Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

6 Mittwoch, 11. September 2002 
DER 11. SEPTEMBER Liechtensteiner VOLKSBLATT Die Chronologie © 8.45 Uhr (14.45 Uhr MESZ); Eine Boeing 767 mit 92 Menschen an Bord ramnit den Nordturm des New Yorker World Trade Centers und reisst ein rie­ siges Loch in die Fassade dps 110- stöckigen Gebäudes. Dicker Qualm steigt aus den oberen Etagen auf. O 9.05 Uhr: Eine weitere Boeing 767 mit 65 Insassen zerschellt in einem Feuerball am Südturm des World Tra­ de Centers. Die Explosion ist live im Fernsehen zu sehen. Beide Maschinen waren im 300 Kilometer nordöstlich von New York gelegenen Boston ge­ startet. © 9.30 Uhr: US-Präsident George W. Bush spricht in Florida in einer ersten Reaktion von einem «terroristischen Anschlag» und einer «nationalen Tragödie». Die Täter würden zur Strecke gebracht. © 9.39 Uhr: Eine Boeing 757 mit 64 Insassen stürzt auf das Pentagon in Washington. Mehrere Explosionen- er­ schüttern das fünfeckige Gebäude des Verteidigungsministeriums. © 10.05 Uhr: Einer der beiden Zwil­ lingstürme des World Trade Centers stürzt nach mehreren Explosionen in einer riesigen Staubwolke in sich zu­ sammen. © 10.10 Uhr: Eine Boeing 757 der United Airlines mit 44 Menschen an Bord stürzt nahe Pittsburgh im US- Bundesstaat Pennsylvania ab. Die Ma­ schine war in Newark westlich von New York in Richtung San Francisco gestartet. Die Passagiere hatten zuvor über Mobiltelefon von Handgemengen mit Luftpiraten berichtet. © 10.28 Uhr: Auch der zweite Turm des 410 Meter hohen World Trade Cen­ ters stürzt in sich zusammen. Der ge­ samte Süden der Insel Manhattan ist in eine riesige Staubwolke gehüllt. © 11.02 Uhr: Der New Yorker Bürger­ meister Rudolph Giuliani fordert die Bevölkerung auf, den Süden Manhat­ tans zu verlassen. © 13.04 Uhr: US-Präsident Bush er­ klärt im US-Bundesstaat Louisiana, die Streitkräfte seien in «höchste Alarmbe­ reitschaft» versetzt worden und kün­ digt an, die Verantwortlichen «zu ja- gen und zu bestrafen». © 15.35 Uhr. Ein US-Regierungsver­ treter verdächtigt das Ei-Kai^a-Netz- vverk 
um Osama bin Laden, hinter den Anschlägen zu stecken. © 20.30 Uhr: In einer Femsehanspra- che spricht US-Präsident Bush von «Tagenden Toten». Washington werde bei Suche und Bestrafung der Täter nicht zwischen Terroristen und denen, die ihnen Unterschlupf gewähren, un­ terscheiden. • 
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r< , >1̂ £«£ ie Welt Ein Jahr nach dem 11. September 2001 Der 11. September 2001 gehört zu den Tagen in der Geschichte, die die Welt verändert haben. Mit den Zwillingstürmen des World-Trade Centers in New York stürzte nicht nur für die Amerikaner eine Welt ein. Die Schockwellen gingen um den ganzen Erdball; und sie erschütterten vor allem die Staaten-Gemeinschaft christlich-westlicher Kultur. Die buch­ stäblich aus heiterem Himmel gekom­ menen Terroränschläge beeinflussen auch ein Jahr später das Weltgesche­ hen massgeblich. In den Feuerbällen des World Trade Centers und des Pen­ tagon verglühte zunächst einmal das Gefühl der Supermacht USA, auf eige­ nem Boden quasi unverwundbar zu sein. Nicht einmal der Überraschungs­ angriff der-Japaner auf Pearl Habor 
auf Hawaii Ende 1941.traf die Ameri­ kaner so mitten ins Herz. Bushs Stunde Doch die Tragödie wurde zugleich zur Stunde des neuen, zuvor vielfach belächelten Präsidenten George W. Bush: In Windeseile schmiedete er als Kriegspräsident eint weltweite Anti­ Terror-Koalition, der sogar Rivalen und frühere Gegner wie Russland und China sowie viele islamische Staaten beitraten. Bereits im Oktober begann unter US-Führung der Afghanistan- Krieg gegen die Drahtzieher des El- Kaida-Terrornetzwerks und das sie schützende Taliban-Regime. In weni­ gen Monaten wurde Afghanistan von einem mittelalterlichen Terrorregime zu einem Land, das mit internationaler Hilfe den Anschluss zu finden ver­ sucht. Den Staatsfeind Nummer eins, den El-Kaida-Führer Osama bin Laden, 
den Washington für die Anschläge des 11. September verantwortlich macht, fingen die Häscher aus aller Welt je­ doch nicht. An der Heimatfront.zahlen die Amerikaner ohne grosse Gegen­ wehr der Bevölkerung einen hohen Kriegspreis. Das Land der unbegrenz­ ten Möglichkeiten und Freiheiten lässt im Streben nach Schutz und Sicherheit die Schranken herunter - mehr Kon­ trollen, mehr Überwachung, mehr Ver­ bote. Vor allem auch mehr Festnah­ men. Rund 1200 Männer sind, soweit bekannt in Haft genommen worden, oft ohne formelle Anklage oder recht­ lichen Beistand. Die Angst, dass im- Untergrund «schlafende» Terrorzellen auf die nächste Gelegenheit lauern könnten, lässt Regierung und Bürger trotzdem nicht zur Ruhe kommen. Auch das brutal verwundete New York, selbst er­ nannte «Hauptstadt der Welt», kann 
noch nicht von einer Erfolgsstory be­ richten. Die Angst nistet weiter in den Strassenschluchten des «Big Apple». Im Stadthaushalt klafft ein Loch von mehr als fünf Milliarden Dollar. Weltwirtschaft erschüttert Doch das dort vernichtete Symbol des amerikanischen .und weltweiten Kapitalismus in Gestalt des World Tra­ de Centers zeugt zugleich von der schweren Erschütterung der Weltwirt­ schaft nach dem 11. September. Der Schock löste zwar die jüngste Welt­ wirtschaftskrise nicht aus, verstärkte sie jedoch. Der US-Haushalt geriet in nur einem Jahr jedoch von Milliar­ denüberschüssen in tief rote Zahlen. An den Weltbörsen, den Zentralban­ ken und in den grossen Unternehmen geht die Angst vor einer schweren Re­ zession im Falle eines neuen El-Kaida- Anschlags um. «Solidarität gehört den Angehörigen» Offizielles Liechtenstein gedenkt Opfer des Terroranschlags vom 11. September «Der heutige Tag ist fiir die liechten­ steinische Regierung Anlass, alle Ak­ te von Terrorismus erneut auf das Schärfste zu verurteilen und die: Ver­ pflichtung der Regierung zu dessen Bekämpfung zu bestätigen.' Der heu­ tige Tag ist aber vor allem auch An­ lass,-der Opfer des 11. Septembers zu gedenken und die Angehörigen der Opfer der Solidarität und des Mitge­ fühls der Bevölkerung Liechtensteins zu versichern.» Mit diesen Worten hat die Regierung der terroristischen Anschläge des 11. September 2001 auf die Vereinigten Staaten von Amerika, die neben den immensen materiellen Schäden über 3000 Todesopfer gefordert hatten, ge­ dacht. Liechtenstein hatte unmittelbar nach den Terroranschlä'gen auf das World Trade Center in New York und auf das Pentagon in Washington den Vereinigten Staaten und den An­ gehörigen der Opfer seine Anteilnah­ me zum Ausdruck gebracht und Un­ terstützung angeboten. Als konkretes Zeichen dieser Anteilnahme ist auch die von Regierungschef Otmar Hasler ausgesprochene Einladung an eine Gruppe von neun New Yorker Jugend­ lichen mit Ihren Betreuern zu sehen, welche vom 11. bis 16. August 2002 in Liechtenstein weilten. Die tragischen Ereignisse vom 11» I 
September 2001 haben unter Feder­ führung der USA zu einer starken Inten­ sivierung der internationalen Bemühun­ gen zur Bekämpfung des Terrorismus geführt. Liechtenstein hat sich diesen Bemühungen unmittelbar angeschlos­ sen und jeweils unverzüglich die not­ wendigen. Massnahmen zur Umsetzung entsprechender Beschlüsse des UNO-Si­cherheitsrats 
getroffen. In der Folge ist von Liechtenstein bereits eine Reihe von internationalen Übereinkommen,- die im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus stehen, ratifiziert wor­ den. Weitere solche Abkommen werden derzeit vom Landtag behandelt oder werden ihm In absehbarer Zeit zur Zu­ stimmung vorgelegt werden. 
Gedanken von Aussenminister Ernst Walch Der 11. September hat wirklich in ge­ wissem Sinne die Welt verändert. Alle Länder haben zuerst Solidarität propa­ giert, doch bald schon ist diese Solida­ rität erloschen. Jeder Staat hat letzt­ lich doch seine eigenen Sichtweisen und Ansprüche vertreten. Auch wur­ den unter dem Deckmantel der Terror­ bekämpfung verschiedene andere The­ men aktuell. So wurden beispielsweise Niedersteuerländer und Finanzplätze angegriffen.und die Steuerharmonisie­ rung vorangetrieben. Der Terrorakt war.so unfassbar, dass ich ein gewisses Verständnis für die Aktionen der Ver­ einigten Staaten habe, auch wenn sie vielleicht aus europäischer Sicht nach einer Überreaktion ausschauen mögen. Ich habe allerdings schon in der ersten Sitzung nach den Terroranschlägen im Europarat 
betont! dass bei allem Ver­ ständnis für die USA die Menschen­ rechte nicht vergessen werden dürfen. Denn viele für uns bereits zur Selbst­ verständlichkeit gewordene Men­ schenrechte sind In verschiedenen Be­ reichen bereits relativiert worden. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass diese nicht verwässert werden. Deswegen war für mich auch die Unterzeichnung der internationalen Abkommen zur Gründung des Internationalen Straf­ gerichtshofes gegen Kriegsverbrechen von besonderer Wichtigkeit.
	        

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