Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Donnerstag, 
17. Oktober 2002 
7 Mit Handy sind die Leute risikofreudiger Interview mit Peter Lampert und Christoph Frommelt über die Tagung zum alpinen Rettungswesen in Malbun Malbun ist als Austragungsort der 
1 Jahresversammlung 2002 der Internationalen Kommissi­ on für Alpines Rettungswesen (IKAR) ausgewählt worden. Rund 170 Fachleute aus 20 ver­ schiedenen Ländern nehmen an dieser Tagung teil. Die Tagung, die vom 16. bis 20. Oktober stattfindet, wird von der Liech­ tensteinischen Bergrettung in Züsammenarbeit mit dem Amt für Zivilschutz und Landesver­ sorgung organisiert. Günther Meie r Wir haben Peter Lampert, Chef des La­ winendienstes, und den Leiter der Liechtensteinischen Bergrettung, Chris­ toph Frommelt, über die Tagung be­ fragt. Das Ziel der Internationalen Kom­ mission für Alpines Rettungswesen Ist die Verhinderung von Bergunfäl­ len und die Rettung von Verunglück­ ten. Immer wieder hört man von Bergunfällen. Wie steht es damit In unserem Land? Liegen wir Im Schnitt anderer Bergländer mit der Zahl der Unfälle? Christoph Frömmelt: Wir liegen bei uns etwa im Durchschnitt unserer Nachbarstaaten, wobei es schwierig ist aufgrund der unterschiedlichen Grösse eine Zahl zu vergleichen. Was soll man vergleichen: die Bevölkerungs­ zahl oder die Zahl der Bergwanderer? Die Einwohnerzahl kennen wir, aber wieviele Leute in den Bergen unter­ wegs sind, wissen wir nicht. Aber in den letzten Jahren haben sich die Einsätze der Bergrettung auf 8 bis 11 Fülle pro Jahr eingependelt. Peter Lampert: ich glaube, wir lie­ gen unter dem Durchschnitt, wenn wir die Bevölkerungszahlen vergleichen. Für mich ist oft erstaunlich, dass nicht mehr passiert, wenn ich daran denke, dass an einem schönen Sommertag 300 bis 400 Leute über die Drei Schwestern wandern. Dass wir eher weniger Unfälle als unsere Nachbar­ länder haben, liegt sicher auch daran, dass es bei uns wenig bis keine Ex­ tremsportarten gibt. Der Tourist, der mit Halbschuhen in eine Felswand hinein geht, gehört schon fast in die Witzkiste. Was sind denn die häufigsten Ursachen für Bergunfälle, die in unserem Land passiert sind? Peter Lampert: Relativ häufig sind Wiril^'mn-ok^Blüse Christoph Frommelt, welches war i die spektakulärste Rettungsakti­ on, die Sie mitgemacht habt? Auch für mich finden die schwie- j v'rigsten Augenblicke statt, wenn ich ' . Leute, bergen muss, die ich kenne. Schöne Erinnerungen habe ich da­ gegen an die Kameradschaft, bei ! Übungen für die Bergrettung wie bei ; Einsätzen, die ich ganz hervorra- j gend finde. ! An einen lustigen Einsatz kann ich mich erinnern, als wir ausrücken ; mussten, weil sich eine Teilnehme- ; rin von Exerzitien im Kloster; I Schaan in der Gegend von Gafadura 
 ! I verstiegen hatte. Wir hatten die An­ nahme, dass wir eine Klosterfrau i retten sollten, als. wir aber die ge- ' suchte Person gefunden hatten, , ^stellte sich heraus, dass es sich um : eine junge Frau handelte, mit der, : wir anschliessend eine Riesengaudi j ! hatten. Für Belustigung sorgte, als • _sie-nachfragte, wie wir sie gefunden . [ hatten: Sie hatte Bluse und Pullover ; ausgezogen, um zu'wrrikennjnd um • ; auf sich aufmerksam zu machen, j f Dass die Retter sie ohne Bluse gese-j ' I ben hatten, war ihr zu unserer Be- S jlustigung eher peinlich. 
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Peter Lampert (links), Chef des Lawinendienstes, und Christoph Frommelt, Lei­ ter der Liechtensteinischen Bergrettung, bei einem Spezialkurs mit Helikopter­ einsatz. bei uns Suchaktionen, wenn Leute nicht mehr von einer Wanderung zurückkehren. Es gibt auch verletzte Bergwanderer, und dann vor allem Sportunfälle, beim Biken, beim Para- gleiten oder bei Skitouren. Christoph Frommelt: Bei Suchak­ tionen stellt sich meistens heraus, dass die Leute sich verlaufen haben, nicht mehr weiterkommen oder im Nebel sitzen. Bei den Trendsportarten wie Biken oder Paragleiten kommen rela­ tiv häufig Verletzungen vor. Einzelne Unglücksfälle hatten wir auch bei La­ winenniedergängen zu beklagen. Ge­ nerell muss man sagen, dass das Land zu klein ist, um eine Statistik zu führen, welches die häufigsten Verlet­ zungen sind. . Peter Lampert: Zum Glück haben wir im Durchschnitt pro Jahr nur etwa einen Schwerverunfallten, den wir ret­ ten müssen - mit Querschnitt-Läh- mungen oder ähnliches. Früher waren Bergwanderer und Kletterer In den Biergen anzutreffen. Heute kommen neue Sparten dazu, wie etwa Mountaln-Blking oder Pa­ ragleiten. Hat sich der Umfang der Bergrettung dadurch ausgeweitet? Peter Lampert: Es hat dadurch schon mehr Fälle gegeben, aber mehr als etwa drei bis vier Fälle im Jahr ha­ ben wir nicht. Kürzlich mussten wir wegen einem Paragleiter ausrücken, dessen Schirm sich in einem Baum, verfangen hatte. Als wir am Unfallort ankamen, war der Verunfallte nicht mehr da: Er konnte sich selbst be­ freien. Wie wird die Bergrettung bei einem Unfall alarmiert? 
Christoph Frommelt: Meistens wer­ den wir durch die Landespolizei alar­ miert. Unser Alarm geht in der Regel über die Landespolizei, aber es gibt auch Fälle, wo sich die Leute per Han­ dy selber melden: Diese melden dann, wo sie festsitzen und nicht mehr wei­ terkönnen. Spielt das Handy heute eine grosse Rolle bei Unglücksfällen und spezi­ ell bei der Bergrettung? Christoph Frommelt: Sicher, ich se­ he aber Gefahren, wenn man sich auf das Handy verlässt. Beispielsweise hat uns ein 
Mann angerufen, der auf der Mittagsspitze festsass und Hilfe brauchte. Aber die Verbindung war schlecht, der Kontakt brach immer wieder ab. Es besteht die Gefahr, dass die Leute mit dem Handy in der Tasche mehr Risiko eingehen, weil sie sich sa­ gen: Wenn ich nicht mehr weiterkom­ me, kann ich immer noch die Rettung alarmieren. Peter Lampert: Seit es Handys gibt, können wir sagen, dass der überwie­ gende Teil der Verunglückten oder je­ ne, die nicht mehr weiterkönnen, per Handy Hilfe anfordern. Zum Beispiel ein abgestürzter Paragleiterpilot, der sehr schwer verletzt war, hat sich sel­ ber gemeldet. Oder ein anderer Fall passierte auf dem Kuhgrat: Ein Wan­ derer aus Österreich, der in Schwierig­ keiten war, rief übers Handy seine Freundin an, die wiederum die Vorarl­ berger Bergrettung alarmierte und wir schliesslich von den Vorarlbergern die Nachricht zum Einsatz erhielten. Die Bergrettung stützt sich auf viele freiwillige Helfer, die oft unter gros­ ser Gefahr das Leben anderer retten 
wollen. Ist es schwierig, Leute für die Bergrettung oder den Lawinen­ dienst zu rekrutleren? Christoph Frommelt: Schwierig ist es nicht, wir haben bei der Bergret­ tung eine fast konstante Zahl von 25 bis 30 freiwilligen Helfern. Feststellen können wir, dass die Interessen der jungen Leute heute breiter gefächert sind. Während früher einer vielleicht nur mit Leib und Seele bei der Bergret­ tung war, haben unsere Retter auch noch andere Interessen für andere Freizeitbeschäftigungen. Das kann ab und zu mal zu Engpässen führen, wenn wir Helfer brauchen. Peter Lampert: Die relativ konstan­ te Zahl von ungefähr 30 freiwilligen Bergrettern können wir schon seit mehreren Jahrzehnten halten. Erfreu­ lich ist, dass die meisten freiwilligen Helfer sehr lange dabeibleiben, wenn sie einmal zugesagt haben. Wir setzen auch Jedes Jahr harte Prüfungen an, die den Bergrettern alles abfordern - und wer diese besteht, der bleibt dabei. Wer auf diese Art ans Limit muss, der kehrt entweder der Bergrettung nach kurzer Zeit den Rücken oder er bleibt begeistert dabei. Wie läuft denn so ein Ernsteinsatz ab, wenn die Landespolizei Alarm auslöst? Christoph Frommelt: Wir erhalten Alarm über einen Pager. Dann be­ spricht eine enge Gruppe das Vorge­ hen, wägt ab, wie viele Helfer es braucht, wie man vorgehen will. Je nach Grösse des Falles geht der Alarm an alle Mitglieder der Bergrettung, bei kleineren Fällen erledigen wir die Einsätze mit dem Kader, damit nicht immer alle Helfer alarmiert werden müssen. Jeder Einsatz ist ein spezieller Fall für sich. Es gibt kein Schema, wie ein Fall abläuft. ' Das bedeutet, dass etwa die Hälfte der Bergrettung dauernd In Berelt­ schaft stehen muss! Peter Lampert: Pikett gibt es nicht, dafür aber ist jeder mit einem Pager ausgerüstet. Die Einsatzbereitschaft ist für uns kein Problem, so etwa 15 Leu­ te bringen wir auch an einem schönen Sonntag zusammen. Klar, nicht jeder hält sich im Land auf. Aber wir sind schon aus ganz verschiedenen Rich­ tungen aus dem benachbarten Aus­ land nach Hause zu einem Einsatz ge­ fahren. Bei der Jahrestagung der Internatio­ nalen Kommission für Alpines Ret­ tungswesen In Malbun kommt es wahrscheinlich auch zu einem Ge­ dankenaustausch unter den Vertre­ tern verschiedener Länder. Haben alle Länder die gleichen Probleme, oder gibt es Unterschiede? Peter Lampert: Überall herrscht ein gewisser Personalmangel,' weil sich nicht mehr so viele Leute für die Berg-, rettung zur Verfügung stellen. Grös­ sere Länder haben natürlich andere Probleme als wir: Da ist alles viel weiträumiger und deshalb die Suche bzw. die Rettung auch schwieriger. In unseren Nachbarländern gibt es auch höhere Berge und Gletscher, die ande­ re Gefahren in sich bergen. Wir arbei­ ten aber gut zusammen, vor allem mit dem SAC, dem Schweizerischen Alpen Club. Einen Teil der Aus- und Weiter­ bildung absolvieren wir auch in der Schweiz. Christoph Frommelt: Auch wenn die Gegebenheiten nicht immer die gleichen sind, können wir davon pro­ fitieren. Es ist eigentlich leichter, einen Verletzten aus einer senkrechten Fels­ wand zu bergen als in unserem Gelän­ de, wo wir auf alle möglichen Natur- gefahren aufpassen müssen, wie Rut­ schungen oder Steinschlag. Im Unter­ schied zu unserem Land sind die Ret­ ter 
in anderen Ländern stärker mit den Trendsportarten konfrontiert, bei­ spielsweise Canyoing. Warum wurde gerade Malbun als 
Austragungsort der IKAR-Tagung ausgewählt? Eignet sich unser Berggebiet für die! angekündigten Rettungsdemonstrationen mit Heli­ koptern? Peter Lampert: Malbun haben wir schon 2000 zum tJahr der Berge 2002» als Tagungsort vorgeschlagen und den Zuschlag erhalten. Unsere Freunde von den anderen Bergrettungen kom­ men nicht zum ersten Mal in unser Land. Schon 1985 waren wir Tagungs­ ort für die Internationale Kommission für 
Alpines Rettungswesen. Christoph Frommelt: Malbun eig­ net sich vom Gelände her sicher für Rettungsdemonstrationen, aber die Tagung steht weniger im Zeichen sol­ cher Demonstrationen als im Gedan­ kenaustausch zwischen den Rettungs­ organisationen der verschiedenen Länder. Einsätze mit Helikoptern sind zwar spektakulär, doch Rettungsde­ monstrationen allein nicht attraktiv für Helfer, weil sie sich aufs Zuschau­ en beschränken müssen. A Feier nach der Rettung! Peter Lampert, welches war die spektakulärste Rettungsaktion, die Sie mitgemacht haben? Spektakuläre Rettungen habe ich in den letzten 30 Jahren einige mit­ gemacht. Ein interessanter Einsatz war im Malbun, als wir ein hollän­ disches Ehepaar mit seinem Enkel­ kind von einer Felswand beim Schönberg heruntergeholt haben, weil sie sich verstiegen hatten und weder vor- noch rückwärts gehen konnten. Zum Glück haben sie mit ihren Jacken angefangen zu winken, bis jemand aufmerksam wurde und die Bergrettung alarmierte. Der Ein­ satz verlief reibungslos. Wir sind aufgestiegen, haben die drei Perso­ nen abgeseilt und alles T«ar in Ord­ nung. Als wir die Geretteten im Ho­ tel Steg abgeliefert haben, gab es ein richtiges Fest. Tragisch ist immer, wenn wir Tote bergen müssen, das geht unter die Haut. Am schwierigsten ist immer, wenli wir den Angehörigen eine traurige Nachricht überbringen müssen. Dgs sind dramatische Au­ genblicke. Belastend sind auch Fäl­ le, wenn wir jemanden retten, der bleibende körperliche Schäden da­ vonträgt. ANZEIGE MISSBRAUCH VERHINDERN unsere 
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