringere Verwaltungskosten hätten? Stimmen Sie dem zu? Das kann man so nicht sagen. Unser Personalvorsorgcgcsetz (BPV) ist sehr liberal. Der Stiftungsrat einer Vorsor­ geeinrichtung hat viele Gestaltungs­ möglichkeiten. Neben dem bereits er­ wähnten Rentenumwandlungssatz und der Mindestverzinsung sind 
die Risi­ koprämien für Invalidität und Todes­ fall, die Verwaltungskosten sowie die Berechnung der Austrittsleistungen (Freizügigkeit) weitere wichtige Fak­ toren. Es gibt kleinere Kassen, welche ihren Versicherten sehr gute Leistun­ gen bieten, aber beispielsweise beim Austritt wegen Stellenwechsel einen tieferen Zinssatz auf das Alterskapital anwenden. Somit werden auf den ers­ ten Blick ersichtliche Vorteile wieder aufgehoben. Deshalb ist das gesamte Verhalten einer Vorsorgeeinrichtung massgebend. Der Arbeitnehmer kann sich seine Pensionskasse jedoch nicht aussuchen. Sie ist durch das Unterneh­ men vorbestimmt; War der Aufschrei wegen Unter­ deckung bei Pensionskassen ein Sturm im Wasserglas? Von Unterdeckung spricht man, wenn die Kasse heute nicht in der La­ ge wäre, alle Verpflichtungen für alle Versicherten sofort zu erfüllen. Weil nur theoretisch alle Ansprüche gleich­ zeitig fallig werden, können Pensions­v 
yMm,g§g. «Sehr wichtig ist, dass jede versicherte Person im persönlichen Pensionskas­ senausweis jährlich über den versicherten Lohn, Risikoprämien, Verwaltungs­ kosten, Sparbeitrag und Rendite des Altersguthaben Informiert wird.» Willi Frommelt, Vorsorge- und Finanzplaner bei der LLB Vaduz. kassen trotz Unterdeckung die laufen­ den Rentenleistungen auszahlen. Bei einem Deckungsgrad von 90 - 95 % wird der Stiftungsrat längerfristig Sa- nicrungsmassnahmen treffen müssen, sei es auf der Anlagenscite, Kostensei­ tc oder temporär auf der Beitrags­ oder gar Leistungsscite. Mit welchem Risiko dürfen Pen­ sionskassengelder angelegt werden? Wie gross darf der Aktienanteil bei liechtensteinischen Vorsorgeein­ richtungen sein? Gemäss Art. 23 der Verordnung zum Gesetz über die betriebliche Personal­ vorsorge liegt die Gesamtbegrenzung, bezogen auf die Summe der Aktiven, bei 55 % für Aktien, ähnlichen Wert­ schriften sowie andere Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz in Liech­ tenstein, in der Schweiz oder in Dritt­ ländern und maximal bei 30 % für Fremdwährungen. Von welchen Entwicklungen muss bei den Pensionskassen auf lange Sicht ausgegangen werden? Steigen die Prämien, sinken die Renten? Die Rentenumwandlungssätze wer­ den für die überobligatorischen Leis­ tungen sinken (von derzeit 7,0 % auf ca. 5,6 % bei Männern im Alter 64). Auch im obligatorischen Teil ist eine Reduktion auf 6,6 % oder noch tiefer in Diskussion. DER VERSICHERTE MUSS EINE ENTSCHEI- DUNG TREFFEN Das bedeutet, dass die Rente im Vergleich zur Kapitalauszahlung we­ niger attraktiv wird. Die Kapitaloption wird vermehrt wahrgenommen, sofern das 
Reglement der jeweiligen Pen­ sionskasse dies zulässt. Der Versicher­ te muss eine Entscheidung treffen, welche auf seine persönliche Situation abgestimmt ist. Das Thema Einkom­menssicherung 
im Alter gewinnt zu­ nehmend an Bedeutung. Die LLB bie­ tet daher unabhängige und individuel­ le 
Bcratungsdicnstleistungen in die­ sem Bereich an. Auf der Beitragsseite werden die Risikoprämien aufgrund einer starken Zunahme der. Invalidi­ tätsfälle ansteigen. Wo sehen Sie persönlich Hand­ lungsbedarf im Bezug auf gesetzli­ che Änderungen oder Neuregelun­ gen? 
Der Zinssatz-sollte künftig eng an die Entwicklung der Finanzmärktc so­ wie der Inflation gekoppelt sein und sich nicht einfach am Zins für zehn­ jährige Bundesanleihen als Referenz orientieren. Das politische Problem besteht darin, einen repräsentativen und von allen Beteiligten anerkannten Performance-Index zu finden. Nur mit mehr Transparenz kann das Vertrauen der Versicherten zurück gewonnen werden. Die Vorsorgeeinrichtungen / Sammelstiftungen sollten ihre Kapi­ talerträge pro Jahr, die Mutationsge­ winne (durch Stellenwechsel) und den Deckungsgrad (wichtig beim Einkauf in eine Pensionskasse) offen legen. LÄNGERE LEBENSER­ WARTUNG, HÖHERES ALTERSKAPITAL NOT­ WENDIG Sehr wichtig ist, dass jede versi­ cherte Person im persönlichen Pen­ sionskassenausweis jährlich über den versicherten Lohn, Risikoprämien (für Todesfall- und Invaliditätsleistungen), Verwaltung skosten , Sparbeitrag und Zinsertrag bzw. Rendite des Altersgut­ habens informiert wird. Wegen der längeren Lebenserwartung wird ein höheres Alterskapital notwendig, wenn die bisherige Leistungj^tmltcn werden soll. Dieses wird bei uns vom 24. bis 64. Altersjahr in maximal 40 Beitragsjahren angespart. Anstelle ' dieser staiTen Sparphase müsste das Kriterium der Zukunft die Anzahl Le­ bensarbeitsjahre sein. So sollten alle Erwerbstätigen bereits ab dem 18. bis 70. Altersjahr Beiträge zahlen können. Eine längere Anlagedauer bringt auch dank des Zinseszinseffektes mehr Endkapital. Der Autor Willi Frommelt ist Vor­ sorge* und Finanzplaner bei der Liechtensteinischen Landesbank AG, Vaduz. Sein Beralungsschwerpunkt liegt in den Bereichen Pensionspla- nung und Einkommenssicherung im Alter. ANZEIGE # ROLEX Ü •I 
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