Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
AUSLAND Mittwoch, 11. September 2002 
29 e e Regierungskrise in Österreich: Parteien starten Wahlkampf WIEN: Nach dem Ende der rechtskonservativen Regierung in Österreich und dem Grund- " satzbeschliiss für vorzeitige Par­ lamentswahlen sind die Partei­ en gestern mit Spekulationen über mögliche Koalitionen in den Wahlkampf gestartet. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel von der Volkspartei (ÖVP) bezeichnete eine Neuauflage der gescheiterten Koalition mit der Freiheitlichen Partei (FPÖ) aus­ drücklich als möglich. Die oppositio­ nellen Sozialdemokraten (SPQ) und die Grünen bekräftigten ihren Wunsch, erstmals in der österreichischen Ge­ schichte gemeinsam zu regieren. Die FPÖ, die mit ihrem innerparteili­ chen Streit um die Finanzierung der llochvvasscrfolgeri das Ende der Schüssel-Rcgierung herbeigeführt hat­ te, suchte nach dem Rücktritt jhrer Vorsitzenden, der Vizekanzler^ Su­ sanne Ricss-Pas.ser, einen neuen Chef. Haider kokettiert mit FPÖ-Vorsitz Riess-Passer, die gegen den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider im Machtkampf unterlegen war, empfahl ihren Vorgänger auch als ihren Nach­ folger, «Ich sage auch nicht nein»; Hess der gestern seine Kandidatur offen. «Die Partei weiss, dass ich ihr in 
Vizekanzler!)i Susanne Riess-Passer (neben Bundeskanzler Wolfgang Schüssel) empfahl den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider als neuen Parteichef der FPÖ. . (Bilder: Keystone) schwierigen Zeiten zur Seite stehe.» Haider empfahl dagegen Verteidi-. gungsminister Herbert Scheibner, der die FPÖ zur Zeit kommissarisch leitet, als neuen Parteichef.* Mit Schcibntr «könnte nach der Wahl möglicherwei­ se wieder eine ÖVP/FPÖ-Bundesrcgic- rung gebildet 
werden». Der FPÖ-Vor-% stand will heute in Linz Vorschläge für 
die Zukunft der Partei unterbreite.n. Sic sollen dann von einem Parteitag am 21. September abgesegnet, werden. Verzicht auf Kampfflugzeuge Überraschend, wurde gestern be­ kannt, dass Österreich auf den umstrit­ tenen Kauf von 10 modernen Ab­ fangjägern verzichtet. Haider sagte, er 
habe «sichergestellt, dass der Ab­ fangjägerkauf gestoppt wird». , Schcibner führte dagegen Finanzie­ rungsprobleme an. Er halte aber grundsätzlich an den Militärmaschi-' nen fest, sagte der Minister. Er räumte jedoch ein, dass er seine noch in dieser Woche geplante Unterschrift nicht un­ ter den Kaufvertrag setzen werde. Kofi Annan pocht auf Mitspracherecht Washingtons Verbündete betonen Rolle der UN im Irak-Streit NEW YORK/BAGDAD: Angesichts des amerikanischen Dringens auf ein entschlossenes Vorgehen gegen Irak rückt die Rolle der Vereinten Natio­ nen zunehmend in den Mittelpunkt. Der Weltsicherheitsrat müsse eine Mitsprachemüglichkeit haben, beton­ te UN-Generalsekretär Kofi Annan. Auch EU-Kommissionspräsident Ro­ mano Prodi sprach sich gegen ein einseitiges Handeln der USA aus. Der Kommissionspräsident zeigte sich besorgt darüber, dass sich die EU- Staaten in der Irak-Politik nicht einig sind. Während Grossbritannien die USA unterstützten, gebe es grosse Vor­ behalte in Deutschland und Frank­ reich, sagte Prodi. ANKARA: Weniger als zwei Monate vor. den vorgezogenen Neuwahlen in der Türkei ist die Regieningsko- alition in Ankara gestern-in eine neue schwere Krise geraten, .Der Chef der konservativen Koali­ tionspartei ANAP, Vize- Minister­ präsident Mesut Yilmaz,' sagte in Ankara, er habe «ernsthafte : Zwei-r fei», ob die Koalition bis zu den Wahlen am 3. November-.fortbeste­ hen •könne'. Damit reagierte. Yilmaz darauf, dass die nationalistische Ko- alitiohspartei MHP beim Verfas­ sungsgericht Einspruch gegen die Abschaffung der Todesstrafe und andere wichtige Gesetze des vor einem Monat verabschiedeten Re­ formpaketes eingelegt hatte. " ; ; Die Reformen sind eine wichtige Voraussetzung für Fortschritte bei der türkischen EU-Bewerbung. Yilmaz traf Sich nach deiner Rede mit Ministerpräsident Bülent Ecevit, der erklärte, die Lage in der Konditi­ on sei «etwas verworren». Nach für- ; kischen Fernsehberichten- könnte die ANAP aus der Koalition ausstei­ gen und Misstraüensanträge der 0p- ; positlon gegen die . ,verbleibenden | Koalitionspartner unterstützen. Hin-; V 
ter den .Kulissen . hätten bereits Gespräche über, die Bildung einer . neuen Regierung begonnen 
Der britische Premierminister Tony Blair beschrieb das Regime des iraki­ schen Staatschefs Saddam Hussein in einer Rede vor Gewerkschaftern als das «schlimmste der Welt». Sollte Sad­ dam Hussein den Willen der Vereinten Nationen ignorieren, werde gehandelt, sagte Blair. «Wenn der UN-Sicherheitsrat seine Verantwortung in dieser Situation nicht wahrnimmt. Wird -das seine Glaubwürdigkeit sehr schwächen», sagte der australische Ministerpräsi­ dent John Howard, Der französische Staatspräsident Jacques Chirac hatte sich zuvor schon für ein Ultimatum des Sicherheitsrats ausgesprochen. Die Vereinigten Staaten könnten Irak «Stabilität und Frieden» bringen, 
sagte der Sprecher des Weissen Hau­ ses, Ari Fleischer, gestern. Am Donnerstag will sich Bush an die Vollversammlung der Vereinten Nationen wenden. In seiner Rede will er nach Angaben aus US-Regierungs- kreisen dazu aufrufen, den Druck auf Irak zu erhöhen und Bagdad unter Androhung von Strafaktionen zur Wiederzulassung der Rüstungskon­ trollen zu drängen. Im Wcltsicher- heitsrat sind mit China und Russland auch erklärte Gegner eines US-Militär-- schlags vertreten. Iran bereitet sich auf irakische Flüchtlinge vor Irak hat die Angaben der USA, es entwickle Massenvernichtungswaffen, 
zurückgewiesen. Gestern bekräftigte die Regierung in Bagdad ihre Vorwür- . fe, Washington und London belögen die Welt,.um Unterstützung für einen möglichen Angriff zu gewinnen. Der irakische Vizepräsident Taha Jassin Ramadan erklärte in Jordanien: «Wir sind fest davon überzeigt, dass die Aggression gegen Irak eine Aggression 'gegen alle arabischen Staaten ist.» Er forderte dazu auf, sich den Interessen der, Aggressoren entgegenzustellen. Iran bereitet sich unterdessen darauf vor, nach einem möglichen Militäran­ griff Flüchtlinge aus dem Nachbarland Irak in den Grenzregionen aufzuneh­ men. Die Flüchtlinge dürfen' aber laut dem iranischen Innenministerium nicht ins Land selbst einreisen. SPD legt weiter zu Deutschland: Sozialdemokraten laut Infratest «dimap» vor der Union BERLIN: Das Rennen zwischen Union und SPD wird immer knapper: Knapp zwei Wochen vor der Bundes­ tagswahl haben die Sozialdemokra-. ten Umfragen zufolge in der Wähler- gunst weiter zugelegt. Während die SPD. nach den jüngsten EmnidrZah- len mit der Union gleichzog (beide 38 Prozent), konnten sich die Sozialde­ mokraten laut Infratest «dimap» so­ gar erstmals in diesem Jahr mit 39 Prozent auf Platz eins schieben. Nach der jüngsten Umfrage von Infra­ test «dimap» im Auftrag der ARD-Sen­ dung «Report München» konnte sich die SPD auf 39 Prozent verbessern (plus eins). CDU und CSU kämen nur noch auf 38 Prozent (minus 1,5), wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Keine Veränderungen gab es für die Grünen mit 7,5 und für die FDP mit 8,5 Prozent. Nach wie vor bangen um den Wiedereinzug in den Bundestag müsse die PDS mit vier Prozent, be­ richtete der Bayerische Rundfunk. Rein rechnerisch hätte Infratest «di­ map» zufolge damit bei der Bundes­ tagswahl weder eine rot-grüne noch eine schwarz-gelbe Koalition eine kla­ re Mehrheit. Den Emnid-Zahleri zufol­ ge hätte ein Bündnis aus CDU/CSU und FPD dagegen leichte Vorteile, 
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SPD und CDU/CSU liefern sich knapp zwei Wochen vor den Wahlen in Deutschland ein Kopf-an-Kopf-Rennen. richtete der Sender n-tv, der die Um­ frage in Auftrag gegeben hatte. Laut Emriid zog die SPD mit der Union gleich, beide kämen auf 38 Pro­ zent, wenn man Sonntag Bundestags­ wahl wäre. Die FDP liege unverändert bei acht, die Grünen bei sieben Prozent (plus eins), meldete n-tv. Die PDS wür­ de mit vier Prozent den Wiedereinzug 
. in den Bundestag verfehlen: In der Vorwoche hatte die Union in der Em- nid-Umfrage noch mit 39 zu 37 Pro­ zent in Führung gelegen. FDP-Chef Guido Westerwelle erklärte am Diens­ tag, damit komme den Liberalen eine Schlüsselrolle zu. Bundeskanzler Ger­ hard Schröder nannte eine soziallibe- ' rale Koalition «nicht real». i. 
Bossi-Fini-Gesetz in Kraft getreten ROM: Für die Einwanderer Italiens ist der 10. September 2002 ein histori­ sches Datum. Seit gestern nämlich können sie nach dem so genannten Bossi-Fini-Gesetz eine Aufenthaltsge­ nehmigung beantragen. Das'vor drei Monaten vom Parlament verabschie­ dete Gesetz hat für viele Diskussionen gesorgt. Die Regierung geht von rund 500 000 Immigranten aus, die in den. folgenden Monaten eine Aufenthalts­ erlaubnis beantragen werden. Rund 1,5 Millionen Anträge lagen seit dem 28. August in den mehr als 14 000 Postämtern Italiens aus. Meter­ lange Schlangen blockierten nicht nur die Postämter von Rom, in ganz Italien war der Ansturm der Immigranten auf die weissen (Aufenthaltserlaubnis für Haushaltshilfen und Altenpfleger) und biauen (Arbeiter) Umschläge gross. Nach Angaben der italienischen Post wurden allein schon am 28. August rund 280 000 Anträge verteilt. Homo-Paare dürfen adoptieren JOHANNESBURG: In Südafrika dürfen nach einem Urteil des Verfassungsge­ richts nun auch homosexuelle Paare Kinder adoptieren. Der Oberste Ge­ richtshof erklärte anders lautende Ger setze gestern für verfassungswidrig. Auch gleichgeschlechtliche PaaTe könnten Kindern die Stabilität und Zuneigung bieten, die sie benötigen, hiess es zur Begründung. Der Be- schluss geht auf eine Klage der beiden lesbischen Richterinnen Anne-Marie de Vos und Suzanne du Toit zurück. Du Toit will die Kinder ihrer Partnerin adoptieren. Die südafrikanische Ver­ fassung verbietet Diskriminierung auf" Grund der sexuellen Neigun'g. Farmer verteidigt Hof vor Milizen HARARE: In Simbabwe ist es gestern zu einem Schusswechsel zwischen ei­ nem weissen Farmer und schwarzen Milizionären gekommen, die ihn of­ fenbar von seinem Hof vertreiben wollten. Augenzeugen zufolge feuer­ ten, drei Bewaffnete mehrere Schüsse, auf die rund 200 Kilometer nordwest­ lich von Harare gelegene Farm ab. Sie seien von etwa 50 Milizionären beglei­ tet gewesen.- Der Bauer habe mehrere Warnschüsse abgegeben. Es sei nie­ mand verletzt worden. Der Führer der Miliz sei ein Major der Armee, berich- tete ein Nachbar des Farmers. Die Rer . gierung von Präsident Robert Mugabe hat weissen Landwirten ein neues-Ulti­ matum bis Sonntag zur Räumung ihrer Farmen gesetzt. Rund 2900 weisse Farmer wurden ihres Landes verwie-' sen. Laut Polizeiangaben wurden bis­ lang 306 von ihnen vorübergehend festgenommen, weil sie sich geweigert hatten, ihre Ländereien aufzugeben. Richter stoppen Dosenpfand DÜSSELDORF: In Deutschland droht die Einführung des Zwangspfandes für Getränkedosen und Einwegflaschen zum Jahreswechsel im letzten Moment zu scheitern. In einer überraschenden Entscheidung stoppte das Verwal- tüngsgericht Düsseldorf gestern das so genannte Dosenpfand als nicht recht­ mässig. Ein derart schwer wiegender Eingriff in die Rechte der Verbraucher und der Unternehmer hätte vom Ge­ setzgeber geregelt werden müssen, nicht durch eine Regierungsverord­ nung, urteilten die Richter. Die Bun­ desregierung will allerdings trotz des Urteils am Dosenpfand festhalten. Bundesumweltminister Jürgen Trittin betonte in einer ersten Stellungnahme: «Es bleibt bei der Pfandpflicht zum 1. Januar.» Die Entscheidung des Verwal­ tungsgerichtes setze die bundesweite Regelung nicht ausser Kraft, sondern habe nur Auswirkungen auf Nord­ rhein-Westfalen.
	        

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