Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

4 Samstag, 5. Oktober 2002 
INLAND Liechtensteiner VOLKSBLÄTT «Fussgängerstreifen, die keine sind» Die gepflasterten Zebrastreifen in Vaduz sind nicht vorschriftsgemäss - die Gemeinde sieht das nicht so Eltern bangen um die Sicherheit ihrer Kinder, weil die gepflas­ terten Fussgängerstreifen in den Quartierstrassen von Vaduz nicht den Vorschriften entspre­ chen. Die Sicherheit der Kinder im Strassenverkehr ist oberstes Anliegen der Betroffenen. Die Meinungen über die Rechtmäs­ sigkeit der Streifen gehen je­ doch auseinander. Karin Hassle r «Fussgängerstreifen werden durch ei­ ne Reihe gelber, bei Pflasterungen al­ lenfalls weisser- Balken parallel zum Fahrbahnrand gekennzeichnet.» So steht es in der Strassensignalisations- verordnung (SSV). Die Fussgänger­ streifen in den Quartierstrassen von' Vaduz sind grau-rosa und somit ge­ stützt auf die SSV nicht vorschrifts­ gemäss. Eltern, deren Kinder täglich diese Streifen überqueren müssen, machen sich Sorgen: «Anscheinend muss zu­ erst etwas passieren, damit gehandelt wird*, so Johanna Real aus Vaduz. Weiter meint sie: «Die,. Lösung wäre sehr einfach - die rosaroten Streifen mit gelber oder weisser Farbe über­ sprayen, so wie es in anderen Gemein­ den auch gemacht wurde. Es geht mir um die grundsätzliche Sicherheit der Kinder auf dem Weg zum Kindergar­ ten und zur Schule.» Handlungsbedarf sieht auch Patrizia Strub aus Vaduz: «Bei Regen und schlechtem Wetter sind die bestehenden Streifen für Au­ tofahrer sehr schlecht zu sehen und die Sicherheit der Kinder steht auf dem Spiel.» Vorstoss Elternvereinigung Die beiden Elternvereinigungen Aeule und Ebenholz haben In dieser Angelegenheit das Gespräch mit Bür­ germeister Karlheinz Ospelt gesucht. «Der Bürgermeister zeigte Verständnis für unser Anliegen und versicherte uns, dass die neuen Zebrastreifen mit weissen Pflastersteinen versehen wer­ den, so wie es die Verordnung vor­ sieht Die bestehenden Streifen sollen gemäss Karlheinz Ospelt jedoch blei­ ben, wie sie sind», "so Irene Ospelt, Prä­ sidentin der Elternyereinigung Aeule 
Stein des Aitstosses ßir viele Mütter von Kindern: Die gepßästerten Fussgängerstreifen in den Vaduz. . 
Quartierstrassen von (Bild: Brigitt Risch) Vgduz. «Ein weiterer wichtiger Schritt wäre auch die Signalisation der beste­ henden Fussgängerstreifen in der Rhätikonstrass.e, der Kirchstrasse und . der Lettstrasse. Dies vor allem im Hin­ blick auf die Eröffnung der Umfah- rungsstrasse. Es ist an der Zelt, dass die Verkehrssicherheit der. Kinder in den Mittelpunkt der Diskussion rückt», so Irene Ospelt. . Polizei schweigt Die Landespolizei will zu diesem Thema keine Stellung beziehen. Die Polizei sei erst involviert, wenn etwas passiere. Der Sachverhalt wird bei ei­ nem Unfall durch die Beamten der Landespolizei aufgenommen und es liegt anschliessend im Ermessen des Richters über die Sachlage zu ent­ scheiden. Schwieriges Thema 1 Johann Ott, Leiter vom Tiefbauamt, sieht die Sachlage nicht so einfach: «Fussgängerstreifen werden durch ei­ ne Reihe gelber, bei Pflasterungen al­ lenfalls weisser, Balken parallel zum 
Fahrbahnrand gekennzeichnet. So lautet der Auftrag der Slgnalisations- verordnung. Insbesondere die Mög­ lichkeit der Kennzeichnung bei Pflas­ terungen hat in der Vergangenheit im­ mer wieder zu Schwierigkeiten ge­ führt. Die Oberfläche einer Markie­ rung hat nämlich nicht nur farblich zu 
genügen, sondern auch der Witte­ rungsbeständigkeit und der Ober- flächenrauigkeit, allenfalls sollte sie , auch noch retroreflektierend sein. Ausserdem ist die allgemeine Bezeich­ nung <weiss> ungenügend, Zur Farbe gibt die europäische Normenvorschrift Auskunft, 
indem den Markierfarben 
Weiss und Gelb Leuchtdichtetoleran­ zen zugewiesen werden. Das heisst, dass die hohe Leüchtdichte der Farben Weiss und Gelb den Markierungen ih­ re gute Erkennbarkeit verleiht. • Diese Kriterien vermögen Natursteine in der Regel nicht zu gewährleisten und auch bei ähnlichen Produkten gibt es Män­ gel.» Überspritzen genügt nicht Die ganze Sachlage ist recht kompli­ ziert und hat zu den erwähnten Schwierigkeiten geführt. Insbesondere dann, wenrt sich.die Gemeinden nicht an die Bestimmung der Signalisatl- on.sverordnung gehalten haben. Sig­ nale und Markierungen dürfen näm-. lieh nur angebracht und entfernt wer­ den, wenn das Tiefbauamt dies auch angeordnet hat. Bei Fussgängerstrei­ fen gilt ausserdem zu beachten, dass diese nicht einfach Markierungen sind, sondern Verkehrskreuzungen, die nach vielfältigen Kriterien zu projek­ tleren sind. So wurde beispielsweise in der schweizerischen Rechtssprechung die ' Anlage von Fussgängerstreifen nicht mehr im Teil Strassenbetrieb un 
: ter Markierungen aufgenommen, son­ dern im Teil Projektierung. Johann Ott dazu abschliessend: «Es ist also unzu­ reichend, nicht verfügte Fussgänger­ streifen einfach mit Markierfarbe zu überspritzen, vielmehr müssen die An­ lagen nach allen Kriterien der Ver­ kehrstechnik überprüft, angepasst, im gegebenen Fall sogar eliminiert wer­ den.» Stellungnahme der Gemeinde Vaduz I-Bürgennelsterr ;, Karlheinz Ospelt [ nimmt zur Thematik wie-folgt Stel­ ljung: «Die ersten gepflasterten Fuss- i gängerstrelfen wurden, bereits vor über fünf Jfahren erstellt, ;dles nach- entsprechenden Abklärungen . durch das beauftragte . Ingenieurbüro und die Bauverwaltung der Gemeinde Va­ duz. Nach Auskunft derselben erfolg­ tet) die Pflasterungen in Anlehnung an Richtlinien lind . Empfehlungen verschiedensterFachverbände in den f Nachbarländern Schweiz, Österreich » und ; Deutschland. Die Fussgänger- ' streifen entsprechen demnach den ' Normen und haben ausserdem den 
Vorteil, dass nicht Jährlich wiederkeh­ rende Markierungsarbeiten den Ver­ kehr auf den Hauptachsen der Ge­ meinde Vaduz behindern: Zudem würden bei wichtigen Übergängen in Absprache mit dem Tiefbauamt und • nach Verfügung desselben - soweit nötig auch, durch die Regierung + Markierungen und Signallsationsta- feln angebracht. Auf Wunsch und In Zusammenarbeit mit der Elternverei­ nigung wurden In Absprache mit der Gemeinde zusätzlich so genannte «Holzkinder» aufgestellt, um weitere Aufmerksamkeit zu erzeugen/Die Ge­ meinde Vaduz hat in den letzten Jah­ren 
entlang von allen wichtigen Strassen breite Fuss- und - Radwege, gebaut, um die Sicherheit der schwächeren Verkehrsteilnehmer Massgeblich zu verbessern* So gab es bis vor wenigen Jahren weder In der •Kirch-, noch an der Lettstrasse und auch nicht am Schrägen Weg eigene Trottoirs. Die Kinder wären somit ge­ zwungen, auf der Strasse zur Schule zu gehen. Auch die heutigen separa­ ten Fuss- und Radwege im Haberfeld und im Aeule entlang des Glessens oder von der Kirchstrasse zur Dr.- Grass-Strasse entstanden erst in den letzten sechs Jahren.» Exkurse ins «wilde Denken» In den vergangenen Tagen fanden im Rahmen der «Liechtensteiner Exkurse» zahlreiche interessante Vorträge statt «Wildes Denken» war das Thema der Liechtensteiner Exkurse, die in den vergangen fünf Tagen in Schaan und Vaduz stattgefunden haben. Funda­ ment für die Exkurse bildete das be­ kannte Buch des französischen Anthropologen und Ethologen Clau­ de L6vi-Strauss «La pensie sauvage». Obwohl nur wenige Liechtensteine­ rinnen und Liechtensteiner die Ex­ kurse besucht haben, zeigten sich die Veranstalter erfreut über die gelun­ gene Tagung. • Doris Meier Noch nie sei es gelungen, eine so ein­ heitliche Tagung zu organisieren, schwärmte einer der drei Veranstalter, Rainer Nägele. Alle Vorträge 
und Beiträge hätten sich auf ganz unter­ schiedliche Art und Weise mit dem Thema «Das Wilde Denken» auseinan­ dergesetzt. Das Buch von L^vi-Strauss, das vor über 40 Jahren erschienen ist, befasst sich über das Denken und die Vorstellungswelt so genannt «pri­ mitiver» Völker. L£vi-Strauss vertritt darin die Ansicht, dass Jede. Zivilisati­ on die Tendenz habe, die Objektivität der Ausrichtung ihres eigenen Den­ kens zu überschätzen: «Wenn wir den Fehler begehen, zu glauben, der Wilde sei ausschliesslich von seinen organi­ schen oder ökonomischen Bedürfnis­ sen beherrscht; so entgeht uns, dass er 
uns genau den gleichen Vorwurf macht, und dass für ihn sein eigenes Wissensbedürfnis viel besser austariert erscheint als das unsere.» Durch Vor­ träge von Vertretern aus Natur- und Geisteswissenschaften, Kunst, Musik und Literatur wurde das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuch- tet. Wildes aus Architektur und Musik Eines der Highlights der letzten fünf Tage bildete der Besuch des bekannten kubanischen Architekten Ricardo Por- ro, der durch den Bau des Zentrums der Kunst im Altenbach Vaduz auch In Liechtenstein seine, architektoni­ schen Spuren hinterlassen hat. «In ei­ ner solchen Architektur manifestiert sich ja auch eine Form von Denken, die gegenüber der normalen Architek­ tur sicherlich <wild> ist», begründete der Veranstalter Hans-Jörg Rheinber­ ger die Aufnahme dieser Veranstal­ tung ins Programm der Exkurse. Auch der Klaviervortrag von Gerhard Herr­ gott falle in diese Kategorie, wenn er versuche den wilden Substrukturen in den geordneten Strukturen einer Parti- ' tur nachzugehen. Wildes auch aus Liechtenstein • «Manchmal habe ich das Gefühl, • dass viele Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner gar nicht wissen, was 
bei ihnen an künstlerischem Potenzial brach liegt», betonte dtr Dritte im Bunde der Veranstalter, Norbert Haas. Deswegen werden auph jedes Jahr Künstler und Schriftsteller aus Liech­ tenstein zu den Exkursen eingeladen. In diesem Jahr wurde das Atelier des Künstlers Arno Oehrl besichtigt und der Schriftsteller Mathias Ospelt zu ei­ ner Lesung eingeladen. Zu wild? Obwohl die drei Veranstalter die 
fünfte Ausgabe der «Liechtensteiner Exkurse» eigentlich als Erfolg anse­ hen, zeigten sie sich doch enttäuscht darüber, dass nur gerade sehr wenige Liechtensteinerinnen und Liechten­ steiner den Weg zu den zahlreichen hochkarätigen Veranstaltungen ge­ funden haben. Dies, obwohl gezielt Einladungen verschickt worden seien. Enttäuschend sei vor allem das gerin­ ge Interesse an der Lesung von Rainer Nägele im Literaturhaus gewesen, be­ tonte Norbert Haas, denn obwohl Rai­ner 
Nägcle'Mitglied des Pen-Clubs sei, sei niemand aus dieser Vereinigung gekommen, das sei aus seiner Sicht schlicht und einfach ein Skandal. Trotzdem, beschwichtigte Hans-Jörg Rheinberger, Leute, die einmal eine Veranstaltung besucht hätten, kämen immer wieder und dies zeige wenigs­ tens, dass ein gewisses Potenzial In Liechtenstein da wäre. Jedenfalls kön­ nen sich die drei Veranstalter eine weitere Folge der «Liechtensteiner Ex­ kurse» durchaus gut vorstellen. Erfreut über die gelungenen Beiträge, aber enttäuscht Uber das geringe Interesse aus der Bevölkerung zeigten sich die Ver­ anstalter der 'Liechtensteiner Exkurse», v. I. Hans-Jörg Rheinberger, Rainer Nägele und Norbert Haas.
	        

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