Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLÄTT 
INLAND Donnerstag, 5. September 2002 
3 Regierungschef und Finanzminister Otmar Hasler zur Entwicklung des Finanzhaushaltes Die Turbulenzen auf den Fi­ nanzmärkten und die schwache konjunkturelle Entwicklung wichtiger Absatzländer haben auch eine negative Auswirkung auf die liechtensteinische Volks­ wirtschaft. Dementsprechend sind .beim Staatshaushalt Min­ dereinnahmen, zu erwarten. Die grosse Herausförderung ist für finanzminister und Regierungs­ chef Otmar Hasler, «die Auf­ wandentwicklung wieder auf je­ nes Niveau zu senken, welches langfristig finanzierbar ist». "  Martin Frömmel t _ Volksblatt: .Die Landesrechnung 2001 schloss mit einem Über- schuss in der Gesamtrechnung von 19 Mio. Franken: Wie sieht die Ent­ wicklung in dieser)? Jähr aus? Otmar Hasler: Iis zeichnet sich ab; dass die Laridesrechnung in diesem Jahr weniger günstig ausfallen wird als noch im Vorjahr. Zurückzuführen ist dics'auf die schwache Entwicklung auf der Krtragsscite. Während sich die A.ufwiindc budgetkonform entwickeln, müssen wir feststellen, dnss verschie­ dene Staatseinnahmen voraussichtlich geringer als budgetiert ausfallen. Den­ noch erwarten wir, dass die ücsamt- rechnung 2002 ausgeglichen abschlies- sen 
wird. Zum jetzigen' Zeitpunkt ist allerdings erst eine grobe 
Einschät- Riickgänge bei einzel­ nen Steuerarten zung der -Entwicklung des Finanz- haushalts möglich, weil bei verschie­ denen ergiebigen •Steucrarten noch kei­ ne-zuverlässige Prognose möglich ist. Welches sind die Gründe für die Ver- fiachung auf der Ertragsseite? Die liechtensteinische Volkswirt­ schaft ist stark auslandsabhängig. Die liechtensteinische Industrie und das wareriproduzierendc Gewerbe tragen mit rund 40 Prozent überdurchschnitt­ lich stark zum Bruttoinlandsprodukt bei. insbesondere die von der Industrie produzierten Güter.werden zum gröss 
j teil Teil in das. Ausland exportiert. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich dje schwache konjunkturelle Ent­ wicklung wichtiger Absatzländer auf die liechtensteinische Volkswirtschaft auswirkt u.nd zu Rückgängen bei ein­ zelnen Steuerarten führt. Aufgrund der schlechten ßörserientwicklung, die sich in diesem Jahr fortgesetzt hat, müssen wir auch mit .Mindererträgen bei den Vermögenserträgen des Lan­ des rechnen. Zum jetzigen Zeitpunkt zeichnet sich ab, dass tfie Ergebnisse bei der Kapital- und Ertragssteuer, der besonderen; Geselischaftssteuer und den Stempelabgaben schlechter 
aus­Auch 
der Staat inuss den Gürtel enger schnallen: Die Zeit der hohen Ertraijsiuwachse ist nach Einschätzung von Regie­ rungschef und Fiitaiuminister Otmar I lasier vorbei. - fallen, werden als im vergangenen Jahr. Umgekehrt zeigt sich bei der Mehrwertsteuer  äsowic 
der F.rbschafts- . und Schcnkungssteuer,' dass das Er­ gebnis-über demjenigen des Jahres 2001 liegen dürfte. Auf der Ertragssei- tc lassen sich somit gegenläufige Trends feststellen, die sich zumindest teilweise kompensieren. Die Regierung berät zur Zeit über das Budget für 'das nächste Jahr: Können Sie bereits einige wesentll-, che Zahlen nennen? Für konkrete Zahlen zum Landes­ voranschlag 2003 ist es noch zu früh. Die Regierung wird den Landesvoran­ schlag im Oktober zu Händen des Landtages verabschieden. In den ver­ gangenen Wochen hat die Regierung intensive Gespräche mit den 
Amtsstcl- JRigorose Begrenzung des Personalanstieges len geführt, um die zu budgetierenden Aufwände möglichst stark zu reduzie­ ren. Dank' dieser Gespräche wird es möglich seih, den Sachaufwand im Budget 2003 zu stabilisieren. Neben der Stabilisierung des,Sach­ aufwandes wird es auch zu einer rigo­ rosen Begrenzung, des Personalanstie­ ges kommen. Die Regierung wird dem Landtag 
einen sehr stark gekürzten .Vorschlag zur Schaffung zusätzlicher Stellen unterbreiten. Eine Begrenzung des Personalanstiegs kann in Zukunft 
nür erreicht werden, wenn begleitende Massnahmen getroffen werden. Einer­ seits wird die Regierung die Verwal- tungsorganisation einer 'Überprüfung unterziehen, andererseits müssen die Aufgaben der Amtsstcllcn kritisch hin­ terfragt werden. Wir stellen fest, dass in den letzten Jahren dem Staat um­ fangreiche neue Aufgaben zugeteilt wurden, deren Wahrnehmung auch entsprechendes Perconal verlangt. Wird das Budget 2003 die Eckwer : te des Finanzleitbildes einhalten können? Das Finanzleitbild enthält neben ei­ gner Reihe finanzpolitischer Grundsät­ ze zur Erhaltung gesunder Staatsfi­ nanzen auch vier konkrete Eckwerte, die zur Versachlichung der Diskussion finanzpolitischer Themen beitragen sollen. Der Landesvoranschlag 2003 wird voraussichtlich zwei der vier Eckwerte erfüllen. Sö -wird der Budgetüber- schuss der laufenden Rechnung posi- ' tiv sein und der Dcckungsgrad der Verbindlichkeiten wird deutlich über dem vereinbarten Zielwert liegen. Mit Schwierigkeiten ist hingegen beim ab­ soluten Wachstum der laufenden Auf­ wände und beim Selbstfinanzierungs- • grad der Investitionen zu rechnen. Das absolute Wachstum der Taufenden Aufwände sollte gemäss Finanzleitbild dasjenige dtr Ertragsseite nicht über­ steigen. Aufgrund der Verflachung auf • der Einnahmenseite und des hohen . Anteils gesetzlich fixierter Aufwand- steigeningen ist dieser Eckwert kurz­fristig 
jedoch kaum einzuhalten. Beim SelbstÜnanzicrungsgrad der Investi­ tionen stehen wir vor. der Situation, da$s einem nach wie vor beträchtli­ chen Investitionsvolumen ein deutlich tieferer Cashflow gegenübersteht, was 
1 wiederum auf die Mindererträge zurückzuführen ist. Trotz der ange­ spannten finanziellen Lage scheint es mir'nicht richtig, den  Investitions.be- rcich stark zu kürzen und damit-not- wendige Investitionen vor sich her zu schieben. • Wie beurteilen Sie die derzeitige finanzielle Lage des Staates? Trotz der Rückgänge auf der Ein­ nahmenseite ist die Vermögenslage des Staates nach wie vor ausgezeich­ net. Der Deckungsgrad der Verbind­ lichkeiten lag Anfang dieses Jahres bei 481 Prozent. Dies bedeutet, dass die greifbaren Mittel aus dem Finanzver­ mögen das eingesetzte Fremdkapital um das rund Fünffache überschreiten. Gleichzeitig müssen wir aber ein ver­ stärktes Augenmerk auf die dynami­ sche Entwicklung des Staatshaushal­ tes richten. Die sjch derzeit öffnende Schere zwischen Aufwand und Ertrag muss .sich wieder schliessen. Für die Erhaltung gesunder Staatsfirianzen ist es unabdingbar, dass mittelfristig ein Gleichgewicht zwischen Aufwand und Ertrag herrscht. Wie sehen Sie die längerfristige Entwicklung des Staatshaushalts? - Ich denke, dass die Zeit der hohen Ertragszuwächse, wie wir sie in der 
zweiten Hälfte der neunziger Jähre er­ lebt haben, vorbei ist. Diese Ertragszu­ wächse hingen mit einer Reihe Von Sonderfak'toren zusammen und lagen' zum Teil deutlich über jenen anderer europäischer Länder. Die eigentliche Herausforderung liegt heute darin, dass wir möglichst rasch die Aufwand­ entwicklung wieder auf jenfcs Niveau senken, welches langfristig finanzier­ bar und auch in anderen mitteleu­ ropäischen Staaten üblich ist. Die liechtensteinische Volkswirtschaft stellt heute rund 29 000 Arbeitsplätze .für eine Bevölkerung von 33 000 Menschen bereit. Angesichts der Be­ schränktheit, unseres Lebensraumes wird sich das überdurchschnittliche Wachstum der Arbeitsplätze, wie wir es in den letzten Jahren erlebt haben, wieder auf ein Niveau einpendeln müssen, das dem Wachstum der Be­ völkerung entspricht. Ein solches natürliches Wirtschaftswachstum, das auf dem Bevöikerungswachstum lind den realisierbaren Produktivitätsfort-, schritten beruht, kann nicht mehr zu jährlichen Steigerungen der Staatsein­ nahmen von bis zu 20 Prozent führen, wie wir es z.B. im Jahr 200Ö erlebt ha­ ben. Realistischer sind jährliche Zu­ wächse von 3 bis 5.Prozent. Angesichts des verminderten Er- tragswächstums wird die Regierung eine Reihe von Massnahmen prüfen, um die Aufwand- und 
Ertragsentwick- Zeit der hohen Er­ tragszuwächse vorbei Jung wieder in Einklang zu bringen, Zu diesen Massnahmen werden auch Vorschläge an. den Landtag zählen, gesetzlich fixierte AusgabenVerpflich- tungen anzupassen. Die .Diskussion wird sich auch auf die Höhe des Fi­ nanzausgleiches an die Gemeinden er­ strecken müssen. Nebst fixer Anteile an- bestimmten . Steuerarten fliessen .den berechtigten Gemeinden heute 15 Prozent der massgebenden Steuerein­ nahmen, des Landes zu'. Jene Aufga­ ben, bei denen in den letzten Jahren eine besonders starke Äufwandsteige- rung zu verzeichnen war, sind jedoch zum Grossteil vom Land zu besorgen. Ein Beispiel ist hier der Staatsbeitrag an die AHV. Es ist meines Erachtens richtig, dass die Gemeinden angemes­ sen mitprofitieren können,.wenn dem Land 
genügend Steuermirtel zuflies- sen. Andererseits macht es' wenig- Sinn, wenn die Gemeinden über den Finanzausgleich ihre Reserven weiter äufnen, während dem Land aufgrund von Einnahmenausfällen Defizite dro­ hen. Viele Gemeinden stehen heute fi­ nanziell besser da als das Land. Zentrale Zielsetzung der Regierung in der laufenden Budgetdiskussion ist es,, einen möglichst finanzleitbildkon- formen Landesvoranschlag präsentie­ ren zu können, ohne in finanzpoliti­ schen ̂ Aktivismus zu verfallen. ANZEIGE Informationen zur Verfassungsdiskussion auf der neuen Website des Fürstenhauses
	        

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