Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
AUSLÄND Samstag, 12. Oktober 2002 35 Carter Aus Prinzip fiir Vermittlung und Zusammenarbeit - Hartnäckiger Einsatz für die Menschenrechte FRANKFURT: Mit der Vergabe des Friedensnobelpreises an Jimmy Carter hat das norwegi­ sche Nobelkomitee ein politi­ sches Signal. gesetzt. Der ehe­ malige US-Präsident ist ein er­ klärter Gegner eines militäri­ schen Alleingangs der USA ge­ gen Irak. Das Bewahren von Frieden und Vermeiden unnöti­ ger Konflikte seien wichtige amerikanische Traditionen, sag­ te der 78-Jährige vor wenigen Wochen. 
; Davon abzuweichen, bedeute eine grosse Gefahr. Das Nobclkomitee in Oslo würdigte am Freitag dieses beharrliche Eintreten Carters für den Frieden: In der gegen- wärtigen'Sitüation, die geprägt sei von Drohungen mit dem Einsatz militäri­ scher Gewalt, sei Carter den Prinzipien treu geblieben, «dass Konflikte so weit wie möglich durch Vermittlung und internationale Zusammenarbeit gelöst .werden müssen». . . Die nahezu unumstrittene politische Anerkennung, die jetzt im Friedensno­ belpreis gipfelt, hat Carter erst nach dem Ende seiner Amtszeit erfahren. Das Nachrichtenmagazin «Time» nannte ihn einmal den vielleicht bes­ ten Expräsidenten, den die USA je hat­ ten. • Weniger wohlwollend fallt dagegen das Urteil über Carters Präsidentschaft von 1977 bis 1981 aus, bleibt seine Amtszeit aussenpolitisch doch verbün­ den mit der Gciselaffäre in Iran, die manche als eine der grössten Demüti­ gungen sahen/ die die USA je hinneh 
: men mussten." Sie begann am 4. No­ vember 1979 mit der Erstürmung der US-Botschaft in Teheran durch mili­ tante Iraner und endete erst wenige Stunden nach Carters Ausscheiden aus dem Präsidentenamt- am 20. Januar 1981 mit der Freilassung der Geiseln. Das Drama überschattete das Ende von 
Der frühere US-Präsident Jimmy Carter, hier neben Kubas Staatselief Fidel Castro, erhält den Friedensnobel-Preis. Carters Amtszeit - und trug 1980 si­ cher massgeblich zum Wahlsieg seines Herausforderers Ronald Reagan bei. Dass Carters Präsidentschaft auch innenpolitisch wenig Erfolge aufzu­ weisen hatte, führten viele auf seine Unerfahrenheit zurück. James Earl Carter wurde 1. Oktober 1924 als Sohn eines Erdnussfarmers in Plains im US- Staat Georgia geboren. Schon in seiner Jugend entwickelte der 
gläubige Bap­ tist seine moralische Grundüberzeu­ gung, die später zu seinem Engage­ment 
für die Menschenrechte führte. Als weitgehend unbekannter Politiker setzte er sich 1976 im Vorwahlkampf seiner demokratischen Partei als Prä­ sidentschaftskandidat durch und ge­ wann 1976 die Präsidentenwahl gegen Amtsinhaber Gerald Ford. Nach Sadat und Begin nun Carter Als grösster Vermittlungserfolg Car­ ters gilt das Abkommen von Camp Da-' vid, 
das im März 1979 in einen histo­rischen 
Friedensvertrag zwischen Isra­ el und Ägypten mundete. Carter war es, der den damaligen ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat und den . israelischen Regierungschef Menachim Begin auf seinem Landsitz Camp David an einen Tisch brachte. Sadat und Begin erhielten dafür 1978 den Friedensnobelpreis - Carter musste auf diese Auszeichnung 24 Jahre län­ ger warten. Ausdrücklich würdigte das Nobelkomitee am Freitag Carters ent­ scheidenden Beitrag zum 'Camp-Da­vid-Abkommen. 
Dieser sei «schon für sich selbst genommen eine Leistung, die für den Friedensnobelpreis qualifi-, ziert». Doch Carter hat in dieser" Hinsicht noch mehr Erfolge vorzuweisen. Mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit wid­ mete er sich nach dem Ausscheiden aus dem Präsidentenarat weiter der Förderung von Demokratie und Men­ schenrechten. Das Carter-Zentrum, das er 1982 in Atlanta mit seiner Frau Ro- salynn gründete, ist inzwischen eine . gefragte Adresse, wenn es beispiels­ weise um die Beobachtung von Wahl­ en in instabilen oder autoritär regier­ ten Ländern geht. Carter selbst vermittelte seit Ende der 80er Jahre unter anderem im Kon­ flikt zwischen Äthiopien und Eritrea, im Streit zwischen UN und Nordkorea um dessen Atomwaffenprogramm und im Bosnienkrieg. Nach den Anschlä­ gen vom 11. September 2001 forderte der Expräsident von seinen Landsieu­ ten mehr Verständnis für arme Länder. Der Isolationismus der USA und die wachsende Kluft zwischen armen und reichen Staaten sei eine Ursache für den zunehmenden Hass auf die Verei­ nigten Staaten, sagte Carter im Juli in einem Interview der Nachrichtenagen­ tur AP. . «Überall auf der Welt teilen Men­ schen denselben Traum von einer für­ sorglichen internationalen Gemein­ schaft, die Krieg und Unterdrückung verhindert», erklärte Carter am. Freitag, nachdem er von der Entscheidung des Nobelkomitees erfahren hatte. Seine. Vorstellung von Menschenrechten umfasse nicht nur das Recht auf ein Leben in Frieden, sondern auch das Recht auf angemessene Gesundheits­ versorgung, Unterkunft, Nahrung und wirtschaftliche Chancen. «Ich hoffe, dieser Preis spiegelt wider, dass dieses breit angelegte Verständnis von Men­ schenrechten anerkannt und ange­ nommen'wird.» Russland schliesst neue UNO-Resolution nicht länger aus Der britische Premierminister Blair erzielt bei Treffen mit Putin in Moskau kaum Fortschritte in Irak-Frage WASHINGTON: Der US-Kongress hat Präsident George W. Bush mit gros­ ser Mehrheit eine Vollmacht fiir ei­ nen Krieg ' gegen Irak auch ohne UNO-Mandat gegeben.' Sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat unterstützten auch oppositionelle Demokraten die Entschliessung. Das Abgeordnetenhaus hatte die Voll­ macht am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) mit 296 gegen 133 Stimmen gebilligt. Die Gegenstimmen im Abge­ ordnetenhaus kamen vor allem von Demokraten. Nach einer langen Debat­ te votierte auch der demokratisch do­ minierte Senat in der Nacht zum Frei­ tag mit 77 gegen 23 Stimmen für die Vollmacht. Die Entschliessung ermächtigt Bush zu einem Militärschlag, wenn er dem Kongress bestätigt, dass alle diploma­ tischen Bemühungen um eine friedli­ che Entwaffnung Iraks fehlgeschlagen sind. Bush muss die Präsidenten der beiden Kongresshäuser spätestens 48 Stunden nach seiner Angriffsentschei­ dung informieren. Dem Kongress muss er mindestens alle 
60 Tage einen Be­ richt über alle relevante Fragen der Resolution vorlegen. Bush: Regimewechsel bleibt Ziel Die vom Kongress verabschiedete Entschliessung enthält nicht mehr die von Bush ursprünglich verlangte Blankovollmacht zur Verteidigung «der nationalen Sicherheitsinteressen der USA». Auch betont sie stärker den Weg über die UNO. Das Ziel eines Re- gime-Wechsels in Bagdad steht aber weiter in dem Text. «Diese Entschei­dung 
des US-Kongresses hat uns nicht überrascht und wir werden uns diesen aggressiven Plänen gegen unser Land . entgegenstellen», sagte der stellvertre­tende 
irakische Ministerpräsident Tarik Asis während eines Besuchs in Beirut. Die Behauptung Washingtons, das irakische Regime stelle eine Bedro­hung 
für die Staaten der Region und für die USA dar, sei falsch und ledig­ lich ein Vorwand, sich den gesamten Nahen Osten und die Ölfelder der 
Re­ Der britische Premierminister Tony Blair (rechts) konnte bei seinem Werben für eine neue scharfe irak-Resolution bei Russ­ lands Präsident Wladimir Putin in Moskau kaum-Fortschritte erzielen. 
gion ihrem Machtbereich einzuverlei­ ben. Waffeninspektoren bald im Einsatz? Die UNO-Inspektoren sollten ihre Mission in Irak «schnellstmöglich» wiederaufnehmen, sagte der-irakische UNO-Botschafter Duri in New York. Seine Regierung habe ihren Wunsch in einem Schreiben an den Chef der Waf­ feninspektoren, Hans Büx, geäussert. Der britische Premierminister Tony Blair konnte bei seinem Werben für ei­ ne neue scharfe Irak-Resolution in Moskau kaum Fortschritte erzielen. . Per russische Präsident Wladimir Pu­ tin stellte nach dem Treffen mit Blair sein Interesse an einer schnellen Rück­ kehr der Waffeninspektoren in den Vordergrund. Gemeinsame Lösungen wie eine UNO-Resolution schliesse er aber nicht aus, sagte Putin. US-Militärregierung in Irak Die USA wollen nach einer siegrei­ chen Invasion in Irak eine Militärre­ gierung unter US-Führung bilden. Ziel sei es, das Land vor demAuseinander­ fallen zu bewahren und die Versor­ gung der Bevölkerung sicherzustellen, sagte der Sprecher des Weissen Hau­ ses. .Experten des US-Militärs, unter Führung eines Militärgouverneurs, würden die Schlüsselpositionen über­ nehmen. Die «New York Times» berich­ tete, die Militär-Regierung soile In ei­ nem Zeitrahmen von Monaten oder Jahren in eine irakische Zivilregierung übergehen. Die Pläne sähen auch die Schaffung eines Kriegsverbrechertri­ bunalsfür ranghohe Iraker vor.
	        

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