SAMSTAG, 12. JULI 2003 VOLKS I
IMI A IVi n K0P F DER
WOCHE BLATT
I 1 I M L.MIM U IM GESPRACH MIT ROLAND ODERMATT
9 TAKINO «Dark Blue» SCHAAN - Los Angeles, 1992. Im Hexen kessel der kalifornischen Metropole brodelt es. Vier Polizisten werden von der Anklage wegen Ermordung des Schwarzen Rodney King freigesprochen. Der Stadt stehen gewal tige Rassenunruhen bevor. Eine Sonderein heit der Polizei muss sich gerade in einem an deren Fall verantworten. Eldon Perry ist ein bcrühmt-beriichtigter Ermittler; ein Soldat, der Befehle ausführt. Das Denken hat man ihm abgewöhnt. Denn sein korrupter Chef, Van Meter, arbeitet mit allen Methoden, um seine Karriere und seine Brieftasche aufzupo lieren.
Zusammen mit dem jungen Kollegen Bobby Keough kommt Perry einem brutalen Verbrecherduo auf die Spur. Ihr Vorgesetzter aber will von einer Festnahme nichts wissen, da er über diese «Informanten» seit Jahren seine schützende Hand hält. Sojagen die bei den Mitglieder der Spczialeinheit schliesslich einen Unschuldigen in den Tod. Nach dessen vorsützlicher Ermordung wird Perry zuneh mend von Gewissensbissen geplagt und er entschliesst sich, am Tag seiner Ernennung zum Lieutenant mit den schmutzigen Ma chenschaften abzurechnen. Die Geschichte von Starautor und Los-Angeles-Urgestein Ja mes Ellroy, der selbst am Drehbuch mitgear beitet hat, wartet mit vielschichtigen Figuren auf. Gefangen im Dschungel von Verbrechen, Korruption, Amtsmissbrauch und sozialen Konflikten, sind Selbstjustiz und zunehmen de Verrohung an der Tagesordnung. Ron Shelton gelingt es, die genreüblichen Ele mente schlüssig und phantasievoll einzubrin gen: die zunehmende Vereinsamung des Hel den, das Scheitern seiner Ehe, die moralische Verpflichtung gegenüber seinem Vater und Grossvater, die als Polizisten die Stadt Los Angeles «mit Kugeln aufgebaut haben». Dass Eldon Perry am Ende mit dieser Tradition bricht und die korrupte Hierarchie des Poli zeipräsidiums an den Pranger stellt, mag eine Spur zu glatt sein, aber zu den handfesten Aufständen auf den Strassen der Megalopolis passt diese, wie ein Showdown inszenierte Abrechnung wie die Faust aufs Auge. «Dark Blue» ist von heute Samstag bis kommenden Montag jeweils um 20.30 Uhr irri TaKino zu sehen. «Moro no brasil» Eines Tages, Anfang der siebziger Jahre, habe er als Teenager «Deep Purple in Rock» gegen eine Vinylscheibe mit brasilianischer Musik eingetauscht, erzählt ein im Schnee stehender Mika Kaurismäki zu Beginn von «Moro no Brasil» (Ich lebe in Brasilien). Ziemlich verrückt in einer Zeit, als in Europa sich kaum jemand für die Musik des grössten Landes Südamerikas zu interessieren schien. Für den älteren Bruder Aki Kaurismäkis steht diese Anekdote als Gradmesser der Begeiste rung, die ihn gepackt hat für die Rhythmen, die Melodien und das Lebensgefühl Brasi liens. Dieser Enthusiasmus bleibt die vorherr schende Stimmung, mit welcher der Finne als kundiger Reiseleiter durch die Welt brasilia nischer Populärmusik führt. «Moro no Bra sil» verfolgt die Spur der prägenden indiani schen, afrikanischen und europäischen Ur sprünge; der Filmemacher unternimmt dafür eine Reise von immerhin 4000 Kilometern - und muss sich doch auf einen Ausschnitt des musikalischen Reichtums von Brasilien be schränken. Die Reise umfasst hauptsächlich den Nordosten des riesigen Landes, führt durch Pemambuco und Bahia. Kaurismäki stellt eine Fülle von Musikstilen vor, die hier zulande kaum bekannt sind (u. a. Maracatu, Frevo, Coco, Forro), wobei er auf die Präsen tation grosser Stars weitgehend verzichtet. Schliesslich landet und verweilt er in Rio de Janeiro, wo Kaurismäki selbst seit über zehn Jahren seinen Zweitwohnsitz hat und eine Bar betreibt. Neben der Musik vermitteln die Szenen aus Rio auch einige erhellende Ein blicke in das Leben und den Alltag in den Fa- velas, wo für viele Jugendliche Samba, Funk und Rap eine eminent wichtige Rolle spielen bei der Flucht aus einer ansonsten von Gewalt und Armut geprägten Welt. «Moro no brasil» ist heute Samstag um 22.30 Uhr sowie am kommenden Dienstag um 20.30 Uhr im TaKino zu sehen. Filmclub Frohsinn
KOPF DER
WOCHE Der Ball ins Glück Roland Odermatt oder gut essen und trinken und vielleicht Minigolf spielen VADUZ - Normalerweise geht man Minigolf spielen und trinkt vielleicht noch etwas. Bei Ro land Odermatt isst und trinkt man. Und spielt vielleicht noch Minigolf. * Cornelia Hofe r «Minigolf? Um 3 Uhr nachmittags spielt doch niemand Minigolf! Wenn ich dich war, ginge ich ins Freibad.» Die Worte meines Red aktionskollegen sind noch in mei nen Ohren und ich wünschte, er könnte dieses Bild sehen: Bei der Bahn 1 stehen drei Mädchen und drei Jungs bereit und ich höre, wie das Mädchen mit den langen schwarzen Haaren sagt: «Komm, wir spielen gegen die Jungs und die Verlierer müssen ein Eis bezahlen.» Drei Bahnen weiter spielt eine Fa milie - die Mutter hat soeben mit dem ersten Schlag ins Loch getrof fen und die Tochter applaudiert, während der Sohn mit verärgerter Miene Buchhaltung führt. Auf dbr ganzen Anlage gibt es kaum eine Bahn, die leer ist und das gleiche Bild zeigt sich im Gar tenrestaurant. Sowohl die Festbän ke als auch die Gartenstühle sind belegt und am Kiosk hat sich eine kleine Schlange gebildet. Ich stelle mich auch in die Reihe und beob achte das Geschehen bis mich eine freundliche Stimme fragt: «Was hätten Sie gern?» Etwas überrascht, schon an der Reihe zu sein, sage ich: «Ich würd gern ein Interview machen.» Der Mann im Kiosk ist wohl genau so überrascht, lässt sich aber nichts anmerken und sagt: «Klar, gern. Ich komm gleich.» Immer In Bewegung Mit einem Glas Mineralwasser setze ich mich an einen der weissen Tische mit dem farbigen Tischtuch. Neben mir sind zwei ältere Frauen und dann kommt der Herr der Mi nigolfanlage Vaduz, dessen Name ich noch nicht einmal kenne und auch für eine Weile noch nicht er fahren werde, aber trotzdem das Gefühl habe, als ob wir uns schon Jahre kennen würden. Er strahlt und sagt: «Ich liebe es, wenn etwas läuft. Ich bin sieben Tage pro
Wo-Roland
Odermatt: «Das Schönste sind zufriedene und glückliche Gäste. Yes, we can - ist mein Motto, denn al les ist möglich, wenn man will.» che hier. Meistens fange ich um 10 Uhr morgens an und bei diesen wunderschönen Sommerabenden wirds oft Mitternacht bis ich nach Hause komm.» Noch bevor er ei nen Schluck seines schwarzen Kaf fees nehmen kann, springt er wie der auf und sagt: «Sorry, ich komm gleich wieder.» Am Kiosk steht be reits die nächste Gruppe von Ju gendlichen, die auf Schläger und Bälle wartet. Mit schnellen Schrit ten kehrt er an den Tisch zurück. Jetzt wird er plötzlich ruhig und sagt: «Ich habe lange in Südafrika und Australien gearbeitet und sechs Jahre lang war ich mit Frachter schiffen unterwegs. Die Arbeit auf dem Schiff hat mir gefallen, irgend wann musste ich mir aber eingeste hen, dabei zu verwildem. Auf ei nem Frachter hast du keine Aus weichmöglichkeit, du kannst dich nirgends zurückziehen und nach 10, 14 Tagen wird die Atmosphäre immer aggressiver und rauer. Ich
bin aber ein friedliebender Mensch und musste mir eingestehen, dass dies nicht mehr meine Welt war.» Erneut hält mein Gegenüber inne und sagt dann: «15 Jahre Ausland haben mich geprägt. Offener und toleranter gemacht. Die Rückkehr in die Schweiz war ein Schock und ich hab mich immer wieder gefragt: bin ich auch so engstirnig?» Immer ein Lächeln Jetzt lacht er wieder, springt er neut auf und sagt: «Ich bin gleich zurück und übrigens, ich heisse Ro land.» Diesmal ist es eine Mutter mit drei Kindern, die Schokolade- cornetts kauft und innert Sekunden die drei glücklichsten Kinder der Welt hat. Glücklich ist auch der Gastgeber, dessen tiefe Zufrieden heit spürbar und seine Lebensfreu de ansteckend sind. Es überrascht denn auch nicht, weiin er sagt: «Zwischenzeitlich hab ich mich wieder eingelebt. Zuerst hab ich bei
einer grossen Restaurationskette als Chef-Stellvertreter gearbeitet und jetzt bin ich mein eigener Chef. Yes, we can - ist mein Motto, denn alles ist möglich, wenn man will.» Einen kurzen Moment geht sein Blick zum Kiosk und.dann zu den Bahnen, bevor er mit ruhiger, fast verlegener Stimme sagt: «Das Schönste sind zufriedene und glückliche Gäste. Kürzlich hat mir jemand gesagt: Vorher sind wir zum Minigolf spielen gekommen und vielleicht haben wir noch was getrunken. Heute kommen wir, um zu essen und. zu trinken und viel leicht spielen wir noch Minigolf. Das hat mich wirklich sehr ge freut.» Und schon ist Roland wieder weg, zwei ältere Ehepaare warten auf die Bedienung. Ich schau dem bunten Treiben noch ein wenig zli und denk an meinen Redaktions kollegen. Gut, dass ich nicht auf ihn gehört habe. I M GESPRÄCH MIT
ROLAND ODERMATT Roland Odermatt über... ... Minigolf: Ich hab zuerst Billard gespielt und dann hat mich ein Kol lege einmal zum Minigolf mitge nommen. Ich war von Anfang an begeistert und hab dann später so gar ein Angebot von einer deut schen Mannschaft erhalten. Mini golf ist für mich aber vor allem ein geniales mentales Training. Mini golf und Rad fahren haben mir im mer geholfen, mich vom Arbeits- stress zu erholen. ...die Liechtensteiner: Bevor ich die Minigolfanlage übernommen habe, sagten viele Leute zu mir: Die Liechtensteiner sind arrogant. Warum tust du dir das an? Ich habe noch keine Minute bereut, die ich hier verbracht habe. Im Gegenteil, ich habe die Leute bisher als sehr hilfsbereit erlebt. Von Arroganz keine Spur!
... die Monate November bis März: In dieser Zeit ist die Mini golfanlage geschlossen und ich werde wahrscheinlich in einem Skigebiet arbeiten. Ferien? Nein, das war mir viel zu langweilig und ich freu mich auf die Abwechslung. ... Koch und Mechaniker: Diese beiden Berufe habe ich gelernt und heute bin ich zugleich auch noch Gärtner, Einkäufer, Buchhalter... ... vier Herdplatten: Damit muss ich auskommen hier im Minigolf kiosk. Das ist nicht immer einfach, vor allem, wenn ich grosse Grup pen bewirten kann. Irgendwie geht es aber immer, und meine Devise ist: Ich koche für die Gäste und die Gäste essen nicht, was ich koche. ... ein gutes Buch: Lesen ist für mich die einzige Möglichkeit, eine Pause zu machen und inne zu hal ten. Ich liebe gute Bücher!