Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

4 Dienstag, 29.. Oktober 2002 
UNLAND 
Liechtensteiner 
VOLKSBLATT Die «Budget-Suppe» auslöffeln @ Q 
© Regierungschef Otmar Hasler zur Kritik betreffend Landesvoranschlag 2003 Die Finanzzuweisungen des Landes an die Gemeinden iiiüst- sen sq gestaltet werden, «dass sie beiden staatlichen Ebenen ermöglichen, ihre Aufgaben zu erfüllen», sagt Regierungschef Otmar Hasler. Martin Frommel t Volksblatt: Im Vaterland wurden Sie am Samstag dahingehend kritisiert, dass der Landtag die «Budget-Sup- pe» auslöffeln müsse, die Sie dem Landtag jetzt eingebrockt haben: In­ wieweit trifft Sie diese Kritik? Otmar Hasler: Aufgabe der Regie­ rung ist es, dem Landtag einen Lan­ desvoranschlag zu unterbreiten, der möglichst gut mit den Grundsätzen des Finanzhaushaltsgesetzes und des Finanzleitbildes übereinstimmt. In Zeiten -sich verflachender Staatsein­ nahmen bedeutet dies, dass auch die Ausgaben entsprechend reduziert wer­ den müssen. Gemäss Art. 62 unserer Verfassung ist es dann Aufgabe des Landtages, den jährlichen Voran­ schlag festzusetzen. Die Regierung ist der Auflassung, dass zunächst die hohen Steigerungs­ raten bei den Ausgaben, die wir in den letzten Jahren. beobachten konnten, gesenkt werden müssen, bevor über allfällige Steuererhöhungen nachge­ dacht werden kann. Sie nimmt damit die ihr zukommende Verantwortung wahr. Es liegt jedoch in der Finanzho­ heit des Landtages darüber zu ent­ scheiden, ob er diesem Standpunkt folgen will. Kritisiert wurde auch, dass die Re­ gierung und vor allem der Regie­ rungschef die nötigen Rahmenbe­ dingungen 
schaffen müsse, welche gesunde Staatsfinanzen .zulassen würden: Was meinen Sie dazu? Der liechtensteinische Staatshaus­ halt ist nach wie vor sehr gesund. Das Verhältnis des Finanzvermögens zum Fremdkapital beläuft sich auf rund 5:1. Mit den bestehenden Reserven könnten die Staatsausgaben während fast zweier Jahre gedeckt werden. Dies darf man nicht ausser Acht lassen. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass wir uns in den letzten Jahren an Staatshaushalt ist nach wie vor sehr gesund zu hohe Zuwachsraten bei den Ausga­ ben gewöhnt haben. Möglich war dies nur aufgrund eines ausserordentlich starken Einnahmenwachstums, wel­ ches mit der Börsenentwicklung, dem starken Anstieg der Anzahl Arbeits­ plätze in Liechtenstein und dem Verkauf von Landesbankaktien zu­ sammenhing. Einnahmensteigerungen von jährlich 10 Prozent und mehr, wie wir sie in den Jahren 1998 bis 2000 erlebt haben, sind eine Ausnahmeer­- 
•/.: •' -.V ! " Bf f\7 *In Zeiten sich verflachender Staatseinnahmen müssen auch die Finanzzuweisungen des Landes an die Gemeinden so ge­ staltet werden, dass sie beiden staatlichen Ebenen ermöglichen, ihre Aufgaben zu erfüllen»: Regierungschef Otmar Hasler. scheinung. Finanzpolitisch besteht die Herausforderung darin, uns wieder auf jährlichen.Einnahmenzuwächse von 2 bis 
4 Prozent einzustellen, was inter­ national gesehen immer noch ein gu­ ter Wert wäre. Wenn wir dies errei­ chen, werden wir auch weiterhin über gesunde Staatsfinanzen verfügen. Unter der Vorgängerregierung wur­ den besonders Im Krankenversiche­ rungswesen drastische Rahmenbe­ dingungen geschaffen: Die als «ge­ sündere Lösung» propagierte Re­ form desl Krankenversicherungsge­ setzes hat zu einer dramatischen Kostenexplosion geführt. Innert vier Jahren sind die Kosten von 25 Mil­ lionen auf 53 Millionen Franken an­ gewachsen: Wie rasch können, sol­ che Fehlentwicklungen korrigiert werden und was kommt da auf den einzelnen Bürger zu? Der Staatsbeitrag an die Kranken­ kassen hat sich in den letzten Jahren tatsächlich fast explosionsartig ent­ wickelt. Das Ressort Soziales arbeitet an verschiedenen Vorschlägen, wie diese Kostenentwicklung gedämpft werden kann. Wie schwierig es ist, hier zu wirksamen Massnahmen zu kommen, zeigt sich auch anhand der Diskussion in der Schweiz über die Re­ form des Krankenversicherungswe­ sens. Es ist leider nicht möglich, sol­ che Entwicklungen innert einiger Mo­ nate zu korrigieren. Inwieweit die ein­ zelnen Versicherten mit Mehrbelas­ tungen zu rechnen haben, lässt sich 
heute noch nicht sagen. Sicher ist, dass die KVG-Reform dieses Problem nicht zu lösen vermochte. Im Gegen­ teil, der Anstieg der staatlichen Kosten hat sich noch verstärkt. Kostenexplosion durch KVG-Refonn Grundsätzlich helsst es, dass man nicht mehr ausgeben darf, als man einnimmt: diese Grundregel könnte trotz angespannter Lage Im Budget 2003 eingehalten werden, .wenn die Investitionen entsprechend reduziert würden: Warum tun Sie das nicht? Über mehrere Jahre hinweg sollen die Gesamtausgaben die Gesamtein­ nahmen nicht übersteigen, das ist richtig. Angesichts konjunktureller Schwankungen der Volkswirtschaft wäre es aber nicht sinnvoll, das Gleichgewicht von Gesamtausgaben und Gesamteinnahmen in jedem Jahr zu erzwingen. Der Staat soll eine anti­ zyklische Investitionspolitik verfolgen und 
in Jahren rückläufiger Investiti­ onstätigkeit eher zusätzliche Investi­ tionen tätigen. Gemäss der Baustatis­ tik für das 3. Quartal dieses Jahres liegen die projektierten Baukosten um rund 12 Prozent tiefer als im Ver- gleichsquartal des Vorjahres. Dabei lassen sich auch deutliche Unterschie­ de zwischen dem Wohnungsbau und industriellen bzw. gewerblichea Bau­ ten erkennen. Während sich beim 
Wohnungsbau ein Anstieg von 22 Prozent zeigt, sind die projektierten Baukosten für Industrie- und Gewer­ bebauten um 14 Prozent, zurückge­ gangen. Auch bei den öffentlichen Bauten zeigt sich interessanterweise ein deutlicher Rückgang in den pro­ jektierten Baukosten. Der Staat redu­ ziert sein Investitionsbudget für das nächste Jahr nicht. Es wäre deshalb meines Erachtens nicht richtig gewesen, die Investitio­ nen im Landesvoranschlag 2003 zu kürzen, zumal der im Finanzleitbild vorgesehene Selbstfinanzierungsgrad der Investitionen von mindestens 90 Prozent nach wie vor eingehalten ist. Zu den Sparmassnahmen gehört auch die Kürzung des Finanzaus­ gleichs der Gemeinden: Warum sol­ len die Gemeinden die «Budget-Sup- pe» mit auslöffeln? Müssen die Ge­ meinden jetzt wegen dem Staat sparen? Ich möchte die Gegenfrage stellen: Soll das Land in Zeiten sich verflachen­ der Staatseinnahmen 
Gemeindeüber- Zu hohe Zuwachsraten bei den Ausgaben schüsse finanzieren? Auch bei einem Finanzausgleichssatz von 14 Prozent an den Staatseinnahmen und einem Anteil der Gemeinden von 45 Prozent an der Kapital- und Ertragssteuer des 
Landes fliessen den Gemeinden genü­ gend Mittel zu, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Neun von elf Gemeinden wer­ den nächstes Jahr trotz dieser Reduk­ tionen in den Finanzzuweisungen ei­ nen Überschuss in der Gesamtrechnung aufweisen, auch wenn sie auf dem teil­ weise sehr hohen Ausgabenniveau der Voijahre bleiben. Bei zwei Gemeinden liegt der Finanzierungsgrad in der Höhe von 98 Prozent bzw. 94 Prozent, wenn man mit den Ausgaben des Vor­ jahres vergleicht. Man darf nicht vergessen, dass in den letzten Jahren eine Reihe zusätzli­ cher Aufgaben auf das Land zugekom­ men sind, während dies bei den Ge­ meinden praktisch nicht der Fall war. Ich nenne hier nur die zusätzlichen Aufgaben aufgruhd der Übernahme von EWR-Recht und die notwendige personelle Verstärkung der Aufsichts­ behörden, der Landespolizei, der Antizyklische Investitionspolitik Staatsanwaltschaft und der Gerichte im Zuge der internationalen Diskussi­ on über den Finanzplatz Liechtenstein. Ich denke, die Bürgerinnen und Bür­ ger würden es nicht verstehen, wenn staatliche Leistungen, z. B. im Sozial­ versicherungsbereich, mit dem Ziel der Ausgabenreduktion abgebaut werden, während das Land über zu hohe Fi­ nanzzuweisungen an die Gemeinden weiterhin Gemeindeüberschüsse fi­ nanzieren würde. In Zeiten sich ver­ flachender Staatseinnahmen müssen auch die Finanzzuweisungen des Lan­ des an die Gemeinden so gestaltet werden, dass sie beiden staatlichen Ebenen ermöglichen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Staatsapparat musste in den letzten Jahren vor allem aufgrund der Internationalen Verpflichtungen stark ausgebaut werden: Kann un­ ser Kleinstaat dies auf Dauer noch finanzleren? Wir hatten in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen der Landes­ verwaltung einen personellen Nach­ holbedarf aufgrund der stärkeren in­ ternationalen Verpflichtungen des Landes, insbesondere im Zusammen­ hang mit dem europäischen Wirt­ schaftsraum und der Diskussion um den Finanzplatz Liechtenstein. Ich ge­ he allerdings davon aus, dass sich die­ se Entwicklung wieder abflachen wird und damit auch der Anstieg der An­ zahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung wieder ge­ bremst werden wird. Ein Kleinstaat wie Liechtenstein kann die internatio­ nalen Beziehungen nicht im selben Ausmass pflegen wie ein grösserer Staat. Hier gilt es, sich auf das Wirk­ lich Notwendige zu konzentrieren. Dann ist es .auch für einen Kleinstaat möglich, die Aufgaben, die aus inter­ nationalen Verpflichtungen erwach­ sen, zu finanzieren. Reserven im Verhältnis zum laufenden Aufwand 2001 235% Gemeinden Land 
Finanzzuweisungen des Landes und Gemeindeüberschüsse 1999 - 2001 CHF 200 Mio. f CHF 150 Mio.-/ CHF 100 Mio.-/ CHF 5.0 Mio. ^ CHF 0 Mio.-^^ 
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