Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

FREITAG, 12. SEPTEMBER 2003 
VOLKS BLATT 
INLAND EUROPARAT: MONITORING? KHOL-BESUCH IN VADUZ v MONITORING «Arroganz gegen­ über Kleinstaaten» VADUZ - S.D. der Landesfürst hielt im Interview mit dem Volksblatt fest, dass man die Ankündigung bezüglich einem Monito­ ring-Verfahren nicht überbewerten dürfe. «Es ist ein Rückzugsgefecht jener Kräfte, die grundsätzlich Probleme mit den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates haben.» Offensichtlich hätten diese Personen auch Probleme damit, demokratische Entschei­ dungen zu respektieren. S.D. der Landesfürst sieht allerdings nur sehr minimale Auswir­ kungen auf Liechtenstein. «Man darf nicht übersehen, dass der Europarat in den vergan­ genen zehn Jahren an Bedeutung verloren hat und es stellt sich grundsätzlich die Frage, wie die Zukunft des Europarates aussieht», betonte der Landesfürst. Auf die Frage nach eineip möglichen Austritt Liechtensteins aus dem Europarat hielt S. Di der Landesfürst fest, dass man sich in der Aussenpolitik immer wieder die Prioritäten überlegen sollte. «Wir können nicht auf allen Hochzeiten tanzen»; diese Überlegung könne man sicherlich auch be­ züglich Europarat anstellen. «Es ist ja offen- v sichtlich, dass wichtige Teilnehmer im Euro­ parat uns nicht unbedingt freundlich gesinnt sind.» Landesfürst Hans-Adam äusserte sich auch skeptisch gegenüber der Glaubwürdig­ keit des Europarates: «Mit dieser Vorgangs­ weise hat natürlich auch die Glaubwürdig­ keit des Europarates gelitten.» Schon die Ve­ nedig-Kommission habe sich nicht an die Vorgaben gehalten, Liechtenstein habe keine Gelegenheit erhalten, Stellung zu beziehen. «Ich habe den Eindruck, dass gegenüber Kleinstaaten die Prinzipien des demokrati­ schen Rechtsstaates einfach missachtet wer­ den.» Dass man gegen Liechtenstein nun Monitoring-Aktivitäten plane und gleichzei­ tig sehe, dass ca. 30 000 unbehandelte Fälle wegen Menschenrechtsverletzungen beim Europarat liegen, sei unverständlich. Auf die Argumentation der beiden Bericht­ erstatter Hancock und Jürgens angespro­ chen, hielt der Landesfürst fest, dass man - wenn es nach diesen beiden Berichterstattern ginge - sowohl die 1921er-Verfassung, aber auch die neue Verfassung ausser Kraft setzen müsste. Die Volksentscheidung «wird da­ durch völlig ignoriert». Wenn man den Be­ richt von Hancock und Jürgens gelesen habe, so stelle man fest, «dass der Völksentscheid nicht zählt. Es ist nur das demokratisch, was mit ihrer Meinung kongruent ist: Was nicht in diese Meinung passt, ist inakzeptabel. Dies ist keine Einstellung, auf welcher ein demokratischer Rechtsstaat aufgebaut ist.» Seitens der Berichterstatter sei eine gewisse Arroganz gegenüber Kleinstaaten-festzustel- len, obwohl beide selbst nicht aus Gross­ mächten stammen. «Einer der Berichterstat­ ter hat es nicht für notwendig befunden, den Landtag zu begrüssen und dessen Meinung einzuholen. Man hat befunden, dass es ge­ nügt, wenn man zum Fürsten geht. Offen-, sichtlich war ihm nur daran gelegen, einen Besuch auf dem Schloss zu machen», stellte S. D. Fürst Hans-Adam fest. , Zusammenfassend betonte der Landes­ fürst, dass die erwähnten Kreise grundsätz­ lich Jcritisch gegenüber Monarchien und De­ mokratien eingestellt seien. «Das sind Krei­ se, die nicht unproblematisch sind in ihrer Einstellung.»" An Liechtenstein wolle man nun ein Exempel statuieren. (pk) 
Kein Respekt? Berichterstatter möchten allenfalls Verfassungs-Monitoring-Verfahren einleiten VADUZ - Trotz klarem und deut­ lichem demokratischem. Volks­ entscheid In der Verfassungs­ frage - mit knapp zwei Dritteln Mehrheit wurde die neue Ver­ fassung im März angenommen - ziehen die beiden Europarat- Berichterstatter Erik Jürgens und Michael Hancock ein Moni­ toring-Verfahren in Betracht, um die Verfassungssituation in unserem Land zu überprüfen. Die Regierung bedauert diesen Vorschlag und bekommt dabei namhafte Unterstützung. »Pater Wndl a  ' «Die Regierung hat über die Emp­ fehlung, dass ein Monitoring-Ver­ fahren angestrebt wird, keinerlei; offizielle Information erhalten», betonte Gerlinde Manz-Christ ges­ tern auf die Volksblatt-Anfrage. Die Regierung bedauert aber, dass von den Berichterstattern des Euro«, parats, die Liechtenstein im Juli dieses Jahres besucht haben, ein Monitoring-Verfahren vorgeschla­ gen wird. Das liechtensteinische Volk hat im März mit grosser Mehrheit einer Verfassungsreform zugestimmt und einen demokrati­ schen Entscheid gefällt. «Die Re-' gierung geht davon aus, dass der freie Wille des liechtensteinischen Volkes und ein diesbezüglicher de­ mokratisch zustande gekommener Entscheid innerhalb des demokrati­ schen Systems auch im Europarat zählt. Der Volkswille, den Dua­ lismus von Volk und Fürst als Prin­ zip des Machtausgleichs und als Wesensmerkmal der liechtensteini­ schen Verfassung anzuerkennen; ist zu achten», führte Regierungschef Otmar Hasler aus. Diesen Worten des Regierungs­ chefs schloss sich inhaltlich auch der Generalsekretär des Europara­ tes, Walter Schwimmer an. Schwimmer hat bereits in einer Stellungnahme die Respektierung dieses Volksentscheides gefordert. Zudem stellte auch der österreichi­ sche Nationalratspräsident Andreas Khol, der derzeit in Liechtenstein weilt, plakativ fest, dass das, was jetzt hier läuft, nur noch «ein Nach- geistem» ist. Warum ein Monitoring? Das Ziel eines allfälligen Moni­ torings ist neutral betrachtet unklar: 
Die Regierung bedauert den Vorschlag der Europarats-Berlchterstatter, ein Monitoring-Verfahren gegen Liech­ tenstein einleiten zu wollen. einerseits hat Liechtensteins Bevöl­ kerung eine deutliche Entschei­ dung an der Urne gefällt. Anderer­ seits übten die beiden Berichter­ statter Jürgens .und Hancock primär Kritik an der Verfassung aus dem Jahre 1921. Des Weiteren zeigten sich beide Berichterstatter, die Liechtenstein im Sommer besuchten, nicht sehr interessiert. Hancock verliess un­ser 
Land vorzeitig Richtung Hei-' mat, Jürgens meinte damals noch, er sei *<viel weiser geworden»,, zeigte aber Unverständnis darüber, dass das liechtensteinische Volk seinem Monarchen zugesteht, die ihm verfassungsmässigen Rechte auszuüben. Für eine politisch akti­ ve Rolle des LandesfÜrsteh zeigte er wenig Verständnis. Obwohl das Königshaus in seinem Heimatland STIMMEN Johannes Matt, FBP-Partei Präsident: «Ich war selbst Teil­ nehmer eines . Hearings und habe festge­ stellt, dass sei­ tens der Berichterstatter eine vor- gefasste, inhaltlich falsche Mei­ nung herrscht. Andere Meinun­ gen wurden nicht respektiert. Ich bin aber sicher, dass die Ent­ scheidung der Liechtensteinerin­ nen und Liechtensteiner, welche an der Urne gefällt wurde, im Eu­ roparat respektiert wird.» Renate Wohl- wend, Land­ tagsabgeord­ nete: tlch war am Mittwoch beim Monito- ring-Ausschuss 
persönlich dabei und habe auf bestehende Fehler im Bericht der Berichterstatter hingewiesen. Liechtenstein schenkt den Berei­ chen Rechtsstaatlichkeit, De­ mokratie und Menschenrechte grösste Beachtung. Bei den Be-, richterstattern ist mir aufgefal­ len, dass sie sich stärk an der Ve- nedig-Kommission orientieren. Ich hoffe, dass ich die vorgefas- . ste Meinung in den weiteren Eu- roparatsgremien nicht-wieder-' . finde.» Marcus Vogt, FBP-Geschöfts- führer: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Europarat ei­ ne Zweidrittel­ mehrheit bei ei­ ner ordentlichen Volksabstim­ mung nicht respektiert.» (pk) 
über ähnliche verfassungsmässige Rechte verfügt. Sei eine Handha­ bung dieser Rechte für ihn unmög­ lich. Gelebte Demokratie «Für eine Beurteilung der liech­ tensteinischen Monarchie unter de­ mokratischen 
Gesichtspunkten ist, wie in anderen europäischen Mo­ narchien, auch bei Liechtenstein von der Verfassungswirklichkeit auszugehen», führt die Regierung aus! Liechtenstein verkörpere eine gelebte Demokratie auf rechtsstaat­ licher Grundlage. Unabhängig von der Frage der Machtverteilung zwi­ schen "Fürst und Volk und der ein­ zelnen Befugnisse der.beiden Sou­ veräne seien die Rechtsstaatlichkeit und 
damit die Vorherrschaft des . Rechts durch die liechtensteinische Verfassung vorbildhaft gewährleis­ tet, betont die Regierung in ihrer Medienmitteilung. Wie weiter? Die Absicht der beiden Bericht­ erstatter, ein Monitoring-Verfahren einzuleiten, 
muss erst zunächst vom Büro der Parlamentarischen Versammlung und anschliessend in der Parlamentarischen Versamm­ lung selbst eine Mehrheit finden. Eine endgültige Entscheidung, ob ein Monitoring-Verfahren gegen Liechtenstein eingeleitet wird, wird im Ministerrat getroffen wer­ den. Andreas Khol in Liechtenstein Bildimpressionen zum Vortrag des österreichischen Nationalratspräsidenten Hercllche Begrilssung gestern Abend (v.l.): Europarats-Delegatlonslelte- rln Renate VUohlwend, Regierungschef Otmar Hasler, Landtagspräsldent Klaus Wanger und Natlonalratsprösldent Andreas Khol. 
Das Referat von Nationalratspräsident Andreas Kohl Ober «dls neue Ver­ fassung für Europa» lockte rund 200 Personen In die Fachhochschule Liechtenstein In Vaduz.
	        

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