Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
AUSLAND Montag, 21. Oktober 2002 1 7 EU-Ost-Erweiterung auf Kurs Irland billigt im zweiten Anlauf den Vertrag von Nizza DUBLIN: Im zweiten Anlauf ha­ ben die Iren mit klarer Mehrheit den Vertrag von Nizza gebilligt und damit die Ost-Erweiterung der EU in greifbare Nähe ge­ bracht. Wie die Wahlkommissi­ on gestern Abend in Dublin mitteilte, sprachen sich 63 Pro­ zent der Wähler für das Ab­ kommen aus, 37 Prozent stimmten mit Nein. Die interna­ tionale Gemeinschaft reagierte mit Freude und Erleichterung auf das Ergebnis. Der Wahlkommission zufolge betrug die Beteiligung diesmal 49,5 Prozent. Die Auszählung der Resultate in allen 42 Wahlkreisen ergab 906 292 Ja- und 534 887 Nein-Stimmen. Ministerpräsi­ dent Bertie Ahern, der sich stark für ei­ ne Zustimmung zu dem Vertrag enga­ giert hatte, erklärte, die Iren hätten ein «deutliches Ja» zu der Erweiterung ge­ sagt und die Beitrittskandidaten in Mittel- und Osteuropa «herzlich will­ kommen» geheissen. Die Auszählung aus sechs Wahlkrei­ sen in der Hauptstadt Dublin sowie ei­ nem ländlichen Stimmbezirk zeigten bereits am Samstag kurz nach Schlies­ sung der Wahllokale eine Mehrheit für die Annahme. Dieser Trend wurde am Sonntag bestätigt, als auch die ersten per Hand ausgezählten Bezirke in Tip- perary North und South ihre Ergebnis­ se meldeten. Vor einem Jahr abgelehnt Beim ersten Referendum im Juni vergangenen Jahres hatten die Iren den Vertrag von Nizza noch abgelehnt. Damals stimmten 54 Prozent der Wähler mit Nein. Allerdings waren da­ mals nur 34 Prozent der Stimmberech­ tigten an die Urnen gegangen. Vor der neuerlichen Abstimmung war klar, 
Die Auszählung der Resultate in allen 42 Wahlkreisen ergab 906 292 Ja- und 534 887 Nein-Stimmen. (Bilder: Keystone) dass die Zustimmung umso höher aus­ fallen würde, je mehr Iren zur Wahl gingen. Derauf dem EU-Gipfel in Niz­ za im Dezember 2000 nach hartem Ringen geschlossene Vertrag soll die Brüsseler Institutionen fit für die Auf­ nahme von bis zu zwölf neuen Län­ dern machen. Enthalten ist darin die neue Stimmengewichtung im Minis­ terrat und die Zusammensetzung des europäischen Parlaments und der EU- Kommission. Alle 14 anderen EU- Staaten ausser Irland hatten das Doku­ ment bereits ratifiziert. " Schröder erfreut über Ergebnis Bis Jahresende sollen nach einer 
Empfehlung der EU-Kommission die Beitrittsverhandlungen mit Polen, Un­ garn, Tschechien, der Slowakei, Slo­ wenien, Estland, Lettland, Litauen, Malta und Zypern abgeschlossen sein. In diesen Beitrittsländern wurde das Ja der irischen Wähler einhellig begrüsst. «Es gibt Grund zur Freude», sagte der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski bereits kurz nach Be­ kanntwerden der ersten Trends am Sonntagmorgen. Der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel erklärte, die Abstim­ mung sei von fundamentaler Bedeu­ tung für die Zukunft Europas. In der Slowakei sagte der für die EU zustän­dige 
Chefunterhändler Jan Figl, die Iren hätten die Bedingungen zur Über­ windung der Teilung Europas geschaf­ fen, deren Abbau 1989 begonnen ha­ be. Der ungarische Aussenminister Laszlo Kovacs sagte, die Zukunft Euro­ pas habe in den Händen der Iren gele­ gen, die ihrer Verantwortung gerecht geworden seien. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder äusserte sich erfreut über den Ausgang des Referendums. «Die Menschen in Irland sind sich ihrer grossen Verantwortung fiir Europa be- wusst gewesen», erklärte der Kanzler in Berlin. Mit dieser Entscheidung sei der Weg frei für eine Erweiterung der Europäischen Union. Möllemann zurückgetreten Parteiinterner Druck wegen Spendenaffäre DÜSSELDORF: Unter dem Druck der Spendenaffare um sein Wahlkampf­ konto ist Jürgen Möllemann als FDP- Landes- und Fraktionschef in Nord­ rhein-Westfalen zurückgetreten. Da­ mit gab er nach seinem 
Abgang als nationaler FDP-Vize alle Parteiämter ab. Nach Erkenntnissen der Bundes-FDP soll Möllemann ab dem 20. September auf einem Wahlkampf-Sonderkonto 838 000 Euro (1,2 Millionen Franken) geparkt und dabei gegen das Parteien­ gesetz Verstössen haben. Möllemann stand bis Sonntag unter starkem Druck des Bundes- und des Landesvorstan­ des, die Namen der Spender zu nen­ nen, die ihm mit dem Geld ein umstrit­ tenes Wahlflugblatt finanziert haben. Erneute Angriffe auf Israel und Friedman In dem in Millionenauflage verbrei­ teten Flyer hatte Möllemann erneut Is­ rael und den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, angegriffen. Wegen vormaligen Attacken gegen Jerusalem und Friedman während des Wahl­ kampfes war Möllemann nach den Bundestagswahlen vom 22. September als stellvertretender FDP-Bundesvor­ sitzender zurückgetreten. FDP-Chef Guido Westerwelle hatte ihn am Wo­ chenende mehrfach aufgefordert, die Spender zu nennen. Ansonsten werde der FDP-Landesvorstand am Montag Konsequenzen ziehen. Schaden vermeiden Er werde sicherstellen, dass die FDP durch ihn keinen finanziellen Schaden erleide, versicherte Möllemann nun am Sonntagabend in einer in Düsseldorf verbreiteten persönlichen Erklärung. 
Jürgen Möllemann ist zurückgetreten. Möllemann schrieb von einer «Jagd aus den eigenen Reihen». Kurz vor einem für Anfang Oktober geplanten Sonder­ parteitag war Möllemann mit Heizrhyth­ musstörungen ins Spital eingeliefert worden. Der Rücktritt als Fraktionschef falle ihm besonders schwer, so Mölle­ mann. Ef wolle aber nicht, dass die Ge­ schlossenheit und politische Kraft der Fraktion seinetwegen in Frage gestellt werde. «Über meinen künftigen Beitrag zur 
Politik im Einzelnen werde ich nach meiner Genesung entscheiden.» Seine Ärzte hätten ihm zwingend ver­ ordnet, vor Anfang Dezember keine berufliche Tätigkeit wieder aufzuneh­ men. FDP-Chef Westerwelle nannte den Schritt Möllemanns «ebenso kon­ sequent wie notwendig». 
Streit über Atomwaffenprogramm Nord- und Südkorea: Atomrüstung SEOUL: Nach dem überraschenden Eingeständnis Nordkoreas, heimlich an einem Atomwaffenprogramm ge­ arbeitet zu haben, hat sich der inter­ nationale Druck auf das kommunisti­ sche Land erhöht. Die Regierung in Pjöngjang müsse ih­ re heimlich betriebene Atomrüstung «unverzüglich» beenden, forderte der US-Sondergesandte James Kelly am Wochenende in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Ein Ultimatum woll­ ten die USA aber vorerst nicht stellen. Die «New York Times» berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen US- Regierungsbeamten, Washington wol­ le Nordkorea vor die Wahl stellen, ent­ weder sein Atomprogramm aufzuge­ ben oder in nahezu vollständige wirt­ schaftliche Isolation zu geraten. «Düstere Stimmung» In Pjöngjang lieferten sich Regie­ rungsvertreter aus Nord- und Süd­ korea gestern heftige Wortwechsel. Die Stimmung sei «düster», sagte der südkoreanische Delegationssprecher. Auf die Forderung nach einem Ende des Nuklearprogramms habe sein Land «keine klare Antwort» erhalten. Bei den Gesprächen forderte Südkorea von Pjöngjang, «sofort mit allen be­ troffenen Ländern in einen offenen Dialog zu treten». «Unsere Seite hat klargestellt, dass wir gegen jede nuk­ leare Entwicklung sind», sagte der Sprecher der südkoreanischen Delega­ tion. Der nordkoreanische Delegations­ leiter Kim Ryong Song sagte, Nord­ korea sei immer «seinen Weg gegan­ gen, ungeachtet dessen, ob der Wind 
von Westen her wehte». Das Treffen im Volkskulturpalast in Pjöngjang war die achte Runde der ministeriellen Treffen, die der Annährung beider Länder dienen sollen. Kelly in Japan Auf der letzten Etappe seiner Asien- Rundreise traf Kelly unterdessen in To­ kio ein. Dort solle eine gemeinsame Position der USA und Japans in der Nordkorea-Frage abgestimmt werden, berichtete die japanische Nachrichten-: agentur Kyodo. Nordkoreas Verbünde­ ter China forderte nach einem Besuch Kellys in Peking eine «Entnuklearisie- rung der koreanischen Halbinsel». Die Frage des Nuklearprogramms Nord­ koreas solle «durch Dialog und Ver­ handlungen friedlich gelöst werden», sagte eine Sprecherin des Aussenminl- steriums. Nordkorea hatte sich 1994 in einem •Abkommen mit den USA verpflichtet, sein Atomwaffenprogramm einzufrie­ ren. Am Mittwoch verkündeten die USA überraschend, Nordkorea habe die Weiterentwicklung des Programms eingestanden. Abkommen hinfällig Damit werde das gemeinsame Ab­ kommen nach Nordkorea auch für die Vereinigten Staaten hinfällig, sagte US-Aussenminister Colin Powell ges­ tern. Ein Vertrag sei praktisch annul­ liert, wenn einer der Partner ihn als nichtig bezeichne. Nach den Enthüllungen über eine Fortsetzung des nordkoreanischen Nuklearwaffenprogramms werde Wa­ shington jedoch keine «voreiligen Konsequenzen» ziehen, sagte Powell. 
Rekord bei Parlamentswahl PODGORICA: Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Montenegro hat sich gestern eine Rekordbeteiligung abgezeichnet. Bis zum frühen Abend gaben bereits mehr als 66 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Un­ abhängige Beobachter rechneten bis zur Schliessung der Wahllokale um 21 Uhr mit einem Anstieg auf fast 80 Pro­ zent. Die Wahl galt als entscheidend für die staatliche Zukunft der jugosla­ wischen Republik, da einige Parteien eine Fortsetzung der Allianz mit Serbi­ en befürworten, während andere die Unabhängigkeit anstreben. Rund 455 000 Stimmberechtigte waren aufgeru­ fen, über die Sitzverteilung im 75- köpfigen Parlament von Podgorica ab­ zustimmen. Als Favorit ging die regie­ rende Demokratische Partei der Sozia­ listen von Präsident Milo Djukanovic ins Rennen. Djukanovic befürwortet einen lockeren Staatenbund mit Serbi­ en, wie er im März unter EU-Vermitt- lung ausgehandelt wurde. Demnach soll es statt der bisherigen Bundesre­ publik Jugoslawien eine Union zweier weitgehend autonomer Staaten Serbi­ en und Montenegro geben. Die Libera­ le Allianz, die für die Unabhängigkeit Montenegros eintritt, entzog der Re­ gierung im Mai ihre Unterstützung. Doch auch die Sozialistische Volkspar­ tei, 
bestehend aus Anhängern einer engeren Verbindung mit Serbien, stell­ te sich gegen Djukanovic. Dieser rief schliesslich Neuwahlen aus. Djukano­ vic zeigte sich bei der Stimmabgabe zuversichtlich, dass seine Partei wieder das neue Kabinett stellen werde. Mon­ tenegro brauche eine stabile Regierung und müsse den Weg in Richtung Euro­ pa weitergehen, sagte er. Kampfausbildung gegen den Irak WASHINGTON: Als mögliche Helfer bei einem Angriff auf Bagdad wollen die USA mehrere tausend irakische Gegner von Staatschef Saddam Hus­ sein militärisch ausbilden. Präsident George W. Bush habe einen entspre­ chenden Erlass unterzeichnet, be­ stätigten Regierungskreise in Wa­ shington entsprechende Zeitungsbe­ richte. Irak machte am Sonntag die USÄ dafür verantwortlich, dass neue Rüstungskontrollen noch nicht begon­ nen hätten. Dazu aber fehlte noch eine Einigung im Weltsicherheitsrat. Wie in Washington verlautete, wurden mehr als 1000 irakische Oppositionelle be­ reits auf ihre Eignung für eine Kampf­ ausbildung oder ein Spezialtraining untersucht. Die erste Ausbildungspha­ se könne 
im November beginnen. Bush habe für dieses Programm 92 Millio­ nen Dollar bereitgestellt. Vorgeschla­ gen worden seien die Kandidaten vom Irakischen Nationalkongress, einer in London ansässigen Organisation von Exilirakern,  hiess.es.  Die «Washington Post» hatte zuvor über eine Kampfaus-, bildung für bis zu 5000 irakische Op­ positionelle berichtet. Amerikanische und französische Diplomaten suchten derweil weiter nach einer Kompromiss- formel für eine neue Irak-Resolution. Die US-Regierung bekräftigte ihr In­ teresse an einer gemeinsamen Er­ schliessung, betonte aber, sie werde gegebenenfalls allein im Interesse ihrer nationalen 
Sicherheit handeln. Der Chef der UN-Waffenkontrolleure, Hans Blix, hatte letzte Woche erklärt, sein Team werde erst nach Verabschiedung einer Resolution, die das Mandat der Inspektoren präzisiere, nach Bagdad reisen. Irak warf den Vereinten Natio­ nen vor, sich nicht an die Vereinba­ rung vom 16. September gehalten zu haben, bis zum 19. Oktober ein Vorau­ steam zu entsenden. Dafilr machte Bagdad in erster Linie die USA verant­ wortlich. Nach irakischer Auffassung hätten die neuen Waffeninspektionen längst beginnen können. US-Aussen­ minister Colin Powell betonte, die Zer­ störung der irakischen Massenvernich­ tungswaffen sei das oberste Ziel der Vereinigten Staaten. Dies sei wichtiger als ein Sturz von Saddam Hussein.
	        

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