Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

SAMSTAG, 16. AUGUST 20Ö3 VOLKS BLATT 
STAATSAKT ZUM STAATSFEIERTAG ERZBISCHOF (Fortsetzung von Seite 3, Randspalte) Gehorsams, ja nur'auf diesem Weg wirklich und ganz angenommen. Nur auf diesem kö­ niglichen Weg- der Gotteskindschaft gibt es ein gelingendes und schliesslich gelungenes Leben. Ohne die Verbindung mit Gott und seiner Vatergüte ist der Mensch nie wirklich und ganz angenommen. Ohne Gott kommt der Mensch nie wirklich Und ganz zu sich selbst. •- . Der Mensch ist nicht' - . sein eigener Selbsterschaffer Da der Mens'ch nicht sein eigener Selbster- schaffer ist, sondern Geschöpf und Kind Gottes, definiert er sich nicht aus sich selber, sondern durch Gott, der ihn geschaffen hat und liebt. Ein Kunstwerk entsteht bekannt-, lieh nicht aus sich selbst. Es verdankt sich dem Meister, der es geschaffen hat. Der Mensch als göttliches Kunstwerk ist gerade dann am meisten auf dem Pfad der Sünde, wenn er aus sich gross sein will; wenn er sich selbst genügen möchte: Dispersit superbos mente cordis sui, deposuit potentes de sede, et exaltavit humilesEr zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vomThron und erhöht die Niedri­ gen (vgl. Magnificat). Es kommt dabei un­ weigerlich der Augenblick, da. das Karten­ haus stolzer Selbstgenügsamkeit und hoch­ mütiger Emanzipation vor Gott einstürzt. Dies gilt vom einzelnen Menschen, der sich, von-Gott löst, genauso wie von gottlosen Systemen. Der Irrweg der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. . Der andere Irrweg, den der Mensch gerade heute so oft und oft unmerklich beschreitet, ist derjenige' der Verzweiflung und Hoff­ nungslosigkeit. Der Gegenspieler Gottes - Teufel öder Satan genannt - ist kräftig am . Werk und daran interessiert, möglichst vie­ len Menschen einzuflüstern: Du, dein Leben ist letztlich sinnlos. Koste es aüs bis zum «Gehtnichtmehr» ! Wirf es weg, wenn es dir. .•flieht mehr passf!' Du bist sowieso mfcht-an- gönommen; - Wer Versucht, sich gegen das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Ver­ zweiflung zu betäuben, wird es letztlich doch nicht los. Dies gilt vo'n allen Betäubungsmit­ teln wiaetwa Alkohol, Drogen, ungeordnete Sinnenlust, sinnlose Arbeitswut, stressiges Freizeitverhälteri, ! rastlose Gewinnsucht. Nein, dieser Irrweg darf nicht unser Weg sein; diesen Wahnsinn lassen wir uns nicht einreden. Wir wählen den rechten Weg zum rechten Ziel. Wir wählen dfcn wahren Weg zum ewigen Ziel. Maria, die mit Leib und Seele in den Him­ mel aufgenommen wurde, ist das Zeichen der untrüglichen Hoffnung für uns, die wir den rechten und wahren Weg gehen wollen. Maria ist die Wegweiserin, die uns auf das ewige Ziel , hinlenkt und zum ewigen Ziele führt. Sie lehrt uns, dass wir bei Gott ange- ' nommen sind, wenn wir den Weg des Glau­ bens, der Hoffnung und der Liebe gehen. Sie zeigt uns, dass dieser Weg einmai damit en­ det, dass wir selber in den Himmel aufge­ nommen werden, wenn wir ihn treu und ver­ antwortungsvoll gegangen sind. Amen. Das Erbprinzenpaar mit Kindern beim Singen der Landeshymne zum Abschluss des Staats­ aktes auf dar Schlosswiese. 
«Nach vorne schauen» Ansprache von Landtagspräsident Klaus Wänger.am Staatsakt Liechtenstein ist nach dem Ersten Weltkrieg, in einer Zeit, als in Eu­ ropa tief greifende Veränderungen stattfanden und nach neuen demo­ kratischen Formen des staatlichen Zusammenlebens verlangt wurde, einen eigenen Weg gegangen. Wäh­ rend in Österreich und in Deutsch­ land die Monarchien. zusammen-. brachen' und Republiken. ausgeru­ fen wurden, stand in Liechtenstein die Abschaffung der Monarchie nie zur Diskussion. Bei den Verhandlungen über die Schaffung einer neuen Verfassung konnten sich die Verteidiger der. konstitutionellen Monarchie und die Vertreter einer, parlamentari- ' KOMPROMISS VON FÜRST UND VOLK sehen Monarchie weder auf das ei­ ne noch auf das andere Modell ei­ nigen.. Es kam zu einem Kompro- miss zwischen Fürst und Volk, des­ sen Ergebnis die heute geltende Verfassung von 1921 war. Der staatsrechtliche Charakter unseres Landes wurde in Artikel 2 der Verfassung von .1921 wie folgt neu .bestimmt: «Das Fürstentum Liechtenstein ist eine konstitutio­ nelle Erbinonärchie auf/demokrati­ scher und parlamentarischer Grundlage^ die Staatsgewalt ist im . Fürsten.und im Volke verankert und wird .von. beiden nach Massgabe der Bestimmungen der Verfassung ausgeübt.» _ Die Verfassung von 1921 war die Geburtsstunde des Dualismus, der die Ausübung der Staatsgewalt dem Fürsten und dem Volke gemeinsam übertrug. Seit dieser Zeit befinden- sich die Kompetenzen,, die 
einer- DLE GEBURTSSTUN'-' DE DES DUALISMUS seits dem Fürsten.und andererseits dem Landtag als Vertretungsorgan des Volkes durch die Verfassung zugewiesen wurden, machtmässig in einem ausgewogenen Gleichge­ wicht. Die wichtigsten' Geschäfte des Staates sind zur Gewährleistung die­ ses Gleichgewichts vom Fürsten und vom Landtag im Konsenswege zu 
besorgen. Herausragende Bei­ spiele .hierfür sind die Gesetzgebung und die Bestellung der Regierung. Während 81 Jahren, mit Ausnah­ me in der Zeit des Nationalsozia­ lismus, wurde die duale Staats­ struktur unseres Landes nie in 
Fra- DUALISMUS NIE IN FRAGE GESTELLT ge gestellt. Die Liechtensteinerin­ nen und Liechtensteiner konnten ihre demokratischen Rechte unge­ hindert ausüben. Alle Fürsten machten von ihren. Kompetenzen äusserst zurückhaltend Gebrauch,. .handelten nie willkürlich, sondern immer im Interesse und zum Woh­ le des Staateis. Ihre weise'Voraus­ sicht, ihre politische und wirt­ schaftliche Unabhängigkeit, ihr ho­ hes Ansehen und ihre grosse-Aus­ strahlungskraft im Inland und im. Ausland machten die Fürsten von Liechtenstein bis heute zu Garan­ ten für Stabilität und zum Symbol der staatlichen Einheit. • Im Gegensatz zur Verfassung von 1921, die ohne Volksentscheid in 
«Die Verllerer'diirfen enttäuscht sein, sie sollten Ihre persönliche Befindlichkeit aber nicht zum Leitmotiv ihres Verhältnisses zum Gemeinwesen machen»: Landtagspräsident Klaus Wanger. . Kraft gesetzt wurde, konnten 
erst- ERSTMALS EIN VOLKSENTSCHEID mals in unserer Geschichte die stimmberechtigten Liechtensteirie-- rinnen und Liechtensteiner Mitte März dieses Jahres über die Prinzi­ pien der Verfassung von 1921, das heisst, über den Dualismus zwi­ schen Fürst und Volk, die demokra­ tischen 
Rechte, 
1 den Parlamenta­ rismus und den Rechtsstaat abstim­ men. Es war für mich ein Freudentäg, als ich am Sonntag, 16. März 2003, zur Kenntnis nehmen durfte, dass sich fast zwei Drittel der stimmbe­ rechtigten Liechtensteinerinnen und Liechtensteirier für 'die Beibe­ haltung der Grundprinzipien unse­ rer Verfassung entschieden und be­ sonders dem Kernpunkt, dem 
Dua- «Es WAR FÜR MICH EIIS FREUDENTAG» lismus zwischen Fürst und Volk, zustimmten und damit unserem Grundgesetz eine direkt-demokra­ tische Legitimation verliehen ha­ben. 
Sie haben diesen Entscheid mit Herz und Verstand getroffen. Mit Herz, .weil sie in Dankbarkeit und enger Verbundenheit dem Fürs­ tenhaus treu bleiben wollten, und mit Verstand, weil sie das mit Er­ folg praktizierte Konsensmodell fortsetzen.wollten und im Mitein­ ander von Fürst und Volk die Absi­ cherung der Stabilität 
und die wei­ tere prosperierende .Entwicklung nach innen und nach äussert" sahe'n. Die Befürworter der Verfas­ sungsinitiative erkannten auch, daSs sie dem zwischen der 
Verfas- GLEICHGEWICHT NICHT VERÄNDERT sungskommission des Landtages und dem Regierungschef einerseits sowie dem Landesfürsten und dem Erbprinzen andererseits ausgehan­ delten Kompromiss zustimmen konnten; einem Kompromiss, der •unverrückbar am Dualismus Und damit am Machtgleichgewicht und am Konsensprinzip festhielt. Die Verfassungsreformvorlage, die Gegenstand der Volksabstim­ mung war, enthält neue Kompe­ tenzzuweisungen und einige Kom- petenzverlagerüng'en, die das in der Verfassung von 1921 geschaffen? «... hoch unser Vaterland» (v.l.): Reglerungsrat Alois Ospelt, fraudl Has­ ler, Aussenminlster (Ernst Walch, Reglerungschef Otmar Hasler und Land­ tagspräsident'Klaus Wanger. 
Gleichgewicht ^nicht verändert, sondern im Gegenteil in einigen Bereichen eine weitere Demokrati­ sierung 
der Monarchie und eine Stärkung des Rechtsstaates bewirkt haben. Ausserdem haben die Liech­ tensteinerinnen und Liechtenstei­ ner nach wie vof umfassende Rech­ te auf Initiative und " Referendum und.somit weitaus grössere direkte Einflussmöglichkeiten'auf 
das poli- ' tische Geschehen, in Unserem Lan­ de als andere Völker Europas. Die­ ser direkte Einfluss der Stimmbe­ rechtigten wird durch die Kleinheit des Landes und der daraus resultie-' renden' gegenseitigen Vertrautheit sowie den engen gesellschaftlichen Verknüpfungen noch verstärkt. Die direkte Demokratie, die ein Wesensmerkmal unseres .Staates darstellt, hat ihre eigene 
Gesetz- GEWINNER UND VERLIERER mässigkeit. Es gibt bei einer Ab­ stimmung immer Gewinner und Verlierer. In der direkten Demokra­ tie sollte aber ein Grundsatz über allem stehen: Die Gewinner dürfen sich freuen, sie sollten aber nicht triumphieren; die Verlierer dürfen enttäuscht sein, sie sollten, ihre persönliche Befind- . lichkeit aber nicht zürn Leitmotiv ihres Verhältnisses zum Gemein­ wesen machen. Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner,'die Feierlichkeiten zum heutigen Staatsfeiertag sollen vor allem die Besinnung auf die •staatlichen Grundwerte fördern und das Bewusstsein der Zusammenge­ hörigkeit stärken. In diesem Sinne möchte ich an Sie alle den dringen­ den Appell richten, das Verbinden­ de vor das Trennende zu .stellen, nach vorne zu schauen und 
Wie. in der Vergangenheit - heute und auch morgen - sich vereint mit aller Kraft für unser Liechtenstein, für unsere Heimat, einzusetzen. Gott schütze und bewahre unser'Fürs­ tenhaus und Land und Volk von Liechtenstein! Ich danke Ihnen für Ihre Auf­ merksamkeit und wünsche Ihnen allen ein frohes Fest.
	        

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