Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Mittwoch, 25. September 2002 
5 am jung Heute vor 75 Jahren kam es zu einer der grössten Katastrophen in Liechtenstein - die Rheinnot 1927 «Das war ein ergreifendes Ru­ fen und Johlen bei stockfinste­ rer Nacht während dem Läuten. Mit Tosen und Rauschen ist das Wasser um 3 Uhr bei Haus Nr. 17 angelangt.» Die Auszüge aus dem Tagebuch von Andreas Eberle, Ruggell, zeigen in ein­ drücklicher Art und Weise auf, wie die Menschen in unserem Land die Katastrophe erlebt ha­ ben. Karin Hassle r Im ganzen Überschwemmungsgebiet waren zirka 80 Millionen Kubikmeter Wasser. Der Wasserspiegel des Boden- sces wäre ohne Dammbruch um drei Zentimeter angestiegen. Am 25. Sep­ tember 1927 um zirka 22 Uhr ist eine maximale Wasserführung von 2300- Kubikmctcr pro Sekunde gemessen worden. Am Vormittag des folgenden Tages wurden an der gleichen Stelle nur noch 600 Kubikmeter pro Sekunde gemessen. Die Dämme waren gebro­ chen und von Schaan bis Tisis standen die Dörfer unter Wasser. Keine' Gefahr mehr Heute - 75 Jahre später - ist der Rhein gebändigt und stellt keine 
Ge­Am 
Ta(] nach der Katastrophe befanden sich in Ruggell immer noch über 300 Bewohner in ihren Häusern. Sie wurden mit Schiffen abgeholt und an trockenes Land gebracht.~"®" (Bild: Gemeinde Ruggell) fahr mehr dar. Infolge der Dammer- tern pro Sekunde, der Höchwasser- höhungen und der Kiesgewinnung hat spiegcl von 1927 würde mehr als'zwei dos Flussbett bei Schaan ein Fas- Meter unter der heutigen Dammkrone sungsvermögen von 3500 Kubikme- liegen. Die Sicherheit hat ein Maxi­mum 
erreicht. Dennoch bleibt auch, die Angst vor dem Wasser. Von älteren Menschen, welche die Rheinnot 1927 miterlebt.hahen, hört man in Regen­zeiten 
und bei Gewittern oft den Satz: «Wenn no dr' Rhy ned weder kunnt!» * Diese Menschen kommen im" Doku­ mentarfilm «Ein Land in Not» von Ar­ no Oehri zu Wort (siehe Interview). Am meisten gelitten «Weil wir in Ruggell damals am stärksten von der Überschwemmung betroffen waren, finden die Gedenk- veranstaltungen hier in Ruggell statt», so Paul Büchel, Vorsitzender der Kul­ turkommission Ruggell. Mit einer Ge­ denkausstellung im renovierten «Kü- fer-Martis-Huus» in Ruggell- möchte die Gemeinde den Menschen die Rheinnot von 1927 näherbringen und aufzeigen, was damals passiert ist. Das Haus ist gemäss einem baugeschichtli- chen Gutachten um 1730/1731 erbaut worden. Ein idealer Oft für die Ge­ denkausstellung also. «Dieses Haus stand erstaunlicherweise damals je­ doch nicht unter Wasser. Das Terrain hier in diesem Haus ist höher als im Dorf und ,bei den Häusern am Berg. V^enn ich heüte.im Fernsehen die Bil­ der von den Überschwemmungen in ganz Europa sehe - dann denke ich auch an unsere Vorfahren, die Ähnli­ ches miterlebt haben. Ich glaube, diese Ausstellung ist eine gute Möglichkeit, uns dies wieder einmal vor Augen zu führen», so Paul Büchel. Georg Näscher aus Gamprin und Li- sile Hasler aus Ruggell erzählen, wie sie als Kinder die Rheinnot im Jahr 1927 erlebt haben. Beim Zurück­ blicken sind viele Erinnerungen wajh geworden. Georg Näscher (Bild): In der Woche vor dem Dammbruch hat es dauernd geregnet. Der Kanal und die Esche waren voll Wasser und der Rhein ist stetig gestiegen. «Miar als Buaba sinn halt gi Bendcra uf a Rhydamm gi lua- ga, wäll's üs interessiert hät!» Das Wasser ist dann plötzlich nicht mehr vom Kanal und von der Esche in den Rhein geflossen, sondern in umge­ kehrte Richtung. Ich habe gesehen, wie das Wasser vom Kanal in Rich­ tung Schaan und das Wasser von der Esche Richtung Eschen zurückgeflos­ sen ist, weil der Rhein voll war und gedrückt hat. Am Sonntag durften wir nicht mehr nach Bendern auf den Damm - denn das Wasser hatte die 
Dammhöhe erreicht. Abends um 7 Uhr kam das Telefon von Schaan, dass der Damm gebrochen sei. Das Wasser kam schnell und massiv auf Schaan zu und bahnte sich seinen Weg über das Unterland bis nach Tosters. Weil Tosters höher liegt, floss das Wasser wieder zurück von Eschen über Ben­ dern. Nachts um 2 Uhr gab es einen 
ricsen Krach - der Damm in Bendern brach ein und das Wasser ging in ho­ hem Tempo Ruggell zu. In Gamprin wurden zwei Häuser ganz weggeris­ sen. Das Wasser führte riesige Baum­ stämme, Schlamm und viel Kies mit. Das Bildstöcklc in der Au war vom Kies wie eingemauert. Der Deutsche Rhein in Bendern stand bis zum 2. Stock unter Wasser. Aus heutiger Sicht hätte man den Rheindamm nach •dem Durchbruch sprengen 'müssen,, um so dem. Wasser einen Weg zu schaffen. Die grosse Not hat die Men­ schen auch zusammengebracht. Fasr alle haben in Not stehende Menschen aufgenommen und beherbergt. Bei uns daheim haben für eine gewisse Zeit auch zwei Personen gewohnt. Lisile Hasler (Bild): Lisile Hasler er­ zählt lebhaft: «Minn Götti isch' Fi­ scher gsi und all am Rhy dossa gsi. Er ischt zo üs horti ko und hätt gset: «tonn, alls i Secherheit, 's Wasser kunntl» Dann haben wir die Räder 
_ tj * • , « / * und was halt so im Keller war, in die oberen Stöcke gebracht. Als meine Schwester Theres zurück herunter kam, ist ihr das Wasser entgegenge­ kommen. Wir wurden dann mit Boo­ ten abgeholt und ins Trockerie ge­ bracht. «Mini Bäse vo Götzis hätt im Trockna uf mi gwartet.» Ich bin dann mit ihr zu Fuss über den Schellenberg 
. riach Feldkirch gelaufen und von dort mit dem Zug nach Götzis. Danach kam ich nach Vaduz zur Familie Kon­ rad und bis in den Frühling bin ich auch in Vaduz in die Schule gegan­ gen. Alle waren verstreut irgendwo untergekommen. Meine Eltern waren in Schellenberg und eine meiner Schwestern in Vaduz. Die Leute woll­ ten an Allerheiligen auf den Friedhof - aber das ging natürlich nicht. Aber der Pfarrer und der Mesmer sind mit einem Boot zum Friedhof gefahren. «Alli honn danand g'holfa und ma hätt zemma g"hebt. Es ischt o notwen­ dig gsi.» Wir haben auch Angst ge­ habt: halbe Häuser und Baumstämme sind im Wasser dahergekommen. Uns als Kindern hat es gefallen, als die Pfadfinder aus Brienz zum Helfen ge­ kommen sind. Die haben einen Lam­ pionumzug gemacht und am Abend am Lagerfeuer gesungen. Es war eine harte Zeit, aber irgendwie hat auch diese Not seine schöne Seiten gehabt. «Ein Land in Not» 
ANZEIGE Filmdokumentation von Arno Oehri über die Überschwemmung von. 1927 Vor 75 Jahren brach der Rheindamm bei Schaan und überschwemmte das Unterland. Eine Projektgruppe um den Ruggeller Künstler und Filme­ macher Arno Oehri zeigt in dem Film «Ein Land in Not» mehr als nur Bil­ der des damaligen Ereignisses. Gerolf Hause r «Es war höchste Zeit, dieses Dokument zu machen», sagt Arno Oehri, «denn die Zeitzeugen sterben und damit die persönlichen Erinnerungen.» In Zu­ sammenhang mit den Gedenkfeierlich­ keiten zur Rheinüberschwemmung von 1927 wird der ca. 40 Minuten dauern­ de Film «Ein Land in Not» am Samstag, den 28. 9. um 20 Uhr im Gemeindesaal in Ruggell uraufgeführt. Der Erlös aus dem Film geht an die Hochwasseropfer von diesem Jahr in Tschechien. Wichtiges Zeitzeugnis Dank der Unterstützung der damals betroffenen Gemeinden Schaan, Mau­ ren, 
Eschen, Gamprin, Schellenberg und Ruggell sowie des Kulturbeirates der Regierung und der Liechtensteini­ schen Landesbank AG konnte die Do­ kumentation «Ein Land in Not» als wichtiges Zeitzeugnis produziert 
wer-Der 
Ruggeller Künstler und Filmemacher Arno Oehri zeigt in dem Film *Ein Land in.Not» mehr als nur Bilder der Rheinüberschwemmung von 1927. den. In einem hervorragenden «Zu­ sammenschnitt» von Originalfotos und Originalfilmsequenzen aus der damaligen Zeit, in Überblendungen zur heutigen Situation, in einer Ge­ genüberstellung des Ereignisses aus 
heutiger Sicht mit jener von vor 75 Jahren, zeigt Arno Oehri mit seinem Kameramann Ernst Egger (Musik Mar­ co Schädler) eindrücklich das schreck­ liche Geschehen. Zwar gab es damals nicht so entsetzliche Schäden, wie 
jetzt bei der Hochwasserkatastrophc in Europa. Jedoch wurde das gesamte Gebiet zugeschüttet durch vom Rhein • mitgetragenem Kies, Schutt und Schlamm, d.h. über Jahre hinwegwa­ ren die Ackerbauflächen in dem oh­ nehin armen Land kaum zu nutzen. Verlauf des Wassers < Die Gliederung des Films lässt das Geschehen besonders deutlich werden. Da'wird dem Sprecher, er erzählt mehr aus wissenschaftlicher und heutiger Sicht, ein Chronist gegenübergestellt (dargestellt vom Schauspieler Alexan­ der Biedermann, optisch zurückver­ setzt in jene Zeit, gefilmt im Bieder­ mannhaus auf dem Schellenberg), dessen Gedanken man hört, Texte aus der Originalbroschüre vom . 28. 9. 1927, die drei Tage nach der Katastro­ phe vom Hilfskomitee herausgegeben wurde. «Diese Spielszenen», so Arno Oehri, «sollen eine Atmosphäre erzeu­ gen, die die Aussagen der Zeitzeugen unterstützt und den Film in einzelne Abschnitte gliedert nach dem Verlauf des Wassers, beginnend beim Damm­ bruch in Schaan bis nach Ruggell und Bangs.» Das Ganze wird ergänzt durch die Aussagen der Zeitzeügen mit ihren subjektiven Erlebnissen. • 
RAUMPLANUNG eine weitere I Überreglementierung • Die Gemeinden müssten verschiedene Wohn­ zonen ausscheiden. 80 % Ausbaugrad be­ deutet, dass die Bodenpreise und die Mieten steigen werden. Gaston Johlt? Gemeindevorsteher Planken
	        

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