Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

DONNERSTAG, 14. AUGUST 2003 VOLKS I I EV I I A EVI m ZUKUNFT LIECHTENSTEIN BLATT I I 
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U EXPERTEN INTERVIEW 
7 GEDANKEN für gute Govemance einen höheren Preis zu bezahlen." Alle Anzeichen deuten auf eine starke Korrelation zwischen Corporate Go­ vemance einerseits und dem langfristigen Aktienkurs und der finanziellen Performance eines Unternehmens andererseits hin... Grosse Versuchung ... Die grösste Herausforderung für inter­ national tätige Unternehmen liegt in der Heterogenität von gesetzlichen Rahmenbe­ dingungen und unterschiedlichen Kulturen in der Welt. Konkret geht es um das Verhal­ ten von Unternehmen bei Themen wie Um- weltverschmutzüng, Kinderarbeit oder Kor­ ruption: Die Versuchung, aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen mit einer Doppelmoral zu operieren ist gross und kann zu internen und externen Problemen, insbesondere beim Controlling und Repor- ting, führen. Dieses Dilemma muss von je­ der verantwortimgsbewussten Unterneh- . mung angegangen werden: Die Qualität der Antwort entscheidet über die eigene Reputa­ tion. Good Govemance und die Prinzipien der Nachhaltigkeit ... Gute Govemance ist eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für ein verantwortungsbewusstes Unternehmensvcr- halten. Ein urtifusscndcr Corporate-Respon- sibilty-Ansatz muss weitergehen und ein kla­ res Bekenntnis zu nachhaltiger Schaffung von sozialen und ökologischen Werten bein­ halten. Mit andern Worten: Corporate Res- ponsibility bezieht Nachhaltigkeitsprinzipicn auf 
der Unternehmensebene mit ein und setzt sie dort um. Das Prinzip der Nachhaltigkeit hat einen Prozess zur Schaffung von dreifachem Mehrwert zum Ziel. Es ist ein Bekenntnis ei­ nes Unternehmens,, seinen Mitarbeitenden, den lokalen Gemeinschaften und der Gesell­ schaft als Ganzes die Möglichkeit zu geben, ihre Lebensqualität zu verbessern. Es um- fasst die effiziente Nutzung von natürlichen Ressourcen (Öko-Effizienz) und den haus­ hälterischen Umgang mit nicht-erneuerbaren Ressourcen. Wirtschaftlich bedeutet dieser Ansatz die Sicherung eines gesunden Cash- flows, um Wachstum, Innovation und lang­ fristige Investitionen zu ermöglichen ... Corporate Responsibility stärkt Wettbewerbsfähigkeit und Ansehen Im globalen Markt sind Wettbewerbsfähig­ keit und Reputation die wichtigsten Trieb- ' kräfte für ein Unternehmen. Produktivität, optimierte Wertschöpfungsketten, Innova­ tion und. Markenwert sind die zentralen Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit. Diese Faktoren sind eng mit Nachhaltigkeit .ver­ knüpft: Effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen, Motivation durch Mitarbeiter­ förderung und Innovation durch eine umfas­ sende Perspektive sind wichtige Motoren für Nachhaltigkeit und deshalb für Wettbewerbs­ fähigkeit. Aber der Wert eines Unternehmens hängt auch von seinem Ansehen ab. Immaterielle Werte wie Verlässlichkeit, Konsistenz, Ver­ trauen und Transparenz-sind ein Teil dessen, was man «Goodwill» nennt - ein nicht zu unterschätzender Faktor um die Differenz zwischen Buchwert und Marktwert eines Unternehmens zu begründen. Der Markt der Meinungen, 
Images und Ansehen ist also ebenso relevant wie der Markt für Güter und, Dienstleistungen. Kurswechsel nötig ... Eine wachsende Anzahl von Fallbei­ spielen zeigen eine positive Verbindung zwischen Good Govemance und Nachhal­ tigkeit auf der einen Seite und Konkurrenz­ fähigkeit und Profitabilität auf der andern. Glaubwürdige Fallbcispiele illustrieren er­ folgreiche unternehmerische Ansätze zu Nachhaltigkeit sowie Govemance und an­ haltendem Unternehmenserfolg. Notwen­ dig wären ausserdem Fallbeispiele, die dar­ legen, wie optimale Rahmenbedingungen auf den Märkten die richtigen Signale aussenden. Sowohl auf der Mikro- wie auf der Makroebene wächst die Verantwortung der Unternehmen einen Kurswechsel Rich­ tung Corporate Responsibility herbeizufüh­ ren. 
Die variable Geometrie Zukunft Liechtenstein - Ein Gespräch mit Professor Ernst A. Brugger gesund, gesellschaftlich sozial und kulturell vielfältig und chancen­ reich. Die Verbindung zwischen den drei Ecken bilden effiziente Verwaltung und Regierung. Es gibt wenig Länder, die das so einmalig leben und darstellen können. Braucht es dazu Mut? Es braucht den Mut einer Füh- •rungsgruppe, die Unternehmer um­ fassen müsste, Leute vom Finanz­ platz, von der Politik, von der Kul­ tur, 
also einer Art intersektorelle Führungsgruppe. Mit dem Erfolg des Landes würde man sich erfolg­ reich positionieren, global, als klei­ ner Player, der genau weiss, was er will: «das ist meine Nische, meine •Position, meine Zukunft». Vieles ist als Mosaiksteine bereits vorhan­ den, daraus muss nun ein dynami­ sches Bild, also ein Film in die Zukunft entstehen. Das braucht Leadcrship, Imagination, Charis­ ma, Partizipation. Wo könnte Liechtensteins Wirt­ schaftspolitik ansetzen? Die stotternde Lokomotive Deutschland ist für Liechtenstein auch ein Vorteil, nämlich für das Anziehen deutscher Betriebe. Die Schweiz erlebt eine noch nie da gewesene Immigration deutscher -Unternehmungen, die die politische und steuerliche Situation in Dcutschland-nicht länger akzeptie­ ren. Es ist eine Art Fluchtbewegung der besten KMUs im Gang. Liech­ tenstein müsste daher von der Standortpromotion her die Chance der Stunde nutzen. Know-how und Wissen ist Liech­ tensteins einziger Rohstoff*. Wo sehen Sie Zukunftschancen für den Denkplatz Liechtenstein? Liechtenstein ist ein klejnes Land, weshalb die Vorstellung falsch wäre, dass alle Bildung, Weiterbildung, Forschungscinrich- tung lokal vorhanden sein muss. Man muss sie vielmehr internatio­ nal vernetzen. Ich sehe Bildungs­ und Forschungsinfrastruktur sehr stark im regionalen Kontext, mit der Universität St. Gallen, den Fachhochschulen und weiteren Angeboten rundherum in der Schweiz und Vorarlberg. Zugleich würde ich die interna­ tionale Anbindung der liechtenstei­ nischen Institute fördern, den inter­ nationalen Austausch von Studen­ ten und Professoren, von interna­ tionalen Projektteams. Für Know-, how gibt es keine Grenzen, wes­ halb man grenzenlos denken-und für ein Thema die besten Köpfe auswählen rriuss. Ein Thema wäre beispielsweise «corporate gover- nance», für das es grossen For- schungs- und Weiterbildungsbedarf gibt. Die Frage der Bildung beginnt aber nicht bei der Fachhochschule, sondern 
mit der Qualität in der Volksschule. Dort wird Mentalität geprägt, wie wir aus der ; 
Erzie­ hungsforschung wissen. Man könn­ te' in den Völksschulen, an den Gymnasien vermehrt Kurse einfüh­ ren, die 
Zusammenhänge der Wirt­ schaft oder der Finanzmärkte leh­ ren. Innovative Ansätze könnten die eigene Situation gut nutzen. Als Mitglied des Expertenrats der liechtensteinischen Regie­ rung befassen Sie sich mit der Position, die Liechtenstein in Eu­ ropa einnimmt. Welche Rolle spielen Kleinstaaten? Die Rolle der Kleinstaaten in Eu­ ropa wird wichtiger im Rahmen der 
Professor Ernst A. Brugger: «Ich plädiere sehr dafür, die Spezifität <Hnanzplatz> als Wurzel zu nutzen. Erstens ist das eine Leistung, die Liechtenstein hervorragend entwickelt hat Und weiter entwickeln wird. Damit würde man eine Wahrnehmung abholen, die schori in den Köpfen sitzt.» Vergrösserung der EU. Je mehr Länder integriert sind, umso stärker wird die Struktur der EU föderativ sein müssen. Die beste förderative Erfahrung haben die mittleren und kleinen Länder. Je mehr Länder integriert sind, umso mehr Koa- litionsmöglichkeiten wird es geben. Und die kleineren Länder werden miteinander rasch, unkompliziert, effizient Koalitionen eingehen. Eine andere Frage ist, welche Art von Integration sinnvoll ist für ein Land wie Liechtenstein. Das ist ausserordentlich schwer zu beurtei­ len. • Liechtensteins Aussenpolitik be­ müht sich sehr um eine freund­ nachbarliche Beziehung zur Schweiz und Österreich. Wie wichtig ist das regionale Engage­ ment Liechtensteins? Das ist für das Land absolut essentiell. Liechtenstein muss je nach Thema und Aufgabenstellung Allianzen bilden. Es gibt keine Aufgabe, die Liechtenstein in einer Glasglocke allein lösen kann. Wahrscheinlich muss Liechtenstein je nach Problem unterschiedliche ZweckbündnisSe eingehen. Die 
Franzosen haben dafür das Wort geprägt: «la gdometrie variable». Die variable Geometrie passt auch zu Liechtenstein. Die Regierung Hasler hat hier offensichtlich eine sehr geschickte Hand. Zugleich muss die funktionale Grösse variie­ ren. So ist der Wirtschaftsräum für Liechtenstein ein anderer als der Bildungsraum. Was bedeutet die Fiirstenfatnilie für Liechtenstein? Für mich als Schweizer, der nie einen König öder Fürsten kannte, hatte Liechtenstein immer eine Art exptische Note mit einer hohen At­ traktivität. Zu verstehen begorlnen habe ich dies erst in meiner Arbeit im Expertenrat. Durch Nachlesen und in Diskussionen wurde mir klar, wie reichhaltig und komplex diese Beziehung ist. Liechtenstein hat eine relativ einmalige Konstel­ lation - weltweit - über die politi­ sche und wirtschaftliche Rolle des Fürstenhauses; Weil dies wieder so eine 
Art Einmaligkeit darstellt, würde ich daraus eine konsequent positive Botschaft entwickeln. Das Fürstenhaus ist eine Trumpf­ karte, die noch konsequenter 
tlurchdacht werden könnte für die Standortatträktivität, für den-inter­ nationalen Dialog, für die Reputa­ tion. Liechtenstein mit de£ Fürsten­ familie, das hat potenziell einen ho­ hen Gehalt, der sich eher gefühls- mässig als rational erfassen lässt. Was geben Sie einem zwanzigjäh­ rigen Liechtensteiner mit auf den Weg, wenn er Sie nach seihen Zu­ kunftsperspektiven fragt? Ich würde jedem jungen Men­ schen sagen: «Mach' eine ausseror­ dentlich gute Grundausbildung, ge- niesse die Voraussetzungen, die du "in Liechtenstein hast, denn die sind positiv und fast einmalig auf der Welt. Dann geh' einige Jahre ins Ausland, mach' eine echte interna­ tionale Erfahrung und komm' zu­ rück. Also verwurzele dich, schau' dir wirklich die 
Welt an und kom­ me zurück mit dieser Erfahrung und integriere dich mit einer Idee;- einem Projekt,-mit einem Unter­ nehmen und entwickle .dein Land auf nachhaltige Weise weiter.» Professor Ernst A. Brugger: «Für die Entwicklung nachhaltiger Finanzpro­ dukte hätte der Finanzplatz Liechtenstein potenziell sehr viel Know-how.» 
Professor Ernst A. Brugger ist einer der vier Experten des Expertenrates der liechtenstei­ nischen Regierung. Ernst Ä. Brugger unterrichtet als Profes­ sor für Raumplanung an der Universität Zürich. Zudem ist er Gründungspartner und Präsi­ dent der BHP - Brugger und Partner AG. Seit vielen Jahren berät er Unternehmen und Insti-. tutionen in Europa, USA, La­ teinamerika, Afrika und Asien. Professor Brugger sitzt im Verwaltungsrät verschiedener Unternehmen und ist Mitglied zahlreicher schweizerischer und internationaler Organisationen. So gehört er dem Exekutivko­ mitee des Internationalen Komi­ tees vom Roten Kreuz (IKRK) an. "Als Mitgründer und.Leiter von «The Sustainability Forum Zürich» engagiert sich Emst A. Brugger für die Umsetzung von Sustainability und Good Gover- nance in Wirtschaft und Politik.
	        

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