Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

SAMSTAG, 8. MÄRZ 2003 
VOLKS BLATT 
INLAND PLATTFORM VERFASSUNG VOLKSBLATT-LESERTELEFON GEGENINITIATIVE S. D. Erbprinz Alois zur Initiative Verfassungsfrieden Durchlaucht, wie haben Sie im Herbst letzten Jahres die einseitige Nachricht aufgenommen, dass die so genannte Frie­ densinitiative eine Brücke für das Fürs­ tenhaus bauen soll? Wir haben diese Nachricht mit Erstaunen aufgenommen, da diese Brückenbauer zuvor nicht Kontakt mit dem Fürstenhaus aufgenommen haben und die Brücke sozu­ sagen gebaut haben, ohne sich abzusichern, dass sie auch auf der anderen Seite landen. Natürlich steht diesen Personen dieses Volksrecht zu, auf der anderen Seite aber steht auch dem Fürsten das Recht der Sank­ tion zu. Für uns ist diese Initiative keine Lösung, bei der wir das Staatsoberhaupt stellen können. Wieso bezeichnet das Fürstenhaus die Gegner der fürstlichen Initiative als Monarchieabschaffer und Demokratie­ gegner, obwohl diese mit keinem Wort je erwähnt hatten, die Monarchie abschaf­ fen zu wollen? Die Gegner der Initiative des Fürstenhau­ ses müssen sich bewusst sein, dass mit der Ablehnung der Fürsteninitiative die Gefahr eines Endes der Monarchie gross ist und sie daher die Monarchie gefährden. Von jenen, die mit allen Mitteln eine demokratische Abstimmung verhindern wollten, hoffen wir, dass sie schlussendlich doch Freunde der Demokratie sind und die Volksabstim­ mung demokratisch akzeptieren werden. Akzeptieren Sie den Entscheid aber wirk­ lich demokratisch, wenn sie die Ableh­ nung mit dem Wegzug verbinden? Das ist durchaus ein demokratisches Akzeptieren dieser Entscheidung. Wir geben der liechtensteinischen Bevölkerung damit den Weg frei, ihre Zukunft ohne einen politisch aktiven Fürsten gestalten zu 
kön- «DAS FÜRSTENHALS GIBT DER BEVÖLKERUNG DEN WEG FREI» nen. Das Fürstenhaus wird nie politische Funktionen ausüben, wenn dies die Mehr­ heit der Bevölkerung nicht mehr wünscht. Weshalb verweigert das Fürstenhaus schon jetzt pro forma die Sanktion der Friedensinitiative, falls sie angenommen würde? Widerspricht diese Haltung nicht Ihren Aussagen, Sie wollten dem Volk mehr demokratische Rechte geben? Die Entscheidungen in Liechtenstein sind gemäss bestehender Verfassung von Fürst und Volk gemeinsam zu treffen. Das ist der Kern der Verfassung von 1921. Das Fürsten­ haus ist nicht bereit, zu den Bedingungen der Friedensinitiative das Staatsoberhaupt zu stellen. Falls der Wunsch vorhanden ist, dass das Staatsoberhaupt keine politischen Funktionen wahrnimmt, ist das Fürstenhaus aber zu einer Symbolmonarchie bereit. Falls das Volk trotzdem den Vorschlag der Frie­ densinitiative weiterverfolgen will, muss man das mit jemand anderem als dem Fürs­ tenhaus tün. Es ist klar, dass sich ein Sohn hinter sei­ nen Vater stellt. Warum haben Sie sich aber nicht nur die Sache Ihres Vaters, sondern auch bezüglich der Friedens­ initiative seinen Stil, der so viele Leute hier im Land verletzt, zu eigen gemacht? Es ist wichtig, sich die eigentlichen Ziele der so genannten Friedensinitiative vor Augen zu führen, nämlich Verzögerung und Irreführung. Da wir vor einer besonders wichtigen Entscheidung für unser Land ste­ hen, halte ich es genau so wie mein Vater für meine Pflicht, die Öffentlichkeit mit klaren Worten Uber die 
Hintergründe zu informie­ ren. 
_ . \ «Zum Wohle des Landes» Volksblatt-Lesertelefon: S.D. Erbprinz Alois zur Initiative des Fürstenhauses SCHAAN - Pausenlos war die Leitung gestern belegt, als Volksblatt-Leserinnen und Leser während zwei Stunden die Gelegenheit nützten, S. D, Ertprinz Alois zur Verfassungs- Initiative des Fürstenhauses zu befragen. Vorwiegend melde­ ten sich Personen, welche diese Initiative befürworten. Auf dieser und der nächsten Seite lesen Sie eine Auswahl der Fragen mit den entspre­ chenden Antworten. «Wirtin Fromm» »  • Die Demokraten sagen, dass der Monarch als Staatsoberhaupt nicht demokratisch legitimiert sei und darum nicht so viele Rechte beanspruchen könne, wie ein Staatsoberhaupt in einer Republik? Liechtenstein ist eine Erbmonar­ chie und keine Republik. Indem aber das Volk mit jeder Wahl und Abstimmung die Akzeptanz der Verfassung kundtut, bestätigt es gleichzeitig auf demokratischem Wege die Institution der 
Monar- ERBMONAUCHIE UND NICHT REPUBLIK chie. In einer Erbmonarchie kann im Gegensatz zu einer Republik naturgemäss das Staatsoberhaupt nicht gewählt werden. Der Verfas­ sungsvorschlag 
des Fürstenhauses eröffnet dem Volk aber mit dem Misstrauensvotum und dem Ver­ fahren zur Monarchieabschaffung neue direktdemokratische Mittel, die in anderen Monarchien nicht vorgesehen sind. In der Abstimmungsbroschüre schreiben die Demokraten, das absolute Veto schwäche die Volksrechte: In einer echten Demokratie müsse nicht der Fürst, sondern das Volk das letz­ te Wort haben? Zunächst besteht das Sanktions­ recht seit über 80 Jahren, deshalb kann es nicht jetzt plötzlich die Volksrechte schwächen. Zum Zweiten hat nicht der Fürst das letzte Wort, denn im Dualismus hat genauso das Volk das letzte Wort. Wenn der Landtag beziehungswei­ se das-Volk gegen einen Gesetzes­ vorschlag der Regierung oder von Initianten stimmen, kommt dieser erst gar nicht zum Fürsten zur Sanktion. Das Volk spricht sozusa­ gen schon 
davor das letzte Wort. Möchte der Fürst andererseits einen Gesetzesvorschlag einbrin­ gen, so kann er nur mit Zustim­ mung des Landtages beziehungs­ weise des Volkes erfolgreich sein. Zu Artikel 9 bzw. 65 Ihres Ver­ fassungsvorschlages: Wenn das liechtensteinische Volk oder deren Vertreter ein Gesetz schaf­ fen oder ändern will, braucht es dazu die Sanktion des Landes- flirsten: Warum trauen Sie so einen Entscheid den Liechten­ steinern nicht selber zu? Wie ich sehe, sind Sie also mit der heutigen Verfassung nicht ein­ verstanden. Die Sanktion ist ein wichtiger Bestandteil des in der Verfassung von 1921 festgeschrie­ benen Dualismus, den wir weiter­ hin bewahren wollen. Der Vorteil 
«Die Gegner müssen sich bewusst sein, dess mit der Ablehnung der FUrstenlnitlative die GeUr eines Endes der Monarchie gross Ist und sie daher die Monarchie gefährden»: S. D. Erbprinz Alois. dieser Bestimmung ist, dass sich nochmals eine Instanz Gedanken macht, ob ein Gesetz wirklich zum Wohle des Staates ist. Selbst bei Volksentscheiden wie dem Jagd- recht, konnte dank dem Sanktions­ recht das Gesetz noch verbessert werden. Würden wir das Sanktions­ recht des Fürsten aufgeben, würde ein wichtiges Element einer politisch aktiven Monarchie verloren gehen, so dass die langfristige Sicht des Monarchen, seine Erfahrung und seine unabhängige Position nicht mehr direkt in den Gesetzgebungs- prozess einfliessen kann. Bis jetzt ist eine 
Sanktion von den Fürsten nur in den seltensten Fällen nicht gewährt worden, und wenn, dann war das immer zum Wohle des Landes. Der jeweilige Fürst hat immer nach bestem Wissen und Gewissen ent­ schieden. Auch ich möchte dies in der Zukunft so halten. Die Gegner Ihres Initiativbegeh- rens schreiben, der Fürst hätte noch mehr Macht als heute: Was sagen Sie dazu? Bei einem genauen Studium des Verfassungsvorschlages werden Sie schnell erkennen, dass diese Behauptung falsch ist. Das Gegen­ teil ist wahr: Die Rechte des Fürsten werden zu Gunsten des Volks einge­ schränkt. Dies haben wir mehrfach dargelegt und kann in unseren Beiträgen zur Abstimmungsbro­ schüre nachgelesen werden. Wenn sich das Volk in einer Abstimmung für ein Misstrau­ ensvotum gegen den Fürsten aus­ spricht, dann entscheidet der Familienrat: Warum braucht es das noch, in so einem Fall ist ein Fürst doch nicht mehr tragbar? In der Praxis wird der Familien­ rat, sobald er von einer Initiative eines Misstrauensvotums hört, sich intensivst mit der Frage beschäfti­ gen müssen, ob der Landesfürst mit seinem Verhalten noch zum Wohle des Landes 
und des Ansehens des Fürstenhauses agiert. Dementspre­ chend wird der Familienrat seine Entscheidung treffen. 
Wie stellen Sie sich die mehrfach erwähnte Wiedereingliederung der Gegner Ihres Verfassungs­ vorschlages nach einem mögli­ chen Sieg vor? Ebenso wie das Fürstenhaus den demokratischen Entscheid der Volksabstimmung akzeptieren wird, erwarte ich mir von den Geg­ nern unseres Verfassungsvorschla­ ges auch entsprechende demokrati­ sche Reife. Wir stehen vor grossen Herausforderungen für unser Land, die wir gemeinsam anpacken 
soll- EIN FRUCHTVOLLES MITEINANDER ten. Dieses gemeinsame Arbeiten an der Zukunft sollte ein produkti­ ves und fruchtvolles Miteinander ermöglichen und auch ein Einbin­ den der Gegner im Verfassungs­ konflikt erleichtern. Fürst Hans-Adam II. hat mehr­ fach die Gegner seines Verfas­ sungsvorschlages mit den Alt- Nazis von früher verglichen. Bitte erklären Sie mir, wie das genau gemeint ist: Sehen Sie die Gegner Ihres Vorschlages als «Nazis»? Machen Sie ideologi­ sche Verbindungen? Der Fürst hat nie die Gegner des Verfassungsvorschlages mit den Nazis verglichen, sondern nur erwähnt, dass man selbst die viel tieferen Gräben, die während des Zweiten Weltkrieges entstanden sind, bald überbrücken konnte. Der Abstimmungskampf um die künftige Verfassung hat unser Land tief gespalten, wesentliche Ursachen sind Bedrohungen und Beschimpfungen durch 
das Fürs­ tenhaus und andere: Was wird das Fürstenhaus nach dem 16. März unternehmen, zu jenen wieder ein Vertrauensverhältnis zu entwickeln, denen durch den Abstimmungskampf Verletzun­ gen zugeführt worden sind? Wir haben schon in der Vergan­genheit 
Entschdungcn wie. den EWR gehabt, jrch welche die Bürger materie!stärker betroffen waren als in d Verfassungsdis­ kussion; da ht man sich dann nachher auch' rativ schnell wie­ der gefunden, c'Gräben konnten schnell überbrüt werden. Daher bin ich zuverihtlich, dass das recht bald geigen wird. Dazu gehört aber, ds ein demokrati­ scher Entscheidi aller demokrati­ schen 
Reife akjniert wird. Was untemimt das Fürsten­ haus nach dem6. März, um den grossen Vertra;nsverlust in die Autorität des'ürsten wieder herzustellen? Ich glaube niit an einen Auto­ ritätsverlust detfürsten aufgrund des Verfassunfconfliktes und bin überzeugt, dass es uns gelingt, aufeintder zuzugehen und die Zukunl erfolgreich zu gestalten. Die Kündigung des Fürsten, bald na* der Volksab­ stimmung die SttVertretung zu errichten, wird zusätzlich erleichtern, da viödpegner den Verfassungskonfli^ Ich mit sei­ ner Person verbindtri Fortsftkng Seite 7 : • -1 ANZEIGE < SHO! Natürlich frische dergle 60% Apfelsaft mit 40<H Mlnätwasser V
	        

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