Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
KULTUR Montag, 11. Februar 2002 1 1 «Stellen Sie die Stille 
lauter!» In John Bergers Hörstück auf der Bühne «Ist es, ist es nicht?» geht es um Gegenwart, um Ähnlichkeit und Stille - ein Theaterstück, das Hörspiel, bil­ dende Kunst und Sprache zu ei­ ner Einheit führt, eine Radio­ sendung, in der ein Moderator Gemälde zeigt. Gerolf Häuse r John Berger, der 1926 in England ge­ borene und in einem Bergdorf der Haute Savoie lebende Schriftsteller, er­ zählt in seinem Text von der Entwur­ zelung des Menschen, zeigt das Sicht­ bare und das dahinter Verborgene, das Böse und die Zuneigung, setzt einer auf das Morgen orientierten Welt das [irinnern entgegen, einer Welt, in der alles käuflich scheint das Unverkäufli­ che. Verwandlungen Es ist nicht nur der Text Bergers, der beeindruckt - es braucht einen Schau­ spieler, der das vermittelt. Werner Bo- dinek. 1948 in Deutschland geboren, seit 1979 als Theaterschaffender und Musiker in der Schweiz arbeitend, er­ zählt Bergers Geschichten, para­ belähnlich und fabelhaft (im doppelten Sinn des Wortes), so, dass man sie zu erleben glaubt, macht über das Hören Bilder sichtbar, schafft jene, vielleicht 
Werner Bodinek in John Bergers «Ist es, ist es nicht?» im Buchser fabriggli John Berger erzählt in seinem Text roii der Entwurzelung des Menschen, als unmöglich betrachtete Verbindung von Theater, Hörspiel, bildender Kunst und Sprache. Gemälde im Radio ange­ schaut, lässt die Malerei bei sich selbst bleiben, macht Stille hörbar. «Und je­ des Gemälde hat seine eigene Stille. Stille kann man nicht zensieren. Es gibt Umstände, in denen, sie subversiv wird, deswegen muss man sie dauernd 
mit Lärm zuschütten.» Werner Bodinek als Radiomoderator zeigt in subtiler Art die Stille, findet für jede Geschich­ te einen anderen Ton, verwandelt Ver­ gangenes in Gegenwärtiges und enL- lässt es wieder in die Vergangenheit, Zeiten mischend, denn Gegenwart ver­ mittelt 
sich am besten, wenn sie ver­ schwindet, wie beim Abschied der 
(Gerolf Hauser) Mensch, der weggefahren ist, oft in­ tensiver anwesend ist. Dass Werner Bodinek und Regisseur Enrico Beeler sozusagen «Berger-Fans» sind, zeigt sich auch bei den grossarti­ gen Geräusch-Inszenierungen mit ein­ fachsten Mitteln: Werner Bodinek fa­ briziert das Quietschen eines Bettes mit. einem ungeschmierten Locher, 
ahmt das Winseln. Bellen, An-der-Tür- Kratzen eines Hundes nach, zerknittert Papier, damit knirschende Schritte auf Kies verdeutlichend - macht Bilder hörbar, gegenwärtig und unverkäuf­ lich. Auch das Bild von Goya, in dem er seinen Hund zeigt, in dessen Augen alles Elend der Welt zu liegen scheint. «Falls das so sein sollte, wäre Gegen­ wart das einzig Unverkäufliche auf der Welt. Gegenwart ist ein Geschenk.» Und Ähnlichkeit ist ein anderes Wort fiir Gegenwart, denn Ähnlichkeit bringt die Zeit durcheinander, Ähn­ lichkeit kann man auf Bildern hören. «Es gibt viele Menschen, die so in sich verschlossen sind, sie bewohnen eine Art Wahrnehmungs-Schweiz, dass sie Ähnlichkeiten nicht einmal sehen, wenn sie direkt vor ihrer Nase sind. In ihrer Welt gibt es keine Ähnlich­ keiten. Deshalb versuchen sie, Ähn­ lichkeiten zu kaufen, und es gelingt ihnen nicht.« Und so endet das Stück mit der «Geschichte einer völligen Ähnlichkeit»: Jesus • ruft: Lazarus, komm heraus - und der Tote kommt. «Diese Ähnlichkeit veranlasste Cai- phas, den Plan zu Jesus' Ermordung in Angriff zu nehmen.» Bodinek zeigt dieses Spiel mit der Wirklichkeit in eindrücklicher Art, macht die Fragen nach unseren Wahrnehmungsgewohn­ heiten greifbar, lässt aus Gedankenas­ soziationen 
Abwesenheit und Anwe­ senheit verfestigen - und wieder ent­ schweben. BERLIN: An den Fiimfcstspic|en Ber­ lin war bisher rund ein Drittel der Wettbewerbsbeiträge zu sehen. Her­ ausragend war aber nur ein Film: «Monster's Ball» des Schweizers Marc Forster. Von den bisher gezeigten Produktio­ nen im Wettbewerb um den Goldenen und die Silbernen Bären stammen zwei von Regisseuren mit Schweizer Pass: Försters US-Produktion «Monster's Ball« und die italienisch-schweizeri­ sche Koproduktion «Brucio nel vento» von Silvio Soldini. Den aus Davos stammenden Marc Forster, der 1990 für sein Filmstudium in die USA ging und seither dort lebt, kannte man bisher nicht. Seit diesem Wochenende steht er im Rampenlicht. Sein «Monster's Ball» ist der bisher 
52. Internationale Filmfestspiele Berlin «Monster's 
Ball» von Marc Forster: ein Schweizer im Rampenlicht aufregendste Beitrag im Wettbewerb, und seine Hauptdarsteller^, die Schwarze Halle Berry, einer der meist- bcachtetsten Stars der Berlinale. Rassismus Ein Schweizer zeigt Amerika, wie man es selten auf der Leinwand sieht: Roh, brutal, kleinbürgerlich und ras- sis-tisch. In Georgia im Süden der USA arbeitet Hank, gespielt vom Billy Bob Thornton, im Todestrakt eines Gefäng­ nisses - wie vor ihm sein Vater, und wie jetzt auch sein Sohn. Die drei le­ ben im gleichen Haushalt. Die Mutter ist tot, Hanks Frau hatte sich umge­ bracht, und auch sein Sohn wird sich selber die Kugel geben. «Er war zu weich», ist Vaters einziger Kommentar dazu. Der Film ist auch sonst äusserst wortkarg - den Menschen ist die Spra­che 
längst abhanden gekommen. Umso gewaltiger ist die Bildsprachc in Forsters drittem Spielfilm. Die Ka­ mera verharrt auf den verhärteten Ge­ sichtern, zeigt die Gefühllosigkeit in den Wohnungen und die Kargheit der Landschaft. Auch die Kellnerin Lcticia (Halle Berry) verliert ihren Sohn, bei einem Autounfall. Eine Annäherung zwischen der schwarzen Frau und dem erzkonservativen Hank scheint jedoch unmöglich. In einer leidenschaftlichen Liebesnacht finden sie schliesslich doch zueinander. Hinrichtung und Sex Diese Liebesszene auf einem schäbi­ gen Sofa, hart und ungeschminkt ge­ filmt, gehört zu den dramatischen Höhepunkten in «Monster's Ball». Sie musste für die US-Kinos, wo der Film 
Ende Jahr gestartet ist, herausge­ schnitten werden. Nicht zensuriert . wurde eine zweite, emotional ebenso starke Sequenz, die Hinrichtung eines Schwarzen. Quälend lange verharrt die Kamera auf dem zuckenden Körper des Delinquenten, des Ehemanns von Lcti­ cia. «Rassismus existiert in den USA immer noch», betont Berry, die von Dr^harbeiten zum neuen James-Bond- Film 
nach Berlin kam. In-den USA sei­ en Veränderungen zwar zu spüren, sie begegne aber immer noch offener Fremdenfeindlichkeit. «Ich denke, Hol­ lywood braucht ausländisch? Regis­ seure," um kritische Filme über die USA zu machen», sagte dazu Filmemacher Marc Forster in Berlin. «Monster's Ball» Ist in nur 24 Tagen und mit ei­ nem sehr kleinen Budget entstanden. Deutlich kühler aufgenommen wur­de 
der italienische Beitrag «Brucio nel vento» (Brenne im Wind) von Silvio Soldini. Er erzählt, nach dem Rortian «Gestern» von Agota Kristof, von den Phantasien eines In der Schweiz arbei­ tenden Osteuropäers, der in seine Schwester verliebt ist. Als er sie endlich gefunden zu haben glaubt, scheint die Katastrophe unver­ meidlich. Aber Soldini lässt alles in der Schwebe, erzählt quasi im Konjunktiv. Sein Erzählstil ist schwerfallig und konventionell, und seine Figuren agie­ ren distanziert. Und die Emotionen werden bloss be­ hauptet oder gar nur von der Eizähl- stimme vorgetragen. Mit «Brucio nel vento» wird Soldini nicht an seinen Grosserfolg «Pane e tulipani» an- schliessen können und an der Berlina­ le wohl kaum einen Preis gewinnen. CP 
Private Anzeigen In Liechtenstein EINFACH - GÜNSTIG Jeden Samstag nur Im Wochenmarkt des © Liechtensteiner VOLKSBIATT Anzahl Erscheinungen lx O 2x Q' 3x • Zutreffendes bitte ankreuzen. Name:. Vorname: ' Strasse/Nr: . püyör Telefon/Fax: E-Maii: 
-iRüffiikWGreise 
»• V * / i • fidnHi Ilur - • 
Möbel/Haushalt 
.. • Sport/Hobby • Tiere • Glückwünsche • Bekanntschaften • Diverses • Internet . Zutreffendes bitte ankreuzen. 
• zu kaufen gesucht • zu verkaufen • zu vermieten • zu verschenken • Verloren/Gefunden '.• Antiquitäten • Bücher/Bilder • Danke 
PREIS PRO EINSCHALTUNG • Bereich! CHF30.- • Bereich 2 • Bereich 3 • Bereich 4 • Bereich 5 
CHF35.- CHF40.- CHF45.- CHF60.-• 
Bereich 6 CHF5S- • Bereich 7 CHF60.- • Bereich 8 CHF65.- • Zuschlag . Chiffregebühr CHF ZS.- Zutreffendes bitte ankreuzen. 
Alle Preise inkl. 7,6 % Mehrwertsteuer. Bitte in Druckbuchstaben schreiben und pro Buchstabe und Satzzeichen Immer 1 Feld benutzen (Zwischenräume leer lassen). Halbfette Wörter unterstreichert. AnnuttatloneriundTaxtilnderungen »Ind nicht möglich. Dar Verlag übamlnunt für die tnhalta dar Anzelgoo kolno Vornntwartung. o 
«•••••••••••••••••••••••••••••• «••••••••-••••••••••••••••••••DD sonn••••••••••••••••••••••••••• «•••••••••••••••.••••••••••••DD ••••••••••••••••••••••••••••• m- ••••••••••••••••••••••••••••••• ^  ETI BJJ  bi i QQ .HO cöürönWSS^
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.