Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

DONNERSTAG, 5. DEZEMBER 2002 VOLKS I I IV 
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11 Frauen in der FBÜ [ Ii -« ' »• » i l > > « . * f T i ~ , ^ I J < • • < *l < « « »i WI 4̂ I « 1 <»<». . « Frauen fördern Frauen Frauen fordern Frauen Edith De Boni Vorstand Frauen in der FBP Die Gestaltung politischer Frauenarbeit liegt mir sehr am Herzen. Dazu zahlen für mich Frauenförderungsniassnahmen. die Behand­ lung frauenrele\anter Themen - sowohl in der Veniehmlassuiigstcilnahme als auch in der Durchführung von Veranstaltungen •- die Suche und Unterstützung von Kandidatinnen anfallen politischen Hhenen 
und die Zusam­ menarbeit mit dem Frauennet/ und der Gleichstellungskommission. Dieses Interesse ist hei mir jedoch nicht seit jeher vorhanden. Bevor ich vor vier Jahren in den Gemcinde- rat von .Schaan gewählt und spater Vorstands­ mitglied der Frauen in der FBP wurde, war Politik etwas, das in meinem Umfeld nicht sehr relevant war. Schnell halte ich erfahren, wie spannend politisches Wirken sein kann. Das Einnehmen eines neuen Standpunktes, die Veränderung der Position durch eine neue Rolle, veränderte auch den Blickwinkel. Das Spannungsfeld der Politik, das sehr häutig Anlass zu unsäglichen Diskussionen gibt, liegt meines Erachtens in den unter­ schiedlichen Blickwinkeln, die Frauen und Männer je nach Interesse, Stellung und Gesinnung einnehmen. Die Vermittlung und Konsenstlndung /wischen den unterschiedli­ chen Standpunkten ist die eigentliche Her­ ausforderung. Ein Element dazu sind Veran­ staltungen. welche von den Frauen in der FBP zahlreich angeboten werden. Hier erin­ nere ich mich sehr gerne zurück an die Ver­ anstaltung «Finanzplatz. Liechtenstein», an welcher kompetente Frauen für Frauen auf­ gezeigt haben, wie der Finanzplatz in den Grundziigen funktioniert, was ihn gefährdet und wie die politischen Rahmenbedingungen gestaltet sind. Weiter denke ich an das Jahr 2001. das Jahr der Freiwilligenarbeit. Mit drei Veranstaltungen konnten die Frauen in der FBP einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Diskussion in Liechtenstein bei­ steuern. Eine daraus resultierte Forderung, die Erarbeitung eines Sozialausweises für Personen, die in der Freiwilligenarbeit aktiv sind, ist heute noch aktuell und Gegenstand einer Arbeitsgruppe der Regierung. Ebenso gerne erwähne ich die drei erfolgreichen und gut besuchten Veranstaltungen dieses Jahres, welche unter dem Titel «Frauen lordern Frauen - Frauen fordern Frauen» durchge­ führt werden konnten. Dieses drei Anlässe unterstrichen gleichzeitig das Jubiläum «20 Jahre Frauen in der FBP», welches in würdi­ gem Rahmen gefeiert wurde. Wenn ich per­ sönlich Bilanz ziehe über 20 Jahre Frauenpo­ litik. 
denke ich, dass die Pionierinnen heute stolz sein dürfen auf das, was sie vor zwei Jahrzehnten begonnen haben. Frauen in der Politik gehören heute zum Bild unserer Gesellschaft. Da.ss es noch mehr Frauen sein müssten. ist nicht zuletzt auch ein Generatio­ nenproblem. Ich stelle fest, dass sich junge Frauen mit Recht viel zutrauen, dass sie selbstbewusst und selbstsicher sind. Nicht die Angst, nicht bestehen zu können, liegt den Absagen zur Mitarbeit zugrunde, son­ dern das Zeitproblem, welches sich aus Beruf und Familienarbeit ergibt. Frauen gehören in die Politik genauso wie Männer. Nicht Frau­ en oder Männer sind besser, sondern gemein­ sam sind Frauen und Männer stark. 20 Jahre Frauen In der FBP 
Gerechter Kaffee und faire Banane feiern Zwei «Fairer-Handel-Frauen» zum Jubiläum des Welt- und Naturladens SCHAAN - Was heute eine Insti­ tution ist und in vielen Super­ märkten Einzug gehalten hat - war damals eine revolutionäre Sache. Ein Rückblick auf die Eröffnung des Welt- und Natur­ ladens vor 25 Jahren. Volksblatt: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen IJritt- Welt-Laden zu gründen? Gerda Kicker: Der Laden war eigentlich die logische Folge und sicherlich ein wichtiger Meilen­ stein eines längeren Prozesses, der 1973 mit einem Seminar im Haus Gillenberg begann. Dort ging mir so richtig auf, dass das Elend in Afrika und Asien nicht einfach Schicksal ist. sondern auch durch uns und unser Kaufverhalten mit­ verschuldet wird. Den Bauern einen gerechten Preis zu zahlen war uns plötzlich wichtiger als Almosen zu geben. Und dazu brauchte es Information und Auf­ klärung. Ingrid Allaart: Nach dem Semi­ nar veranstalteten wir weitere Seminare und begannen mit prakti­ schen Aktionen wie zum Beispiel die Bananen-Aktion: «Sind Sie bereit 15 Rappen mehr zu bezah­ len?» Fast alle Läden des Landes machten mit und stellten Bananen- Kässeli auf. Die Aktion dauerte zwei Jahre und wurde laufend mit anderen Themen und Slogans ergänzt wie der Ujumaa-Kaffec aus Tansania, der Maya-Honig aus Guatemala und natürlich die Akti­ on: «Jute statt Plastik.» Gerda Bickcr: «Bei jeder Gele­ genheit waren wir präsent: vordem LKW, bei Suppentagen, bei der LIHGA, an Weihnachtsmärkten und ab 1977 auch auf den Jahr­ märkten. Wichtig war uns Informa­ tion, doch bald merkten wir, dass die Leute nicht nur Flugblätter lesen und zuhören wollten, sondern etwas tun, am besten also etwas gerecht Gebändeltes kaufen. Mein Bruder Peter brachte die Idee des Dritt-Welt-Ladens aus Holland mit. Und schliesslich wagten wir es - am 8. Dezember 1977 eröffneten wir den Dritt Welt Laden in Eschen.» Ingrid Allaart: Für uns war der Laden eine Riesensache. Er wurde von Pfarrer Deplazes feierlich ein­ geweiht. Sogar Fürstin Gina war mit dabei und auch der damalige Vorsteher Egon Marxer. Gerda Bicken Für die Oberlän­ der war Eschen natürlich etwas weit vom Schuss. So hatten wir in verschiedenen Gemeinden Able­ ger. Eine Zeit lang gab es insge­ samt vier Läden im Land: Eschen, Balzers, Vaduz und Schaan. War der Laden nicht ein grosses Risiko für euch selbst und den Verein Welt und Heimat? Gerda Bickcr. Im Nachhinein mag es so aussehen, doch damals war für uns der Laden einfach nötig und darum wurde die Idee mit viel Elan und irgendwie ganz, selbstverständlich umgesetzt. Wir arbeiteten freiwillig und so hatten wir kaum Kosten. Ingrid 
Allaart: Es gab schon Bedenken, doch wir begeisterten zahlreiche Frauen und auch die wenigen Männer waren so über­ zeugt, dass wir uns durchsetzten konnten. Wir fühlten uns von vie­ len Seiten getragen, auch von den Kirchen. Wir trafen uns 
regelmäs­Kämpferinnen 
der ersten Stunde - Gerda Bicker links im Bild und Ingrid Allaart hoffen, dass inskünftig nur noch fair gehandelte Produkte auf den Markt kommen. sig im Treffpunkt bei Pfarrer Mühl, im Haus Gutenberg und im Balzner Pfarrhaus, Pfarrer Franz Näscher betreute die erste Ablage von Eschen. In der Gruppe gab es eine sehr gute Dynamik, wir fühlten uns wohl. Zudem standen unsere Ehemänner voll hinter uns, nicht nur mit ihrem Einkommen, son­ dern vor allem mit ihrem Verständ­ nis. Sie mussten manchmal selbst kochen und die Kinder hüten. Wie ging es mit dem Laden wei­ ter? Ingrid Allaart: Die Entwick­ lung des Dritt-Welt-Ladens wider­ spiegelt sehr gut die Themen, Höhen und Tiefen der Diskussion um Entwicklung, Frieden und Umwelt. Als zum Beispiel Umweltfragen aufkamen, waren der Laden und seine Ableger im Nu Sammelstellen für Aluminium. Gerda Bicker: Ich weiss nicht, wie viel Joghurtdcckeli durch unsere Hände gegangen sind. Sehr schnell wurde uns klar, dass Gerechtigkeit im Sinne von fairen Preisen, Gesundheit dank sauber produzierten Lebensmittel und die Sorge um die Umwelt zusammen­ gehörten. «Kauf kritisch» war unser Slogan. Seid ihr nicht immer wieder angeeckt? Gerda Bicker: Selbstverständ­lich 
wurde unser geradezu missio­ narischer Eifer nicht überall geschützt. Wir wurden von einigen ignoriert, von anderen mit einem eher mitleidigen Lächeln toleriert, aber die Notwendigkeit eines gerechten Handels wurde nie gross in Frage gestellt. Ingrid Allaart: Im Gegenteil - zusammen mit dem LED, dem Fastenopfer, der Caritas und dem Landesseelsorgerat lancierten wir 1986 die «Petition für einen Gerechten Flandel mit der Dritten Welt», die von über 1600 Personen unterschrieben wurde. In dieser Petition wurde unter anderem auch der Finanzplatz Liechtenstein angesprochen. Wir denken, die Bevölkerung Liechtenstein hat ein gutes Gespür für Solidarität. Heute gibt es den klassischen Dritt-Welt-Laden nicht mehr. Warum? Gerda Bicker: Bei uns gibt es ihn nicht mehr, weil er zusammen mit dem Naturladen zum Welt- und Naturladen verschmolzen ist. Im Nachhinein ist auch dieser Schritt normal, obwohl er gar nicht so einfach war. Heute würde man sagen, es fusionierten zwei Unternehmen mit einem hohen Synergiepotenzial. Weniger geschwollen ausgedrückt, was zusammengehört, soll auch zu­ sammen sein. Wir stehen ein für Anlässlich der Eröffnung des ersten Welt-Ladens in Liechtenstein trafen sich Fürstin Gina von Liechtenstein, Pfarrer Paul Deplazes, der damalige Vorsteher Egon Marxer und Wilfried Vogt (v. r. n. I.). 
faire, umweltgerechte und gute Produkte. Ingrid 
Allaart: Im Laden stehen auch keine Freiwilligen mehr. Fai­ rer Handel musste über kurz oder lang zu einem normalen Handel werden in Läden mit normalen Öffnungszeiten und normal bezahl­ ten Angestellten. Mittlerweile kann man unter dem Label Max Havelaar bald in jedem Laden fair gehandelte Produkte kaufen. Hat der Welt­ laden damit nicht seine Berechti­ gung verloren? Ingrid Allaart: Zuerst möchte ich sagen, dass wir froh und stolz sind. Was wir Spinner und «när- sche Wiber» damals bei uns begon­ nen haben, wird heute mehr und mehr zu einer Selbstverständlich­ keit. Das Max-Havelaar-Gütezei- chen gibt uns und allen Käuferin­ nen und Käufern die Gewissheit, dass die Produkte auch tatsächlich aus einer sozial- und umweltver­ träglichen Produktion stammen. Gerda Bicker: Grossverteiler verkaufen Waren in grossen Men­ gen und das ist gut so. Zum Bei­ spiel bei Kaffee, Tee, Orangen­ saft, Bananen oder Honig. In der Regel übernehmen sie fair gehan­ delte Produkte dann, wenn sie laufen. Die Weltläden und ihre Importstelle Claro helfen mit, neue Produkte zu entwickeln und auf dem Markt zu testen. Ausser­ dem muss man sehen, dass Kooperativen von Kleinbauern neue Produkte oft erst nach Jah­ ren in den Mengen liefern kön­ nen, wie sie von Gross 
Verteilern benötigt werden. Und was bringt die Zukunft? Ingrid Allaart: Das wissen wir nicht, aber wir haben Hoffnungen. Zum Beispiel die Hoffnung, dass in immer mehr Firmen und Verwal­ tungen der Pausenkaffee gut und fair riecht und schmeckt. Dass die Menschen ihr Wissen in die Tat umsetzen, auch wenn es ein biss­ chen mehr kostet. Dass die Men­ schen bewusster einkaufen und auch weniger wegwerfen. Gerda Bicker: Ich wünsche mir, dass in Zukunft alle Waren - auch die Kolonialwaren - in jedem Laden zu einem Preis stehen, der auch für die Produzentinnen und Produzenten stimmt und ihnen ein würdiges Leben ermöglicht.
	        

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