Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

34 Samstag, 
26. Oktober 
2002 
AUSLAND Liechtensteiner VOLKSBLATT Erschiessung von Moskauer Geiseln angedroht Rebellen machen Druck auf Regierung - Geplante Freilassung von Ausländern zunächst gescheitert MOSKAU: Mit der Drohung der Moskauer Geiselnehmer, ihre Gefangenen vom Morgengrauen an zu erschiessen, hat sich das Drama in der russischen Haupt­ stadt weiter zugespitzt. Nach Angaben einer Sprecherin des Musical-Theaters, in dem die 600 bis 800 Geiseln festgehal­ ten werden, kündigten die tschetschenischen Rebellen an, am Samstagmorgen die ersten Gefangenen zu töten, falls ihre Forderung nach einem Abzug der russischen Truppen aus dem Kaukasus nicht erfüllt würden. Der Leiter des russischen Inlandsge- heimdieiistes FSB, Nikolai Patruschew, sicherte den Kidnappern daraufhin ih­ re persönliche Unversehrtheit zu, falls sie ihre Geiseln freiliessen. Eine Reak­ tion darauflag zunächst nicht vor. Die Rebellen hatten aber zuvor erklärt, sie seien bereit, für ihre Sache zu sterben. Als Vermittler stellten sich die mit ihrer Kritik am Tschetschenien-Krieg bekannt gewordene Journalistin Anna Politkowskaja, mehrere Politiker und Vertreter des Roten Kreuzes zur Verfü­ gung. Politkowskaja gelang es, die Geiselnehmer zu überzeugen, Wasser- und Nahrungsmittellieferungen für die Gefangenen zuzulassen. Der ebenfalls an den Vermittlungsversuchen betei­ ligte frühere Präsident von Inguscheti- en, Ruslan Auschew, erklärte jedoch, die Geiselnehmer seien offenbar zu 
Der Anführer der 50 Geiselnehmer, Mowsar Barajew, Hess wehrfach Fristen zur Freilassung der Ausländer verstreichen. extremen Schritten bereit und wollten nur mit einem Gesandten vbn Präsi­ dent Wladimir Putin verhandeln. Am Freitag Hessen die Geiselnehmer in drei Gruppen 19 Menschen frei, da­ runter acht Kinder. Unter ihnen war auch eine Zehnjährige aus der Schweiz. Die angekündigte Freilas­sung 
aller 75 gefangenen Ausländer kam jedoch nicht zu Stande. In dem am Mittwochabend gestürmten Ge­ bäude befinden sich nach Informatio­ nen des Auswärtigen Amtes vermut­ lich zwei Deutsche. Unter den Geiseln sind weiter Briten, Amerikaner, Niederländer, Österreicher 
und Australier. Über die Situation in dem Theater gab es widersprüchliche Angaben. Ei­ ne der Geiseln sagte dem Radiosender Echo Moskau: «Wir sind sicher und ge­ sund, es ist warm und wir haben Was­ ser.» Eine andere Geisel sagte jedoch, den Gefangenen fehle es an Wasser, 
und sie müssten den Orchestergraben als Toilette benutzen. Ein Gefangener berichtete nach Angaben der Theater- Sprecherin von einer Bombe in der Mitte des Gebäudes. Ausserdem seien alle Gänge und Ausgänge vermint. Die Bundesregierung unterstützte die Moskaüer Behörden mit Spezialis­ ten, die im Krisenstab vor Ort mitar­ beiteten, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte laut Bundespresse­ amt in einem Telefongespräch mit Pu­ tin, alles, was an konkreter Hilfe erbe­ ten und notwendig sei, werde geleistet. Auch weitere europäische Länder und die USA boten ihre Unterstützung an. In einer Erklärung zeigten sich die EU- Staats- und Regierungschefs entsetzt über die Geschehnisse in Moskau. Auch der NATO-Russland-Rat verur­ teilte die Geiselnahme scharf. Grossdemonstration in Tschetschenien In Tschetschenien kam es nach Be­ richten russischer Nachrichtenagentu­ ren zu Grossdemonstrationen gegen die Geiselnahme in Moskau. Ein Spre­ cher des tschetschenischen Präsiden­ ten Aslan Maschadow sagte dem DW- Radio/Russisch: «Präsident Mascha­ dow hat mit den Geschehnissen in Mo­ skau nichts zu tun.» Der stellvertreten­ de russische Innenminister Wladimir Wasilijew bekräftigte jedoch am Frei­ tag die Ansicht der Moskauer Behör­ den, Maschadow sei für den Angriff verantwortlich. EU-Chefs einigen sich auf Finanzierung Endphase der EU-Erweiterungsverhandlungen kann beginnen BRÜSSEL: Die letzte Hürde für den Abscliluss der Verhandlungen zur EU-Erweiterung bis Jahresende ist ausgeräumt: Die EU-Staats- und Re­ gierungschefs einigten sich am Frei­ tagabend in BrUssel auf die Finanzie­ rung der Aufnahme von zehn neuen Mitgliedern. Datei zeigten sie sich entschlossen, die Kosten nicht ausu­ fern zu lassen. Besonders die Agrar- ausgaben, die fast die Hälfte des Haushalts ausmachen, sollen ab 2007 eingefroren werden. Die Verhandlungen über die Erweite­ rung können nun pünktlich bis zum EU-Gipfel in Kopenhagen im Dezem­ ber abgeschlossen werden, wie der dä­ nische Ministerpräsident und amtie­rende 
EU-Ratsvorsitzende Anders Fogh. Rasmussen verkündete. Bundes­ kanzler Gerhard Schröder sagte, dies sei «ein grosser Tag für Europa.und da­ mit auch ein guter Tag für Deutsch­ land». Nun gelte auch für Europa: «Jetzt wächst zusammen, was zusam­ men gehört.» EU-Kommissionspräsident Romano Prodi lobte das Engagement von Schröder und dem französischen Prä­ sidenten Jacques Chirac mit den Wor­ ten: «Der deutsch-französische Motor hat besonders gut funktioniert.» Beide hatten sich vor Beginn des Gipfels am Donnerstag 
auf einen Kompromiss verständigt, der Grundlage für die Ei­ nigung der 15 am Freitagabend war. Der Agrarhaushalt soll auf der Basis 
von 2006 eingefroren werden. Eine Er­ höhung ist laut Rasmussen lediglich im Umfang von einem Prozent Inflati­ onsausgleich im Jahr vorgesehen. Die Berechnüngsgrundlage dafür beträgt 45 Milliarden Euro. Frankreich und Deutschland hatten sich zunächst auf einen Iriflationsausgleich von 1,5 Pro­ zent verständigt. Wenn die Inflationsrate tatsächlich ein Prozent übersteige, bedeute dies zugleich eine Senkung der Agraraus- gaben, sagte Rasmussen. Schröder be­ tonte, mit dem erzielten Ergebnis wür­ den die Ausgaben für die EU-Agrarpo­ litik von 2007 an sinken. In welcher Höhe die Altmitglieder auf Zahlungen verzichten müssen, war noch unklar. Teil der Einigung ist auch die 
Zah- Zufriedenheit bei Deutschlands Bundeskanzler Schröder und Frankreichs Präsident Chirac über die EU-Einigung. 
lung.von Direktbeihilfen an die Bau­ ern in den Beitrittsländern ab 2004? Im ersten Jahr ihrer Mitgliedschaft sollen die Neumitglieder 25 Prozent der Di­ rektbeihilfen der Altmitglieder erhal­ ten. Schrittweise soll der Anteil bis 2013 angeglichen werden. Die Strukturhilfen für die Beitritts­ länder sollen von 2004 bis 2006 auf 23 Milliarden Euro begrenzt werden. Aus­ serdem soll sichergestellt werden, dass keines der Beitrittsländer zu Beginn in eine Nettozahlerposition gerät. Ras­ mussen betonte, dass noch Verhand­ lungsspielraum bestehe. Für die Türkei - der einzige von 13 Beitrittskandidaten, mit dem die EU noch nicht konkret verhandelt - «ist die Eröffnung von Beitrittsverhand­ lungen ... näher gerückt», wie es in den Schlussfolgerungen hiess. Der EU-Gip­ fel Mitte Dezember in Kopenhagen werde «über die nächste Phase der Be­ werbung der Türkei» entscheiden. Die türkische Regierung dringt darauf, von der EU ein Datum genannt zu bekom­ men, zu dem die Verhandlungen be­ ginnen. Dass dies in Kopenhagen ge­ schieht, gilt als unwahrscheinlich. Den Nachzüglern Bulgarien und Rumänien stellte der Gipfel eine Mit­ gliedschaft 2007 in Aussicht. Für eine Mitgliedschaft 2004 erfüllen sie nicht die Voraussetzungen. Afghanistan grösster Opium-Produzent ROM: Afghanistan ist auch nach dem Sturz des Taliban-Regimes der weltweit grösste Opium-Produzent. Zu diesem Schluss kommt eine am Freitag in Rom vorgestellte Studie des UNO-Büros zur Bekämpfung von Drogenhandel und Kriminalität. Demnach wird die afghanische Opi­ um-Produktion 
in diesem Jahr auf 3400 Tonnen geschätzt. Die Herstel­ lung des Rauschmittels sei weiterhin bedeutend, sagte der Direktor der UNO-Behörde, der Italiener Antonio Maria Costa. 
USA bedenklich schlecht vorbereitet NEW YORK: Die USA sind einer Studie zufolge bedenklich schlecht auf mögli­ ch? neue Terroranschläge vorbereitet. Das ist das Ergebnis einer vom Rat für Auswärtige Beziehungen (CFR) in Auf­ trag gegebenen Untersuchung, die am Freitag in New York veröffentlicht wurde. Wenn das Land nicht «drin­ gend» handele, um die vorhandenen Mängel zu beheben, könnte ein nächs­ tes Attentat «den Verlust tausender ame­ rikanischer Leben» bedeuten, warn­ ten die Experten. Auch die Schäden für die Wirtschaft könnten wesentlich grösser sein als bei den Attentaten vom 11. September. Die Notwendig­ keit, die Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken, sei angesichts eines mögli­ chen Kriegs gegen Irak und des Einsat­ zes von Massenvernichtungswaffen durch Bagdad umso dringender, hiess es in der Studie weiter. Bemängelt wurde unter anderem, dass die 650 000 Ortspolizisten ihrer Arbeit nachgingen, ohne Rückgriff auf ge­ heimdienstliche Erkenntnisse zu haben. Auch werde lediglich ein «minima­ ler» Prozentsatz der täglich in den USA eintreffenden Container, Schiffen und Zügen inspiziert, in denen Massenver­ nichtungswaffen versteckt sein 
könn­ ten. Zudem seien die Sicherheitskräfte nicht auf Angriffe mit biologischen oder chemischen Waffen vorbereitet. So fehle es ihnen an Kommunikations­ mitteln untereinander sowie Ausrüs­ tung und Übung. Jiang Zemin zu Gast auf der Bush-Ranch CRAWFORD: Zu Gesprächen über das nordkoreanische Atomwaffenpro­ gramm und den Ausbau der Beziehun­ gen zwischen Washington, und Peking ist der chinesische Staatschef Jiang Zemin mit US-Präsident George W. Bush zusammengetroffen. Bush emp­ fing Jiang am Freitag auf seiner Ranch in Texas. US-Präsidentensprecher Ari Fleischer sagte, die Situation in Nord­ korea sei wohl eines der wichtigsten Themen des Gipfels. Auch China habe kein Interesse, dass es dort Atomwaf­ fen gebe.
	        

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