Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Dienstag. 
l\ \ S>-* V- , c Warum Regierungschef Otmar Hasler auf eine gemeinsame Vorwärtsstrategie setzt Nicht zuwarten, bis man nur noch reagieren kann und sich dann nur noch völlig fremdbe- stimmen lassen muss: Aus die­ sem Grund setzt Regierungschef Otmar Hasler betreffend der Zu­ kunft des Wirtschaftsstandorts Liechtenstein auf eine gemein­ same Vorwärtsstrategie. Martin Frommel t Der Regierungschef legte am Wochen­ ende anlässlich des Liechtenstein-Se­ minars für Compliance-Vcrantwortli- che in Vaduz seine Gedanken zum Fi­ nanzplatz Liechtenstein im Lichte der politischen Rahmenbedingungen dar. Kcrnbotschaft: Angesagt sind Umden­ ken und Setzen neuer Rahmenbedin­ gungen. Druck von aussen «Staatsinteresse kann heute nicht mehr unabhängig von Entwicklungen ausserhalb der Staatsgrenzen definiert werden. Internationale, staatenüber­ greifende Organisationen setzen allge­ meinverbindliche Standards, deren Zustandekommen nicht immer demo­ kratisch legitimiert und oftmals von Machtstandpunkten bestimmt ist», machte der Regierungschef den Druck v>on aussen deutlich. Bewusst akzeptierte Öffnung Zwei sich ergänzende Faktoren be­ stimmen laut Hasler das Staatsinteres­ se: «Nur die bewusst akzeptierte Öff­ nung der Grenzen Liechtensteins erlaubt eine Entwicklung zu wirt­ schaftlichem Erfolg. Aber auch eine bewusst erlebte Beschränkung ist not­ wendig, um als Staat überleben zu können.» Standortvorteile neu definieren Otmar Hasler: «Das Akzeptieren der Öffnung bedeutet aber auch, dass wir die Standort vorteile, die zu der bemer­ kenswerten Erfolgsgeschichte des wirtschaftlichen Aufschwungs geführt haben, immer wieder neu definieren. Dieses Offensein bedeutet, dass viir uns im internationalen Kontext recht­ zeitig neu positionieren und uns nicht in einem falschen Reflex auf uns selbst zurückziehen und Positionen verteidi­ gen. die längst von der Wirklichkeit überholt sind.» Aussenpolitik wird wichtiger Gemäss Überzeugung des Regie­ rungschefs wird Liechtenstein der Aussenpolitik einen bedeutend grösse­ ren Stellenwert geben müssen, wenn es in Zukunft seine Interessen dort wirkungsvoll vertreten will, wo staa­ tenübergreifende Organisationen Ent­ scheidungen treffen. Dies sei auch nötig, um zu Informationen zu kom­ men, «die ein rechtzeitiges Handeln und damit eine rechtzeitige Neuaus­ richtung seiner rechtlichen Rahmen-' bedingen ermöglichen». Die Aussen­ politik wird in Zukunft vermehrt die Innenpolitik bestimmen, ist Hasler überzeugt. Langfristige Chancen Nach Überzeugung des Regierungs­ chefs muss die Diskussion über die Weiterentwicklung des Wirtschafts- standortes Liechtenstein in einen brei­ teren Rahmen eingebettet werden: «Es wäre fatal, wenn wir heute in einer Zeit der weltweiten Vernetzungen die Diskussion über die Ausrichtung und die Rahmenbedingungen des Finanz­ platzes auf uns selbst zurückgezogen führen würden, ohne Beachtung der internationalen Standards und Ten­ denzen. Das würde bedeuten, dass Wir wiederum Grenzen aufbauen, uns auf unsere 160 km' zurückziehen und kurzfristige Vorteile gegen langfristige Chancen eintauschen würden.» Bankkundengeheimnis Die Regierung, so 
der Regierungs­ chef, erkennt die volkswirtschaftliche 
Nicht zuwarten, Iiis man völlig fremdbestimmt wird: Regierungschef Otmar Hasler setzt bei der Weiterentwicklung des Wirtschiißsstandorts Liechtenstein auf eine gemeinsame Vonriirtsstratcgic. (Bild: Paul Trümmer) Bedeutung des Finanzdienstleistungs­ bereichs und steht vollumfiingtich zum Finanzplatz: «Die Regierung steht auch zu dem hohen Rechtsgut des Schutzes der Privatsphäre und.damit zu einem richtig verstandenen Bank- kundengeheimnis.» In einer liberalen Wirtschaftsordnung sei es aber auch wichtig, dass griffige Instrumente zur Verfügung stehen, um Missbräuchen vorzubeugen und sie nötigenfalls wirksam zu bekämpfen. Strenge Regeln Otmar Hasler: «Wollen wir unsere li­ berale Wirtschaftsordnung in Zukunft beibehalten, ist es wichtig, über stren­ ge Regeln der Missbrauchsbekämp­ fung zu verfügen und sie auch durch­ zusetzen. Da wird diese Regierung ihren Weg konsequent weitergehen. Es gibt keine Alternative dazu.» Druck auf Fiskalpolitik Der Wirtschaftsstandort, insbeson­ dere auch der Finanzdienstleistungs­ bereich, sieht sich zunehmend inter­ nationalen Bestrebungen nach An- glcichung der rechtlichen und finanzi­ ellen Rahmenbedingungen ausgesetzt. Dazu Otmar Hasler: «Wenn im interna­ tionalen Umfeld von Kriminalitäts- bekämpfung die Rede ist, so wird heu­ te auch die Fiskalpolitik als mögliches Instrument ins Auge gefasst. Es wird von vielen Staaten nicht mehr ver­standen, 
weshalb der Fiskalbereich von der gegenseitigen Hilfestellung zur Bekämpfung der organisierten Kri­ minalität ausgenommen sein soll.» Agieren statt reagieren Die Devise der Regierung heisst laut Regierungschef Häslcr «agieren statt reagieren»: «Die zunehmende Interde- pendenz, nicht zuletzt im Finanz- dicnstlcistungsbcreich, kann nicht ne­ giert werden und ist in der Zusam­ menarbeit mit anderen Staaten zu berücksichtigen. In diesem Sinn, auch zum Zweck der Wahrnehmung der ge­ samtstaatlichen Interessen, verfolgt die Regierung eine Politik, die voraus­ schauend ist und sich nicht auf blosses Reagieren beschränkt.» Rahmenbedingungen neu bewerten . «Weiterentwicklung», so Otmar Has- ler, «bedeutet auch, dass gewisse Rah­ menbedingungen, wie sie über Jahr­ zehnte gegolten haben, neu bewertet und angepasst werden müssen. Die heute wirtschaftende Generation stellt vor 
grossen Herausforderungen, es wird enormer Anstrengungen bedür­ fen, um auf die richtigen Standortvor­ teile zu setzen, diese auszubauen und den Verlust bestimmter protektionisti- scher Vorteile zu kompensieren.» Rechtshilfevertrag mit den USA 
Die Regiening hat mit den USA ei­ nen Rechtshilfevcrtrag unterzeichnet, der die Rechtshilfe in Fiskalstrafsa­ chen nicht ausschlicsst, sie allerdings nur im Bereich schwerwiegender Straftatbestände zulässt. Für den Re­ gierungschef konnte mit den USA ein guter Kompromiss gefunden werden: «Nicht nur praktisch alle europäischen Staaten, sondern auch eine Vielzahl vergleichbarer Finanzplätze gewähren den USA Steucrinformationen, die weiter gehen, als dies im Vertrage mit Liechtenstein vorgesehen ist. Umge­ kehrt stärkt der Abschluss des Vertra­ ges mit den USA das Vertrauen in die liechtensteinische Wirtschaft und den liechtensteinischen Finanzplatz mei­ ner Überzeugung nach. Wenn auch beim Austausch von .Steucrinforma­ tionen noch wesentlich wenfger weit gegangen wird als bei vergleichbaren Wirtschaftsstandorten, konnte doch in einem heiklen Bereich ein tragfähiger Ausgleich mit den USA als der gröss- ten politischen und wirtschaftlichen. Macht gefunden werden.» Für Dialog mit OECD offen Was die internationalen Initiativen angeht, so sei Liechtenstein im Rah­ men seines Dialogs mit der OECD wei­ terhin zur Zusammenarbeit bereit, al­ lerdings nach wie vor unter "klaren Be­ dingungen, so der Regierungschef: «Das sind einerseits die 
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;/i i,. ri J,. • j Folgefide Punkte erachtet Regie­ rungschef Hasler für die Zukunft als wichtig: 1) Liechtenstein wird weiterhin ein liberales und wcttbewerbsqricntiertes Wirtschafts- und Steuersystem mit ei­ nem differenzierten Gesellschaftsrecht beibehalten, das die legitimen Interes­ sen sowohl der Bevölkerung als auch der Kunden im Bereich des Persön- lichkeitsschutzes berücksichtigt 2) Liechtenstein verfügt heute im internationalen Vergleich über ein, „ führendes Sorgfaltspflicht-Regel­ werk und erfüllt die internationalen • Standards im Bereich der Geldwä­ schereibekämpfung. Die Entwick­ lung internationaler Standards wer­ den 
1 wir weiterhin aufmerksam ver­ folgen und die entsprechenden Koh- sequenzeh ziehen. 3) Das/ Bankkundengeheimnis 
wird auch in Zukunft ein Eckpfeiler des Finanzplatzes Liechtenstein sein. - Der legitime Schutz der Privatsphäre' j bedeutet jedoch nicht den Schutz : krimineller Machenschaften- 4) Die konsequente Bekämpfung der Finanzierung des interaationa-• 
i; len Terrorismus ist auch in Zukunft mit hoher Priorität weiterzuführen. 5) Die Einrichtung einer integrier- j ten Finanzplatzaufsicht wird zu ei­ ner Optimierung der Aufsichtstätig- ) keit und zur Glaubwürdigkeit des Fi- ' nanzplatzes beitragen. 6)' Liechtenstein kann sich in die internationale Diskussion einbringen, j indem es gerade im Bereich der Sorg- 
j faltspflichten und des Schutzes des ' Finanzplatzes vor dem - Missbrauch 
 1 durch kriminelle Organisationen ein : Benchmarking-System' vorschlägt i und sich dem Vergleich stellt. 
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Iung aller "Staaten, also auch nanzplätzen innerhalb und aui der OECD, mit denen der Hechte nischc Finanzplatz in Konkui steht, andererseits die Offenheit Verfahrens bei der Festsetzung u. Anwendung von Massnahmen. Dics^, Dialog wurde von der OECD, nach ei 
•\ V ner Verhandlungsrunde im März die- \ ses Jahres in Paris, mit für Liechten- * stein unannehmbaren Bedingungen vorläufig 
unterbrochen. Der Dialog kann aber aus unserer Sicht jederzeit wieder aufgenommen werden.» EU-Zinsertragsbesteuerung Bei der EU-Zinscrtragsbesteuerung liegt das Interesse an einer Zusam­ menarbeit gemäss JOtmar Hasler in ers­ ter Linie bei der EU: «Liechtenstein ist trotz Vorbehalten in einen konstrukti­ ven Dialog mit der EU getreten und hat Verhandlungsbereitschaft gezeigt. Dabei hat die Regierung betont, dass Liechtenstein nicht einseitig von der Einführung des Informationsaustau­ sches in der Europäischen Union profi­ tieren will. Analog zum' Verhand- lungsangcbot der Schweiz haben wir uns ebenfalls bereit erklärt, in Ver­ handlungen über die Einführung eines Zahlstellensteuermodells zu treten. Der Informationsaustausch wurde von liechtensteinischer Seite als Verhand­ lungsoption zurückgewiesen.» Erarbeitung 
1 von Zukunftsmodellen Nicht nur die Finanzdienstleistungs- anbieter werden vermehrt gefordert, auch die Politik muss die entsprechen­ den Rahmenbedingungen für ein er­ folgreiches Wirtschaften neu setzen. Otmar Hasler: «Die Regierung hat des­ halb in Zusammenarbeit mit der Pri­ vatwirtschaft eine Projektgruppe zur Erarbcitüng von Zukunftsmodellen ins Leben gerufen. Die Regierung ist ent­ schlossen, im Interesse eines zukunfts- fähigen Finanzplatzes die vielfältigen Herausforderungen aktiv an die Hand zu nehmen. Dafür benötigt sie auch die Unterstützung der Finanzdienst­ leisterund der Verbände.» Nicht abwarten und zusehen Regierungschef Otmar Hasler zur Grundhaltung der Regierung: «Wir können es uns in Liechtenstein nicht leisten, abzuwarten und zuzusehen, was uns die Zukunft bringen wird. "Dann werden wir nur noch reagieren können und uns völlig fremdbestim­ men lassen müssen. Die erfolgreiche Bewältigung der zukünftigen Heraus­ forderung ist nur in einer gemeinsa­ men Vorwärtsstrategie möglich. Genau da setzt die Politik der Regierung in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft an. Liechtenstein hat auch in Zukunft das Potenzial, ein erfolgreicher Stand­ ort zu sein. Der Finanzplatz Liechten­ stein wird weiterhin ein Platz mit be­ rechenbaren, stabilen Strukturen und Rahmenbedingungen sein.» Fürstentum Ressor t ' Liechtenstein Justiz — • — 
- Öffentlicher Vortrag von Österreichs Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer «Medienberichterstattung im Spannungsfeld zwischen Informationsinteresse und Schutz der Persönlichkeitsrechte» mit anschliessender Diskussion Donnerstag, 3. Oktober, 17 Uhr Fach­ hochschule Liechtenstein/Auditorium, Vaduz 
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