Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBIATT 
INLAND Freitag, 4. Oktober 2002 
3 Österreichs Justizminister in Liechtenstein - Pointierter Vortrag zum Thema «Medienfreiheit») Diese Spontanität bringt nicht jeder ausländische Staats­ gast mit nach Liechtenstein. Dieter Böhmdorfer, der öster­ reichische Justizminister, hatte sich bereit erklärt, im Zuge sei­ nes Liechtenstein-Besuchs ei­ nen Vortrag in der Fachhoch­ schule zu halten. Das Thema darf als kontrovers bezeichnet werden: «Medien und Persön­ lichkeitsrechte». Wolfgang Zechner «Die Medienbcrichterstattung im Spannungsfeld zwischen Informati- önsinteressen und Schutz der Persön­ lichkeitsrechte». So lautete der etwas sperrige Titel des Referats von Böhm- dorfer. Ein Referat mit brisantem In­ halt. Darin verteidigte Böhmdörfer nämlich die verschärften Bestimmun­ gen im österreichischen Recht bezüg­ lich Medienbcrichterstattung. Ein Thema, das dem ehemaligen An­ walt des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider in seiner Heimat zum Teil sehr scharfe Kritik einbrachte. Gilt doch das im Referat-Titel erwähnte Spanniingsfcld als besonders heikle Gradwanderung in jedem demokrati­ schen Rechtsstaat. «Schiefe Optik» rie­ fen viele nahmhafte Kritiker ange­ sichts der Tatsache, dass Böhmdorfer Jörg Haider in zahllosen Prozessen ge­ gen diverse Medien rechtlich vertreten hatte. «Haiders Mann fürs juristisch Grobe» wurde Böhmdorfer von man­ chen Komentatoren deshalb auch süf­ fisant betitelt - womit wir bereits mit­ ten im Thema «Grenzen der Pressefrei­ heit» wären. «Visitenkarte eines jeden Rechtsstaates» Trotz seiner zum Teil pointierten Ansichten zum Thema legte Böhmdör­ fer gestern aber auch ein klares Be­ kenntnis zur Pressefreiheit in Öster­ reich ab. «Ich wende mich nicht gegen die Medienfreiheit, denn in einer freien demokratischen Gesellschaft braucht es den Medienpluralismus», so der österreichische Justizminister: Die Meinungsfreiheit, so Böhmdorfer wei­ ter, sei immerhin «die Visitenkarte ei­ nes jeden Rechtstaates». Und dennoch sieht Böhmdorfer die Risiken, dass die Persönlichkeitsrechte einzelner Menschen von einer wie auch immer gearteten Medienmacht bedroht werden, grösser denn je. Laut Böhmdorfer würden die Medien in Österreich behaupten, sie seien «die vierte Staatsgewalt». Die Schlussfolge­ rung des Justizministers litgt auf der 
Hand: «Macht braucht Kontrolle», meint er offenbar in Anlehnung an den Wahlkampfslogan des österreichi­ schen Bundespräsidenten Thomas Kle- Stil. ' 
- «Meinungen sind frei äiisserbar» Böhmdorfer bekräftigte gestern, dass. das österreichische' Medienrecht «einen sehr hohen Standard» aufweist und dass es «sehr konkret zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinun­ gen» unterscheidet.. Meinungen seien, so Böhmdorfer, nach österreichischer Rechtslage frei äusserbar, also nicht oder kaum sanktionierbar. «Das, worum es bei Gerichtsverfah­ ren immer geht, wenn es zu Verurtei­ lungen kommt, sind falsche Tatsa­ chenbehauptungen», so der Justizmi­ nister». Nach einigen interessanten Ausflügen in die rechtlichen Struktu­ ren des österreichischen Medienrechts Hess Böhmdorfer dann doch seine Re­ de mit versöhnlichen Worten ausklin­ gen. Zur Erinnerung: In Österreich wa­ ren Journalisten aus allen Lagern 'Sturm'gegen Bphmdorfer gelaufen, weil er angeblich sogar Haftstrafen für Journalisten vorgesehen hatte. «Das, 
worum es bei Gerichtsverfahren immer geht, wenn es zu Verurteilungen kommt, sind falsche Tatsachenbehauptun- «Haft ist undenkbar» gen», so Justizminister Dieter Böhmdorfer gestern Abend in Vaduz. [Bild: Paul Trümmer) Herzlicher Empfang gestern in der Liechtensteinischen Fachhochschule. Von 
links: Landtagspräsident Klaus Wanger, Re- gierungscIief-Stellvertreterin.Rita Kieber-Beck und Justizminister Dieter Böhmdorfer. • (Bild: Paul Trümmer) 
Davon konnte gestern aber keine Rede mehr sein: «Es ist undenkbar, dass in Österreich ein Journalist in Haft geht»; so Böhmdorfer wörtlich. Dass Böhmdorfer schliesslich noch den pensionierten 
Kolumnisten der öster­ reichischen «Kronen Zeitung», Richard «Staberl» - Nimmerrichter als Beispiel für einen oft verurteilten aber nie ein­ gesperrten Journalisten nannte, ent­ behrt nicht einer gewissen Portion Iro­ nie. «Staberl» Nimmerrichter, der über 70. Verurteilungen auf dem medialen Kerbholz hatte, galt unter Kennern der österreichischen Medienlandschaft im­ mer als Förderer von Jörg Haider und der FPÖ. Dass sein oft kolportiertes, gespannt tes Verhältnis zur medienschafTeriden Zunft vielleicht doch nicht ganz den Tatsachen entspricht, liess Böhmdorfer schliesslich auch durchblicken: «Wenn ein kritischer Journalist etwas negati­ ves über mich schreibt, denke ich schon oft darüber nach, ob er nicht Recht haben könnte.» Alles inallem.bot Dieter Böhmdörfer einen soliden Vortrag, der den zahl­ reich anwesenden Zuhörern einen Ein­ blick in die völlig andersartige Me­ dienrealität in Österreich gewährte. Ei­ ne 
Medienreälität, die - das wurde gestern nur allzu deutlich - auch kon­ trovers diskutiert werden kann und wird. ' Gute Beziehungen: Regierungschef Otmar Hasler, Regierungschef-Stellvertreterin Rita Kieber-Beck und Justizminister Dieter Böhmdorfer. 
Ins Gespräch vertieft: Justizminister Dieter Böhmdorfer, Ehefrau Silvia 
Böhmdorfer und .der Vorsteher von Mauren,. Jo­ hannes Kaiser. , • (Bilder: Presseamt)
	        

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