Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

SAMSTAG, 25. JANUAR 2003 VOLKS I IMI 
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6 LESERMEINUNGEN Regierung hängt sich weit aus dem Fenster In ihrer Stellungnahme an die Adresse des Europarates schreibt die Regierung: «Den Landesbürgerinnen und Landesbiirgern ste­ hen äusserst weit reichende direktdemokrati­ sche Rechte zu, die in dieser Ausprägung in kaum einem anderen Staat zu finden sind.» Über die Unverfrorenheit dieses einen Satzes kann man staunen wie über die Naivität des ganzen Papiers. Wahrscheinlich ist diese Naivität kalkuliert, das lieisst. man probiert es hall, auf treuherzige Weise, und hofft, es würde.einem in Strassburg schon geglaubt. Richtig' ist, dass die .liechtensteinischen Bürgerinnen und Bürger mit der Form der Volksinitiative ein wichtiges demokratisches Recht hätten, wäre da nicht das Sanktions­ recht. durch welches der Fürst die Ergebnis­ se von Volksinitiativen mit einem' Feder­ strich (alt) oder durch blosses Schweigen (geplant neu) zunichte machen kann. Und zwar nicht mit zeitlich aufschiebender Wir­ kung, sondern absolut. Der Form nach mag es wie Direktdemokratie aussehen, in der Praxis ist dieses Recht unter Uniständen nicht mehr wert als eine blosse Meinungs­ umfrage. Mit Meinungsumfragen könnte aber ein einschlägiges Institut beauftragt werden, es wäre billiger, zumindest nicht so zynisch und demütigend für die Bürgerinnen und Bürger. Auf eine von der Regierung ungewollte Weise richtig ist auch, dass unsere direktde­ mokratischen Rechte in dieser «Ausprägung in kaum einem anderen Staat zu finden sind». Sie sind es aus gutem Grund nicht. Hier sagt die Regierung die Wahrheit, die sie gar nicht sagen wollte. In unserem Nachbarstaat Schweiz beispielsweise gibt es zu Recht eine komplizierte gegenseitige Kontrolle von direkter und repräsentativer Demokratie. Offenbar weiss man dort, wie gefahrlich Dircktde'mokratie unter Umständen sein kann und wer sie nutzen könnte. Dass der Landes­ fürst bereits angekündigt hat, er werde das Ergebnis einer bestimmten Volksinitiative (der sog. Friedensinitialive) nicht sanktionie­ ren, dazu sagt die Regierung in ihrem Schrei­ ben an Strassburg nichts. Hätte sie etwas gesagt, wäre zu sehen gewesen, was es mit den «äusserst weit reichenden direktdemo­ kratischen Rechten» auf sich hat. Auch darü­ ber, dass die repräsentative Demokratie (der Landtag) gelegentlich auf Wunsch des Fürs­ ten und der Regierung schlapp macht-(wie bei der Absage der zweiten Lesung der sog. Fürsteninitiative), verliert sie kein Won. Auch das wäre dann eine besondere «Ausprägung» unserer Demokratie. Direktdemokratie als blosse Meinungs­ umfrage und Selbstdemontage des Parla­ ments. Was kann da die Regierung anderes nach Strassburg schreiben als ein paar leere Sätze, in denen die tatsächlichen Inhalte des Verfassungskonflikls ausgeblendet bleiben. Dass es so naiv geschieht, erstaunt. Glaubt die Regierung, Strassburg wüsste nicht zu hinterfragen, was von vielen Bürgerinnen und Bürgern, und zwar durchaus nicht nur aus parteipolitischen Gründen, seit etlichen Jahren in Frage gestellt wird'.' Die Regierung hängt sich da weit aus dem Fenster (und ihr Aussenminister wird es wohl aufch tun). Ganz schön frech, werden einige denken. Doch sie wird- sich in Strassburg eine böse Lektion darüber holen müssen, dass Demo­ kratie nicht mit leeren Worten gemacht wird (wie beispielsweise in der ehemaligen «Volksdemokratie» DDR). Demokratie ist kein leichtes Ding, ist. manchmal schwer erlernbar, aber die Mühe lohnt sich. Dr. Norbert Haas, Vaduz-Berlin 
FORUM Lebensqualität und Sonntagsarbeit Zum «Aufruf» Dem Leserbrief von Hugo Walser «Aufruf» kann ich nur folgen, denn die jetzigen Expo­ nenten der FBP werden nach den nächsten Landtagswahlen nicht mehr dort sein, wo sie heute sind. Ulrich Beck, Triesenberg 
In der Frage der Liberalisierung unsereT Ladenöffnungszeiten vertritt Herr Regierungsrat Frick im Volksblatt-Interview vom 23. Januar die Ansicht: «Die Entwicklung, welche in anderen Ländern bereits Einzug gehalten hat, wird sich in Liechtenstein nicht aufhalten lassen.» Der LANV vertritt die Ansicht, dass Entwicklungen anderer Län­ der durchaus kritisch hinterfragt, sozialverträglich gesteuert und gegebenenfalls auch aufgehalten werden müssen. Würde der LieclH. Arbeitnehmerinnenverband sich nicht dafür einsetzen, hätte er bald keine Existenzberechtigung mehr. Gesetze sollten nicht nur die Praxis abbilden, sondern unter Berück­ sichtigung gesellschaftlicher Ver­ änderungen Rahmenbedingungen schaffen, die eine nachhaltige soziale, wirtschaftliche und ökolo­ gische Entwicklung unseres Lan­ des und unserer Region ermögli­ chen. Bei der Verordnung II geht es tatsächlich nicht nur um die viel­ diskutierten Ladenöffnungszeiten, sondern um Sonderbestimmungen, welche auf unverhältnismüssige Weise etliche Vorschriften des 
Arbeitsgesetz.es.  zum Schutz der Arbeitnehmenden verschiedener Branchen ausser Kraft setzen oder einschränken (Befreiung von der Bewilligungspflicht für Nachtr und Sonntagsarbeit. Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit. Verlängerung der Arbeitswoche, Verkürzung der täglichen Ruhezeit etc.). Es ist richtig, dass die Vcrnehm- lassungsvorlage der Gewerbe- und Wirtschaftskammer, der Liecht. Industrie- und Handelskammer sowie dem LANV zugestellt wurde. Im Oktober letzten Jahres liessen wir der Regierung daher eine ausführliche Stellungnahme zukommen, in der wir zusammen- gefasst folgende Bedenken äusser­ ten: © Rechtmässigkeit der Verordnung (Gesetzes- und Verfassungskonfor­ mität)" © Aufweichung des kulturell ver­ ankerten arbeitsfreien Sonntags, welche einer 7-Tage-Woch'e den Weg ebnet • Physiologische Beeinträchti­ gungen der • Arbeitnehnienden (Gesundheitsschutz) ® zusätzliche Umweltbelastungen @ Bewilligungsverlahren und Kon- tröllmöglichkeiten 
© einseitige .Auswahl der Ver- nehmlassungsparteien Die ausführliche Stellungnahme des LANV kann unter  www.lanv.li   nachgelesen werden. Wir hätten es begrüsst, wenn sich das Ressort Wirtschaft bezüglich unserer Bedenken mit uns in Ver­ bindung gesetzt hatte und dass eine Verordnung derartiger Tragweite im Landtag behandelt werden würde, auch wenn dies gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Stattdes­ sen wurde die Verordnung II - ohne auch nur ein einziges Komma an der Vernehmlassungsvorlage geändert zu haben - am 19. Dezember, also kurz vor Weih­ nachten erlassen, wie wir aus den Landeszeitungen entnehmen muss- ten. Somit blieb dem LANV als Non- Profit-Organisation mit begrenzten Ressourcen nur sehr wenig Zeit, um vor Ablauf der Beschwerdefrist die notwendigen juristischen Abklärungen zu treffen und ent- . sprechende Massnahmen einzulei­ ten. Da wir aber grundsätzlich die Gesetzes- und Verfassungskonfor- mität der. Verordnung anzweifeln, bleiben uns verschiedene Massnah­ men offen. Wir möchten.aber fest-' halten, dass wir einem konstrukti­ven 
Dialog sowie einer öffentli­ chen Diskussion der Vorlage den Vorzug gegeben hätten. 'Abschliessend möchten wir noch einmal auf das eingangs erwähnte Zitat von Herrn Regierungsrat Frick bezüglich der Entwicklungen im benachbarten Ausland einge­ hen: Die Entwicklung, welche in Liechtenstein im Begriff ist,- Ein­ zug zu halten, lässt sich im benach­ barten Ausland durchaus aufhalten. Als Beispiel soll an der Stelle die erfolgreich agierende «Allianz für den freien Sonntag Österreich» genannt werden. Informationen unter  www.ksoe.at/schnellerleben . Im Namen des Liecht. Arbeit- • nehmerverbands: Sigi Langen­ bahn. Präsident Forum Unter der Rubrik «Forum» ver­ öffentlichen wir Zuschriften und Beiträge von Verbänden, Vereinen, Aktionen und Institu­ tionen. Das «Forum» drückt aus, dass die in-den Beiträgen geäusserten Meinungen nicht mit der Haltung der Zeitung übereinstimmen müssen. Unglaublich und schamlos MAUREN - Obwohl seit länge­ rem bekannt ist, dass die Depo­ nie Mauren voll ist und die Bewilligung 2003 ausläuft, investierte die Gemeinde noch im Jahr 2001 über 50 000 Fran­ ken für eine neue asphaltierte Zufahrt, die von der von Bauun­ ternehmer Bühler angeführten VUivema AG initiiert und projek­ tiert wurde. Weitere 63 000 Franken kamen in der Folge für die Infrastruktur einer Rei­ fenwaschanlage für Lastwagen dazu. Jetzt, wo klar ist, dass die Deponie nicht weitergeführt werden kann und die ganzen Investitionen in den Sand gesetzt sind, zahlt die Gemeinde per Gemeinderatsbeschiuss • vom 22. Januar 2003 nochmals 25 000 Fran­ ken an die Wivema AG für die Instal­ lation und den Abbruch der Reifen­ waschanlage. Der Weg zur Deponie Mauren ist 
buchstäblich mit Vetternwirtschaft gepflastert. Weil einige Bauunter­ nehmer die Privatisierung betrie­ ben und der Bauunternehmer Johann Bühler vor Ort den Gemeinderat überzeugte, dass die neue Zufahrt, «ein strategisch wichtiger Punkt wäre, um auf die Deponieerweiterung zu pochen», warf der den Bauunternehmern nahestehende Gemeinderat alle Bedenken und Aufmerksamkeit - über Bord und unterstützte den von Bühler selbst erstellten Bau-' und Finanzierungsplan für die Zufahrt .vorbehaltlos. Es versteht sich von selbst, dass die Bauarbeiten für die neue Zufahrt samt und sonders von den besagten Bauunternehmen gleich selbst ausgeführt wurden. Teure Zuteilungspolitik Die mehr oder weniger mündlich ausgehandelten Vereinbarungen 
und Begehrlichkeiten liefen aber bald aus dem Ruder und die Kosten türmten sich ins Uferlose. Den Gip­ fel aber erreichte die Deponiege 
1 schichte mit der Anmietung einer Reifenwaschanlage. Für die vom Bauunternehmer Bühler (Wivema AG) angemietete 50 000 Franken teure Waschanlage zahlte die Gemeinde jeden Monat 3650 Fran­ ken Miete. Für die Erstellung des dafür notwendigen Platzes, für die Elektrozuleitung, eine Einfahrtsver­ breiterung etc. und für laufende Kosten berappte die Gemeinde nochmals 63 000 Franken Nach­ tragskredit an die Bauunternehmer. Weil das Land beim Poker uin die Verlängerung der Bewilligung nicht mitspielte 
und die Reifenwaschan- lage nie richtig funktionierte und sich der Privatisierungs-Absicht durch das Aufdecken der Freien Liste öffentlicher Widerstand ent­gegen 
stellte, wurde das Ganze zum Flop. „Doch jetzt nimmt die Zutei­ lungspolitik geradezu groteske Züge ah. Weil «der Firma Wivema AG die Abmietung (der Waschanla­ ge) mündlich in Aussicht gestellt wurde» und weil «diese Waschanla- ,ge quasi unverrichteter Dinge ent­ fernt wird» (Gemeinderatsproto- koll),"steckt die Gemeinde der Bau- untemehmerlobhy für die Installati­ on und den Abbruch der Waschan­ lage weitere 25 000 Franken in die Taschen. Der FBP-beherrschte Gemeinde­ rat Mauren ist in Sachen Deponie seiner politischen Verantwortung nicht gerecht geworden. Die kriti­ schen Fragen der Freien Liste-Ver- treterin wurden allesamt in den Wind geschlagen - für den Steuer­ zahler nicht nur ein selbstgerechtes, sondern auch teures Fehlverhalten. Freie Liste, Ortsgruppe Mauren Protest gegen TV-Sendungen zur Verfassung VADUZ - Die sechs unterzeich­ nenden Organisationen protes­ tieren gegen die vorgesehene Durchführung der TV-Sendun- gen im Landeskanal zur Abstimmung Uber die Verfas­ sungsinitiativen. Die Regierung hat sie so organi­ siert, dass eine offene demokrati-' sehe Auseinandersetzung und damit die Meinungsbildung der Stimmbe­ rechtigen zumindest erschwert, wenn nicht ganz verunmöglicht wird. Die Organisationen fordern, dass die Informalionsscndungen als kontradiktorische Veranstaltungen durchgeführt werden. Demokratie lebt vom Austausch der Argumente in öffentlichen Debatten. Wie aus einer Meldung des Liechtensteiner Vaterlandes vom 23, Januar 2003 hervorgeht,"plant die Regierung drei Fernsehsendun­ gen im Landeskänal: eine für Fürst 
und Erbprinz, eine für die Inilian- ten der Friedensinitiative und eine kontradiktorische Sendung ohne (!) den Initianten. Fürst und Erbprinz. In der Sendung für Fürst und Erb­ prinz (wie auch bei der Sendung . der Friedensinitianten) werden einige ausgewählte Personen ein­ geladen, Fragen zu stellen. Diese Fragesteller dürfen - so ist zu befürchten - keine Kommentare oder Gegenmeinungen äussern. Die Sendungen werden damit naturgemüss sehr einseitig ausfal­ len und zu eigentlichen Propagan­ dasendungen. Es gab wohl noch nie eine Infor­ mationsveranstaltung in einem öffentlich-rechtlichen Medium eines demokratischen Staates, bei der nach Befürwortern und Geg­ nern selektiert wurde. Der Grund, warum dies in Liechtenstein so gemacht werden soll, liegt auf der 
Hand: Fürst und Erbprinz weigern sich, an kontradiktorischen Veran­ staltungen teilzunehmen und sich der Kritik der Gegner ihrer Initiati­ ve zu stellen. Einmal mehr nutzen sie ihre Doppelfunktion in der Ver­ fassungsfrage für die Initiative: Einerseits ist der Landesfürst Staatsoberhaupt, der in dieser Funktion (und nur in dieser Funkti- . on) eine Sonderbehandlung im Landeskanal beanspruchen kann, andererseits sind sie als «gewöhnli­ che Stimmberechtigte» Initianten einer «Volksinitiative», die vom Grundsatz gleiche politische Rech­ te für alle. Landesangehörigen Gebrauch machen wollen. Auf der Strecke bleibt die Mög­ lichkeit für eine demokratische Meinungsbildung. An der Verfas­ sungsdiskussion beteiligen sich auf beiden Seiten alle Parteien und viele Gruppierungen und Bürgerin­nen 
und Bürger. Sie haben grundsätzlich ebenfalls Anspruch,- ihre Meinung im Landeskanal äus­ sern zu können. Dass die Befürworter der Fürs- teninitiative auf das Recht auf eine Auseinandersetzung mit den Kriti­ kern am selben Tisch verzichten, ist verständlich:. Bislang haben sie an den wenigen kontradiktorischen Veranstaltungen Mühe gehabt, stichhaltige Argumente zu finden. An die Überzeugungskraft ihrer Argumente glauben sie mittlerwei­ le wohl selber nicht mehr - was nach der vernichtenden Stellung­ nahme der Venedig-Kommission zur Fürsteninitiative auch nicht mehr verwundern kann. Arbeitskreis Demokratie & Monarchie, Demokratie-Sekreta­ riat, Frauen in guter Verfassung, Freie Liste, Gruppe Wilhelm Beck, Verein Trachter
	        

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