Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

FREITAG, 14. MÄRZ 2003 VOLKS I ||\|| A|V|r\ AUFRUF DER LANDESFÜRSTIN BLATT 
I I I M LM Ii IJ BEDEUTUNG DER MONARCHIE 
5 Fürstenhaus Liebe Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner Wir haben in Liechtenstein eine glückliche Kindheit verbracht. Unsere Freunde und. unscre Familie verbinden uns eng mit dem Land und der Bevölkerung Liechtensteins. Liechtenstein ist unsere Heimat und wir ver- lolgen die Entwicklung im Lande mit gros­ ser Anteilnahme. Die Abstimmung über den von Fürstenhaus, Regierung und Verfas­ sungskommission erarbeiteten Verfassuhgs- vorschlag ist von ausserordentlicher histori­ scher Bedeutung. Wir haben uns deshalb entschlossen, mit dieser Stellungnahme an die Öffentlichkeit zu treten. Der neue Verfassungsvorschlag beinhaltet wesentliche Verbesserungen zur jetzigen Verfassung. Kompetenzen werden klarer definiert und der Rechtsstaat gestärkt. Mit diesem Vorschlag werden eindeutig beste­ hende Rechte des Fürsten zugunsten des Volkes abgegeben. Ausserdem kann das liechtensteinische Volk erstmals über eine Volksabstimmung die Monarchie abschaf­ fen. Dieses Recht gibt der Monarchie eine zusätzliche Legitimation, die übrigens in keiner anderen europäischen Monarchie gegeben ist, und bedeutet eine Weiterent­ wicklung unserer Monarchie. Der Vorwurf vom Machtzuwachs des Fürsten ist daher nicht gerechtfertigt. Das Fürstenhaus hat seit- der Staatsgrün­ dung sowohl in der liechtensteinischen Inncn- wie Ausscnpolitik entscheidende Akzente zum Wohle des Landes gesetzt hat. In den schwierigen Jahren des II. Weltkrieges hat die klare Haltung unseres Grossvaters massgeb­ lich zum Überleben Liechtensteins beigetra­ gen. Weder ein UNO Beitritt noch eine EWR Mitgliedschaft wären zustande gekommen, wenn sich unser Vater nicht vehement dafür eingesetzt hätte. Die Beitritte zu beiden Orga­ nisationen waren wesentliche Schritte zur Absicherung der Souveränität und der wirf- schaftlichcn Interessen des Landes. - Wir sind Uberzeugt, dass das Fürstenhaus auch in Zukunft einen positiven Beitrag für Liechtenstein leisten kann. Dafür muss aber auch die entsprechende verfassungsmässige Grundlage gegeben sein. Der von Fürsten­ haus, Regierung und Verfassungskommissi­ on erarbeitete Verfassungsvorschlag der Fürsteninitiative bietet diese Grundlage. DIb 
Geschwister des Erbprinzen: S. 0. 
Prinz Maximilian, S. D. Prinz Constantin und I. D. Prinzessin Tatjana. Gegen die Fürsteninitiative zu stimmen ist mit hohen Unsicherheiten und Risiken ver­ bunden. Das Fürstenhaus würde sich aus der aktiven politischen Verantwortung zurück­ ziehen und seinen Wohnsitz nach Österreich verlegen. Weitere Verfassungsdiskussionen mit unabsehbarem Ausgang würden folgen. Wir sind davon überzeugt, dass der neue Verfassungsvorschlag einen besseren Rah­ men für die Zusammenarbeit von Fürst, Landtag, Regierung und Volk darstellt. Wei­ mers sind wir überzeugt, dass sich unser Vater und Bruder und die gesamte Familie auch in Zukunft mit grossem Verantwortungsbewusst- sein und Herz für das Wohlergehen des Lan­ des einsetzen werden. Wir wünschen uns ein klares Abstimmungsergebnis, welches die verschiedenen Parteien unter der neuen Ver­ fassung wieder zusammenführt und bitten Sie deshalb die Fürsteninitiative zu unterstützen. S. D. Prinz Maximilian von und zu Liech­ tenstein S. D. Prinz Constantin von und zu Liech­ tenstein I. D. Prinzessin Tatjana von und zu Liech­ tenstein 
«Für das Wohl unseres Landes» Aufruf I. D. Landesfürstin Marie von Liechtenstein Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner Mit Zuversicht hoffe ich, dass die Verfassungsinitiative des Fürsten­ hauses bei der Abstimmung am kommenden Wochenende mit grosser Mehrheit angenommen wird. Mehr als die Hälfte meines Lebens habe ich bereits in Liechten­ stein 
verbringen dürfen. Wenn ich an diese 36 Jahre zurückdenke, wer­ den viele wunderschöne Erlebnisse in mir lebendig. Zahlreiche liebe Menschen durfte ich hier kennen und schätzen lernen. Sie sind mir sehr ans Herz gewachsen und ich möchte sie nicht mehr missen. Meine Kinder haben hier eine 
I. D. Landesfürstin Marie von Liechtenstein ersucht um ein )a zur Initia­ tive des Fürstenhauses. 
herrliche und unbeschwerte Kind­ heit verbracht und dabei auch viele Freundschaften für ihr Leben geschlossen. Ich möchte alle Liechtensteine­ rinnen und Liechtensteiner bitten, mit einem Ja zu unserer Verfas­ sungsinitiative meinem Sohn Alois die Möglichkeit zu geben, sich in Zukunft für das Wohl unseres Lan­ des und seiner Bevölkerung einzu­ setzen, so wie dies mein Mann und viele Fürsten vor ihm getan haben. Ich wünsche jeder Bürgerin und jedem Bürger unseres Landes alles erdenklich Gute, Frieden und Gottes Segen. Marie Fürstin von Liechtenstein Die Monarchie aus Schweizer Sicht Zur Bedeutung des Fürstenhauses für das Fürstentum Liechtenstein ZÜRICH - Wer als Liberaler und dazu noch als Schweizer für die Monarchie als eine, mögliche Staatsform plädiert, der muss gute Gründe auf seiner Seite haben. Solche gibt es in der Tat. In Liechtenstein, dem drittkleins­ ten Staat Europas, Ist die letzte funktionierende Monarchie des ehemaligen. «Heiligen Römi­ schen Reiches Deutscher Nati­ on» in Kraft. »Robert 
Hb! und Bernhard Ruati * Das Fürstentum Liechtenstein kann in den letzten Jahrzehnten als' eigentlich liberal-marktwirtschaft­ liche «Erfolgsstory» gelten. Frei­ handel, Flexibilität aufgrund der Kleinheit, politische Stabilität, Schutz der Privatsphäre und des Privateigentums, niedrige Steuern, hohe Kapitalkraft, Bankkundenge­ heimnis, niedriges Zinsniveau, eine tiefe Staats- und Beamtenquote, eine ökonomisch selbsttragende Regierung, keine Staatsvcrschul- dung, funktionierende lokale Selbstverwaltung sowie eine trans­ parent finanzierte und effiziente öffentliche Infrastruktur, dies sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren Liechtensteins. Dazu kommen wei- tere Faktoren wie gut qualifizierte Arbeitskräfte, lange Arbeitszeiten sowie eine - fast automatisch - auf High Quality ausgerichtete und for­ schungsintensive Industrie. «Eldorado» für alle Liberalen So gesehen ist Liechtenstein geradezu ein «Eldorado» für alle Liberalen, die es vorziehen, unter einem Fürsten zu leben, welcher die individuelle Privatsphärc respektiert als unter aufgeklärten und demokratisch legitimierten Technokraten, deren Ziel es ist, kollektiven Wohlstand durch Umverteilung, Reglementierung und Zentralisierung zu erzwingen, um sich beliebt zu machen. In der Realität stehen Fürst, Regierung, Landtag und Volk in einem relativ ausgeglichenen Span- nungs- und Konkurrenzverhältnis und verschaffen dadurch dem Kleinststaat Liechtenstein die erforderliche politische Stabilität und ökonomische Prosperität. Erfolg durch Mischverfassung Während die parlamentarisch verfassten Staaten Europas schon 
längst in das sozial-liberale Zentra­ lismus-, Regulierungs- und Umverteilungssystem geraten sind lind stetig steigende Staats- und Steuerquoten aufweisen, zwingt die Mischverfassung Liechten­ steins mit einer starken Position des Fürsten zum Masshalten, zur Vermittlung und zur Umsicht in allen politischen Belangen. Entscheidende Funktion Der Fürst erfüllt eine entschei­ dende Funktion der Machtkontrol­ le, indem er oligarchischc, exeku­ tiv-staatliche Tendenzen von Regierung und Landtag im Zaun hält und durch seine übergeordne­ te, der Wahl entzogene Stellung eine längerfristig orientierte Sicht­ weise zum Wohl des Landes ein­ nehmen kann. Das Beispiel Liechtensteins Am Beispiel Liechtensteins wird das monarchische Element, das oft fälschlicherweise als Vollmacht für Eingriffe in die Freiheit und in das Eigentum der Individuen gedeutet wird, auch zu einem Schutz der Privatautonomie gegen das Mehr­ heitsprinzip', das den eigentums-und 
freiheitsfeindlichen Teufels­ kreis wohlfahrtsstaatlicher Umver­ teilung nicht wirksam zu bremsen vermag. Leistungszwang Die Verfassung Liechtensteins verlangt vom Fürsten Volksnähe, die sich jedoch von den rein reprä* sentativen Pflichten anderer europäischer Monarchen markant unterscheidet. Der Fürst von Liechtenstein muss sich durch Leistung auszeichnen, um in der Gunst der Bevölkerung zu stehen. Wenn ihm dies gelingt, vermag er seine Stellung gegenüber der Regierung und dem tendenziell oppositionellen Landtag zu festi­ gen. Dazu gehört auch, dass Fürst Hans-Adam II. neben den.Staats­ geschäften «halbtags» als Vermö­ gensverwalter zu arbeiten hat, um den hohen Aufwand des Fürsten­ hauses zu finanzieren und damit nicht in die Abhängigkeit der Bud­ gethoheit des Landtages zu gera­ ten. Dieser kontinuierliche Leis- tungs- und Legitimationsdruck verhindert die Erstarrung des Fürs­ ten zu einer rein repräsentativen Infobox Die Autoren' Robert Nef, lic. iur., leitet seit 1979 das Liberale Institut in Zürich. Seit 1994 ist er Redaktor und Mitherausgeber der Schwei­ zer Monatshefte. Bernhard Ructz, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Liberalen Institut, Zürich. Der Artikel Der hier veröffentlichte Volks- blatt-Artikel ist Teil eines länge­ ren Aufsatzes, den die Autoren in englischer Sprache im «Journal of Libertarian Studies» publizie­ ren werden. Das Institut Das «Liberale Institut» in Zürich ist 1979 von einer Gruppe enga­ gierter Liberaler gegründet wor­ den, die den traditionellen Struktu­ ren der Parteipolitik kritisch gegenüberstanden und ein Forum anstrebten, in welchem eine Aus­einandersetzung 
mit Grundsatzfra­ gen aus liberaler Sicht ohne Rück­ sicht auf parteipolitische Konstel­ lationen ermöglicht werden sollte. Zu diesem Zweck wurde eine überparteiliche Stiftung gegründet, die während zwanzig Jahren von Prof. Peter Forstmoser präsidiert wurde. Als Mitinitiantin wurden der Freisinnig-demokratischen Partei der Stadt Zürich im 25-köp- figen Stiftungsrat statutarisch 5 Sitze eingeräumt. Eine direkte Ein- flussnahme auf die Aktivitäten des Instituts ist damit nicht verbunden. Das Institut hält sich bewusst von der Parteipolitik und ihren tagespolitischen und personenbe­ zogenen Kontroversen fern, es befasst sich aber u.a. aufgrund von ausgewählten «Schwerge­ wichtsthemen» mit den grundle­ genden politischen Fragen der Gegenwart und Zukunft. Nähere Angaben im Internet unter:  www.libinst.ch . 
Figur und zwingt ihn zu Innovati­ on, Leistung und Weitsicht. Scheitern von Monarchen Möglicherweise liegt einer der wesentlichen Gründe des Schei­ terns der deutschen Monarchen darin, dass sie Volksnähe mit patri- archalisch-gutshcrrlicher Fürsorge verwechselten, anstatt die Privat­ autonomie und die Individualrech­ te 
substantiell zu starken und dadurch die oppositionellen Kräfte in Regierung und Parlamenten wirksam zu bändigen. Starke Volksrechte Die Strategie des Fürsten von Liechtenstein ist klug gewählt, auf den hohen Stellenwert der Volks­ rechte als Gegengewicht gegen Parlamentarismus und Bürokratie hinzuweisen und sich auch für die Stärkung der direkten Demokratie nachdrücklich einzusetzen. Eine einseitige Aufwertung von Regie­ rung und Landtag würde den Fürs­ ten früher oder später parlamenta­ risch entmachten, wie es sich in allen konstitutionellen Monarchien Europas ereignete. Gefahr für Kleinststaaten Die eigentliche Gefahr für die Freiheit und Identität von Klein- und Kleinststaaten kommt von einem unbedachten Ausbau des Parlamentarismus und der Büro­ kratie, dem Anwachsen von Staats­ aufgaben sowie der sukzessiven internationalen Rechtsvereinheitli­ chung durch Abschluss von Staats­ verträgen und Gemeinschaftsab­ kommen. Modell für den Wettbeweib der Systeme Wer die zahlreichen Studien zum globalen Ranking von National­ staaten studiert, kommt um die Feststellung nicht herum, dass sich unter verschiedenen Gesichts­ punkten eine empirische Evidenz für den Erfolg kleiner, non-zentra- ler Systeme zeigt. Die eigenständi­ ge Verfassungsordnung, wie sie Liechtenstein mit seiner rechts­ staatlich und demokratisch einge- fassten Monarchie aufweist, ist ein Modell für den Wettbewerb der Systeme und vermag zugleich ein Gefühl der Gemeinsamkeit in einer zunehmend globalisierten Welt zu stiften.
	        

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