Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

36 Donnerstag, 29. August 2002. 
AUSLAND Liechtensteiner VOLKSBLATT UN-Gipfel: Drängendes Trinkwasserproblem USA widersetzen sich neuen Verpflichtungen - Vereinbarung zum weltweiten Schutz der Meere erzielt JOHANNESBURG: Der Streit um die Auswirkungen und Heraus­ forderungen der Globalisierung hat am Mittwoch den Weltgipfel von Johannesburg belastet. Während die EU und die USA sich dafür einsetzten, die positi­ ven Aspekte der Globalisierung in der Abschlusserklärung her­ vorzuheben, wehrten sich die Entwicklungsländer gegen den Vörstoss. Auch die Suche nach einer Lösung im Trinkwasser­ problem für mehr als eine Milli­ on Menschen und die Frage nach angemessenen sanitären Einrichtungen brachten keine Fortschritte. Zwischen reichen und armen Ländern geb? es offenbar unvereinbare Auffas­ sungen zu den Folgen der Gl'obalisie- rangrcrkiärte der brasilianische Dele­ gierte Paolo Estivallet. «Das bleibt wei­ terhin eine Hürde.» EU und USA haben nach Angaben aus Diplomatenkreisen vorgeschlagen, positive Folgen des freien Handels auf Demokratie und kulturelle Vielfalt .in die Erklärung aufzunehmen. Die Entwicklungsländer stellten sich laut Estivallet dem entge­ gen. Globalisierung fördere nicht un­ bedingt die kulturelle Vielfalt, betonte er. Sie könne sie vielmehr sogar hem­ men. Die Gesandten aus rund 190 Län­ dern erörterten am Mittwoch weiter, 
Beim UN-Gipfel in Johannesburg herrschen hohe Sicherheits-Vorkehrungen. wie die Anzahl der 1,1 Milliarden «globales Wasser-Management». Menschen ohne Zugang zu sauberem Die Pläne für eine Verdoppelung der Trinkwasser und der 2,4 Milliarden Trinkwasserversorgung gehen bereits ohne angemessene sanitäre Einrich- auf den New-Yorker Millenniumsgipfel tungen bis 2015 zu halbieren sei. Dies zurück, die Aufnahme konkreter Ziele ist eines der schwierigen Hauptthemen für Sanitäranlagen ist indessen neu. des Gipfels. Aktivisten forderten ein Die EU unterstützte den Vorschlag. 
Dagegen haben die Vereinigten Staa­ ten mehrfach klar gestellt, dass sie neue Vorgaben prinzipiell ablehnten. Aus EU-Kreisen hiess es, die Oppositi­ on der USA sei unverständlich. Bereits in der Nacht zum Mittwoch einigten sich die Delegierten auf den Text eines 
Abkommens zum Schutz der Meere und zur weltweiten . Aufstockung des Fischbestands. Der dänische Umwelt­ minister Hans Christian Schmidt lobte im Namen der Europäischen Union die Vereinbarung als ersten grossen Durchbruch auf dem Gipfel. Demnach sollen, die weltweit reduzierten Fisch­ bestände «wenn immer möglich» bis 2015 wieder auf ihren ursprünglichen Stand gebracht werden. Dies ent­ spricht laut Schmidt auch den EU-Vor­ schlägen für eine auf Nachhaltigkeit gegründete Fischereipolitik. Viele Delegierte gaben allerdings zu bedenken, dass manche Fischbestände schon so stark reduziert seien, dass ei­ ne Wiederaufstockung schier unmög­ lich sei. Andere verlangten Massnah­ men schon vor 2015, um etwa die Be­ stände von Haien, Schwertfischen und Tunfischen noch zu retten. Auch Um­ weltschützer erklärten, der Zeitrahmen sei 
zu weit gefasst. Für viele Fischbe­ istände _ kämen. die_Massnahmen_ zu spät. .Der stellvertretende Uniweltmi­ nister von Tuvalu, Paani Laupepa, for­ derte einen konsequenteren Kampf ge­ gen die Erderwärmung. Bei einem wei­ teren Ansteigen des Meeresspiegels seien die flachen.Eilande im Pazifik ei­ ner 
dauerhaften Überflutung ausge­ setzt. Der Klimawandel könnte ferner zu einer Häufung tropischer Wirbel­ stürme führen und bedrohe die Mee­ reslebewesen, die die bedeutendste Einnahmequelle der Pazifikbewohner darstellten. Tote bei Explo­ sion in Brasilien SÄO PAULO: Bei einer Explosion in ei­ ner brasilianischen Fabrik für Feuer­ werkskörper sind am Mittwoch mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Wie die Polizei mitteilte, wurden bei der Detonation am frühen Morgen in der Stadt Santo Antonio do Monte, 400 Kilometer nördlich von Säo Paulo, sechs weitere Menschen • Jeicht verletzt.- Bis zum Nachmittag seien drei Leichen aus den Trümmern geborgen worden, eine vierte vermiss- te Person sei vermutlich ebenfalls tot. 25 Menschen wurden wegen eines Schocks ärztlich behandelt. Kampfansage Chatamis TEHERAN: Der iranische Präsident Mohammed Chatami will sich per Ge­ setz Handlungsvollmachten zur Durchsetzung der von ihm angekün­ digten Reformen beschaffen. Seine Versuche, mit den islamischen Hard­ linern zusammenzuarbeiten,, seien ge­ scheitert, sagte Chatami am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Teheran. In der Öffentlichkeit sei die Enttäu­ schung darüber gross, dass verspro­ chene Reformprojekte nicht vorankä­ men. Viele Iraner wüssten aber auch um die vielen Hindemisse, die seinem Ziel, Iran demokratischer und offener zu machen, entgegenstünden. Er spiel­ te damit auf die islamischen Hardliner an, die in Justiz und anderen Institu­ tionen an den Schalthebeln der Macht sitzen. ANZEIGE Roimiri« Dtlijo Kosrndikulon- Kaufin a-9t9(S<han TtL 075 / 21134 91 
Wieder US-Vertreter im Nahen Osten Erneute Vermittlungs-Bemühungen - Scharon gegen Arafat-Kabinett JERUSALEM: Die USA haben im Nahost-Konflikt erneut Vermitt­ lungsbemühungen aufgenommen. Ziel sei ein Ende des Konflikts, sagte ein Vertreter des US-Aussenministe- riums nach einem Gespräch mit dem palästinensischen Unterhändler Sa- jeb Erakat. Der stellvertretenden Leiter der Nah- * ostabteilung im US-Aussenministeri- um, David Satterfield, traf Erakat am Mittwoch in Jericho. Dabei verlangte 
Erakat die Vorlegung eines von US- Präsident George W. Bush im Juni an­ gekündigten Zeitplans für die Beendi­ gung der israelischen Besatzung im Westjordanland. Dies war das erste Vermittlungsgespräch im Nahost-Kon­ flikt seit Monaten. Geplant sind weiter Treffen Satterfields mit der israeli­ schen Führung sowie dem palästinen­ sischen Innenminister Abdel Rasak Je- chia. Ungeachtet der neuen diplomati­ schen Bemühungen Washingtons will 
• der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon laut Regierungsangaben die jüngste palästinensische Kabinettsum­ bildung nicht anerkennen. Er wolle eine für den 9. September beantragte Sitzung des palästinensi­ schen Parlaments in der besetzten Stadt Ramallah nicht zulassen, falls Arafat der Sitzung vorstehe. Bei der Sitzung soll die im Juni von Arafat neu gebildete und verkleinerte Regie­ rung offiziell bestätigt werden. Israel werde diese erst annerkennen, wenn 
dort «grundsätzliche und wirkliche Re­ formen in allen Bereichen, insbeson­ dere der Sicherheit, dem Kampf gegen den Terror, der Finanzen und im Kampf gegen die Korruption» verwirk­ licht würden, hiess es in einer Mittei­ lung der Regierung. Die Ankündigung könne zu einem erneuten Streit innerhalb der israeli­ schen Regierung führen. Aüssenminis- ter Schimon. Peres sagte, er sehe kei­ nen Grund für das von Sharon ange­ drohte Verbot. Annan ruft USA zu Gewaltverzicht auf US-Verteidigungsminister Rumsfeld unbeeindruckt von Kritik aus Europa WASHINGTON: Nach zunehmenden Kriegsdrohungen gegen Irak hat UN- Generalsekretär Kofi Annan die USA zum Gewaltverzicht aufgerufen. Statt militärischer Aktionen sollte der Dia­ log mit Bagdad gesucht werden, sag­ te Annan am Mittwoch bei einem Be­ such in Botsuana. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärte, seine Regierung werde sich in ihrer Irak-Politik nicht von Kritikern in Europa umstimmen lassen. Die irakische Regierung lud Re­ porter derweil in ein Chemiewerk ein, das nach US-Auffassung der Waffen­ produktion dienen könnte. «Die Vereinten Nationen treten nicht für eine militärische Aktion ein», sagte Annan nach einem Treffen mit dem botsuanischen Präsidenten Festus Mo- gae. Er hoffe, dass die UN-Rüstungsin- spektoren bald nach Irak zurückkehren könnten. Eine Entscheidung der USA für einen Angriff Iraks stehe nicht im Einklang mit der Haltung der Verein­ ten Nationen. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Aussenminister Joschka Fischer bekräftigten am Mittwoch' ebenfalls ihre Ablehnung. Schröder sagte, an ei­ nem Angriff auf Irak werde sich Deutschland nicht beteiligen, «jeden­falls 
nicht unter meiner Führung». Fi­ scher erklärte, ein mit militärischer In-, tervention 
herbeigeführter Regime­ wechsel sei «hoch riskant und in den Folgen kaum überschaubar». Rumsfeld betonte beim Besuch eines Militärstützpunkts in Kalifornien, die schwindende Unterstützung der Ver­ bündeten für eine Invasion in Irak än­ dere nichts an der Entschlossenheit der 
US-Regierung. «Einstimmigkeit ist we­ niger wichtig, als die richtige Ent­ scheidung zu treffen», sagte Rumsfeld und fügte hinzu: «Führungsstärke in der richtigen Richtung findet immer ihre Verbündeten und Anhänger.» Der Sprecher des US-Aussenministe- riums, Richard Boucher, erklärte, die Regierung wolle allen Freunden und Alliierten deutlich machen, dass sie Die irakische Regierung lud gestern Reporter in ein Chemiewerk ein, das nach US-Auffassung der Waffenproduktion dienen könnte. 
nicht «die Kriegstrommeln schlage». Und UN-Botschafter John Ncgroponte betonte, 
dass Washington weiter für die Entsendung von UN-Inspektoren nach Irak eintrete. Vizepräsident Dick Cheney hatte zuvor angedeutet, dass auch eine' Wiederaufnahme der Rüs­ tungskontrollen in Irak die Haltung der USA nicht ändern würde. Chemiewerk besichtigt Reporter besichtigten unterdessen das Chemiewerk Falluja-3 westlich von Bagdad, in dem nach irakischer Darstellung keinesfalls Waffen, son­ dern Insektenverniehtungsmittel her­ gestellt werden. Hussam Mohammed Amin, Chefunterhändler bei früheren UN-Inspektionen, betonte dabei, die Sonderkommission UNSCOM habe die Anlage 'schon mehrfach inspiziert, oh- ; ne dass verdächtiges Material gefun­ den worden sei. Die installierten Ka­ meras und Senspren der UN seien je­ doch bei einem amerikanisch-briti­ schen Luftangriff zerstört worden. US-Präsident George W. Bush be­ kräftigte bei einem Treffen mit dem saudiarabischen Botschafter Prinz Bandar bin Sultan, dass er den iraki­ schen Präsidenten Saddam Hussein für eine «Bedrohung für die Welt» und den Frieden Im Nahen Osten halte.
	        

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