Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

8 Freitag, 8. Februar 2002 
LAND UND LEUTE Liechtensteiner VOLKSBLATT Über 80 % der Stimmberechtig­ ten in Liechtenstein empfinden die Drohung des Fürsten bei ei­ ner Niederlage in der Verfas- sungsfrage nach Wien wegzu­ ziehen als «Belastung der politi­ schen Auseinandersetzung». Dies geht aus der repräsentati­ ven Nachbefragung bei 600 Stimmberechtigten im Auftrag des Demokratie-Sekretariats hervor, welche in der letzten Januar-Woche durchgeführt wurde. Im 'November 2001 führte das Mel- nungsforschungsinstitut IPSO (Düben­ dorf/Zürich) im Auftrag des Demokra­ tie-Sekretariats (DeSe) eine repräsen­ tative Meinungsumfrage bei 600 
Forum: Mitteilung des Demokratie-Sekretariats zu erneuter Befragung Stimmberechtigten in Liechtenstein durch. Ziel der Umfrage war es, Auf- schluss darüber zu erhalten, wie die Stimmberechtigten die Verfassungs- fräge beurteilen. Das DeSe hat IPSO beauftragt, bei denselben 600 Personen eine Nachbe­ fragung durchführen zu lassen. Diese fand zwischen dem 23. und 31. Januar 2002 statt. Teilgenommen haben im Januar 428 der im November befrag­ ten 600 Personen. Die restlichen Per­ sonen hatten entweder kein Interesse mehr am Thema oder waren, trotz mehrmaligen Versuchen, nicht er­ reichbar. Die Stichprobe vom Januar 2002 weist hinsichtlich der wichtigs­ ten Sozialmerkmale (Alter, Geschlecht, Bildung) keinerlei Verzerrung gegen­ über der Stichprobe von November 2001 auf. Bei der Nachbefragung stand die 
Frage im Vordergrund, wie die Stimm­ berechtigten auf die Ankündigung des Fürsten reagieren, seinen Wohnsitz nach Wien verlegen zu wollen, wenn Landtag und/oder Volk die in der Re­ gierungsvorlage enthaltenen fürstli­ chen Vorschlüge ablehnen. Für die Auswertung des Zahlenmaterials konnten wiederum die umfrageerfah­ renen Politologen Dr. Frank Marcin- kowski und Dr. Wilfried Marxer ge­ wonnen werden. Die Ergebnisse der Nachbefragung sprechen eine klare Sprache: Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger fühlen sich massiv bedroht von der Ankündigung des Fürsten, nach Wien zu ziehen. Die Frage lautete «Finden Sie es richtig, dass der Fürst den Weg­ zug ankündigt, falls seine Vorschläge abgelehnt werden, oder finden Sie, dass das eine Belastung für die politi­sche 
Auseinandersetzung ist?». 80,8 % der Befragten - unabhängig von der Parteineigung - beurteilen die «Wien»- Ankündigung als «Belastung» der poli­ tischen Debatte. Lediglich 16,6 % der Befragten meinen, dass der Fürst «kor­ rekt» handle. 1,6 % der Interviewten haben keine Meinung dazu und 0,9 % machen keine Angabe. Das DeSe appelliert an Fürst Hans- Adam, öffentlich kundzutun, dass er das Ergebnis der demokratischen Aus- marchung respektieren wird und dass er einen Verbleib in Liechtenstein nicht mehr an ein bestimmtes Ergebnis der Volksabstimmung knüpft. Die Ver­ fassungsfrage darf nicht unzulässig mit der Personalfrage Hans-Adam ver­ knüpft werden. Die Stimmberechtigten sollen die Vcrfassungsvorlage allein aufgrund ihrer Qualität verwerfen oder annehmen. 
Ebenso fordert das DeSe Landtags­ präsidenten Klaus Wanger auf, künftig auf verbale Eskalationen («Ohne Fürst sind wir nichts») zu verzichten. Die Verfassungsdiskussion wird durch die­ se sachlich durch nichts zu begrün­ dende Horror-Szenarien unnötig emo- tionalisiert. Demokratie-Sekretariat Unter der Rubrik «Forum» veröffent­ lichen wir Zuschriften und Beiträge von Verbänden; Vereinen,-Aktionen und Institutionen; Das «Forum» ! drückt aus, dass die in den Beiträgen geäusserten Meinungen nicht mit der Haltung der Zeitung überein­ stimmen 
müssen.- Fürst: «Der Vorschlag zur Verfassungsänderung kam von meiner Seite» Forum: Stellungnahme des Demokratie-Sekretariats zur gestrigen Thronrede Die Aussage von Fürst Hans-Adam anlässlich der Thronrede von gestern Donnerstag, dem 7. Februar 2002, «dass nicht das Fürstenhaus mit der Diskussion über die Stellung der Monarchie in der Verfassung begon­ nen hat», entspricht nicht den Tatsa­ chen. In einem Interview mit der «Washing­ ton Times», publiziert am 17. August 1998, wird Fürst Hans-Adam gefragt: «Kam die Initiative von Ihnen aus, die Verfassung zu ändern?» Hans-Adam antwortet: «Ja, dieser Vorschlag kam von meiner Seite.» Dieses Statement des Fürsten ist im Internet* nachlesbar. Treibende Kraft im Verfassungsstreit war und ist seit 
1988 Fürst Hans-Adam. Er hat in un­ regelmässigen Abständen Abände­ rungsvorschläge formuliert, zurückge^ zogen und umformuliert. Das Demokratie-Sekretariat hält fest: © Im Frühling 1988 schlägt Hans- Adam, damals Erbprinz und Stellver­ treter des Fürsten Franz Josef IL, vor, das Richtervorschlagsrecht gegen das Beamtencrnennungsrecht zu tauschen. © Im Mai 1993 bringt Fürst Hans- Adam in seiner Thronrede erstmals den Verfassungsartikel zur Abschaf­ fung der Monarchie zur Sprachc. © In einem Schreiben an das Liechten­ stein-Institut, datiert vom 22. Septem­ ber 1995, formuliert der Fürst die Be­ dingungen, die erfüllt werden müssen. 
damit das Fürstenhaus weiterhin das Staatsoberhaupt stelle. Als eine Vari­ ante nennt der Fürst den Verbleib bei der heute nach wie vor gültigen Ver­ fassung von 1921. © In seiner Thronrede vom März 1997 Unter der Rubrik «Forum» 
veröffent- i liehen wir Zuschriften und Beiträge . von Verbänden, Vcreiiien, Aktionen = und Institutionen. Das «Forum* drückt aus, dass die in den Beiträgen 
 ; I geäusserten Meinungen- nicht mit • der Haltung der Zeitung überein­ stimmen müssen. 
sagt der Fürst, dass ein Verbleib bei der Verfassung von 1921 «ausgeschieden» werden müsse. © Im Oktober 1997 berichten Medien, dass Fürst Ijans-Adam Artikel 37 (Re­ ligionsfreiheit) neu definieren will. Staat und die mit dem Staat traditio­ nell eng verbundene katholische Kir­ che sollen strikt getrennt werden. © Am 15. August 1998 zieht Fürst Hans-Adam seine Forderung nach Neuordnung des Verhältnisses zwi­ schen Staat und Kirche zurück. Dies nachdem er den Artikel 37 noch im Dezember 1997 als «Bedingung» für erfolgreiche Verfassungsgespräche ge­ stellt hatte. © Im Juni 1999 lässt der Fürst dem Landtag einen neuen Vorschlag zu­kommen. 
In diesem Entwurf tauchen erstmals massive Änderungen der Ar­ tikel 10 (Notverordnung), Artikel 79/80 (Regicrungsentlassung) und 112 (Staatsgcrichtshof) auf. © In einem Schreiben an die Verfas­ sungskommission, datiert vom 29. Marz 2000, schlägt der Fürst eine Neu­ ordnung auch des Artikels 7, Abs. 2 der Verfassung vor (Gerichtsbarkeit des Fürsten). Ebenso schlägt er erneut eine Modifizierung des Artikels 79 vor. *) Das vollständige Interview des Landesfürsten mit der «Washington Times» kann unter folgender Adresse nachgelesen werden:  http://www.in- ternationalspecialreports.com/archi- ves/98/liechtenstcin/   10.html Demokratie-Sekretariat LESERBRIEFE Offener Brief an seine Durchlaucht den Lan­ desfürsten von und zu Liechtenstein Durchlaucht Meinem starken Gefühl der Betrof­ fenheit über das gerade Gehörte möch­ te ich als Befürworterin der Monarchie hier und jetzt Luft machen. Nie hätte ich mir vorher vorstellen können, ei­ nen offenen Brief an Sie zu richten. Jetzt ist es nötig. Ich möchte nicht, dass pauschalierend irgendjemand für irgendetwas verurteilt wird, des­ halb habe ich mich entschlossen, Ihre Aussagen an der Thronrede der Land­ tagseröffnung vom 7. Februar 2002 nicht unbeantwortet zu lassen. Sie sprechen einerseits im Namen des ganzen Volkes, andererseits teilen Sie dieses in iMonarchicgcgner» und - wie ich es bezeichnen möchte - »Freunde des Fürstenhauses», also Verfassungs- befünvorter. Dies stellt eine sehr star­ ke und in unserer momentanen Situa­ tion unpassende (und zudem falsche) Polarisierung dar. Wer nicht Ihrer Meinung ist im jetzigen Verfassungststreit» (meiner Meinung nach wäre die Bezeichnung «Diskussi­ on» 
angebrachter), gilt in Ihren Augen als jemand, der die jetzige Staatsform ablehnt. Diese Aussage ist eine unan­ gebrachte Unterstellung gegenüber je­ dem mündigen Landesbürger. Ihr Bei­ spiel von den «selbst ernannten Demo­ kraten», die schon Öfters in der neue­ ren Geschichte *Diktaturen eingeführt haben», ist in diesem Zusammenhang ebenfalls unangebracht. Sie wollen doch wohl niemandem ein solches Tun unterstellen? Einen weiteren Kommen­ tar möchte ich mir dazu ersparen. Mir scheint, Sie sprechen einem grossen Teil der Bevölkerung das Vermögen ett ner differenzierten Meinungsbildung 
ab. Schliesslich haben sich Ihrer Mei­ nung nach die einen schlicht 'Monar­ chiegegner» und die anderen •Befür­ worter des Verfassungsvorschlages» auf die Fahne geschrieben. Glauben Sie wirklich an dieses Bild? Gibt es denn zwischen Schwarz und Weiss für Sic keine Schattierungen? (Oder an­ ders gefragt: Haben Sie die Verfas­ sungsdiskussionen in den Tageszeitun­ gen verfolgt?) Damit nicht genug: Sie meinten weiter, dass eine Ablehnung des Verfassungsvorschlages auf emo­ tionalen Gründen beruhe. Waren nicht Sic derjenige, der schon oft mit - zu­ mindest für die Angesprochenen - sehr emotionalen Aussagen für eine Zustimmung warb? Was für Sie eine (sachlich begründete) Konsequenz zu sein scheint - der Wegzug - ist für vie­ le Bürger unseres Landes eine äusserst emotionale, tiefgehende Sache. Der Gipfel aber scheint mir, dass Sie von einer Krise ausgehen, falls Sie das Land verlassen, einer Krise für den Landtag und damit das Volk. Wie kön­ nen Sie als Landesoberhaupt es ver­ antworten, in diesem Bewusstsein ei­ nen solchen Schritt zu erwägen? Ich finde dies sehr bedenklich. Paul Vogt hat seine Enttäuschung und tiefe Traurigkeit über die gemachten Äusse­ rungen zur Sprache gebracht. Dem muss ich mich leider anschliessen. *Das Volk hat genug vom Verfassungs­ streit». Wie Recht Sie haben. Mit freundlichen Grüssen, Corina Beck, Tröxlegass 21, Schaan Als Nächstes gibt es Prügel? Waltraud Walser erläutert in ihrem Leserbrief vom 6. Februar in erstaunli­ chem Juristendeutsch die Hintergrün­ de des Austrittrechts der Gemeinden, wie es im Verfassungsvorschlag der Regierung, der inhaltlich derjenige des Fürsten ist, vorgesehen ist. Genauso sollte die Verfassungsdiskussion ei­gentlich 
ablaufen: auf der Basis von Argumenten und Gegenargumenten. Umso unverständlicher ist es, dass sich Waltraud Walser im Schlussab- satz dazu hergibt, über Dr. Gerard Batliner herzufallen und seinen wert­ vollen Beitrag zur Verfassung als «Hetzkampagne» zu verunglimpfen. Befürworter der Vcrfassungsvorlage verlassen immer häufiger das Feld der Argumente und greifen in die Trick­ kiste der Drohungen und Verunglimp­ fungen. Auch Hansrudi Sele ortet bei den Gegnern der Regierungsvorlage Monarchiegegner, obwohl historisch gesehen autoritäre Monarchien grösse­ re 
Außösungserscheinungen hatten als die repräsentativen Varianten. Auch vor nächtlichen Ad-hoc-Ak- tionen schrecken sie zwischenzeitlich nicht mehr zurück, wie der von Nacht­ buben besudelte Demokratie-Verstär­ ker zeigt. Was kommt als Nächstes? Müssen sich diejenigen, die sich für den Erhalt der Inhalte der Verfassung von 1921 einsetzen, demnächst Prügel androhen lassen? P.S.: Die schwarzen Ghostwriter sollten ihre Sehreibstile ihrer Klientele besser angleichen, sonst wirkt es etwas plump. Hansjörg Hilti, Schaan Die FL ist für eine reprä­ sentative Monarchie Frau Jenny, vielen Dank für die Be­ richtigung meines Bildes von der FL. Ich habe die FL-Information nur punk­ tuell gelesen und hauptsächlich das Bild Ihrer Partei wiedergegeben, das sich mir in Gesprächen mit anderen dargestellt hat. Auch könnte es sein, dass ich jenen Demonstranten vor dem Landtagsgebäude (Foto in Zeitung), den mit der Schärpe *Ich bin Republi­ kaner», fälschlicherweise Ihrer Partei zugeordnet habe. Sie raten mir: Ich soll nicht das übernehmen, was ande­ re aus parteipolitischer Absicht in die 
Welt setzen. Bin ich vielleicht auch Ihren Gegnern aufgesessen? Wie Ihnen bekannt, lehnt der Fürst eine reprä­ sentative Monarchie ab - es bleibt dann halt doch nur die Republik, für die sich die FL engagieren kann! Ein repräsentativer Monarch müsste sich zeitlich und sachlich völlig den Erfordernissen des Staates unterord­ nen, er wäre an Händen und Füssen gebunden, er wäre ein Lakai der Politi­ ker, er könnte seine Interessen total vergessen. Obendrein müsste er sich auch noch Kritik und Angriffen stel­ len, wovon man in den letzten Jahren genügend Musterehen erlebt hat. Rich­ tig - er könnte sich ja beim Staatsge­ richtshof beschweren! Frau Jenny, Sie sind eine kluge Frau, würden Sie, wenn Sie an Stelle des Landesfürsten wären, sich dazu hergeben? Dr. Wolfgang Bayer, Gamprin Liechtenstein In der Internet-Steinzeit ... das ist jedenfalls der Eindruck, den jeder Besucher von www.liechten- stcin.li haben muss, wenn er auf unse­ re «Identitätskarte auf dem Internet» zugreiß. Abgesehen von praktisch al­ len gestalterischen Todsünden, die be­ gangen wurden, widerspiegelt so eine amateurhafte Aufmachung nicht im Geringsten die kulturelle Vielfalt und Anmut unseres Landes. Eine Website von diesem Kaliber sollte ein Erlebnis sein, abwechslungsreich, informativ und unterhaltend. Stattdessen findet man eine zum Einschlafen langweili­ ge, grau-in-grau gehaltene Kloake, die viel zu mühsam zu navigieren ist und wahrscheinlich von den wenigsten ver­ standen wird, da nur eine deutsche Version offeriert wird. Das Ganze würde mich nicht ganz .so sehr ärgern, wenn dieses Projekt aus kostensparenden Gründen von ei­ nem Hobbybastler auf die Schnelle zu­ sammengewürfelt wurde. Aber ca. 
CHF 500 000.- für eine dermassen stümperhafte Präsentation auszuge­ ben, grenzt schon an sinnloses Ver­ schleudern von Sleuergeldern. Entwe­ der denkt sich die Regierung offen­ sichtlich, sie könne das Volk für dumm verkaufen, oder - was noch viel pein­ licher wäre - sie hat sich selbst ganz gewaltig übers Ohr hauen lassen. Wie dem auch sei, als Mitbegründer einer der führenden Digital Media Firmen in New York, vor allem aber als Liechten­ steiner, muss ich mich zutiefst für die­ se «Online-Identität• schämen. Wenn Nomadic Labs solch drittklassige Qua­ lität liefern würde, wären wir bereits seit langem arbeitslos. Mario Frick, New York/Dallas mfrick@nomadiclabs.com http://www.nomadiclabs.com Damit unter der Rubrik «Leserbriefe» möglichst viele Meinungen Platz ' finden, crsuchen wir-unsere Leser-. : briefschreiberinnen und -Schreiber ; sich möglichst kurz zu halten. Le- • , serbriefe tragen wesentlich zur Bele-' burig der öffentlichen Diskussion zuj f verschiedenen Themen bei. Bele- j ; bend vvirken Leserbriefe jedoch nur, | ; wenn sie kurz und prägnant ver- i ; fasst sind; mit Konzentration auf i ; das Wesentliche, ansonsten sie das* Gegenteil bewirken. Da auch unsere l. Rubrik «Leserbriefe» einer Planung 
i i bedarf, bitten wir unsere Leserinnen ; j und Leser,sich möglichst kurz zu i 
halten und als Limite eine maxima-j ! ;ie Anzahl von 2500 Zeichen zu res- l | pektieren. Die Redaktion behält es \ r sich vor, zu lange-Leserbriefe abzu-1 f lehnen. Ebenfalls abgelehnt werden j | Leserbriefe mit ehrverletzendem In- 
"j i halt.  redaktion@volksblatt.li ! u-
	        

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