Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

FREITAG, 12. DEZEMBER 2003 ^? 
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LESERMEINUNGEN VU-Weihnachtsfeier mit Referendum Es gehört mit zu den Traditionen der beiden grossen Parteien, für Seniorinnen und Senio­ ren Veranstaltungen mit Unterhaltung, Reden" und Geselligkeit durchzuführen. Nach mei­ nem Verständnis sind diese Seniorennach­ mittage vor allem ein Dankeschön an die äl­ tere Generation. Es soll ein Zeichen dafür sein, dass in einer Zeit des Jungen und Dy­ namischen auch die Seniorinnen und Senio­ ren wahrgenommen, geschützt und ihre An­ liegen gehört werden. Als ich aber im Vater­ land den Bericht über die Weihnachtsfeier, der Seniorenunion las, blieb mir der Lebku­ chen im Hals stecken. Offensichtlich warb Landtagsvizepräsident Wolff für ein Refe­ rendum und gab die Unterschriftsbögen zur Unterzeichnung aus. Kann das die Idee einer Weihnachtsfeier sejn? Auch wenn ich sicher bin, dass^ jede und jeder freiwillig unter­ zeichnet hat, so bleibt doch ein schaler Bei­ geschmack hängen. Wurden die Seniorinnen und Senioren zum Referendum aufgeboten? Dass im Umfeld von VU-Mandataren, nach­ dem der Landtagsvize persönlich für das Re­ ferendum warb, ein Gruppendruck entsteht, ist wohl klar. Unsere Gäste an Seniorennach­ mittagen kann ich jetzt schon beruhigen. Ini­ tiativen oder andere Unterschriftsaktionen wird es bei der Bürgerpartei nicht geben. Marcus Vogt, Geschäftsführer FBP ¥ Zum Interview von Bischof Haas Ist es Zufall, dass uns die Biografie des sei. Karl Leisner (1915-1945), 1996 von Papst Johannes Paul II-, seliggesprochen, ausge­ rechnet am Tag der Veröffentlichung des Interviews mit Bischof Haas zufiel? Hierin wird u.a. berichtet, dass der sei. Karl Leisner in seiner tiefen Christusverbundenheit und Marienfrömmigkeit nicht blind war Uber den Zustand der Kirche. Den Aussagen von Erz- bischof Haas stellen wir einen Tagebuchein­ trag Leisners von 1938 entgegen, der uns aus der Seele spricht. Dieser Eintrag lautet: «Was uns so entsetzlich auf die Seele fällt, ist dies vor allem, dass wir das Erstarrte, Verkrampf­ te, Altmodische und Hinterwäldlerische im äusseren Gebaren der Kirche so scharf durchschauen und so bitter am eigenen Leibe und am Leibe des Herrn vor allem verspüren. Der Geist der Freiheit, des Vertrauens, der Weite, der Liebe und Grösse ist durch diesen alten Klüngel und Krimskrams gehemmt - nicht nur das, sondern manchmal in Fesseln geschlagen und in eine lebens- und glaubens­ tötende Zwangsjacke gebannt. Aber wir wol­ len nicht nörgeln. Was siegt, ist die Kraft der grösseren Liebe ...' Und die grössere Liebe wird auch die Kraft zur inneren Reform (Er­ neuerung) der hl. Kirche finden.» Robert Büchel-Thalmaier Christel Amstutz Kurt F. Büchel Margot Hassler Ines Rampone Sr. Lisbeth Reichlin Herbert Rettenmeier Wolfgang Seeger 
Prozess der kleinen Schritte Alt Regierungschef Walter Kieber zu «25 Jahre Europarats-Mitgliedschaft» SCHAAN - In dem kürzlich er­ schienenen Buch von David Be­ attie «Liechtenstein a Modem Hlstory» ist ein eigenes Kapitel dem Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum Europarat gewidmet. Wir unterhielten uns darüber mit alt Regierungschef Dr. Walter Kleber, der seinerzeit massgebliche Vorarbeit zum Europarat-Beitritt geleistet hat «Martin frömmelt . Volksblatt: Wie finden Sie die Darstellung im neuen Buch? Walter Kieber: Die Darstellung in dem bisher leider nur in eng­ lischer Sprache erschienenen Buch ist sehr lebendig und gibt die tat­ sächlichen Abläufe wieder. Was selbstverständlich nicht zum Aus­ druck kommen kann, ist die riesige Arbeit, die hinter dem Unterneh­ men «Beitritt zum Europarat» ge­ standen ist und die Dramatik, mit der alle Beteiligten zeitweilig kon­ frontiert waren. Im Gesamten gesehen, war die Annäherung Liechtensteins an den Europarat und schliesslich die Er­ langung der Vollmitgliedschaft ein Prozess der kleinen Schritte, der zehn Jahre angedauert hat. Die ers­ ten Fühler zum Eurpparat streckte der damalige Regierungschef Ge­ rard Batliner in der zweiten Hälfte der Sechzigeijahre aus. Es ging da­ rum, Europarats-Abkommen beizu­ treten, die für Nicht-Mitgliedstaaten offen standen. Tatsächlich gelang auch der Beitritt zu sechs Abkom­ men, zu denen auch das Europäi­ sche Rechtshilfeabkommen gehör-: te, welches mit verschiedenen Zu­ sätzen heute noch in Geltung steht; In der Mandatsperiode 1970 bis 1974 wurde es möglich, Abgeord­ nete des liechtensteinischen Land­ tags in die Parlamentarische Ver­ sammlung des Europarates als ad- hoc-Beobachter zu entsenden. Zu den ersten Abgeordneten, die als solche in Strassburg auftraten, ge­ hörten Georg Malin aus Mauren und der inzwischen leider verstor­ bene Schaaner Abgeordnete Franz Beck. Seit dieser Zeit wurden liechtensteinischerseits auch ver­ mehrt Arbeitsgruppen und Komi­ tees des Europarates mit Richtern und Regierungsbeamten beschickt. Ab 1974 hatten Sie als Regie­ rungschef und Aussenminister die alleinige Verantwortung für die Europapolitik ••• Diese Aussage muss relativiert werden. Genauso wie 1970 wurde 
«Mit einer Einladung ins <Real> war es nicht getan»: alt Regierungschef Walter Kleber zum Thema Europarats-Beftrltt im Koalitionsabkommen von 1974 zwischen der FPB und der VU ver­ einbart, dass die Aussenpolitik, un­ geachtet 
der Ressortzuständigkeit, als gemeinsame Aufgabe betrachtet wird. Ich darf rückblickend festhal­ ten, dass die Zusammenarbeit mit Vizeregierungschef Hans Brunhart • ausgezeichnet funktioniert hat. Liechtenstein stand in den Jahren ' naicH 1974 günstigen Konstellatio- nen gegenüber. Einmal wurde 1975 ein deutscher Bundestagsabgeord­ neter, nämlich Georg Kahn-Acker­ mann zum Generalsekretär des Eu­ roparates gewählt. Er war Liech­ tenstein von Anfang an besonders gewogen, unterstützte uns wo er konnte und ermunterte uns, mög­ lichst schnell die Voilmitglied- schaft anzustreben. Zum anderen hatte Landtagsprä­ sident Gerard Batliner ab 1974 in der Parlamentarischen Versamm­ lung des Europärates die Stellung und Funktion eines ständigen Be­ obachters inne. Diese verbesserte Position benützte Gerard Batliner; um mit einem immensen Einsatz, den er mit denv ganzen politischen ' Gewicht seines hohen Amtes leis­ tete, das weite «parlamentarische Feld» des Europarates laufend zii beackern, und zwar mit Erfolg, wie sich schliesslich'zeigte. • Aufgrund dieser positiven Um­stände 
wurde von der Regierung "das Tempo verschärft. Man war sich im Waren, dass in den Zentra­ len der wichtigsten Mitgliedsstaa­ ten ides ßuroparates Vorabklärun­ gen getroffen werden mussten, um hinsichtlich der Zustimmung die­ ser Länder zum Beitritt Liechten-' steins einen einigermassen siche­ ren Boden unter den Füssen zu ha­ ben. Diese diplomatisches Ge­ schick und Beharrlichkeit erfor­ dernde Aufgabe wurde vom nach­ maligen Botschafter unseres Lan­ des beim Europarat, Prinz Niko­ laus von Liechtenstein, und vom Leiter des Amtes für Internationale Beziehungen Graf Gerliczy-Burian in erfolgreicher Weise besorgt. Abgesehen von der mir obliegen­ den politischen Lenkung und Ko­ ordinierung aller Schritte, konzen­ trierte ich mich gemeinsam mit Vi­ zechef Brunhart darauf, mit wichti­ gen Repräsentanten der einzelnen Mitgliedsstaaten Gespräche zu führen, sei es, dass diese Repräsen­ tanten von sich aus den Weg nach Vaduz suchten, um sich hinsicht­ lich der Beitrittsfrage Klarheit zu verschaffen, sei es, dass sie von der Regierung nach Vaduz: eingeladen wurden. Mit einer Einladung ins «Real» war es aber nicht getan.- Ich erinnere mich noch lebhaft an ein Gespräch mit dem französischen 
Generalkonsul, der sich eine Mit­ gliedschaft Liechtensteins bezüg­ lich der Präjudizwirkung hinsicht­ lich Monaco nicht vorstellen konn­ te. Nach einem langen und intensi­ ven Gespräch könnten wir ihn über­ zeugen, dass Liechtenstein in seiner verfassungsmässigen Struktur mit Monaco überhaupt nicht vergleich­ bar ist. Schliesslich sicherte er uns zu, dass er in Paris die Aufnahme Liechtensteins empfehlen werde. In besonderer Erinnerung habe ich auch ein Gespräch mit dem Bot­ schafter von Schweden, der grosse Einwände gegen unser Gesell­ schafts- und Bankenwesen geltend machte. Aber auch er verliess unser Land, um der Stockholmer Zentrale zu empfehlen, bei der Aufnahme Liechtensteins in den Europarat keinen Widerstand zu leisten. Sie haben als Regierungschef das Gesuch an den Europarat um Erlangung der Vollmitglied- schaft am 4. November 1977 unterschrieben. Waren Sie sich damals sicher, dass es nicht zu ei­ ner Schlappe kommen könnte, wie sie Liechtenstein 1920 beim Aufnahmeantrag an den Völker­ bund erleben musste? In der Politik ist nichts sicher. Ich habe damals in Übereinstim­ mung mit dem damaligen Landes- fürsten Franz Josef II. und in Ab­ sprache mit allen am Beitrittspro- zess Beteiligten meine Unterschrift unter das liechtensteinische Ge­ such gesetzt, weil wir alle der Mei­ nung waren, dass Liechtenstein das Menschenmögliche getan hat, um zu bekunden, dass es Vollmitglied werden und als solches wie andere Staaten im Europarät mitarbeiten wolle. Am 23. November 1978 war es dann so weit. Der neue Regie­ rungschef Hans Brunhart konnte die liechtensteinische Beitrittsur­ kunde in Strassburg anlässlich ei­ nes feierlichen Aktes deponieren. In den Folgejahren ist es den ein­ zelnen Regierungen und den in die , Parlamentarische. Versammlung entsandten Abgeordneten gelungen, Liechtenstein mit Überzeugung aber auch mit Realitätssinn in die .europäische Grossfamilie hineinzu­ führen. Liechtenstein ist im Euro­ parat ein gleichberechtigtes Mit­ gliedsland geworden und hat als ein dem Rechtsstaat und den Men­ schenrechten verpflichteter Klein­ staat hohes Ansehen erlangt Ich bin zuversichtlich, dass die in den letzten eineinhalb Jahren am Euro­ pahimmel aufgetauchten Wolken sich bald wieder verziehen werden. /jm mM HUBER, Vaduz JÄGGI, Chur, Arosa und Lenzerheide LETTA, Buchs RIEDER, Uznach 
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