Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Freitag, 13. September 2002 3 Anwälteflut aus dem EWR? Landtag berät sieben Gesetzesanpassungen im Rahmen der Umsetzung der Niederlassungsrichtlinie Aufgrund des 
EWR-Beitritts muss Liechtenstein die Nieder­ lassungsrichtlinie in nationales Recht umsetzen. Ab 2003 kön­ nen sich somit Rechtsanwälte aus allen EWR-Ländem in Liechtenstein niederlassen. Die Notwendigkeit war im Landtag unbestritten, dennoch gab es auch kritische Worte. Martin Frömmel t VU-Fraktionssprcchcr Peter Sprenger, sagte, dass die Vorlage grundsätzlich unbestritten sei, dennoch aber plädier­ te er aus verfassungsrechtlichen Grün­ den für «Nichteintreten». Der Landtag müsse sich zuerst zur völkerrechtli­ chen Komponente der Richtlinie äus­ sern können, bevor das entsprechende nationale Recht umgesetzt werde. Re­ gierungschef Otmar Hasler sagte, dass der Landtag selbstverständlich vor dpr 2. Lesung einen Bericht zur Übernah­ me der Richtlinie vorgelegt erhalte, damit der Landtag zuerst über die Übernahme der Richtlinie und dann über die Gcsetzesvorlagc entscheiden könne. Hätte die Regierung jedoch zu­ erst die Richtlinie vorgelegt, dann wä­ re diese ohne Umsetzung nationalen Rechts in Kraft getreten. Es galt somit, ein Vakuum ungehinderten Zustroms zu verhindern. Der Landtag Hess sich von diesen Ausführungen offensicht­ lich überzeugen der Antrag von Sprenger auf Nichteintreten erhielt le­ diglich sechs Stimmen. Zustrom eindämmen' Um die Übernutzung des Finanz­ platzes Liechtenstein durch die be-/ 
\ i;<; £ '4ii t\ JH ?' •<> ^ H&A Kritisierte Beschränkung von Artikel 180a PGR: Renate Wohlwend (FBP). fürchtete Anwälteflut zu verhindern und das derzeitige Qualitätsniveau für in Liechtenstein tätige Rechtsanwälte und Treuhänder halten zu können, sollen sieben Gesetze abgeändert wer­ den. Zentrale Neuerung: die Trennung der Tätigkeitsfelder des Rechtsan­ walts- und des Treuhänderbenifcs. Dadurch soll verhindert werden, dass aus dem Ausland nach Liechtenstein strömende Anwälte auch auf dem Ge­ biet des Treuhandwesens tätig sein können. . Die Gesctzesvorlagcn beschäftigen sich einerseits mit der Umsetzung der EU-Richtlinie, die zur weiteren Har­ monisierung des Rechtsanwaltsberu- fc!; in Europa beiträgt, und anderer­ seits mit Begleitmassnahmen zur Si­ cherung des hohen Qualitätsstandards für in Liechtenstein tätige Rechtsan­ wälte und Treuhänder. 
tDarniedcrIiegendeu Markt»: Land- taijsvizcprüsident Peter Wolff (VU). Befürchtung unbegründet? Nach Ansicht von Landtagsvizcprä- sident Peter Wolff (VU) muss unser Land keinen Ansturm von EWR-An- wälten befürchten: «Ich glaube, dass der Offshorc-Platz Liechtenstein sich heute nicht mehr vor einer Ubernut­ zung fürchten muss, sondern dass 'die Befürchtungen eher in eine gegenteili­ ge Richtung gehen.» Wie Wolff weiter ausführte, seien letztes Jahr erstmals • mehr Gesellschaften gelöscht" als ge­ gründet worden, was in gar keiner Weise die Schuld der Regierung sei. Er , frage sich aber, so Wolff weiter, ob es wirklich noch sinnvoll sei, irgendwel­ che Verhinderungsbestimmungen zu erlassen, uni EWR-Anwälten eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Treu- handwesens zu ermöglichen. Für den «darnicderlicgenden Markt» könne 
ei­ne 
Belebung befruchtend sein: «Heute kann man mit grosser Sicherheit aus- schliessen, dass hunderte Anwälte aus dem EWR nach Liechtenstein strömen werden. Wir müssen jedem ausländi­ schen Kollegen dankbar sein, der hier tätig sein wird.» Die Einschätzung von Wolff wurde im Plenum jedoch nicht geteilt. Hugo Quaderer (VU) sagte etwa, er befür­ worte «gewisse Gegenmassnahmen zur Verhinderung eines Zustroms von Anwälten aus dem EWR». Ausländische Anwälte sollen sich erst nach einer dreijährigen regelmäs­ sigen Tätigkeit in Liechtenstein in die Rechtsanwaltsliste eintragen lassen können. Verwaltungsratsmandate Umstritten war die geplante Ein­ schränkung einheimischer Anwälte bei der Ausübung von VR-Mandaten gemäss Art. 180a PGR. Diese Absicht bezeichnete Renate Wohlwend (FBP) als «ein wenig misslungen». Klartext sprach Peter Wolff: «Dass ein Rechts­ anwalt jetzt auf einmal nicht mehr be­ fähigt sein soll, ein qualifiziertes Ver­ waltungsratsmandat auszuüben, ist völlig unverständlich; Diese Abände­ rungsei sachlich nicht gerechtfertigt.» Anwaltszwang Umstritten war auch die Einführung des Anwaltszwangs. Der Anwalts­ zwang sei laut Peter Wolff keine zwin­ gende Folge der Umsetzungsrichtlinie und deshalb nicht gerechtfertigt. Re­ gierungschef Hasler erwiderte, dass dieser absolute Anwaltszwang nur vor dem Obersten . Gerichtshof und vor dem Staatsgerichtshof gelte. Dies hät­ te sehr wohl indirekt mit der Umset­ zung der Richtlinie zu tun. Was lange währt... Breite Zustimmung zum Lehrerdienstgesetz - Einzelne Kritikpunkte Mit grossem Lob wurde die Neufas­ sung des Lehrerdienstgesetzes im Landtag aufgenommen. Einige wich­ tige Punkte wurden allerdings in einer mehrstündigen Debatte intensiv dis­ kutiert. So zum Beispiel eine Entla­ stung der Klassenlehrer oder die Stel­ lung der Teilzeitarbeitskräfte. Zentra­ ler Punkt in der Debatte war aber vor allem die Situation der Katechetinnen und Katecheten. Die Entwicklung im Religionsunterricht bereitete den Ab­ geordneten grosse Sorge. .  Doris Meie r Im Artikel 1 der Gcsetzesvorlagc wird festgehalten, dass dieses Gesetz nicht für Lehrer gelte, die, an Primarschulen konfessionellen Religionsunterricht erteilen, sprich: das Gesetz schliesst Katechetinnen und Katechetqn aus. ANZEIGE Auf herbstlicher Tour »mit dem LGU-Wanderbuch! /-: Bestellungen: 1+433-332 5a 
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Dieser Ausschluss wurde von zahlrei­ chen Abgeordneten kritisiert. Die stell­ vertretende FL-Abgeordncte Christel Hilti-Kaufmann äusserte sich besorgt und betonte, dass sich die Schere zwi­ schen den verschiedenen Pfarrern und den 'Eltern in Sachen Religionsunter­ richt immer mehr auftue. Wenn das so weitergehe, würden immer mehr El­ tern ihre Kinder aus dem konfessionel­ len Religionsunterricht herausneh­ men. Auch der FBP-Fraktionssprecher Helmut Konrad teilte diese Sorge. Al­ lerdings habe das Erzbistum in Bezug auf den Religionsunterricht in der Ver­ fassung verankerte klare Rechte. Entflechtung Kirche und Staat? Auch Bildungsministerin Rita Kie­ ber-Beck nahm diese Sorge ernst. Doch auch sie wies darauf hin, dass der Regierung in diesem Zusammen­ hang ein Stück weit die Hände gebun­ den seien. «Der Religionsunterricht ist Sache der Kirche und wird durch kirchliche Organe geleitet», so die Bil­ dungsministerin. Die Katecheten seien als Hilfspersonal des jeweiligen Pfar­ rers zu sehen, üa sei es nur ganz lo­ gisch, dass sie, ebenso wie der Pfarrer selber, von der Gemeinde in Abspra­ che mit dem Erzbistum angestellt wür­ den. Schliesslich erteile letztendlich das Erzbistum die Missio canonicä, al­ so die Ermächtigung zur Erteilung des Religionsunterrichtes. Rita Kieber- Beck beteuerte, dass die Regierung sehr intensiv nach einer Lösung ge­ sucht habe und dass sie die Arbeit der Kateehetirinen und Katecheten im höchsten Masse schätze. Von verschie­ denen 
Seiten wurde daraufhin ange­ regt, grundsätzlich die Entflechtung von Kirche und Staat zu diskutieren. Helmut Konrad gab allerdings zu be­ denken, dass man mit dieser wichtigen Gesetzesvorlage nicht warten könne, bis diese Situation geführt sei. Trotz­ dem wurde parteiübergreifend ange­ regt, diese Situation bis zur zweiten 
Bildungsministerin Rita Kieber-Beck freute sieh über die breite Zustimmung, die das Lehrerdienstgesetz im Landtag fand. (Bilder: Paul Trümmer) Lesung der Vorläge nochmals zu über­ denken. Gleichstellung von Kindergärtnerinnen Sehr positiv wurde parteiübergrei­ fend die Anpassung des Angestellten- status der Kindergärtnerinnen bewer­ tet. Diese sollen künftig vom Staat und * nicht mehr wie bisher von den Ge­ meinden beschäftigt werden, was gleichzeitig die langersehnte Gleich­ stellung mit den Primarlehrpersonen bedeutet. Auch die Besserstellung der Teilzeitarbeit im neuen Dienstrecht wurde von verschiedenen Abgeordne­ ten 
lobend erwähnt. Laut dem FBP- Abgeördneten Johannes Kaiser enthält dieser Gesetzesvorschlag somit sub- stanzielle Verbesserungen, filr Lehr­ kräfte sowie rechtliche Klarstellungen; vor allem auch für das Jobsharing auf Kindergarten- und Primarschulstufe. Konkret sieht der Gesetzesvorschlag vor, Anstellungsdauer und Umfang des Pensums zu entkoppeln, damit auch längerfristige oder gar unbefris­tete 
Teilzeitanstellungeri möglich wer­ den. • Entlastung für Klassenlehrer Von verschiedenen Seiten würde auch eine Stundenreduktion filr Klas­ senlehrer angeregt. Die FBP-Abgeord- nete Renate Wohlwend wies darauf hin, dass ein Klassenlehrer viel Zeit für organisatorische Aufgaben, Eltemge- : spräche und individuelle Schülefbe- treüung aufwende. «Dieser Mehrauf­ wand gegenüber einem Fachlehrer müsste man doch mit Abzug einer Wochcnstunde abgelten», so Renate Wohiwend. Bildungsministerin Rita Kieber-Beck betonte, dass diese Re­ duktion sehr wohl gerechtfertigt, wäre, gab jedoch zu bedenken, dass dies mit einem sehr hohen finanziellen Auf­ wand. zusammenhängen würde. Bis zur zweiten Lesung werde sie jedoch abklären, wie hoch diese Summe kon­ kret wäre. : Bis das Gesetz in Kraft treten kann, wird es voraussichtlich noch bis Au­ gust 2003 dauern. 
'Gestern im Landtag Folgende Beschlüsse wurden gestern gefasst: * © Die Gesetzesändcrungen im Zu­ sammenhang mit der Niederlas­ sungsrichtlinie betreffend Anwälte aus dem EWR wurden in 1. Lesung beraten. © Mit 18 von 21 Stimmen geneh­ migte der 'Landtag die Ausschrei­ bung einer Polizeistelle mit dem Ver­ zicht auf das Erfordernis der FL- Staatsbiirgerschaft. © Die Neufassung des Lehrerdienst­ gesetzes wurde in 1. Lesung beraten. © Die Gesetzändehingeh im Zusam­ menhanget dem Agrarpaket wur­ den in 1. Lesung behandelt. © Das Gesetz über elektronische Sig­ naturen wurde in 1. Lesung beraten. © Das Finalitätsgesetz betreffend Wertpapiere und die Abänderung des Bankengesetzes wurde in 1. Le­ sung beraten. © Die Abänderung des ÄBGB hin­ sichtlich den Verbrauchsgüterkauf (EWR-Richtlinie) wurde in 1; Lesung behandelt. ' • Heute im Landtag Der Landtag setzt seine Beratungen heute um 9.00 Uhr mit folgenden Traktanden fort: © Schaffung eines Konsumenten- schutzgesetzes, 1. Lesung. ©Zusatztraktandum »Verfassung» Zum Schluss werden die Regie­ rungsmitglieder die nicht weniger als 26 kleinen Anfragen Verschiede­ tier Abgeordneter beantworten. r . Ohne grosse Diskussion wurde gestern Abend das Gesetz über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpäpierliefer- urid -abrechnungssystemen (Fina­ litätsgesetz) in 1. Lesung beraten. Im Zentrum der umzusetzenden EU- Richtlinie steht die Verminderung des «Systemrisikos» der genannten Zahlungssysteme. Neben diesem Spezialgesetz sind Anpassungen der .Konkursordnung, des Nachlassyer- tragsgesetzes sowie des Bankenge­ setzes notwendig. ANZEIGE. «Wenn die Entwicklung in - den nächsten zehn Jahren so weiter läuft wie bisher, haben wir Jungen nichts mehr zu lachen ̂Deshalb bin ich für das Raumplanungs­ gesetz.» Ariane Marxer, Kindergärtnerin, Eschen 27 /29.9.02 www.raumplanung.li
	        

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