Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

I MITTWOCH, 24. SEPTEMBER 2003 BLATT 
I INLAND VERTRAULICHKEIT REFERAT ZU RASSISMUS NACHRICHTEN Kündigungsschutz für Kindergärtnerinnen VADUZ - Der Staatsgerichtshof hat einen Artikel im Lehrerdienstgesetz aufgehoben, in dem es heisst, dass Kindergärtnerinnen in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zur Gemeinde stehen. Das bedeutet, dass künftig die Gemeinden Kindergärtnerinnen nicht mehr einfach entlassen können, sondern nur noch mit einem Disziplinarverfahren. Hinter diesem Staatsgerichtshofentscheid verbirgt sich die Klage einer Kindergärtne­ rin, die 19 Jahre lang in Mauren angestellt war. Bevor sie nach einem halbjährigen Bil­ dungsurlaub wieder ihre Stelle antreten konnte, kündigte die Gemeinde Mauren das Arbeitsverhältnis mit der Pädagogin. Zur Be­ gründung stützten sich die Behörden auf den Artikel im Lchrerdienstgesetz, in welchem festgehalten wurde, dass Kindergärtnerinnen in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zur Gemeinde stehen und dass für das Ar­ beitsverhältnis die gesetzlichen Bestimmun­ gen über den Einzelvertrag gellen würden. Dies bedeutete im Klartext, dass Kindergärt­ nerinnen im Gegensatz zu den Hauptlehrern nicht definitiv angestellt werden konnten und dass der Gemcinderat sie ohne Angabe von Gründen entlassen konnte. Der Staatsgc- richtshof befand nun, dass diese Schlcchter- stellung der Kindergärtnerinnen gegenüber der.Lehrpersonen nicht verfassungskonform ist und hat den Artikel aufgehoben. Dies hat zur Folge, dass, wenn eine Gemeinde künftig eine fcstangetellte Kindergärtnerin entlassen will, ein Disziplinarverfahren angestrengt werden muss. Das heisst, dass mindestens zwei lnspcktorenbcrichte vorliegen müssen, aus denen hervorgeht, dass die Voraussetzun­ gen für eine Entlassung gegeben sind. Was für Auswirkungen dieser Entscheid des Staatsgerichtshofcs auf die Klage der Kindergärtnerin aus Mauren hat, muss nun der Verwaltungsgerichtshof (ehemalige VBI) entscheiden. (dorn) GEGEN OZON Liechtenstein leistet Beitrag zum Schutz der Ozonschicht VADUZ - Im Jahre 1985 verabschiedete die internationale Staatengemeinschaft ein Pro­ tokoll mit der Zielsetzung, den Einsatz von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) und Halonen schrittweise zu verringern. Im Zen­ trum dieser Überlegung stand die internatio­ nale Besorgnis über den Abbau der Ozon­ schicht. Liechtenstein ist dem Protokoll be­ reits im Jahre 1989 beigetreten. Die Regierung legt nun dem Landtag einen entsprechenden Bericht und Antrag zur Zu­ stimmung vor, da das internationale Proto­ koll in den Jahren 1997 (in Montreal) und 1999 (in Peking) von den Vertragsstaaten ge­ ändert wurde. Die Änderungen betreffen vor allem die nun zwingende Einführung eines Systems zur Erteilung von Ein- und Ausfuhr­ lizenzen für geregelte Stoffe sowie die Auf­ nahme einer weiteren Substanz in das Proto­ koll. (pk) F 125 p 
JAHRE VOLKSBOOT Ereignisse der letzten 125 Jahre BEKÄMPFUNG DER KLEIDERNOT SCHAAN, 14. Februar 1931 - Gestützt auf Anregung aus Frauenkreisen besteht die Ab­ sicht, in allen liechtensteinischen Gemeinden zur Bekämpfung der KJeidernot in Liechten­ stein einen Flickkurs für alle Arten Herren­ kleider lind einen Nähkurs für Anfertigung von Knaben- und Alltagskleidern nach Schneiderart in nächster Zeit abzuhalten. Diejenigen Frauen und Töchter Liechten­ steins, welche einen solchen Kurs mitma­ chen wollen, 
mögen solches innert 8 Tagen schriftlich oder mündlich zur 
Anzeigen brin­ gen, woselbst nähere Auskunft erteilt wird bei Kaufmann, Schneider, Schaan. Morgen: Arg zugerichtet 
«Unverfroren und unseriös» Europarat-Berichterstattung: Elmar Kindle zum Thema «Vertraulichkeit» SCHAAN - Im Zusammenhang mit der Anpassung mehrerer Gesetze an die revidierte Ver­ fassung entpuppte sich in der vergangenen Woche eine hefti­ ge Diskussion im Landtag. Ob­ wohl eine Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung die neue Ver­ fassung annahm, wollen ver­ schiedene Abgeordnete den Volksentscheld und die Ausge­ staltung der Verfassung noch immer nicht akzeptieren. * Peter Wndl a Volksblatt: Anliisslich der letz­ ten Landtagssitzung entfachtc sich eine heftige Grundsatz­ diskussion zum Thema Verfas­ sung. Einige Abgeordnete schei­ nen immer noch Mühe damit zu haben, dass das Volk unsere. Grundordnung mit einer Zwei­ drittelmehrheit ändern wollte. Wie haben Sie diese Debatte empfunden? Elmar Kindle: Die Eintretens- votan habe ich teilweise als sehr emotional empfunden. Ich denke, dass diese Emotionalität und derart unverhältnismässige Repliken nach dem Volksentscheid nicht unbe­ dingt sachdienlich sind; Ebenso sind die in diesem Xusmass formu­ lierten Anschuldigungen nicht nachvollziehbar. Die eigentliche Diskussion war dann alles in allem recht konstruktiv. Es gab einige An­ regungen, welche die Regierung bis zur zweiten Lesung überprüfen wird. Zentral erscheint mir jedoch bei der Diskussion um die Gesetzesan­ passungen, welche im Zusammen­ hang mit der Verfassungsrevision notwendig sind, dass der Volkswil­ le respektiert wird. Diese Verant­ wortung hat der Landtag zu über­ nehmen. Genau jene Abgeordneten, wel­ che die Diskussion immer wieder anheizen, plädieren ebenso aktiv dafür, dass sie die Spaltung der Bevölkerung vermeiden wollen. Erachten Sie es als konstruktiv, 
* % 1 )1 /;rX; 'V' ^ U A.r ' 
_ * 
s 
 4 * * ' 
- J 1 v • • • ^ '-V f ./r 'Vi*' iv (V,Ui* 
- b,.' - •* 
p>r*L, 
- .Vvj ' V- •"•» w Der FBP-Abgeordnete Elmar Kindle zu einem Angebot des VU-Abgeordneten Peter Sprenger: «Papiere möchte ich lediglich offiziell entgegennehmen, nicht aber auf dem Latrinenweg.» immer wieder Salz in die Wun­ den zu streuen? ' Nein, diese Verhaltensweisen sind für alle kontrapröduktiv. Mei­ nes Erachtens sind alle Seiten ange­ halten, sachlich zu bleiben und dementsprechend zu argumentie­ ren. Persönliche Auseinanderset­ zungen sollten - sofern sie nicht unmittelbar zur Sache gehören - nicht in der Öffentlichkeit aus­ diskutiert werden. Ich frage mich, ob der Landtag die richtige Plattform ist, um unhaltbare Anschuldigun­ gen und Emotionen zu platzieren! Seitens der Europaratsbericht- erstattcr soll allenfalls ein Moni­ toring gegen Liechtenstein ange­ strebt werden. Wie bewerten Sie diese Ankündigung? Liechtenstein muss ein allfalliges Monitoring sicherlich nicht scheu­ en, da wir in unserem Land rechts­ staatliche Aspekte seit Urzeiten er­ füllen. Des Weiteren sind entspre­ chende Grundrechte bei uns längst Standard und können von allen frei gelebt werden. Es gibt meines Er­ achtens andere Staaten in Europa, 
die sich von unserem Demokratie­ verständnis eine Scheibe abschnei­ den könnten. Das Dokument der beiden Be­ richterstatter Jürgens und Han­ cock unterstellt Liechtenstein ge­ rade eine mangelhafte Demokra­ tie. Konnten Sie den Inhalt des Berichtes und dessen Ausführun­ gen bereits analysieren? Den Bericht habe ich am späten Abend des 18. September auf postalischem Weg von der Regie­ rung erhalten. Da der Bericht als vertraulich gekennzeichnet ist, werde ich aber keine inhaltlichen Ausführungen dazu abgeben. Das ist für mich ein Grundprinzip: Vertrauliches diskutiere ich in der Öffentlichkeit nicht. Der VU^Abgeordnete Peter Sprenger hat Ihnen den Bericht doch öffentlich in der Landtags­ sitzung übergeben wollen... Das stimmt. Ich habe diesen aber unverzüglich und ungelesen wieder zurückgegeben. Ich möchte dem Abgeordneten Sprenger nicht den 
«schwarzen Peter» in die Schuhe schieben, aber das Vorgehen mit dem vertaulichen Bericht der Be­ richterstatter der Herren Hancock und Jürgens ist für mich nicht in Ordnung. Derartige Papiere möchte ich lediglich offiziell entgegenneh­ men, nicht aber auf dem Latrinen-, weg. 
Insofern erachte ich das Vor­ gehen meines VU-Kollegen Peter • Sprenger als unverfroren und unse­ riös. Des Weiteren möchte ich festhal­ ten, dass ich es als völlig deplat­ ziert empfand, als Peter Sprenger und Paul Vogt im Landtag aus die- , sem vertraulichen und nicht-publi- zierten Bericht zitierten. Ebenso frage ich mich, wie es die Bericht­ erstatter selbst, aber auch (Dese) schaffen, diesen Bericht so zu streuen, obwohl dieser vertraulich ist und der Regierung auch nur auf informellem Wege als vertrauli­ ches Dokument zur Kenntnis ge­ langte. Vor allem das Vorgehen des Dese, den Bericht als vertrauliches Dokument im Internet zu publizie­ ren, ist für mich schlichtweg inak­ zeptabel. Italienische Kollaboration Ein vielschichtiges Referat über eine Rassenpolitik in südlicher Variante 1 
VADUZ - Auf Einladung des Ver­ eins der Liechtensteiner Freun­ de 
von Yad Vashem hielt am Montag Prof. Dr. Carlo Moos in der Fachhochschule Liechten­ stein einen viel beachteten Vor­ trag über die Verfolgung der Ju­ den in Italien und die Mitver­ antwortung des italienischen Faschismus an den Massakern des Nationalsozialismus «Eva Bau m In die gut besuchte Veranstaltung haben auch viele junge Leute den Weg gefunden, um sich den aktuel­ len Vortrag anzuhören. Evelyne Ber- mann, 
Präsidentin des Vereins Liechtensteiner Freunde von Yad Vashem, begrüsste die interessierten Zuhörer und brachie zum Ausdruck, wie aktuell dieses Thema heute noch ist. Anschliessend sprach Klaus Koppe, Vorstandsmitglied des Vereins und Lehrer am Liechtenstei­ nischen Gymnasium. Er wendete sich insbesondere an die anwesen­ den Jugendlichen und betonte, wie wichtig es sei, gerade bei ihrer Ge­ neration Mitstreiter zu finden. Carlo Moos ist ausserordent­ licher Professor am Historischen 
Prof. Dr. Carlo Moos im Bild mit Evelyne Bermann anlässlich eines Vor­ trages in der Fachhochschule Liechtenstein zum Thema: Der Italienische Faschismus gegen die Juden 1938-1945. Seminar der Universität Zürich. Nebst seiner Professur ist er u.a. Mitglied der «Unabhängigen His­ torikerkommission Liechtenstein - Zweiter Weltkrieg». Mit seinem Vortrag will er die Rassengesetzge­ bung des faschistischen Italien ab 1938 und deren Umsetzüng skiz­ zieren. Das faschistische Italien Prof. Dr. Carlo Moos ist ein pro­ funder Kenner des Faschismus in Italien. Er stellte die Frage in den Raum, ob Faschismus wirklich so 
harmlos war, wie Berlusconi be­ hauptete. Die Rehabilitierung Beni­ to Mussolinis durch Italiens Pre­ mier stösst in der Welt auf allge­ meines Unverständnis. Carlo Moos widerlegte dessen 
Äusserung: «Der faschistische Diktator habe nie­ manden umgebracht, allerhöchs­ tem seien damals politische Gegner <ferienhalber> auf Inseln wie Ponza oder Ventotene verbannt worden.» Er entkräftete dies aufgrund vor­ handener Dokumente. Der Referent erläuterte, wie sich der Antisemi­ tismus von unten nach oben hinauf­schraubte 
und das tägliche Leben der Juden negativ beeinflusste. • 1938 wurde die Rassengesetzge­ bung in Italien eingeführt und die Juden aus der Gesellschaft ge­ drängt. So durften sie u.a. nicht mehr im öffentlichen Dienst arbei­ ten und'jüdische Jugendliche wur­ den vom Schulbesuch ausgeschlos­ sen. Bis 1943 verlief das Leben für die wohlhabenden Juden in Italien einigermassen erträglich. Mit mehr Schwierigkeiten sahen sich die in­ tellektuelle Elite und die Beamten und Offiziere konfrontiert. Ab Sommer 1943 wurden alle Juden in Arbeitslagern interniert. Bei der Deportation arbeiteten deutsche und italienischen Kräfte zusam­ men/Tatsächlich unternahmen die italienischen Faschisten nichts, um ihre Landsleute vor dem Tod zu be­ wahren, obwohl sie genauestens Bescheid wussten. Was Ist Yad Vashem Diese vor 50 Jahren in Jerusalem errichtete Holocaust-Gedenkstätte- und Dokumentationszentrum soll das Erinnern an die dunkelste jüdi­ sche Vergangenheit bewahren und moralische Grundwerte für kom­ mende Generationen fördern.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.