Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

DONNERSTAG, 14. AUGUST 2003 
VOLKS I 
| EV I 1 A BVin ZUKUNFT LIECHTENSTEIN BLATT 
I I IM LMN U EXPERTEN INTERVIEW 
6 Gedanken Corporate Responsibility «Verantwortliche Unternehmensführung - Worte und Taten» lautet der Titel eines Arti­ kels von Professor Ernst A. Brogger. Er sieht in der «Corporate Responsibility» die. Ant­ wort auf die wachsende Herausforderung für internationale Unternehmen zwischen Profit und Verantwortung. Eine Zusammenfassung der zentralen Gedarrken: «Corporate Responsibility» basiert auf den Konzepten der Good Governance, und auf den Prinzipien der Nachhaltigkeit, welche die gleichwertige Berücksichtigung von wirtschaftlichen, ökologischen und so?.ialen_ Werten fordern ... Die Globalisierung schafft neue Möglich­ keiten für Unternehmen und der zunehmende Wettbewerb treibt den Innovationsprozess voran. Unternehmen profitieren am stärksten von den neuen Freiheiten, weil sie dank ihrer zunehmenden Überlegenheit betreffend Technologie, Organisation und Ressourcen . gegenüber anderen Akteuren schneller von den sich öffnenden Märkten profitieren kön­ nen. In .Märkten mit zuverlässigen und stabi­ len Rahmenbedingungen sind die Vorteile für Unternehmen noch grösser... Höhere Standards gefordert ... Aber alles hat seinen Preis. Mehr Frei­ heit bedingt gleichzeitig mehr Verantwor­ tung. Stakeholder realisieren immer mehr, dass die Globalisierung neue Fragen mit sich bringt, was den Einfluss von Unternehmen auf die.Gesamtgesellschaft betrifft. Im Raum steht die Forderung nach höheren Standards für das Unternehmensverhalten, Standards, die oft weit strenger sind als die gesetzlichen Vorgaben. Zivilgesellschaft ilfld Politik zei­ gen zunehmend Anzeichen von Unzufrieden­ heit und Misstrauen, oder zumindest grosse Skepsis gegenüber Unternehmen: Verbinden Unternehmen ihre wachsenden Freiheiten mit einem angemessenen Verantwortungsbe- wusstSein? ... ... Als Reaktion auf diese bedrohliche Per^ spektive haben verschiedene Organisationen eine Art Verhaltenskodex für global tätige Unternehmen erarbeitet und publiziert. Die darin enthaltenen Forderungen formulieren eine universellere, ganzheitlichere Vision der Verantwortuhg von Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft. Um eine Wirkung zu erzielen, müssen dem Kodex allerdings Händlungen folgen, zusätzlich ein transpa­ rentes Reporting und verbindliche Regeln der Accountability... Corporate Governance: Notwendig aber nicht hinreichend ... Bei Corporate Governance geht es um Transparenz und Accountability bei der Füh­ rung und dem Controlling im Unternehmen. Es umfasst das Verhältnis zwischen dem Management, dem Verwaltungsrat sowie den Auditoren, Aktionären und weiteren Stake­ holdem... ' ... Gesetzliche und institutionelle Anforde­ rungen werden zunehmend strikter. Aber Good Governance geht über die Einhaltung von Regeln hinaus. Generelle Verhaltensre- geln sind eine gute Basis, aber letztlich muss jedes Unternehmen seine eigene Lösung für die latenten Konflikte zwischen Besitzern (Aktionären) und Akteuren (Management) finden. Was immer die Lösung sein mag, sie muss für alle Stakeholder transparent sein... Corporate Governance und Aktienkurs ... Schliesslich ist Corporate Governance für viele Investoren und Analysten zu einem wich- . tigen Thema geworden. Als Instrument, das die Gewaltentrennung sichert und den Machtmiss­ brauch in Unternehmen verhindert, ist eine gute Governance essenziell für den Schutz der Re­ putation einer Unternehmung. Wo dieser Schutz fehlt, können die Konsequenzen schwerwie­ gend sein, wie die Falle von Enron oder Swiss- air gezeigt haben. Und wie für die Schaffung von Vertrauen gilt, dass viel Anstrengung und Zeit notwendig ist, um einen guten Ruf und eine hohe Glaubwürdigkeit wieder aufzubauen, wenn sie einmal in Frage gestellt sind. Auf der andern Seite kann gute Governance die Wahrnehmung des Unternehmens durch Dritte positiv beeinflussen. Langfristige In­ vestoren wie Pensionskassen sind bereit, Weiter Randspalte Seite 7 
Herausforderung macht stark Zukunft Liechtenstein - Ein Gespräch mit Professor Ernst A. Brugger VADUZ- Liechtenstein hat ein Kommunikationsproblem zu lö­ sen, sagt Professor Ernst A. Brugger, und schlägt vor, das über den Finanzplatz zu tun. Ernst A. Brugger gehört dem Expertenrat der Regierung an, der sich mit Fragen der interna­ tionalen Entwicklung und der Position Liechtensteins in Euro­ pa auseinander setzt. Kornelia Pfeiffer hat mit Professor Brug­ ger ein Gespräch' über die Zu­ kunftschancen Liechtensteins geführt. • Komella Pteltte r Volkshlatt: Herr Professor Brug­ ger, was ist die grösste Stärke Liechtensteins, vVas die grösste Schwäche? Professor Ernst A. Brugger: Stärke und Schwäche haben mit der Kleinheit des Landes zu tun. Die - Schwäche ist: Liechtenstein hat ei­ nen kleinen Binnenmarkt und ist auf andere Märkte angewiesen, hat wenig Machtmittel bei internatio­ nalen Verhandlungen und geniesst deshalb wenig-Aufmerksamkeit. Die Vorteile der Kleinheit sind: Man-kennt sich, die Wege sind, kurz, das Vertraute kann Qualität und'Effizlenz fördern. Eine wichti­ ge Stärke der Kleinheit ist die innere und. äussere 
Herausforderung, der sich Liechtenstein ständig stellen muss. Und der Erfolg ist sichtbar. Das Land ist wirtschaftlich, poli­ tisch, sozial, kulturell, ökologisch ein markantes, schönes Juwel. Ein viel diskutiertes Thema ist das Image Liechtensteins. Man­ che schlagen vor, Liechtenstein solle eine Art Nobelpreis verge­ ben, um sein Image im Ausland aufzupolieren. Geht das so ein­ fach? Man kann mit einem reinen Mar- keting-Gag nicht nachhaltig ein Image fördern. Das ist eine Illu­ sion. Aber rnan kann solche Ideen sehr gut entwickeln auf der Grund­ lage" einer eigenen Substanz und Leistung. Ein Preis müsste also zu tun haben mit der speziellen Leis­ tung Liechtensteins in dieser Welt. Ein anderer Vorschlag lautet, Liechtenstein soll sich als Kom- petenzzentrum für die Verwal­ tung grosser Vermögen nach 
Professör Ernst A. Brugger: «Liechtenstein muss in der Aussenpolitik je nach Thema Allianzen bilden.» nachhaltiger, weltethischer Aus­ richtung spezialisieren. Wäre das eine Chance für den Finanzplatz, sich unter 
den Finanzplätzen zu profilieren? Ich plädiere sehr dafür, die Spezi­ fität '«Finanzplatz» als Wurzel zu nutzen. Erstens ist das eine Lei­ stung, die Liechtenstein hervorra­ gend entwickelt hat und weiter ent­ wickeln wird. Damit würde man eine Wahrnehmung abholen, die schon in den Köpfen sitzt. Denn global wird Liechtenstein nicht als Industriestandort, sondern als Finanzplatz wahrgenommen. Zwei­ tens wird der Finanzplatz in der Welt allgemein skeptisch bis kri­ tisch beurteilt, obwohl Liechten­ stein grosse Fortschritte erzielt hat. Eine Stossrichtung Richtung Nach­ haltigkeit würde diesem Vorwurf entgegen treten. Wie gross ist das Interesse welt­ weit an einer nachhaltigen Fi­ nanzwirtschaft? Die erfolgreichsten Institutionen verstehen Nachhaltigkeit nicht als Feigenblatt, sondern zeigen sich überzeugt, dass Finanzmarktpro­ dukte . mit wirtschaftlichen und gesellschaftlich-sozialen und öko logischen Inhalten langfristig wett­bewerbsfähiger 
sind 
als übliche Finanzprodukte. Den besten Anbie­ tern nachhaltiger Produkte gelingt es bereits, mit den traditionellen Produkten gewinnmässig zumindest gleichzuziehen. 
Die meisten Pro­ dukte bieten weltweit die Finanz- püitz.e Zürich, Genf und London an, in der Grösscnordnung von einem halben Prozent der globalen Assets. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Wo liegt die Chance für Liech­ tenstein? Für die Entwicklung nachhaltiger Finanzprodukte hätte der Finanz­ platz Liechtenstein potenziell sehr viel- Know-how, auch wenn sich das noch wenig in konkreten Pro­ dukten niederschlägt. Der Zeit­ punkt wäre wahrscheinlich richtig, um in Liechtenstein eine solche weitere Spezialität zu entwickeln. Denn als kleiner Markt und als kleiner Player in der Welt bleibt Liechtenstein nur die Möglichkeit, qualitativ hochstehende Nischen zu besetzen. Der Finanzplutz Liechtenstein bekommt international offiziell inzwischen gute Zensuren. Wie kann der Finanzplatz seine Glaubwürdigkeit erhöhen? Professor Ernst A. Brugger: «Das Fürstenhaus ist eine Trumpfkarte, die noch konsequenter durchdacht werden könnte.» 
' Es gilt das Kommunikationspro­ blem zu lösen. Ich glaube nicht, dass Liechtenstein objektiv betrachtet schlechter dasteht als die Schweiz. Doch wie im Fall cicr Schweiz, ist der Ruf nicht der beste. Es besteht das Phänomen, dass ein Land in der Re­ alität das Notwendige vollzieht, die Wahrnehmung international jedoch davon zunehmend abweicht. Was nun also zählt, ist die Verbesserung der Perzeption über die Realität. Um die geschaffene Realität so zu transportieren, dass sich die Wahrnehmung international ändert, muss Liechtenstein offensiv vorge­ hen. Die beste Kommunikation bei Reputatiorisfragen ist natürlich, wenn glaubwürdige Dritte über das Land sagen, wie die Wirklichkeit aussieht. Hiert könnte ein interna­ tionaler Dialog mit den besten Fachleuten der Welt einen leisten, wenn dies medienmässig gut be­ gleitet würde. Liechtensteins Industrie expor­ tiert weltweit forschungsintensi­ ve innovative Spitzentechnologie. Wie könnte die Industrie Nach­ haltigkeit als strategischen Wett­ bewerbsfaktor nutzen? Es gibt ein Grundrezept, das gilt für Liechtenstein wie für den Rest der Welt: konsequente Innovations­ orientierung, Qualitätsorientierung, Effizienzorientierung 
sind Voraus­ setzung für Erfolg. In Liechtenstein gibt es einige brillante Unterneh­ mungen mit sehr starkem Manage­ ment, die auch in Sachen Nachhal­ tigkeit Vorzeigeunternehmen sind. Längst ist ja bewiesen, dass ein Unternehmen, das effizient mit den Umweltressourcen umgeht, nicht nur für die Umwelt etwas tun, son­ dern auch für die Effizienz und den technischen Innovationsgrad des Unternehmens. Nachhaltigkeit ist also ein Effizienz- und ein Innova­ tionsweg. 
Beide führen zu grösse­ rer Wettbewerbsfähigkeit. Die Fra­ ge ist, ob das Management eines Unternehmens dies begreift und konsequent durchsetzt. Gibt es auch eine Nachhaltigs- keits-Strategie für das Land? Ja, und zwar im Sinn einer Iden­ tität und Positionierung Liechten­ stein könnte ein «global leader» in Nachhaltigkeit sein. Die Vorausset­ zungen stimmen und ich würde Liechtenstein auch marketingmäs- sig so positionieren: wirtschaftlich hoch leistungsfähig, ökologisch weiter auf Seite 7
	        

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