Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

MONTAG, 17. MÄRZ 2003 
VOLKS I 
||V|| A |\| f\ DIE ABSTIMMUNG BLATT I II* L.MIM 
U KONTRA FÜRSTENINITIATIVE 
4 STANDPUNKTE Corina Beck, «Jung.lnitiativ.lnformiert»: Ich habe das Gefühl, das ist kein gutes Ergeb­ nis für die Zukunft Liech­ tensteins. Aber auf lange Sicht werden wir alle wieder in einem Boot sitzen. Was das Positive ist, dass genau bei den Jungen eine sehr starke Motivation Spürbar war, sich mit den Fragen zu beschäftigen: Was für eine Demokratie wollen wir? In was für einer Gesellschaft möchten wir leben? Dazu kam das Bewusst- sein: Ich möchte dazu etwas beitragen. Aber wir waren natürlich auch in unserer Eupho­ rie wie unter einer Glocke. So ist es für uns auch eine Ohrfeige. Benedikt Jehle, «Jung.lnitia­ tiu.lnformiert»: Ich habe mir erhofft, dass die Fürsteninitiative eventuell knapp nicht angenom­ men wird. Vor allem die Angst- macherei und die . Drohungen und die unsachlichen Gespräche und auch die Frage Fürstenhaus oder Europarat haben für das Ergebnis eine wichtige Rolle gespielt. Als Fazit möchte ich sagen, nicht die Argumente haben gewonnen, sondern die Emotionen. Unser Ziel bleibt aber, dass wir uns überparteilich einsetzen ünd ein Zeichen setzen wollen für unser Anliegen, Sachpolitik zu machen und die Demokratie zu stärken. Christel Hilti, Stv. FL-Land- tagsabgeordnete: Wir sind eines der wenigen Völ­ ker, das die eige­ nen Rechte selbst abgibt. Das Ergebnis der Volksabstim­ mung ist eine Katastrophe für unsere Gesell­ schaft. Insgesamt hatte sich alles auf die Frage zugespitzt: pro oder kontra Fürstenhaus? Ich hoffe, dass die Gruppen, die im Sinne der Demokratie ent­ standen sind, weiter an ihrem Anliegen arbeiten. Immerhin hat mehr als ein Drittel der Liechtensteiner/-innen gegen den Fürs­ ten gestimmt. Die werden sich weiterhin melden und aktiv sein. Sebastian Frommelt, Gruppe Wilhelm Beck: Das ist eine Faust ins Gesicht. Nur der Arm, der hinter der Faust steckt, ist schwach. Er hat mit der Träg­ heit der Masse gearbeitet. Ich hoffe, dass die Vaterländische Union, die sich weit aus dem Fenster gelehnt hat, taper ist und auf dem Weg wei­ terzieht. Der Form halber war es eine demo­ kratische Abstimmung. Inhaltlich war die Qualität gefährdet, weil ihr zwei Dämonen auf den Schultern sassen: Ein anderes Ergebnis wird nicht sanktioniert und der Fürst geht nach Wien. 
Gefühle sind stärker Initiative «Verfassungsfrieden» musste klare Niederlage einstecken VADUZ - Eine Ohrfeige ertiielten gestern ilie Gegner der Fürs­ teninitiative. Nur 16,5 Prozent, also nur jeder sechste Liech­ tensteiner sagte «Ja» zur initia­ tive «Verfassungsfrieden». 83,5 Prozent lehnten sie rundweg ab. Zehn Gruppen standen hin­ ter der Friedensinitiative. Die Enttäuschung war gross. «Komella Pfeiffe r «Für mich ist das eine entsetzliche Situation. Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass ein Volk freiwillig einem Einzelneri, nämlich dem Fürsten, die Kontrolle über alle drei Staatsgewalten überlässt. Das muss mir zuerst einmal ein Psycho­ loge erklären.» So die Reaktion von Ursula Wächter, die die Initia­ tive «Verfassungsfrieden» feder­ führend auf den Weg gebracht hatte. Die Juristin und Präsidentin der liechtensteinischen Rcchtsan- waltskammer hatte auf Argumente gesetzt: «Wir haben sachlich argu­ mentiert. Auf der Gegenseite haben die Emotionen eine Rolle gespielt. Es ist alles darauf hinausgelaufen, dass der Fürst wegzieht, dass wir kein Fürstentum mehr sind, dass alle, die sich gegen ihn ausspre­ chen, Monarchieabschaffer sind. Das Ganze ist auf einer emotiona­ len Schiene gelaufen.» Nicht lupenrein Mit der Tour de France verglich Carl Walser, früherer FBP-Partei- sekretär und einer der Urheber der Friedensinitiative, den Verfas­ sungskampf. Die werde auch nicht im Prolog gewonnen. «Unser Volk kämpft seit 300 Jahren um Volks­ rechte und da hat es Fortschritte und Rückschläge gegeben. Jetzt sind wir an dem Punkt eines Rück­ schlages, aber der Kampf um Rechte darf nie aufhören», blieb Carl Walser kämpferisch. «Jetzt ist die Fürsteninitiative angenommen, obwohl das nicht unter lupenreinen demokratischen Bedingungen zustande kam. Der Fürst hat von 
!?.:• « i«*,' , Ursula Wächter und Carl Walser, die federführend waren für die Initiative «Verfassungsfrleden», sind ent­ täuscht, dass sachliche Argumente kein Gehör fanden. vornherein gesagt, alles, was nicht seinem Willen entspricht, akzep­ tiert er nicht. Das ist ein Standard, der für alle, die demokratisch den­ ken, vcrwerfljch ist. Ich erwarte vom Fürsten, vom Erbprinzen, von der Regierung und von der FBP, dass sie sich überlegen, wie sie die 5000 Liechtensteiner, die dem Fürsten das Vertrauen entzogen haben, zurückholen.» Demokratiebewegung lebt «Die Angst vor dem Wegzug des Fürsten hat alles dominiert», ist Peter Sprenger überzeugt, VU- Landtagsabgeordneter und Mit­ glied des Demokratiesekretariats DeSe: «Wir haben schon jahrelang nie von der Sache geredet, sondern mit der Rute im Fenster leben müs­ sen, dass der Fürst nach Wien zieht, wenn wir dem Fürsten nicht Recht geben. Deshalb ist es keine gehörige Abstimmung gewesen. In der Schweiz würde diese Abstim­ mung vom Bundesgericht nicht anerkannt. Für die liechtensteini­ sche Politik befürchte ich, dass die Leute, die liberal denken, in die innere Emigration gehen und dass man nur noch Ja-Sager auf dem Regierungschef-Sessel und im 
Landtag hat. Ich habe, seit ich im Landtag bin, für eine demokrati­ sche Verfassung gekämpft. Ich hatte den Glauben, für das Volk zu kämpfen, ich bin heute vom Volk in die Ecke gestellt worden. Trotzdem bin ich überzeugt, dass der Fürst mit seiner Initiative eine Demokra- tiebewegurig ins Leben gerufen hat. Da haben sich Leute gefunden über die Parteigrenzen hinweg. Ich glaube, die Demokratie wird nicht sterben und Liechtenstein wird am Ende des Prozesses wieder eine demokratische Verfassung haben - wenn wir durchhalten.» Frauen-Kampagne Einer, der mit der Fürsteninitiati­ ve gerechnet hat, ist Paul Vogt, Landtagsabgeordneter der Freien Liste. Die Frauen hätten dabei eine wichtige Rolle gespielt: «Wir wis­ sen aus einer Umfrage, dass die Fürsteninitiative vor zehn Tagen noch keine 50 Prozent hatte. Aber es gab sehr viel Unentschiedene. Beide Seilen haben gemerkt, dass vor allem bei den Frauen noch eini­ ges zu holen war und haben ver­ sucht, sie emotional anzusprechen. Auf der Fürstenseitc war das Thema die Familie. Man hat die 
Fürstenfamilie immer wieder in den Vordergrund gestellt. Es war eine Kampagne, die sich am Schluss ganz extrem auf die Frauen konzentriert hat. Ähnliches gilt für die Friedensinitiative, die mit einem Baby in einem Inserat warb.» Dass 64,3 Prozent der Liechten­ steiner für die Fürsteninitiative stimmten, sei ein Rückschlag für die demokratische Bewegung in Liechtenstein, so Paul Vogt weiter: «Nun wird man abwarten, bis sich die Situation auf dem Schloss geklärt hat. Wann wird die Überga­ be an Erbprinz Alois sein, wie wird sich der Fürst dann zur Politik ver­ halten? Und irgendwann wird man sicher wieder das Gespräch mit dem Fürsten aufnehmen. Das Thema ist nicht definitiv vom Tisch und wenn es je so weit kommen sollte, dass der Fürst eine Regie­ rung auflöst, ohne massive Gründe, dann gibt es sicher die nächste Staatskrise.» Eine Meldung der AP, die Geg­ ner der Fürsteninitiative hätten Ver­ fassungsklage beim liechtensteini­ schen Staatsgerichtshof angekün­ digt, wurde bis Redaktionsschluss nicht bestätigt. Treffen im Vertrauen VU-Parteipräsident will die drei Lager in der VU zusammenführen VADUZ - Das Volk hat Fürst Hans-Adam II. sein Vertrauen ausgesprochen. So sieht es die Parteispitze der VU, die das «doppelte Nein» als Parole aus­ gegeben hatte. Die Lager schei­ nen gespalten in der Vaterlän­ dischen Union. «Komella Pfeiffer  ' Extrem überrascht zeigte sich Alt­ regierungschef Mario Frick, Mit­ glied des Demokratiesekretariats DeSe, über den Sieg der Fürsten­ initiative. «Aber es zeigt», so seine Begründung, «dass sich die Befür­ worter der Fürstenvorlage aus der Diskussion ausgeklinkt haben. Ich glaube, dass die zehn Gruppen mit geraden Rücken aus der Diskussion herauskommen. Erstens, weil sie sich der Diskussion gestellt haben. Und zweitens, weil sie sich zum Teil rührend um Diskussionen bemüht haben.» Zur Frage über die drei Lager in der VU - die Parteispitze mit dem «doppelten Nein», die Gruppe, die sich für die Friedensinitiative und die Gruppe, die sich für die Fürs-Altregierungschef 
Mario Frick (rechts) war überrascht über den trium­ phalen Sieg der Fürsteninitiative. teninitiative stark machten - sagt Mario Frick: «Ich glaube, bei bei­ den grossen Parteien hat es einen gewissen Bruch gegeben. Ich meine, dass man sich klar positio­ nieren sollte, innerhalb der FBP wie in der VU, wenn es um so funda­ mentale Fragen geht. Ich fände es 
richtig, wenn es die Parteien jetzt durcheinander schütteln würde, damit es klare Positionen gibt.» «Der Landesfürst und der Erb­ prinz haben die Vertrauensabstim­ mung klar gewonnen», sagt VU- Parteipräsident Heinz Frommelt. «Das sagt nicht allzu viel über die 
Verfassungsvorlage aus, sondern über das Vertrauen. Daher kann es auch nicht überraschen, aber auch nicht darüber hinweg täuschen, dass die jetzt geltende Verfassung keine grundsätzlich demokratische Ver­ fassung mehr ist. Zum doppelten Nein> gab für uns keine Alternative. Wenn inhaltsmässig die Bestim­ mungen so sind, dass die Demokra­ tie zurückgedrängt wird, dann kann man dem nicht zustimmen. Bei einer Vertrauensfrage, die nur als Vertrauensfrage gestellt worden wäre, hätten wir klar ja gesagt.» Die drei Positionen in der VU zu integrieren, hält Heinz Frommelt nicht für schwierig: «Das <doppclte Nein> und der Verfassungsfrieden waren inhaltlich relativ nahe. Eine grössere Aufgabe ist es, die gespal­ tenen Lager des doppelten Neins> und des Verfassungsfriedens mit dem der Fürsteninitiative wieder zusammenzufassen. Aber es ist kein Problem insofern, weil die Partei­ spitze die Vertrauensfrage ebenfalls mit ja beantwortet hätte. Insofern kann man sich in der Vertrauensfra­ ge auch treffen.»
	        

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