Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT AUSLAND Mittwoch, 4. September 2002 21 Sg6BSll8gpl6% "* «GrosstesRisiko seitVietnam-Krieg» Russland kündigt auf UN-Weltgipfel baldige Ratifizierung an JOHANNESBURG: Def Weltgip­ fel von Johannesburg hat dem Kyoto-Protokoll neuen Auf­ schwung verliehen und seine Verwirklichung in greifbare Nähe gerückt. Russland kündig­ te am 
Dienstag eine baldige Ra­ tifizierung des Klimaschutzab­ kommens an, womit die Vor­ aussetzungen für sein In-Kraft- Treten erfüllt wären. Die Delegierten des Gipfels feilten un­ terdessen an letzten Formulierungen für das Abschlussdokument. Nachdem es der HU nicht-getang, darin konkre­ te Verpflichtungen zu erneuerbaren Energien festzuschreiben, kündigte sie die Bildung einer Koalition zur Umset- . zung ihrer Ziele an. «Russland *hat das Kyoto-Protokoll unterzeichnet, und jetzt bereiten wir seine Ratifizierung vor», sagte der russische Ministerprä­ sident Michail Kasjanow. China gab am Dienstag die bereits erfolgte Ratifi­ zierung bekannt. Der kanadische Mi­ nisterpräsident Jean Chretien hatte be­ reits am Montag angekündigt, das Parlament in Ottawa werde über die Ratifizierung beraten.' Bislang haben den Vertrag rund 70 Staaten ratifiziert; erforderlich sind mindestens 55. Allerdings tritt das Abkommen nur dann in Kraft,- wenn die zustimmenden Länder zusammen für mindestens 55 Prozent der Aus- stosses von Treibhausgasen auf dem 
Dqr russische Ministerpräsident Michail Kasjanow informierte darüber, dass sein Land die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls vorbereite. Stand von 1990 verantwortlich sind. Für das Erreichen dieser Quote ist-die Ratifizierung durch Russland ent­ scheidend. Staats- und Regierungschefs aus al­ ler Welt riefen die USA am Dienstag erneut auf, das Kyoto-Protokoll eben­ falls zu ratifizieren. US-Präsident George W. Bush hat den von seinem Vorgänger Bill Clinton unterzeichne­ ten,vom Senat aber nicht ratifizierten Vertrag aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt. 
Am Widerstand der USA und der Öl- förderstaaten scheiterte auf dem Jo­ hannesbürger Gipfel auch der Vor­ schlag der Europäischen Union, kon­ krete ZieJe für den Ausbau erneuerba- 
1 rer Energien festzuschreiben. Am Dienstag kündigte die EU an, diese Ziele dennoch ' mit einer Koalition «glcichgcsinnter '^Länder und Regio­ nen» zu verfolgen. EU-Umweltkom- . mjssarin Margot Wallström erklärte, es habe bereits positive Reaktionen aus afrikanischen und "lateinamerikani­schen 
Ländern gegeben. Bei den 
Ver-, handlungen über die Förderung er­ neuerbarer Energien kam nur ein Koriipromiss ohne konkrete Zielvorga- ben zu Stande. Demnach wollen sich die Unterzeichner des Abschlussdoku­ ments 
verpflichten, den weltweiten Anteil der Sonnen-, Wind- und Was- serenergie' am Gesamtenergiever­ brauch vprdringlich zu erhöhen. Bundesumweltminister Jürgen Trlt- tin sprach dennoch von einem Erfolg. Bei 
.den erneuerbaren Energien sei zwar «nicht alles erreicht worden, was man sich von europäischer Seite wünscht»:' sagte der Minister im ZDF- Morgenmagazin. Aber immerhin "stehe diese Frage jetzt auf der Tagesord­ nung. Die in Johannesburg vertrete­ nen Umweltschutzgruppen äusserten sich hingegen enttäuscht über die Er­ gebnisse des Gipfels. «Es wurde zuge­ lassen, dass die wirtschaftlichen Inter­ essen ihren Vorrang gegenüber ande­ ren globalen Prioritäten behaupten»,- sagte Kim Carstensen vom WorldWide Fünd for Nature (WWF). Vom «Gipfel der Schadensbegrenzüng» sprath der Naturschutzburid (NABU). Das Forum Umwelt und Entwicklung, ein Zusam- menschluss deutscher 
Nichtrcgier rungsorganisationen, nannte es eine schwere Enttäuschung, dass es nicht gelungen sei, «gegen den Widerstand der Din'osaurierallianz aus USA und OPEC ein gemeinsam vereinbartes Ausbauziel für erneüerbare Energien durchzusetzen». Israel erwartet möglichen Irak-Krieg ab 1. November Irak macht Rüstungskontrollen-von Bedingungen abhängig JOHANNESBURG: Irak hat seine di­ plomatischen- Bemühungen zur Ab­ wehr eines US-Angriffs vor den Weltgipfel getragen. Seine Regierung sei zu Gesprächen über eine Wieder­ aufnahme der UN-Rüstungskontrol­ len bereit, bekräftigte der stellvertre­ tende Ministerpräsident Tarik Asis am Dienstag in Johannesburg, wo er mit UN-Generalsekretär Kofi 
Annan zusammentraf. Asis knüpfte die Ge­ spräche aber an Bedingungen. Israel Wies unterdessen seine Sicherheits­ und Rettungsdienste an, sich auf ei­ nen möglichen Irak-Krieg ab 1. No­ vember vorzubereiten. Zwar gebe es keine Angaben aus den USA über eine entsprechende zeitliche Planung, doch sei dieser Termin aus sachlichen Erwägungen für den Ab-schluss 
der erforderlichen, Massnah- , men gewählt worden, sagte ein hoher israelischer Regierungsbeamter am ' Dienstag. Die Vorbereitungen richten sich vor allem gegen einen irakischen Raketenschlag, der für den Fall eines US-Angriffs ähnlich wie im Golfkrieg' von 1991 erwartet wird. Damals ver­ zichtete Israel nach dem Beschuss mit 39 Scud-Raketen auf militärische Ver­ geltung, um das Bündnis der USA mit arabischen Staaten nicht zu gefähr­ den. Bei einem neuerlichen Angriff will Israel nach Äusserungen von Re­ gierungsmitgliedern aber zurück­ schlagen. Zu der möglichen Wieder­ aufnahme der Rüstungskontrollen in Irak erklärte Asis in Johannesburg, nötig sei eine Gesamtlösung unter Einschluss von. Verhandlungen über ein Ende der.Sanktioneh und die Wie­derherstellung 
der irakischen Souve­ ränität im .gesamten 'Staatsgebiet. «Wir sind bereit, eine solche Lösung zu finden», sagte Asrs. «Wir sind be­ reit zur Zusammenarbeit mit den Ver­ einten Nationen.» Den USA warf Asis vor, nicht an einem Dialog interessiert zu sein. 
«Wenn die Frage so genann­ ter Massenvernichtungswaffen eine wirkliche Sorge der Vereinigten Staa­ ten wäre,' dann könnte diese Angele­ genheit vernünftig und ausgewogen behandelt werden.» In Wirklichkeit handle es sich um einen Vorwand,'um einen Angriff auf Irak zu rechtferti­ gen. Asis fügte hinzu: «Wir bereiten uns darauf vor, unser Land zu vertei­ digen.» Am Rande des Gipfels traf A$is auch mit dem früheren südafri­ kanischen Präsidenten und Friedens-, nobelpreisträger Nelson Mandela zu­sammen, 
Mandela riet Irak, Waffenin­ spektoren ohne Bedingungen wieder ins Land zu, lassen, wenn gewährleis­ tet sei, dass es sich um eine Gruppe unabhängiger Kontrolleure handle. Mandela hatte am Montag die Kriegs­ drohungen der USA gegen Irak in scharfen Worten'verurteilt. In Moskau beendete der 
irakische Aussenminister Nadschi Sabri am Dienstag seine Ge­ spräche, mit der russischen Regierung. Der russische Aussenminister Igor "Iwanow bekräftigte seine Ablehnung . eines militärischen Vorgehens gegen Irak. Zugleich kündigte er an, dass Russland im UN-Sicherheitsrat sein Veto gegen jeden Versuch einlegen werde, eine militärische Aktion gegen Irak zu legitimieren. Weiter sprach sich Iwanow für eine Rückkehr der UN-Inspektoren aus. • . Israel: Sippenhaftung von Gericht abgesegnet Verwandte palästinensischer Attentäter dürfen ausgewiesen werden JERUSALEM: Der Oberste Gerichtshof Israels' hat die Ausweisung von Ver­ wandten palästinensischer Extremi­ sten unter bestimmten Auflagen ge­ billigt. Danach müssen die Angehöri­ gen. eine Bedrohung der Sicherheit darstellen, urteilten die Richter am Dienstag. Menschenrechtler verur­ teilten die Ausweisungen als Kollek­ tivstrafe und Verstoss gegen das Völ­ kerrecht. Im Westjordanland wurden unterdessen zwei offenbar unbetei­ ligte Palästinenser von einer Panzer­ granate getötet. Anlass für die Entscheidung des neunköpfigen Richtergremiums war der Fall von Intisar und Kifah Ad- .schuri. Diese 
sollen, gewusst haben, dass ihr Bruder Ali Adschuri, ein Mit­ glied der Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden, Selbstmordanschiäge organisierte. In­ tisar Adschuri soll die Sprengstoffgür- tel für die Attentäter genäht haben. Die israelische Armee hatte als Ant­ wort auf die Anschläge bereits das Haus .der Familie Adschuri zerstört. Die israelischen Streitkräfte kündig­ ten an, die Ausweisungen heute Mitt­woch 
zu . vollstrecken. Die Richter blockierten aber die 
Ausweisung von Abdel Nasser Asidi, dem Bruder eines Hamas-Aktivisten, 
der in mehrere Anschläge auf Israelis im Westjordan­ land verwickelt sein soll. Die Richter 
erklärten, die Armee habe nicht genü­ gend Beweise vorgelegt, dass der Be­ troffene tatsächlich von dem geplan­ ten Anschlag gewusst habe. Er stelle auch keine Gefahr für die Sicherheit Israels dar. Intisar uiicf Kifah Adschuri sollen ausgewiesen werden dürfen. 
Die Anwältin Leah Tzemel kritisier­ te, die Erlaubnis von Abschiebungen bringe Israel in Konflikt mit dem Völ­ kerrecht. Soldaten könnten damit auch als Kriegsverbrecher angeklagt werden. Der palästinensische 
Kabi­ nettsminister. Sajeb Erakat sprach von einem «schwarzen Tag für die Men­ schenrechte». Die Autonomiebehörde will sich möglicherweise beim Sicher­ heitsrat der Vereinten Nationen und beim Internationalen Strafgerichtshof beschweren. •Der israelische Staatsanwalt 
Schai Nitzan sagte hingegen, Völkerrechts- bestimmüngen seien nicht tangiert. Die Richter hätten befunden, dass das Westjordanland und der.Gazastreifen eine territoriale Einheit seien. Die isra­ elische Regierung sieht in der Ab­ schiebung zusammen mit der Zer­ störung von Häusern von Terrorver­ dächtigen eine Abschreckung von weiteren Tätern. Bei Nablus eröffneten israelische Soldaten das 
Feuer auf zwei Palästi­ nenser, die in der Nähe einer jüdischen Siedlung unterwegs waren. Einer habe eine 
Waffe getragen, hiess es. 
, REGENSBURG: Als. «das grösste fci- ; siko seit dem Vietnam-Krieg» hat Aussenminister Joschka Fischer ei­ nen möglichen US.-Militärschlag. 
: gegen Irak bezeichnet Über den «furchtbaren Gewaltherrschein», Staatschef Saddam Hussein, .'und seih Bedrohungspotenzial gebe es i «keine neuen Erkenntnisse», betonte :; . der Grünen-Spitzenkandidat in 
ei-J nem Interview der «Mittelbayeri- • . sehen Zeitung» (Mittwochausgabe) in Regensburg. Er mahnte die USA, ; die Folgen.eines Krieges zu beden--. ken: «Wenn Amerika ehien Regime-"' Wechsel 
militärisch erzwingt und in ' Bagdad sitzt, beginnt es ja erst rieh- ' tig.» Die US-Truppen müssten :fiir \ einen langeft Zeitraum in Irak; blei- , ben, um Frieden und Stabilität zu / gewährleisten. Hussein sei viel eher j beizukommen, wenn mit der Zwei: • • Staaten-Regelung Frieden zwischen • Israel und den Palästinensern her- 
i gestellt werde, sagte Fischen ;:. • j Verdacht gegen Scharping KOBLENZ: Die Kontakte zwischen Ex- bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping und dem PR-Berater Moritz Hunzinger beschäftigen jetzt offiziell die Justizbehörden. Die Staatsanwalt­ schaft Koblenz ermittelt gegen Schar­ ping wegen des Verdachts der Steuer­ hinterziehung, wie der Leitende Ober­ staatsanwalt Erich Jung am Dienstag mitteilte. Es geht dabei um Kleidungs­ stücke im Wert von angeblich rund 55 (XX) Mark/die Hunzinger Scharping 1999 geschenkt haben soll. Jung er­ klärte, Gegenstand des Verfahrens sei der Verdacht, dass Scharping von drit­ ter Seite «Kleidungsstücke in einer ge­ wissen Grössenordnung bezahlt be­ kommen und-nicht in entsprechender Form'versteüert» habe. FPÖ-Funktionäre wollen Parteitag WIEN: Hunderte FPÖ-Funktionäre ha­ ben sich nach dem Streit um die ge­ plante Steuerreform und dem internen Machtkampf in der Partei'für einen Sonderparteitag ausgesprochen. Um «richtungsentscheidende» Fragen von der Parteibasis entscheiden zu lassen, verlangten etwa Bundesräte der - Frei­ heitlichen Partei am Dienstag die Ein­ berufung eines. Sonderparteitags, Wie die -österreichische Nachrichtenagen­ tur. APA berichtete. Insgesamt seien schon 380. Unterschriften zusammen­ gekommen. 
Die FPÖ-Spitze der Stadt Salzburg forderte APA zufolge, «Hai­ der wieder zurück ins Boot holen.» Im August hatte FPÖ-Parteivorsitzende und Vizekanzlerin Susanne Riess-Pas- ser ihren Rücktritt angekündigt, sollte' es zu 
einem Sonderparteitag kommen. Grenzschutz ge­ gen El Kaida TEHERAN: Iran will. seine Grenzen besser gegen das Eindringen von Mit­ gliedern des Terrornetzwerks El Kaida schützen. Die Regierung in Teheran ei­ nigte sich am Dienstag mit Pakistan auf die Gründung eines gemeinsamen Sicherheitskomitees. Wie das iranische Staatsfernsehen berichtete, soll dieses die gemeinsame, 909 Kilometer lange Grenze verstärkt kontrollieren. Immer wieder versuchten El-Kaida-Mitglie- der, von Pakistan aus nach Iran zu ge­ langen.' . • ' ,
	        

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