Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

MITTWOCH, 9. APRIL 2003 VOLKS I l/'DIE^ 
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27 IRAK-KRIEG Verwundete Jessica Lynch sehnt sich nach Heimkehr LANDSTUHL - Die in einer spektakulären Kommandoaktion aus irakischer Gefangen­ schaft befreite US-Soldatin Jcssica Lynch macht im Militürhospilal Landstuhl gesund­ heitliche Fortschritte. Am Montag und Dienstag habe Lynch für mehrere Stunden ihr Bett verlassen können, berichtete Klinik­ chef Oberst David Rubinstein. Nach Aus­ kunft ihrer Familie will die in einem Feuer- gefecht schwer verwundete Soldatin vor allem nach Hause. «Das ist das Einzige, wonach sie gefragt hat», erklärte ihr Bruder Gregory Lynch Jr. am Dienstag: «Sie ist ein wenig müde jetzt.» Und er fügte hinzu: «Sie ist sehr stark, sehr willensstark.» Die 19- Jährige befindet sich nach Auskunft der Arzte nach wie vor auf der Intensivstation. Mehrfach ist sie seit ihrer Rettung durch US-Kommandoeinheiten am 1. April ope­ riert worden. Bei einer ersten kurzen. Begeg­ nung mit der Presse am Dienstag zeigte die Familie von Jessica Lynch, darunter auch ihre Eltern, ausnahmlos ernste Mienen. Acht Soldaten aus Jessicas Einheit waren gefal­ len, als diese in der Nähe von Nassarija im Südirak in einen Hinterhalt geriet. Die 19- Jährige erlitt bei dem Gefecht eine Wunde am Kopf, eine Rückgratverletzung sowie Brüche am rechten Arm, an beiden Beinen sowie am rechten Fuss. Irakische Soldaten brachten sie nach der Gefangennahme in eine Klinik, aus der sie am 1. April von US- Spezialeinheiten befreit wurde. VUHO äussert Besorgnis über Situation in Krankenhäusern GENF - Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat am Dienstag Besorgnis über die zunehmende Überlastung der Krankenhäu­ ser in Bagdad geäussert. Den Kliniken gehe das medizinische Gerät zur Behandlung von Verbrennungen, Splitterwunden und Verlet­ zungen an der Wirbelsäule aus, sagte WHO- Sprecher lain Simpson am Dienstag in Genf. Sie seien vor Kriegsbeginn auf den Normalbetricb und nicht auf eine derartige Ausnahmesituation eingestellt gewesen. Die Hilfsorganisationen hätten den Überblick verloren, wie viele Zivilpersonen insgesamt schon bei den Angriffen verletzt worden seien, sagte Simpson. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK), eine der wenigen noch in Irak operierenden Organisationen, erklärte, die Kapazität der Krankenhäuser sei ausgelastet. Das Perso­ nal arbeite bereits rund um die Uhr. Den Kliniken gingen die Anästhetika aus. Briten richten neue Verwaltung in Basra ein KUWAIT - Nach der Einnahme der südira­ kischen Stadt Basra haben die britischen Streitkräfte am Dienstag damit begonnen, dort die erste Nachkriegsverwaltung des Landes einzurichten. Ein aus der Region stammender Scheich sei gebeten worden, ein Verwältungskomitee zu ernennen, sagte der britische Militürsprccher Chris Vernon. Es handle sich dabei nicht um einen Exilira­ ker, erklärte Vernon, ohne näher auf die Identität des Mannes einzugehen. 
Irakisches Regime am Ende? Blair und Bush zuversichtlich - Fünf Journalisten in zwei Tagen getötet BAGDAD - Die USA und Gross­ britannien rechnen trotz anhal­ tender Gefechte in Bagdad mit dem baldigen Zusammenbruch des irakischen Regimes. Nach einem Luftangriff auf einen mutmasslichen Aufenthaltsort von Saddam Hussein sagte US- Präsident George W. Bush: «Ich weiss nicht, ob er überlebt hat.» Erstmals stiessen ameri­ kanische Truppen am Dienstag von Norden nach Bagdad vor. Auch am Abend erschütterte eine Reihe von Explosionen die irakische Hauptstadt. In mehreren Teilen von Bagdad flammten am Dienstag immer wie­ der Gefechte auf. Die Einwohner flohen zu Tausenden aus der Stadt. Nach heftigen Kämpfen am nördli­ chen Stadtrand bewegten sich US- Einheiten des 5. Korps in Richtung Zentrum. US-Brigadegeneral Vin­ cent Brooks sprach von teilweise heftigem Widerstand der Iraker in mehreren Teilen der Hauptstadt. Dabei komme es auch zu Häuser­ kämpfen, womit das Risiko für die Zivilbevölkerung steige. US-Trup­ pen wehrten nach eigenen Angaben einen irakischen Angriff auf die Umgebung des neuen Präsidenten­ palastes ab, der am Vortag von US- Truppen besetzt worden war. Über 50 Iraker seien getötet worden, sagte ein US-Offizier. Saddam Hussein getroffen? Nach Geheimdienstinformatio­ nen über ein Treffen Saddam Hus-UP: 
v • W>-' * George Bush und Tony Blair rechnen mit dem baldigen Zusammenbruch des irakischen Regimes. seins mit seinen Söhnen wurden vier schwere Bomben auf ein Restaurant im westlichen Stadtteil Mansur abgeworfen. In drei dabei zerstörten Gebäuden wurden nach Angaben von Rettungssanitätern bis zu 14 Menschen verschüttet. Im Südosten von Bagdad kämpften sich Marineinfantcristcn auf den Militärflugplatz Raschid vor. In der Umgebung des internationalen Flughafens wurde ein Erdkampf­ flugzeug des Typs A-10 Warthog von einer irakischen Rakete abge­schossen; 
der Pilot überlebte und wurde von US-Truppen geborgen. Die Eskalation im Kampf um Bagdad hat innerhalb von zwei Tagen fünf Journalisten das Leben gekostet. Einen Tag nach dem Tod des deutschen «Focus»-Reporters Christian Liebig und eines spani­ schen Kollegen bei einem iraki­ schen Raketenangriff wurden bei US-Angriffen drei Kameramänner getötet. Ein Mitarbeiter von Reu­ ters und einer des spanischen TV- Senders Telecinco wurden tödlich 
verletzt, als ein Panzer auf das Hotel Palestinc schoss, den Sitz zahlreicher internationaler Bericht­ erstatter 
in Bagdad. Von Bomben getroffen wurden das Büro des ara­ bischen Fernsehsenders El Dscha­ sira. Dabei kam ein Kameramann ums Leben. Kämpfe wurden auch nördlich von Bagdad und östlich von Kerbela gemeldet. Im Norden Iraks bombardierten US-Flugzeuge weiter irakische Stellungen in der Umgebung der Städte Kirkuk und Chanekin. Reporter zwischen den Fronten Nach 20 Tagen Irak-Krieg wird die prekäre Lage von Journalisten überdeutlich FRANKFURT - «Es kann jeden jederzeit erwischen.» RTL- Reporter Ulrich Klose ist sich der Lebensgefahr bei der Berichterstattung im Irak-Krieg bewusst. Er begleitet dieselbe Einheit der 3. US-Infanteriedivi­ sion wie Christian Liebig und lulio Anguita Parrado, die am Montag bei einem irakischen Raketenangriff ums Leben kamen. Nach 20 Kriegstagen ist die prekä­ re Lage von Journalisten in diesem Krieg, der wie keiner zuvor live im Fernsehen zu verfolgen ist, auf dra­ matische Weise offenkundig geworden. Am Dienstägmorgen wurde erst das Büro des arabischen TV-Senders El Dschasira von US- Raketen getroffen. Ein Kamera­ mann wurde tödlich verletzt. Dann beschoss ein Panzer das Hotel Palestine, in dem die meisten inter­ nationalen Journalisten in Bagdad untergebracht sind. Hier kamen der Reuters-Kameramann Taras Prot- syuk und sein spanischer Kollege Josd Couso ums Leben. Die Treffer in Bagdad lassen Kritiker befürch­ ten, dass die US-Streitkräfte kein Interesse an einer unabhängigen Berichterstattung aus dem Kriegs­ gebiet haben. Zumindest El Dscha­ sira hatte vor einigen Tagen den offenen Zorn der US-Militär- führung auf sich gezogen, weil der Satellitensender Bilder von ameri­ kanischen Kriegsgefangenen ver­ breitet halte. So verweist Otfried Nassauer vom Berliner Informati­onszentrum 
für Transatlantische Sicherheit auf die klar formulierte US-Doktrin der Informationsho­ heit. Demnach wäre es ideal, wenn die Journalisten nur Propaganda machten. Nassauer zufolge ist dies das Ziel des Konzepts der «embed- ded correspondcnts» - das Penta­ gon hat es etwa 500 Reportern ermöglicht, mit den amerikani­ schen und britischen Truppen in den Krieg zu ziehen. Die Reporter vermittelten zwar ein relativ detail­ liertes Bild ihrer Umgebung, sagt Nassauer. Die offiziellen Mitteilun­gen 
der Militärführung seien jedoch ausgesprochen lückenhaft - selbst im Vergleich mit dem Golf­ krieg von 1991. Aus den «Mosaik- steinchen» der eingebetteten Medi­ en sei kein Einblick in das Gesamt­ bild möglich, betont Sicherheitsex- perte Nassauer. Ähnlich sieht es die WDR-Journalistin Sonia Mikich, die als ARD-Kprrespondentiri auch aus dem Tschetschenien-Krieg berichtet hat. Das «Embedded»- Konzept gaukele vor, dass der Krieg immer nur da sei, wo die Journalisten seien, sagt sie. Die 
Journalisten, die mit der Truppe unterwegs sind, müssen eine Viel­ zahl von Regeln einhalten, sonst riskieren sie ihren Rauswurf. Den meisten Medien, die Mitarbeiter in diesen Einsatz schicken, ist zudem klar, dass die Reporter kaum Kritik an den Soldaten üben werden, von denen ihre eigene Sicherheit abhängt. Dagegen ist es schon vor­ gekommen, dass sich US-Feld­ kommandeure mitreisender Jour­ nalisten bedienten, um Kritik an der übergeordneten Führung zu üben. ••vO' 
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