Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND •Dienstag, 24. September 2002 
3 ssen wun engezogen Johannes Kaiser, Landtagsabgeordneter und Vorsteher von Mauren, zum neuen Raumplanungsgesetz Johannes Kaiser, Landtagsabge­ ordneter und Gemeindevorste­ her von Mauren, steht dem neuen Raumplanungsgesetz po­ sitiv gegenüber, nachdem die «stossenden Spitzzähne» der ur­ sprünglichen Fassung von Re­ gierung und Landtag inzwi­ schen gezogen wurden. Es sei nicht seine Art, «aus Prinzip da­ gegen zu sein, wenn die Regie­ rung praktisch alle Forderungen der Gemeinden in die neue Vor­ lage eingearbeitet hat». Volksblatt: Was ist der Hauptgrund, dass Sie für das Raumplanungsge­ setz sind? • Johannes Kaiser: Wie Sie wissen, habe ich mich bezüglich der früheren Raumplanungs-Vorlage anlässlich der 1. Lesung im Mai 2001 sehr kritisch geäussert. Auch in der Vorsteherkon­ ferenz wurden einige zentrale Punkte, die die Gemeinden betreffen, in die Mangel genommen. Nachdem beim Rundgang der Regierung durch die Gemeinden immer wieder dieselben Argumente gegen das Raumplanungs­ gesetz aufgegriffen wurden, wie sie auch von den Vorstehern artikuliert wurden, hat die Regierung diese Punk­ te 
beseitigt oder entscheidend ent­ schärft. • ^ In der 2. Lesung im Juni dieses Jah­ res wurden diese von den Gemeinden eingebrachten Änderungswünsche auch vom Landtag genehmigt. Somit kann heute von einer «Light-Vorlage» gesprochen werden, so wie sie letztlich von den Gemeinden gefordert wurde. Es ist nicht meine Art, aus Prinzip da­ gegen zu sein, wenn die Regierung praktisch alle Forderungen der Ge­ meinden in die neue Vorlage eingear­ beitet hat. Konkret betrifft dies die Ar­ tikel 7 (Abs. 4 und 5), 9 (Abs. 4), 13 
(neuer Absatz), 14 (Abs. 2) und 15 (Abs. 1). Was sagen Sie dazu, dass die umlie­ genden Länder ein Raumplanungs­ gesetz haben, dass nach Ansicht der Gegner aber ausgerechnet Liechtenstein mit seinen ohnehin sehr beschränkten Bodenressour­ cen kein solches Gesetz braucht? Die Ausgangslage ist ohnehin inte­ ressant. So haben bei der Eintretensdc- batte im Mai 2001 sämtliche Landtags­ abgeordneten betont, dass 
eine Raum­ planung für unser Land notwendig sei, wobei zum Teil einige «Abers» dieses Bekenntnis begleiteten. Bis zuKzweiten Lesung im Juni dieses Jahres hat die Regierung praktisch alle wesentlichen Spitzzähnc, die die Gemeindevorsteher und auch einige 
Abgeordnete gezogen haben wollten, auch definitiv gezogen. Die entsprechenden Gesctzesartikel ha­ be ich bereits erwähnt. Im Juni-Land­ tag 2002 - also vor ziemlich genau drei Monaten - sprachen sich 24 von 25 Abgeordneten fiir diese Vorlage aus. Dies entspricht einer Zustimmung von 96 °/o! Bei einer Grossanzahl von Vorsteherkollegen wissen wir, dass sie hinter dieser neuen Vorlage stehen und auch goutieren, dass Regierung und Landtag die meist kritisierten Diskussi­ onspunkte gemäss den Forderungen der Vorsteher sowie den Gemeinden abänderten. Inwiefern würde das Raümplanungs- gesetz ihre Arbeit, also die der Ge­ meindevorsteher und Behörden, ver­ ändern? Sofern sich eine Gemeinde mit ihrer Zukunft verantwortungsvoll und zu­ kunftsorientiert auseinander setzt, ist gerade die Beschäftigung mit dem ei­ genen Lebensraum und dessen Gestal­ tung für die gegenwärtigen wie auch für die zukünftigen Generationen von zentraler Bedeutung. Dies erfordert, 
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, C-i Johannes Kaiser: *Die <stossenden Spitzzähne> sind von der Regierung ge­ zogen worden.» dass sich die Gemeinden mit ihrem Leitbild und darauf aufbauend mit Rieht- und Überbauungsplänen aus- • einander setzen, dies mit engem Ein­ bezug der Bevölkerung. Auch .ohne Raumplanungsgesetz widmet die Ge­ meinde Mauren dieser Thematik seit geraumer Zeit einen grossen Teil der politischen Arbeit. Ich weise in diesem Zusammenhang auf das laufende PrQ- jckt «Muron» hin, das sich mit der Raum- und Siedlungsplanung inner­ halb des Hoheitsgebietes von Mauren und dem Weiler Schaanwald befasst. Integriert sind hier auch Natur-, Umr weltschutz- sowie auch Verkehrsthe­ men. Dieselben Zielsetzungen verfolgt auch die Raumplanungsvorlage. Die Gemeinden werden dazu angehalten, Ziele zu formulieren und danach die Zukunftsplanung auszurichten. Wie würde sich dieses Gesetz auf den einzelnen Bürger auswirken? 
Die Bauzonen-Grösse der Gemein­ den bleibt unangetastet. Das Raum­ planungsgesetz hat, entgegen der von Kritikern vielfach verbreiteten Mei­ nung, keinerlei Einfluss auf die Grösse der heutig in den Gemeinden ausge­ wiesenen Bauzonen. Innerhalb dieser Bauzone können die Gemeinden alles autonom gestalten, indem sie Richt­ pläne und Leitbilder erstellen. Für den einzelnen Bürger ergaben sich somit innerhalb dieser Bau- oder Wohnzo­ nen keinerlei Nachteile. Eher Vorteile, denn erstens können mittels Überbau- üngsplänen höhere' Ausnützüngen und damit auch grössere Bauvolumen erzielt werden, und zweitens erarbeitet die Regierung parallel dazu ein Bau­ bewilligungsverfahren, das einfacher ist, beschleunigter vor sich geht und nur noch einen Ansprechpartner auf­ weist. 
Was eine eventuelle. Abschaf­ fung der Ausnützungsziffer betrifft, liegt dies heute schon im Kompetenz­ bereich der Gemeinden. Auch zukünf­ tigen Generationen muss ein Hand­ lungsspielraum reserviert werden. Das Handlungs-Prinzip .«nach mir die Sint-, flut> wäre nicht fair, Inwiefern wird die räumliche Ent­ wicklung In Liechtenstein' In den nächsten Jahrzehnten hinsichtlich der kommenden Generationen mit oder ohne Raumplanungsgesetz an­ ders aussehen? Sehr wichtig erscheint mir, dass mit der Raumplanung auch der Verkehrs­ richtplan in Einklang gebracht wird. Da es gegenüber der Gesetzesvorlage vom Mai 2001 (1. Lesung) neu keine Etappierungen mehr gibt, haben die Gemeinden innerhalb der Bauzoneri «freie Hand». Dass diese Bauzonen in jeder Gemeinde relativ gross sind, hat bis dato kein einziger Vorsteher be­ treffend seiner Gemeinde bestritten. So wird sich in den nächsten Jahren die Bautätigkeit - dies ist übrigens 
auch ohne Raumplanungsgesetz der Fall - innerhalb diesen ausgewiesenen Bauzonen abwickeln. Der wirtschaftli­ che Wohlstand, der in den nächsten Jahren auch in hohem Masse von der Stabilisierung des Finanzplatzes ab­ hängt, wird darüber entscheiden, wie sich die Boden- sowie . Mietpreise in unserem Land entwickeln; Würde es mit dem Finanzplatz und der Ver­ schleppung der Verfassungsfrage ei­ nen krassen Einbruch geben, würden ohnehin bald sehr viele Wohnungen freistehen. Es sind andere Mechanis­ men, die die Boden- und Mietpreise beeinflussen, nicht die Raumpla­ nungsvorlage. Ihre Abstimmungsprognose für das kommende Wochenende? Nachdem die Regierung sowie der Landtag zwischen der J. und 2. Le­ sung praktisch allen wesentlichen Änderungsvorschlägen der Gemein­ den, welche die Vorsteher gefordert haben, nachgekommen sind, sieht die aktuelle Gesetzesvorlage ganz anders aus als diejenige vpr Jahresfrist. Es gibt keine Etappierungen mehr, es gab nie Enteignungen, wie dies fälschli­ cherweise immer wieder von Geset­ zesgegnern «gestreut» wird, die Aus­ baugrad-Definition würde abge­ schwächt sowie ' mit einer klareren . Berechnungs-Systematik formuliert. Und in Mauren, Schaanwald, Eschen und Nendeln werden die einzelnen Wohngebiete gemäss meinem Vor­ schlag und einstimmiger Zustimmung des Landtags neu als separat ausge­ wiesene Siedlungsgebiete unterteilt. Die «stossenden Spitzzähne» sind von der Regierung gezogen worden, und ich denke, dass das Stimmvolk dieser «Softy-Vorlage» mit Blick auf die Zu­ kunftschancen unserer jungen Gene­ rationen 
eine Zustimmung erteilt - dies nach meiner Einschätzung mit 55 Prozent. anung in Donath Oehri, Landtagsabgeordneter und Vorsteher von Gamprin, zum neuen Raumplanungsgesetz Donath Oehri, Landtagsabge­ ordneter und Gemeindevorste­ her von Gamprin, begründet sein Nein zum neuen Raumpla­ nungsgesetz unter anderem da­ mit, dass in unserem Land schon heute Raumplanung in Hülle und Fülle und in Reinkul­ tur betrieben werde. Mit dem neuen Gesetz würden die Ge­ meindeautonomie und der Handlungsspielraum nur weiter eingeengt. Volksblatt: Was ist der Hauptgrund, dass Sie gegen das Raumplanung^ gesetzsind? Donath Oehri: Wir haben heute schon eine Vielzahl an gesetzlichen Bestimmungen, die auf unseren Raum regelnd einwirken. Ich zähle einige auf: das Gesetz zum Schutz von Natur und Landschaft, diverse Verordnun­ gen über Naturschutzgebiete, das Waldgesetz, die Verordnung "über Waldreservate und Sonderwald­ flächen, das Landwirtschaftsgesetz, das Bodenverbesserungsgesetz,das Gewässerschutzgesetz, diverseste Ge­ wässerschutzzonenverordnungen, das Baugesetz, das Baulandumlegungsge- setz, das Umweltverträgliehkeitsge- setz, das Wasserrechtsgesetz, zu den verschiedensten Gesetzen die ver­ schiedensten Verordnungen, die ver­ bindliche wissenschaftliche Naturge­ fahrenkarte, das Inventar der Natur­ vorrangflächen, alle Gemeinde verfü­ gen über rechtsgültige Bauordnungen und Zönenpläne, verschiedenste Richtpläne und teils Verkehrsrichtplä­ ne in den Gemeinden, Überbauungs­ pläne usw. usf. 
Donath Oehri: *Schon heute wird in unserem Land Raumplanung in Hülle und Fülle und in Reinkultur betrieben.» Wollen Sie noch einige hören? Sie sehen, eine Urtmenge an Gesetzen be­ steht schon. Nun soll mit einem weite­ ren Gesetz, dem Raumplanungsgesetz, wiederum eine weitere Lawine an Pia-, nungen auf das Land, auf die Gemein­ den und damit in der Folge ganz di­ rekt auf die Einwohnerinnen und Ein­ wohner einwirken. Die Gemeindeauto­ nomie und der Handlungsspielraum werden weiter eingeengt. Jeder, der schon einmal etwas gebaut hat, weiss, was auf ihn zukommt. Nun soll es noch komplizierter werden. Brauchen wir das? Was sagen Sie dazu, dass die umlie­ genden Länder ein Raumplanungs­ gesetz haben, dass nach Ansicht der Gegner .aber ausgerechnet 
Liechtenstein mit seinen ohnehin sehr beschränkten Bodenressour­ cen kein solches Gesetz brai/cht? Zum Ersten habe ich gerade mit der vorangegangenen Aufzählung der Ge­ setze und Regelungen aufgezeigt, dass schon heute Raumplanung in Hülle und Fülle und in Reinkultur in unse­ rem Land betrieben wird, ob wir nun dieses Raumplanungsgesetz haben oder nicht. Zum Zweiten, es ist nicht unbedingt alles gut, was wir anderen Ländern abschreiben. Gerade kürzlich habe ich mit einem Gemeindepräsi­ denten der benachbarten Schweiz ein längeres, sehr interessantes Gespräch gehabt, bei dem dieser artif die ver­ schiedensten Probleme und Schwie­ rigkeiten hingewiesen- hat, die sie mit ihrem Raumplanungsgesetz haben. inwiefern würde das Raumplanungs­ gesetz Ihre Arbeit, also die Arbelt der Gemeinden und Behörden verän­ dern? Wie schon gesagt, , durch die Pla­ nungspflicht würden die Gemeinden in eine richtige Planungsflut geraten. Die Planungsbüros könnten sich freu­ en. Planungen für die Katz und dann Planungsleichen wären das Resultat. Die Kosten haben wir alle zu tragen. Die Raumplanungsgesetzesartikel für sich alleine gelesen, geben einem eineh schön einschmeichelnden Ein­ druck, als ob alles möglich wäre, die Gemeinden in Autonomie ihre Orts­ planung vornehmen könnten usw. Dieser vordergründige Schein trügt. Das Gesetz muss man in der kombi­ nierten Verflechtung verschiedener Artikel lesen. Dann  sieht .es  anders aus; Die Regierung überprüft und ge­ nehmigt beispielsweise die Bauord-> nung, den Zonenplan, den Gemeinde­richtplan 
und den Überbauungsplan. Sie überprüft diese Planungsinstru­ mente auf ihre Rechtmässigkeit und auf die Übereinstimmung mit dem Landesrichtplan. Allenfalls kann sie das jeweilige Planungsinstrument ab­ lehnen oder sogar der Gemeinde vor­ schreiben, das Planungsinstrument weiterzuentwickeln und in ihrem Sin­ ne abzuändern und im Versäumnisfall sogar für die Gemeinde per Verord­ nung das entsprechende Planungsin­ strument erlassen. Hier ist der Ermes- sensspielraum des jeweiligen vörprü- fenden Amtes gross. Wer im Anblick dieser Tatsachen von einem Ausbau der Gemeindeautonomie in der Orts­ planung spricht und schreibt, ist ent­ weder naiv oder nun vor der Abstim­ mung ein herrlich rosarot malender Schönredner, der wartet, bis das Ge­ setz seine Gesetzeskraft hat und dann nach dem Buchstaben des Gesetzes gewaltet werden kann. Wie würde sich dieses Gesetz auf den einzelnen Bürger auswirken? Teils direkt und teils indirekt. Eine Einzonierung beispielsweise von der Zone «übriges Gemeindegebiet» in Wohnzonen können die Einwohnerin­ nen und Einwohner für die nächsten 50 Jahre vergessen. Das Bauen in der erschlossenen und baureifen Bauzone ist mit den bisher schon bekannten Regelungen weiterhin möglich. Das Bauen in nicht erschlossener und bau­ reifer Bauzone kann sich indessen ver­ komplizieren respektive mittel- bis langfristig verunmöglichen. Dies ist dann der viel gepriesene Artikel, der zwar besagt, dass nicht rückzoniert werde; aber man hat dann einen schö­ nen Bauplatz, den man aber nicht be­ bauen kann, also einen wunderbaren 
Vogel im goldenen Käfig. Die "Pflicht der Gemeinde und des Landes, ver­ schiedenste Planungsinstrumente flächendeckend voranzutreiben, wird ebenfalls auf die Einwohnerinnen und Einwohner direkt oder indirekt durch­ schlagen. Inwiefern wird die räumliche Ent­ wicklung in Liechtenstein- In den nächsten Jahrzehnten hinsichtlich der kommenden Generationen mit oder ohne Raumplanungsgesetz an­ ders aussehen? In den letzten Jahrzehnten war ein zähes Ringen, bis in unseren Gemein­ den überall geordnete und rechtsgülti­ ge Zonenpläne geschaffen werden konnten. Nun liegen diese Zonenpläne überall vor. Wenn man heute immer von Verdichtung nach innen spricht, möchte ich nur fragen: Was ist denn die letzten Jahrzehnte anderes pas­ siert? Wenn ich beispielsweise meine Gemeinde Gamprin-Bendern an­ schaue, war vor 50 Jahren mit" Aus­ nahme der Industrie-; Gewerbe- und Dienstleistungszone eine totale Streu­ siedlung 
bis überall in die heute . noch bestehenden äussersten . Peri­ pherien hinaus vorhanden. Nun hat sich das Dorf den Strassenzügen ent­ lang sukzessive nach innen verdich­ tet. 
So wird es auch ohne Raümpla- nungsgesetz weitergehen. Selbstver­ ständlich dürfen wir auch ohne Raumplanungsgesetz nicht einfach wild Wohnzonen einzonieren. Dies wäre aus verschiedensten Gründen, unverantwortlich. Ihre Abstlmmungsprognose für das kommende Wochenende? Wahrscheinlich leider eine knappe Zustimmung mit 54 % Ja-Stimmen.
	        

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