Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2003)

DIENSTAG, 4. MÄRZ 2003 VOLKS I 
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3 VERFASSUNG Notverordnungen materiell und zeitlich eingeschränkt VADUZ - Am Parteitag der Blirgerpartei ' legte Landtagspräsident Klaus Wanger letz- • te Woche dar, inwiefern beim Notrecht in . der mit Regierung und Landtagskommissi-" on erarbeiteten Initiative des Fürstenhauses gegenüber der bestehenden Verfassung Ver­ besserungen vorgesehen sind. Nur drei Notverordnungen In der bestehenden Verfassung von 1921 ist die Notrechtskompetenz des Landesfürsten im lapidaren Satz,festgeschrieben: «In drin­ genden Fällen wird er das Nötige zur Sicher­ heit und Wohlfahrt des Staates vorkeh­ ren.^ Bemerkenswert scheint die Tatsache, dass in den 81 Jahren seit In-Kraft-Treten der Verfassung von 1921 die Landesfürsten nur drei Notverordnungen erlassen haben und diese jedes Mal über Vorschlag der Regie­ rung und mit Billigung'des Landtages. - Die Entscheidung", ob ein Staatsnotstand vorliegt, liegt allein beirrt Landesfürsten, ebenfalls die Wahl der Notrechtsmassnah- men. Die Notrechtskompctcnz ist jedoch vom Grundsatz der Verhältnismässigkeit ein­ gegrenzt. Der Fürst darf von den Gesetzen nur so weit abweichen, wie dies zur Behe­ bung der Notlage unbedingt erforderlich ist. Der Verfassungsündefungsvorschlag bringt folgende wesentliche Verbesserungen . gegenüber der bestehenden Verfassung: • Notverordnungen haben nur noch eine beschränkte Geltungsdauer. Sie treten spätes­ tens 6 Monate nach ihrem Erlass ausser Kraft. • Notverordnungen dürfen It. Art. 10, Abs. 2 die Verfassung als Ganzes oder einzelne Bestimmungen derselben nicht aufheben, sondern nur die Anwendbarkeit einzelner Bestimmungen der Verfassung einschränken. • Art. 10, Abs. 2 sieht ausserdem so genann- " te Notrechtsschranken'vor bzw. regelt die notstandsfesten Rechte. Es handelt sich dabei um die notstandsfesten Rechte gemäss der Europäischen Menschenrechtskonventi­ on (EMRK). Gegenzeichnung nötig Zu bemerken ist ausserdem, dass Notver­ ordnungen gemäss Art., 85 der bestehenden Verfassung, wie bereits bisher, vom Regie- .rungschef der Gegenzeichnung bedürfen, der seinerseits gegenüber dem Landtag poli- • tisch verantwortlich ist und beim Staatsge­ richtshof staatsrechtlich verantwortlich gemacht werden kann. 
«Das Volk hat das letzte Wort» Zu den beiden Streitpunkten «Richterbestellung» und «Regierungsentlassung» VADUZ - Landtagspräsident Klaus Wanger erläuterte letzte Woche am Parteitag der Bür­ gerpartei auf sehr anschauliche Weise, was es mit den von so vielen diskutierten Knackpunk­ ten «Richterbestellung» und «Regierungsentlassung» auf sich hat. Die Volksinitiative sieht die Schaffung eines Gremiums für die Auswahl der Richter von In diesem Auswahlgremi­ um, in dem die obersten Staatsorgane, Fürst, Landtag und Regierung vertre­ ten sind, soll künftig nach klar festge­ legten Regeln die Auswahl von Kan­ didaten für die Gerichtsbarkeit erfol­ gen. Ungeachtet der Stärke der Wähl-, ergruppe im Landtag sieht der.Verfas- sungsiindeningsvorschlag vor, dass jede Wählelgruppe mit je einer Abge­ ordneten bzw. je einem Abgeordneten im Vorschlagsgremium vertreten ist. Bezogen auf die heutigen Kräftever­ hältnisse im Landtag würde das bedeuten, dass die Freie Liste mit zur Zeit einem Abgeordneten im Landtag im Auswahlprozess die gleiche Stimmkraft hätte wie die Vertreter der beiden Grossparteien. Dieser Minder­ heitenschutz drängt den parteipoliti­ schen Einfluss auf die Gerichtsbarkeit stark zurück. Auch wenn rechtlich gesehen der Landlag heute die Auswahl-Instanz für die Richter ist, wird die Aus­ wahl der Richter schon seit Jahr­ zehnten von den. Funktionärsgre­ mien der politischen Parteien, oft entsprechend dem Stärkeverhältnis im Landtag, getroffen. «Wesentliche Verbesserung» In Kenntnis dieses schwerwiegen­ den Mangels konzentrieren sich die •Gegner auf das vorgezogene Veto­ recht des Fürsten in diesem Aus­ wahlgremium und verschweigen, dass das Auswahlgremium mit Sicherheit eine wesentliche Verbes­ serung, Entpolitisierung und Objek­ tivierung des Richterauswahlverfah- rens mit sich bringt. Verschwiegen wird, auch, dass der Landesfürst gemäss geltender Verfassung heute schon das Recht besitzt, die Ernen­ nung eines ihm vom Landtag vorge­schlagenen 
Richters abzulehnen, d.h. ein Veto einzulegen. «Weitaus fairer» Es.ist weitaus fairer, gegen einen Richterkandidaten in der Auswahl­ phase, hinter verschlossenen Türen, ein Veto einzulegen als ihn zuerst vom Landtag in aller Öffent­ lichkeit wählen zu lassen bzw. dem Landesfürsten zur Ernennung vor­ zuschlagen und ihn dann mit einem Veto zu überraschen. Volk und nicht mehr der Fürst hat letztes Wort Es ist auch noch zu bemerken, dass die Volksrechte gegenüber der bestehenden Verfassung in der Volksinitiative des Landesfürsten und des Erbprinzen gestärkt wer­ den, da der Landesfürst auf das in der bestehenden Verfassung von 1921 absolute Vetorecht verzichtet, indem er jenen Kandidat, der in einer Volksabstimmung die absolute Mehrheit der Stimmen erhält, zum Richter ernennt. Somit hat in letzter Konsequenz das Volk und nicht mehr der Fürst das letzte Wort. Ämtsenthebung der Regierung . Über Jahrzehnte hinweg war die Frage, ob der Landesfürst gemäss der Verfassung von 1921 das Recht hat, die "Regierung wegen Vertrau­ ensverlust des Amtes zu entheben, im politischen Leben unseres Lan­ des unbestritten und in der Litera­ tur überwiegend bejaht. Kontrovers war in der Literatur die Frage, wel­ che Bedeutung das in Art. 80 der Verfassung verankerte 'Antrags­ recht des Landtags besitzt. Anlasslich der Verfassungsrevisi­ on von 1965 fand zwischen Fürst, Landtag und Regierung eine inter- pretative Klärung dieser Fragen statt; Auf der Grundlage eines Kommissionsberichtes des Landta-' ges bestand zwischen den drei obersten Staatsorganen Überein­ stimmung, dass die Regierung bzw, jedes einzelne Regierungsmitglieü während der gesamten Amtsdauer vom Vertrauen des Landesfürsten und des Landtags getragen sein 
«Neues Richterbestellungsverfahren stärkt Volksrechte»: Maus Wanger. müss. Wenn auch nur ein Teil, der" LandeSfürst oder der Landtag, der Regierung oder einem einzelnen Regierungsmitglied das Vertrauen entzieht, hat eine Amtsenthebung stattzufinden. Diese Ansicht vertrat auch Alt-Regierungschef'Dr. Ger­ ard Batliner in den Politischen Schriften 1981, Nr. 9 in denen er u.a. wörtlich ausführte: «Die bestehende Meinung geht dahin,' dass der Fürst nach seinem Ermes­ sen einzelne oder alle Regierungs­ mitglieder ihres Amtes entheben kann, ohne an einen Antrag des Parlaments gebunden zu sein.» Die neu vorgeschlagene Rege­ lung sieht vor, dass inskünftig die Regierung vom Fürsten und vom Landtag wegen Vertrauensverlust entlassen werden kann. Diese neue Regelung ist somit nichts anderes als eine verfassungsgesetzliche Festschreibung der 1965 zwischen den obersten Organen des Staates • getroffene Übereinkunft. Stärkung des Regierungschefs Bedeutsam • erscheint ausserdem die Sonderregelung, dass ein einzel­ nes Regierungsmitglied wegen Ver­ lust des Vertrauens nur im Konsens zwischen Landesfürst und Landtag entlassen werden kann. Diese Rege­ lung stärkt somit massgeblich die Stellung des Regierungschefs. Die von den Gegnern immdr wieder als unverhältnismässige 
Machtfülle des Landesfürsten gebrandmarkte Kompetenz, eine Regierung ohne Zustimmung des Landtages entlassen zu können, ist nichts Ungewöhnliches. Nichts Ungewöhnliches So kann beispielsweise der öster­ reichische Bundespräsident sowohl den 
Bundeskanzler wie auch die gesamte Bundesregierung in eige­ ner Kompetenz ohne Vorschlag und ohne Gegenzeichnung anderer Organe entlassen. Für die Zeit bis. zum Antritt der neuen, ordentlichen Regierung hat der Landesfürst eine Übergangsre­ gierung mit fünf Liechtensteinprin- nen bzw. Liechtensteinern zur inte­ rimistischen Besorgung der gesam­ ten Landesverwaltung zu bestellen. Diese Übergangsregierung besteht aus dem Regierungschef und vier Regierungsräten. Die Begriffe «Übergangsregierung» und «inte­ rimistische Besorgung der gesam­ ten Landesverwaltung» lassen " zwingend den Schluss zu, dass der * .Landesfürst und der Landtag ohne Verzug verpflichtet sind, eine neue, ordentliche Regierung zu bestellen. Es liegt somit primär beim Land­ tag, nach dem Amtsantritt der Über­ gangsregierung eine ordentliche Regierung zu bestellen bzw, dem Landesfürsten zur Ernennung vor­ zuschlagen. Zu bemerken ist, dass eine vom Landtag vorgeschlagene Regierung noch nie von einem Fürsten zurückgewiesen worden ist. Diese neue Regelung -mit einer Übergangsregierung, in welcher der Regierungschef wie bei einer ordentlichen Regierung das Gegen­ zeichnungsrecht ausübt und die Übergangsregierung dem Landtag ebenfalls politisch und dem Staats­ gerichtshof staatsrechtlich verant­ wortlich ist; schliesst eine regie- ningSlose Zeit, wie sie aufgrund der geltenden Verfassung von 1921 im Falle einer Amtsenthebung der Regierung infolge Vertrauensverlus­ tes immer befürchtet wurde, völlig aus, da eine Notrechtssituation im Sinne von Art. 10 der Verfassung nie mehr entstehen kann. ANZEIGE Ja 
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