Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

FREITAG, 29. NOVEMBER 2002 
VOLKS! 
IAH A IVir\ HOLOCAUST-FORSCHER BLATT 
INLAND DAVID BANKIER IN VADUZ STICHWORT YAD VASHEM Yad Vashem wurde 1953 durch das israeli­ sche Parlament in Jerusalem gegründet. Es ist die Gedenkstätte für die scchs Millionen Juden, welche durch die Nazis während des zweiten Weltkrieges unschuldig ermordet wurden. Der Massenmord an den Juden Europas übertraf in seinen Ausmassen und seiner durchorganisierten Perfektion alles je Gesehene. Ausgelöscht wurden auch lau­ sende voqi jüdischen Gemeinden und Zen­ trenjüdischer Kultur. Yad Vashem ehrt die Märtyrer dieses Völkermordes, aber auch die Gerichten, die der Macht trotzten. Yad Vashem ist somit einerseits ein Ort des Gedenkens. Auf seinem Areal befinden sich Museen und eindrucksvolle Denk­ mäler, darunter die Gedenkhalle mit den Namen der Konzentrationslager,, die Halle der Namen der Opfer, die Kindergedenkstüt- te, das Tal der Gemeinden, das Historische Museum und das Kunstmuseum! Anderer- seits'ist Yad Vashem mit mehr als 58 Millio­ nen Dokumenten auch das weltweit umfas-. sendste Archiv über den Holocaust. In den fünfzig Jahren seines Bestehens ist Yad Vas­ hem auch zum grössten Forschungszentrum und zur wichtigsten Lchrstätte über Anti­ semitismus und Rassismus gewachsen." 1 920 483 Personen besuchten im Jahre 2000 diese Gedenkstätte, prominentester Gast von 18 Staatsoberhäuptern war Papst Johannes Paul der II. Im Jahr 2001 nahmen 74 140 Studenten und "3780 Pädagogen aus aller Well au ' Seminaren über den Holocaust sowie über Holocaust-Erziehung teil, 50 000 israelische Militärangehörige und 12 000 Schülcr absolvierten Tagesseminare, Gedenkfeiern und andere Veranstaltungen. Der Liechten­ steinische -Freundeskreis, der unter dem Ehrcnpatronat von Fürst Hans-Adam II. steht, ist einer von vielen weltweit, die das Holocausl-Dokumentations2entrum Yad Vashem unterstützen. ANZEIGE DEGUSTATION 28,/29./30.11.2002 Do./Fr. 17 bis 21 Uhr Sa. 13 bis 17 Uhr 
Der bekannte Holocaust-Forscher David Bankier zu Gast in Vaduz VADUZ - Für geschichtlich interessierte Menschen im All­ gemeinen und. Historiker Im Speziellen stand gestern im Vaduzer Saal ein Pflichttermin auf dem Programm. Prtif. Oavid Bankier, vielleicht der führende Israelische Holocaust-Forscher, Melt elnen.Vortrag zum Thema «Holocaust-Forschung aus internationaler und aus Jüdi­ scher Sicht». * Woltgann Zachner ' Es ist eine Frage, die die klügsten Köpfe in der modernen Geschichtsforschung seit Jährzehn- teiir beschäftigt: Wie konnte es pas­ sieren, däs's ein kulturell und zivili- satoriscfi.hochentwickeltes europä­ isches Land wie Deutschlund vor mehr als-60 Jahren zur nationalso­ zialistischen Bestie pervertierte. Eine . Bestie, die einen Weltkrieg mit 50 Millionen Toten entfesselte urid 6 Millionen Judea maschinell. in dqn Konzentrationslagern ermordete. . . Um dieser Frage auf den Gnind zu gehen,, lud der «Verein der Liechtensteiner Freunde von Yad Yashem» 
(siehe Spalte nebenan) Prof. David Bankier, den führen­ den israelischen Holöcaust-For-' \ scher, nach' Vaduz; Ursprünglich sollte auch-Prof. Dan Michman, eine weitere Koryphäe auf diesem Gebiet, einen Vortrag halten. Doch -Michman konnte aus gesundheitli-, eben Gründen die Reise nach Vaduz nicht antreten, sodass Ban­ kier das Programm alleine bestrei­ ten musste. Eine Aufgabe, die der Holocaust- Experte mit Bravour erledigte. Bei­ nahe zwei 
Stunden lang versuchte er den Wurzel n des spezifi sch deut­ schen Antisemitismus auf den Grund zu gehen und befeuchtete die unterschiedlichen Interpretati- onszugänge.von deutschen Histori­ kern auf der einen Seite und 
jüdi-Holocaust-Forschung 
aus internationaler und jüdischer SIctiL Referent David Bankier und Evelyn Beermann, d|e Präsidentin des'Vereins der Liechtensteiner FreundB von Yad Vashem. ' sehen Gcschichtswissenschaftern auf der anderen Seite. Kernaussage • seiner These: Der Grossteil der deutschen Historiker versuche den Antisemitismus aus einer funkfio- ; nalistischeri Perspektive heraus zu erkläre. Diese würden eher rationa­ le Erklärungsmödellc erstellen, die hinter dem mörderischen Antisemi- tismus der Nazis einen «prakti­ schen Sinn» herausarbeiten.. Jüdische Historiker neigen laut Bankier hingegen eher dazu, den Antisemitismus im. Dri Jten Reich vor allem als spezifische fanatische Ideologie der Nazi-Führungsriege zu definieren. Als Beweis für zwei-' tere These führte Bankier unter anderem eine Analyse von Hitfers Schriften an, durch die sich vor allem ein roter-Faden zieht: Hitlers Besessenheit mit der Lösung der so genahnten «Judertfrage». Die, «Endlösung» als Ergebnis der 
intellektuellen- Wahnvorstellung einer Nazi-Elite, die versucht hat, die Welt gemäss ihren wahnsinni­ gen Vorstellungen zu ändern? Für Bankier und viele seiner Kollegen ; liegt genau darin die Äntriebsfeder . für den in der Menschheitsge­ schichte wohl einzigartigen Zivili- sations-Tiefpunk't namens Holo-, caust. Eine klart Absage erteilte Bankier jenen Historikern, die in den Nazis eine besonders' grausame Form von Nihijjsmüss sehen. Ein" Nihilismus, dessen einzige Triebfe­ der. die Maximierung der Macht gewesen sein soll. - ' "Das vor allem von rcchtscxtre-. mer Seite oft gehörte Scheinargu­ ment, alle Deutschen würden von, ausländischer Seite mit dem Kains- mal einer Kollektivschuld gebrand­ markt werden, widerlegte Bankier auf brillante Arte und Weise: Ban­ kier legte den Prozentsatz ider fana­tischen 
Antisemiten im Dritten Reich mit 5 Prozent der Gesamtbe- völkerung" fest. Sein Schluss: Jene 5 Prozent von immerhin 80 Millio­ nen Menschen seien, ausreichend gewesen, um die Judenvernichtung zu 
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