Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Mittwoch, 23. Oktober 2002 
3 «Etikettenschwindel» S.D. Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein zur Initiative «Verfassungsfrieden» «Der Titel < Verfassungsfriede» für diese Initiative ist ein Eti­ kettenschwindel», sagt S.D. Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein zur Initiative «Verfassungsfrieden». Martin Frommel t VOLKSBLATT: Durchlaucht, haben die Initianten im Vorfeld ihrer Initia­ tive mit Ihnen Kontakt aufgenom­ men, um diese •Friedensinitiative»' mit Ihnen abzustimmen? Fürst Hans-Adam IL: Nein, die ini­ tianten haben keinen Kontakt mit uns aufgenommen, um diese «Friedens­ initiative» mit uns abzustimmen. Es handelt sich nicht um eine Friedens­ initiative, sondern es geht den 
Initian- Verzögerung und Verwirrung ten offensichtlich darum, den Termin der Volksabstimmung zumindest hi­ nauszuzögern und Verwirrung zu stif­ ten. Es ist ja bezeichnend, dass es sich eigentlich mehr oder weniger um die gleichen Personen handelt, die ja auch gegen unsere Initiative Beschwerde bei der Regierung und bei der Verwal­ tungsbeschwerdeinstanz eingereicht haben. Was meinen Sie konkret mit Verzö­ gerung und Verwirrung? 
Mit dieser Initiative verfolgt diese Gruppe offensichtlich zwei Ziele: 1. Der Termin um die Volksabstim­ mung soll um einige Monate hinaus­ geschoben werden, indem unmittelbar vor der Landtagssitzung die Initiative eingereicht wird, in der Erwartung, dass Regierung und Landtag nicht mehr rechtzeitig Stellung nehmen können. . Gemäss Volksrcchtegesetz müssen mehrere Initiativbegehren zum selben Gegenstand vom Landtag in der gleichen Sitzung behandelt werden. Durch eine zeitlich gestaffelte Einbrin­ gung von immer neuen Initiativen könnte man so jede Volksabstimmung beliebig verzögern, was von dieser Gruppe schon auf juristischem Wege bei der Verwaltungsbeschwcrdeinstanz versucht wird. 2. Falls der Versuch, eine Volksab­ stimmung zu Verhindern, sowohl juris­ tisch als auch politisch scheitert, hat jede zusätzliche Initiative zumindest in den Augen dieser Initianten wohl den Vorteil, dass sie das Volk verwirrt; und es schwieriger wird, für die Verfas­ sungsreform eine Mehrheit zu finden. Die Initianten nehmen für ihre Initia­ tive In Anspruch, dass sie «die zent­ ralen Anliegen des Fürsten» umset­ ze: Was sagen Sie dazu? Das ist ganz einfach nicht wahr, und das wissen auch die Initianten. Würde diese 
so genannte Friedensinitiative umgesetzt werden, wären die beiden Souveräne Volk und Fürst weitestge­ hend entmündigt, und der Souverän wäre der Staatsgerichtshof. Dem 
»Die Initiative dient nur dazu, den Verfassungsstreit um die Monarchie fortzu­ setzen»: S.D. Fürst Hans-Adam II. zur Initiative«Verfassungsfrieden».. Staatsgerichtshof stünde dann gemäss dem neuen Art. 112 der Initianten das Recht zu, die Verfassung authentisch zu interpretieren, und nicht mehr den Verfassungsgebern Volk und Fürst. Es gibt meines Wissens in keinem demo­kratischen 
Rechtsstaat in Europa einen Verfassungsgerichtshof, der über sol­ che Kompetenzen verfügt. Dies würde wohl zu Recht als undemokratisch ab­ gelehnt werden. - Auf die anderen Punkte dieser Initiative möchte ich 
nicht weiter eingehen, sondern nur festhalten, dass die Behauptung, damit werden zentrale Anliegen des Fürsten umgesetzt, schlichtweg eine Unver­ schämtheit ist. Rechnen .Sie mit einer oder mehre­ ren weiteren Initiativen? Wenn es den Initianten gelingt, mit ihrer. Friedensinitiative die Volksab­ stimmung hinauszuzögern, so wird man wohl mit weiteren Initiativen aus dieser Ecke rechnen müssen. Wenn bei -einer Volksabstimmung nur die Initiative «Verfassungsfrie­ den» angenommen wird, würde das Fürstenhaus dann weiterhin politi­ sche Verantwortung übernehmen? Der Titel «Verfassungsfrieden» für diese initiative ist ein Etikettenschwin­ del. Die Initiative dient nur dazu, den Verfassungsstreit um die Mo­ narchie fortzusetzen. Die Verfassungs­ reform, 
welche Gegenstand unserer Initiative ist, wurde zwischen dem Zustand wie vor 1938 Fürstenhaus und der Verfassungskom­ mission über Jahre hinweg unter Bei­ zug von Experten ausgearbeitet. Wenn diese Verfassungsreform vom Volk ab­ gelehnt wird, stellen wir, wie schon verschiedentlich erwähnt,, wieder den Zustand her, wie er vor 1938 war und warten die weitere Entwicklung im Lande ab. «Initiative läuft gegen das Prinzip des Verfassungskonsens» FBP-Präsident Johannes Matt und FBP-Geschäftsführer Marcus Vogt zur neuen Volksinitiative Wie stellt sich die FBP-P^rteileitung zur neuen Volksinitiative «Verfas­ sungsfrieden» und zu den aus der Reihe der Initianten geäusserten Vor­ würfen, nicht mit den Kritikern ge­ sprochen zu haben? FBP-Präsident Johannes Matt und FBP-Geschäfts- ftlhrer Marcus Vogt nehmen Stellung. Martin Frommel t VOLKSBUTT: Mit der Anmeldung ei­ ner zweiten Volksinitiative gibt es nun eine neue Ausgangslage: Was sagen Sie zu dieser neuen Initiative? Johannes Matt: Ich habe immer schon gesagt, dass das Initiativrecht eines der höchsten Güter der direkten Demokratie ist. Jeder hat das Recht, ei­ ne solche Initiative zu starten. In unse­ rer Verfassungssituation muss man sich jedoch im Klaren sein, dass wir ein duales System haben. Das heisst, dass Verfassungsänderungen sowohl vom Landesfursten als auch vom Volk getragen werden müssen. Durch diese, •neue Initiative wird dieses fiir unser System notwendige Konsensprinzip jedoch durchbrochen. Die Initianten bezeichnen ihre Initia­ tive als «Verfassungsfrieden»: Wird Ihrer Ansicht nach durch diese Vor­ gehenswelse dieser angestrebte Frieden erreicht? Marcus Vogt: Grundsätzlich ist es positiv, wenn jemand etwas zum Frie­ den in dieser Frage betragen will. Frie­ den bedeutet in einem dualen System jedoch, dass sich beide Seiten an einen jflsch setzen und sich um eine gemein­ same Lösung bemühen. Und genau das ist ja durch den Weg der Regierung und der Verfassungskommission pas­ siert. Diese neue Initiative läuft somit gegen das Prinzip des Verfassungskon­ sens. Anstatt Gräben zuzuschütten, jwie dies von den Initianten gesagt wird, reisst dies nur neue Gräben auf. Johannes Matt: Die Bezeichnung friedensinitiative hat eigentlich nur die Vorgehensweise der Regierung ver­ dient. Die Regierung hat nach ihrem Ämtsantritt in einer verfahrenen und 
schwierigen Situation das Gespräch gesucht. Sie hat sich um eine Konsens­ lösung bemüht und eine Vorlage in den Landtag gebracht. Dort hat der Landtag den Ball mit der Bildung einer Kommission aufgenommen und mit dem Fürstenhaus einen tragfähigen Kompromiss erarbeitet. Es ist dies ein gutes Beispiel für die Konsenspolitik, die in den letzten 80 Jahren der Schlüs­ sel zum erfolgreichen Miteinander von Volk und Fürst unseres Landes war. Was sagen Sie zum Zeitpunkt der Einreichung dieser Initiative unmit­ telbar vor dem geplanten Start der vom Fürstenhaus lancierten Volks­ initiative? Johannes Matt: Es macht den An­ schein, dass durch die Einreichung kurz vor dem Landtag eine Verzöge­ rung des Ablaufs gezielt in Kauf ge­ nommen wird. Marcus Vogt: Für mich verbirgt sich hinter dieser Initiative der Versuch, Verwirrung zu stiften und eine Ab­stimmung 
weiter zu verzögern. Rechnen Sie damit, dass mitunter noch weitere Initiativen eingereicht werden? Marcus Vogt: In dieser Auseinander­ setzung muss man mit allem rechnen.. Es sollte jedoch nicht dazu führen, dass nun aus jedem Lager' und aus jedem Freundeskreis eine Initiative eingereicht wird, denn 
damit würde eine emsthafte Diskussion ad absurdum gefuhrt. Seitens der Initianten der vorges­ tern vorgestellten Initiative wirft Carl Walser der FBP-Parteileiturfg vor, dass sie mit den Gegnern inner­ halb der Bürgerpartei nicht gespro­ chen hätten: Was sagen Sie zu die­ sem Vorwurf? Johannes Matt:-Die Vorwürfe des ehemaligen Parteisekretärs Carl Walser erstaunen mich sehr. Wie er zu der Aussage kommt, dass wir mit den par­ teiinternen Kritikern nicht im Ge­ spräch sind, ist nicht nachvollziehbar. 
Im Frühsommer hat-in meinem Büro ein intensives Gespräch mit Kritikern unserer Vorgehensweise in der Verfas­ sungsfrage stattgefunden. Die gegen­ seitigen Positionen wurden ausge­ tauscht und es wurde vereinbart, dass die Gegner dieser Vorlage bei der Be­ handlung der Verfassungsfragc im Landesvorstand organisatorisch und inhaltlich eingebunden werden. Dazu wurde von den Gegnern ein Sprecher benannt. Sofort nach Zustandekom­ men des Verfassungskompromisses haben wir uns mit dieser Person ge­ troffen und die weitere Vorgehenswei­ se abgesprochen. 
Carl Walser war bei diesem Treffen nicht dabei. Carl Walser erwähnte ein Schreiben an die Parteileitung, worum geht es darfii?' Johannes Matt: Mich erstaunt, dass •ich solche Aussagen der Zeitung ent­ nehmen muss. Ich bedauere, dass Carl Walser in dieser Frage das Gespräch mit mir nicht vorher gesucht hat. Ge­rade 
er als ehemaliger Parteisekretär kennt ja die Abläufe in einer Parteior­ ganisation. Ich stehe seit jeher immer für Gespräche zur Verfügung. Was wünschen Sie sich In der Ver­ fassungsfrage? Johannes Matt: Im Interesse unseres Landes wünsche ich mir, dass die Ver­ fassungsfrage schnellstmöglich in ei­ ner Volksabstimmung geklärt wird. Aufgrund der erfolgreichen Zusam­ menarbeit von Fürst und Volk in den vergangenen Jahrzehnten und des für mich absolut akzeptablen Verfas­ sungskompromisses hoffe ich, dass das Volk diesem zustimmen wird. Durch ein gemeinsames Auftreten nach aus­ sen habe ich gute Hoffnung für die Zukunft unseres Landes. Marcus Vogt: Ich erhoffe mir eine rasche Abstimmung. Ich bin über­ zeugt, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in der Lage sind, ihr Ur­ teil zu fällen. Ich vertraue den Stimm- bürgerinnen und Stimmbürgern. Sieht durch die neue Initiative das Konsensprinzip des Dualismus durchbrochen: Sieht in der Initiative den Versuch, Verwirrung zu stiften und eine Abstimmung FBP-Präsident Johannes Matt. weiter zu verzögern: FBP-Geschäftsfiiltrer Marcus Vogt.
	        

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