Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

DONNERSTAG, 25. SEPTEMBER 2003 
VOLKS I l/fl 11 Tl I D NACHBARSCHAFT BLATT I IVULi I Urft ORCHESTER VEREIN 
31 TAKINO «Tan de Repente» Neues Kino aus Argentinien SCHAAN - Die junge Verkäuferin Marcia ist vom Land nach Buenos Aires gezogen. Sie ist einsam und äusserst scheu - gefangen in ihrer tristen Alltagsroutine. Eines Tages verfolgen sie Mao und Lenin, zwei junge les­ bische Punkfrauen, die sie mit unverfrorener Offenheit aus der Reserve locken: Mao will mit ihr die Nacht verbringen. Halb verführt, halb genötigt, lässt Marcia sich auf ein Ge­ spräch ein. «Liebe, die unerklärbar ist, kann bewiesen werden. Und der Liebesbeweis ist gleich viel wert wie das Gefühl», versichert ihr die launische Mao - sfhon ganz einge­ nommen von der Idee, das unschuldige Mäd­ chen zu verführen. Um eben diese Liebe zu beweisen, laden sie die beiden Frauen zu ei­ nem Ausflug an das Meer ein, das Marcia noch nie gesehen hat. Die Eskapade wird zur Initiationsreise, deren eigentliches Ziel durch immer neue, unvorhersehbare Ereignisse hinausgeschoben wird. Der seltsame Ausflug endet schliesslich in einem Haus, in dem Le­ nins Tante, Felipe und Delia wohnen. Arg­ wohn und Misstrauen, die ursprünglich zwi­ schen den sechs Personen vorherrschen, lö­ sen sich nach und nach in Luft auf, um wie durch Zauberkraft Gefühlen wie Komplizität und Zärtlichkeit Platz zu machen. Aber um das Eis zu brechen, muss man den Tod be­ siegen. «Aus heiterem Himmel» ist ein herr­ liches und witziges Loblied auf Risikofreude und Abenteuerlust und erinnert nicht nur wegen seiner lakonischen Schwarz-Weiss- Fotografie an den frühen Jim Jarmush. Nach «Cidade de deus», «Japon» und «Amores perros» ist «Tan de Repente» ein weiteres Beispiel für die aufregende Wiedergeburt des lateinamerikanischen Gegenwartskinos. «Tan de repente» ist heute Donnerstag so­ wie von kommenden Samstag bis Montag um 20 Uhr im TaKino zu sehen. «Der schwebende Schritt des Storches» Ein Ort an der Grenze Griechenlands, ein Flüchtlingslager, Menschen, die vom Wunsch, diesen Ort zu verlassen, beseelt sind. Ein junger Journalist glaubt, in einem älteren Mann einen vor Jahren nach heftiger Kritik am Establishment verschwundenen Politiker zu erkennen. Es gelingt dem Jour­ nalisten, die Frau des Verschwundenen in das Dorf zu locken. «Angelopoulos ist der Einzi­ ge, der eine Grenze im Kino wirklich zum Thema macht, keine wohlmeinende, tränen­ treibende Flüchtlingsgeschichtc illustriert, sondern fernab vom individuellen Schicksal grundlegende Fragen stellt. <Wieviele Gren­ zen müssen wir überwinden, bis wir daheim sind?>, fragt Marcello Mastroianni im Film. Es ist eine der zentralen Fragen unserer Zeit. Die Aufhebung der äusseren Grenzen sind nur der erste Schritt, der nächste, die Beseiti­ gung der inneren, der wichtigere.» (Walter Ruggle) «Der schwebende Schritt des Storches» ist morgen Freitag sowie kommenden Dienstag um 20 Uhr im TaKino zu sehen. 
Nachbarn kennen lernen Marco Eberle und Max Hari — die Nachbarn kennenlernen ANZEIGE Schaan'/ i.icchtcmt'cin Do;2. 10., 20.09h,TaK, Schaan Irigeborg Bachmann «Eine einzige Stunde frei sein.;.» 
 1 ' Doris Wolters (Rezitation), Charlie Mariano (Sax.) und Dieter Ifg (Bass) feiern dle ; 
Dichterin . Sö;t2- löv 17 h;TaK/S^chaan Charlotte Ringlotte Ein Musical für,Men${lien ab,4 Jahren DI, 14., MI, 15.10., 20.09 h, TaK, Schaan Andreas Vitasek (Poppelganger» www.tak.il ...Immer gut Informiert!' Vorverkauf Mo-fr, 10-12+15-18 Uhr Telefon (00423) 237 59 69 , •'V .Fax (00423)237 59 61. . 
0LTEN - Der Kunstverein Ölten blickt über die nahe Grenze ins bernische Oberaargau. Er hat die beiden seiner Ansicht nach wichtigsten Künstler der Region Langenthal zu einer Doppelaus­ stellung, den im Rheintal gebür­ tigen Marco Eberle und den in Thun geborenen Max Hari. Der Plastiker Marco Eberle (*1968, lebt in Rohrbach) und der Maler Max Hari (* 1950, lebt in Langenthal) ha­ ben für den Kunstverein Ölten eine ausserordentliche Ausstellung erar­ beitet. Zum Ereignis wird sie nicht zuletzt ihrer sensiblen Präsentation wegen, vor allem aber, weil man mit Skulpturen nie gesehener Art kon­ frontiert wird, und weil man erleben kann, dass Bilder, die zugleich in der Tradition der abstrakten wie auch der gegenständlichen Malerei fussen,. den Mantel der Konventionen spren­ gen und uns 
in neuem, aber nicht mo­ dischem Habitus entgegentreten. . Wie alle Ausstellungen besitzt auch diese ihre Vorgeschichte. Der Kunstverein Ölten hat im Lauf der letzten drei Jahrzehnte immer wie­ der Künstlergruppierungen aus den verschiedensten Schweizer Regio­ nen vorgestellt. Aus demTessin, aus Graubünden, Uri, dem Jura, dem Freiburgischen usw. In jüngerer Zeit sind keine solchen Austauschaus­ stellungen mehr realisiert worden. Der Kunstverein Ölten musste die Erfahrung machen, dass das Publi­ kum seine Entdeckerfreude nur we­ nig geteilt hat. Mit der Ausstellung Eberle / Hari wird ein altes Konzept neu aufgenommen. Sie hat sich aus der Idee einer Gruppenausstellung über den bernischen Oberaargau heraus kondensiert. Denn die Oltner bedauern es, dass es leichter ist, aus den Medien zu erfahren, was sich auf der Berliner oder New Yorker Kunstszene tut als was in Langen­ thal und im Unteremmental vor sich geht. 
Sicht- und Schallschutzmau­ ern scheinen die einzelnen Regionen unseres föderalistischen, dem Kan­ tönligeist oft allzu sehr frönenden Kunstbetriebs abzuschotten. Marco Eberle: Gefässe aus Teer und Wellkarton Der heute 35-jährige Grabser 
Marco Eberle und Max Hari oder wie Nachbarn sich näher kommen. Marco Eberle absolvierte seine Spenglerlehre in Bern und blieb da­ mals im Bernbiet hängen. Er war 1995 - 2000 Mitarbeiter des be­ kannten Solothurner Künstlers Franz Eggenschwiler, der in seinen letzten drei Lebensjahrzchnten sein. Atelier in Eriswil hatte. Seit sieben Jahren lebt er im kleinen Dorf Rohrbach, wo er sich direkt'an der Langeten auf einem leer geworde­ nen Fabrikareal seine Werkstatt, Galerieräume und eine Wohnung eingerichtet hat. Der Kontakt mit Franz Eggenschwiler hat im Werk Eberles Spuren hinterlassen. Erst entstanden Objektplastiken, die of­ fensichtlich eine verwandte Sam­ melleidenschaft und eine ähnliche Freude am Spielen und am Spiele­ rischen sichtbar machten. Heute wirken bei Eberle andere Einflüsse Eggenschwilers nach: der Perfek­ tionsanspruch und die Bereitschaft, sich in keiner Weise schonend, Werke zu schaffen, die an die Gren­ zen der physischen Leistungsfähig­ keit führen. Im ersten Stadthaus-Raum zeigt Marco Eberle drei Werke aus glän­ zendem, tiefschwarzem Bitumen (Teer). Sind es drei Objekte oder zeigt Eberle in drei Phasen die Ver­ wandlung einer runden Scheibe in eine grosse Schale? Zur Zeit arbei­tet 
er mit Vorliebe mit Verpa­ ckungswellkarton. Er hat aus einer alten, unterdessen aufgelösten Oberaargauer Spenglerei eine Zu­ schneidemaschine gerettet, mit der er Kreise und Kreisringe leicht und präzise aus dem Karton trennen kann. Mit Hilfe der «Feinblech­ kreisschere» sind seine «Matrosch- ka»-Gruppe und die 17 amphoren­ artigen Doppel-Kegel entstanden. Bei seinen «Matroschkas» im zweiten Raum handelt es sich um 14 Kugelschalenhälften, die - wie die russischen Matroschkas oder Babuschkas - in einer einzigen Schale ineinander verschachtelt werden können. Er zeigt sie am Bo­ den liegend demontiert, zu kugel­ ähnlichen Gebilden gefügt oder als Einzelschalen. Nicht nur an alte Amphoren, wie man sie von Unterwasserfotos von . Schatzsuchern kennt, sondern auch an vergrösserte Spielkreisel denkt man, die man in Ölten als Hurrli- gugger, im Berndeutschen auch als Hurrlibueb, im Zürichdeutschen als Surrli und in Marco Eberles Rhein­ taler Heimat als Zwürbel bezeich­ net. Dadurch, dass vom Wellkarton vor allem die aufgeschnittenen Wa­ ben sichtbar sind, gehen einem hier aber auch Kunstwerke der Natur wie die Nester der Hornissen und 
Wespen durch den Kopf: Geometri­ sches und Organisches findet im dritten Raum eine schöne Einheit. Max Hari: Existentielles aus der Innen-und Aussenwelt Anlässlich fieser Ausstellung ist ein Buch erschienen, das Max Ha­ ris Schaffen der letzten zehn Jahre zusammenfasst. In etwas knapperer Auswahl vermittelt die Ausstellung einen entsprechenden Einblick. Die Übersicht beginnt mit der aus dem Zyklus «Totenmaskenball» (1992) heraus entwickelten Werkgruppe «Erntezeit» (1994 - 1996) und führt dann zu den Holzgraphuren mit Pilz- und Pflanzenthemen. Mit der 
präzise geführten Motorsäge hat der Künstler auf die Platte «ge­ zeichnet» und die Spuren an­ schliessend farbig bearbeitet (1999/,, 2000). Im mittleren Raum flankie­ ren drei Grossformate Max Haris (1997/98) die «Landschafts»-Re- liefs Marco Eberles. Hier scheint es am offensichtlichsten zu werden, dass Max Hari beim Malen mehr will als mit Farben und Formen umgehen, sondern dass Inhaltliches im Vordergrund steht. Haris Den­ ken ist der Existentialphilosophie Sartres verwandt, nach der die ' Existenz nacktes, trostloses Sein bedeutet, aus dem sich der Mensch gleichsam am eigenen Schopf tag­ täglich herausziehen muss. Die drei Grossformate zeigen tragische Si­ tuationen, in denen der Versuch des Individuunis, «sich zu realisieren», scheitert. Der letzte Raum ist den letzten Werken gewidmet, die Hari schlicht «Raumbilder» nennt (2001 - 2003). Die dominanten Braun-, Blau- und Grüntöne drängen die Assoziation Landschaft auf. Expressive Land­ schaftsimpressionen zu malen, wür­ de Max Hari aber nicht genügen. Die Raumbilder sind Ordnungsbil­ der, handeln von Ordnungen, die er dem Chaos in der kleinen und gros­ sen Welt entgegensetzt. Die Ausstellung im Stadthaus Öl­ ten, 10. Stock, Dornacherstrasse 1. ist bis am 26. Oktober, Dienstag bis Freitag 14 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt frei. . (Peter Killer) Virtuos und hoch musikalisch Symphonisches Orchester Liechtenstein und Pianist Jürg Hanselmann VADUZ - Das Symphonische Or­ chester Liechtenstein (S0L) und der Pianist Jürg Hanselmann er­ öffneten die Konzertreihe des TaK mit Schuberts 1. Sinfonie und dem Klavierkonzert Nr. 2 von Johannes Brahms. • Geroll Häuser Sowohl das Orchester unter der souveränen Leitung von Albert Frommelt, wie auch der Solist Jürg Hanselmann boten mit diesem Konzert einen Höhepunkt und zeig­ ten, dass man nicht immer in die Ferne schweifen muss, wenn das Gute so nahe liegt. Spannung Ach ja die Hörner, könnte man seufzen. Aber es blieb bei diesem einen Seufzer, denn das SOL zeig­ te sich ausgezeichnet bei Schuberts 1. Sinfonie, die er 1813, also mit 16 Jahren komponiert hatte - ein Werk im klassischen Duktus und folgerichtig von Albert Frommelt ohne romantische Anklänge inter­ pretiert. Auch im langsamen Satz Hess sich der Dirigent diesbezüg­lich 
nicht in Versuchung führen. Mit dem Klavierkonzert Nr. 2 von Johannes Brahms öffnete sich eine neue, in die Zukunft weisende mu­ sikalische Welt. Allerdings fand 1920 der Brahms-Biograf Walter Niemann das Konzert als «dick­ flüssig und unelastisch», als «Symphonie mit obligatem Kla­ vier» und der Pianist habe seine Kunst an der Garderobe abzugeben und zum «Arbeiter des Klavier­ spiels» zu werden. Jürg Hansel- . mann gelang es, mit immenser Ar­ beit das immer wieder Zähe dieser Komposition flüssig darzustellen, auch, weil das SOL unter Albert Frommelt dem «obligaten Kla­ vier» den dafür notwendigen Raum gab, sodass Jürg Hansel­ mann das vehemente musikalische Aufbegehren 
int 1. Satz in einen gebändigten Dialog münden lassen konnte, ohne das Aggressive zu verschleiern. Selbst im dichtesten Akkorddschungel gelang es Han­ selmann, die Sonnenseite hörbar zu machen. Gelassen zeigte er das Dämonische des 2. Satzes, im An­ dante, entstanden herrliche Augen­ blicke 
voller Wärme bei der 
kam-Jürg 
Hanselmann (links) wird im TaK mit dem symphonischen Orchester unter der Leitung von Albert Frommelt konzertieren. mermusikalischen Begegnung von Klavier und Cello (Beate Reitze- Buj). Komplimente an den grossar­ tigen Streicherklang, das ausge­ zeichnete Zusammenwirken . von Bläser und Streicher," an Albert Frommelt, der die nicht einfache Aufgabe, Orchester und Solisten zusammenzuhalten, grossartig meisterte und an den fantastischen Pianisten Jürg Hanselmann (dem 
mit lang anhaltendem Applaus ein kostbares Geburtstagsgeschenk überreicht wurde), der das ver­ trackte rhythmische Gegeneinan­ der zwischen Orchester und Kla­ vier, die unglaublichen Kadenzen (vor allem im 1. Satz - dass es da­ bei'auch einmal «Ausrutscher» ge­ ben kann, ist bei der Schwierigkeit dieses Werkes fast logisch) virtuos und hoch musikalisch beherrschte.
	        

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