Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
SOMMERSERIE Freitag, 2. August 2002 
3 Der Nebel ist auf dem Weg zur Gafadura-Hütte unser ständiger Begleiter. Immer wieder hüllt er die Bergspitzen und das Tal ein, lediglich die Wiesenblumen leuchten rot, gelb, orange und lila heraus. Es ist ein faszinierender Anblick und eine Herausforderung, die Nebellöcher zu fotografieren... «Hast du auch so schwere Beine gehabt?» Volksblatt-Sommerserie: Statt einen Erholungstag einzuschalten, radeln wir auf die Gafadura-Hütte Laut Wetterbericht sollte es heute Morgen regnen. Ich hab mich auf einen Erholungdtag eingestellt. Thermalbad Bad Ra- gaz oder eine Massage viel­ leicht. Dann regnets nicht. Und wir radeln auf dje Gafadura- Hütte. Cornelia Hofe r Wir frühstücken und immer noch hof­ fe ich, dass die ersten Regentropfen fallen werden. Dann würde es mir nämlich leichter fallen, Ed von einem Erholungstag zu überzeugen. Janine hat so erholt ausgesehen nach ihrem Besuch im Thermalbad in Bad Ragaz. Und Karin hat mir gestern von ihrer Massage vorgeschwärmt, die sie bei Rosemarie erhalten hat. «Dort hinten wird der Himmel bereits blau, siehst du?», fragt mich Ed in heiterer Stim­mung. 
Natürlich seh ichs, aber ich sag: «Schau mal dort, über dem Pizol hats ganz schwarze Regenwolken.» «Ja, aber wir haben doch vor, auf die Gafa­ dura-Hütte zu gehen», sagt Ed. Und zieht die Radlerhose an. Unsere Gafadura-Geschichte Gafadura ist unsere Hausstrecke. Sie ist aber mehr als das. Ed hatte zwar auch in New York ein Fahrrad, doch im Big Apple war ein City Bike gefrag­ ter als ein Mountain Bike. Durch die Strassen von Manhattan zu pedalen, war für ihn dehn auch das Selbstver­ ständlichste der Welt gewesen. Aber mit einem Bike den Berg hinauffah­ ren? In Vermont machten wir vor vier Jahren den ersten Versuch. Rund 45 Minuten hat der Aufstieg vom Tal in die Skistation von Stratton gedauert. Ich seh sie heute noch, die grossen Au­ gen des Bikevermieters: «Where did you bike? All the way up from the Val­ley? 
You must be crazyl», hat er uns gesagt. Ed war stolz auf seine Leistung und fühlte sich bereit für die Berge in Liechtenstein. Gafadura war unser erstes Ziel. Und für eine Weile auch das letzte... «Jetzt sind wir aber sichcr bald oben?», fragte er damals in Plan­ ken. «Nein, noch nicht ganz», antwor­ tete ich, sagte aber nicht, dass wir noch nicht einmal die Hälfte geschafft hatten... Nach dem ersten Teilziel ... Zwischenzeitlich kennt Ed sämtliche Wald- und Schleichwege von Schaan nach Planken. Auch heute führt er mich wieder auf einem neuen Pfad in unsere Nachbargemeinde. «Schön, nicht?», fragt er und ich antworte: «Ja, wunderschön». Natürlich sag ich ihm nicht, wie schwer meine Beine sind und dass ich eigentlich lieber an der Massagedüse in Bad Ragaz wäre oder auf der Liege bei Rosemarie. Noch ein­mal 
werfen wir einen Blick ins Tal, bevor wir in Oberplanken in den Wald eintauchen. Die Strasse ist nass und glitschig. Doch sie gehört uns ganz allein. Ein einziger Wanderer begegnet uns beim Aufstieg, kein einziger weiterer Biker ist unterwegs. Die Temperatur ist angenehm, doch  tdie Luftfeuchtigkeit enorm hoch. Wir schwitzen und wieder nehm ich einen Schluck Isostar. Langsam find ich meinen Tritt und ich freu mich, dass wir mein erstes Teilziel, die Barriere, hinter uns gelassen haben. Gafadura kommt näher, denk ich. ... folgt der zweite Schreck «Ich hab meine Sonnenbrille verlo­ ren», sag ich. Und schon hat Ed umge­ kehrt und fährt die Strasse runter. Wohl oder übel folg ich ihm. Ich darf gar nicht daran denken, dass ich diese Strecke nochmals rauffahren muss. «Ich hab sie», hör ich Ed drei Kurven 
weiter unten rufen. Von Neuem stei­ gen wir tauf. Je höher wir kommen, je . dichter wir der Nebel. Langsam schleicht er um die Bergspitzen, hüllt die Wiesen und die Fahrstrasse ein. Nur die Wiesenblumen leuchten rot, gelb, orange "und lila heraus. «Es ist wie im Herbst», sagt Ed. Dann, niir rür einen kurzen Moment zwar, aber einen Augenblick lang, sieht man die Hütte. Das Ziel naht. Ed fängt zu pfeiffen an. Irgend ein Lied von Bob Dylan trillert er. Jetzt könnte ich einen Sportpsy- chologen brauchen, denk ich. Sag aber nichts. Bei der Gafadura-Alp öffnet, mir Ed das Tor. Das Ziel ist in Griff­ nähe, doch der Nebel hat die Hütte verschluckt. Ich mobilisiere meine letzten Kräfte. Oben angekommen, schau ich eine Weile dem Spiel des Ne­ bels zu. Und bin fasziniert. Ed bestellt einen Kaffee, ich eine heisse Ovo. Und dann fragt Ed: «Hast du auch so schwere Beine gehabt wie ich?» «Wir sind auf der Gafadura-Hütte zu Hause» Charlotte und Fritz Wohlwend bewirten Biker und Wanderer mit viel Liebe und Leidenschaft - Ein Gespräch Charlotte und Fritz Wohlwend haben schon einmal acht Jahre lang die Sommergäste auf Gafadura bewirtet. Danach haben sie zehn Jahre das Fa­ milienleben gepflegt und sind nun den zweiten Sommer wieder für die Bewirtung von Wanderern und Bi- kern auf 1428 Meter über Meer ver­ antwortlich. Und das mit Leiden­ schaft. Mit Charlotte und Fritz Wohlwend sprach Cornelia Hofe r Was macht man an einem Tag wie heute, wenn das Wetter nicht so gut Ist? Charlotte Wohlwend: Langweilig wird es uns nie. In der Sommerferien­ zeit sind wir nämlich fast nie allein hier oben, dann haben wir meistens Gäste zum Übernachten. Das war auch letzte Nacht so und dann steht man um sechs Uhr früh auf, bereitet das Frühstück vor, ist anschliessend mit Abräumen, putzen, aufräumen und Bestellungen machen mit Arbeit ein­ gedeckt. Fritz Wohlwend: Schlechtes Wetter gibt es für uns nicht. An einem Regen­ tag können wir nämlich die Hinter-' grundarbeiten erledigen, die man beim schönen Wetter liegen lassen muss. Es gibt zudem auch Wanderer und Biker, die nicht nur bei Sonnenschein wan­ dern oder biken und es ist schliesslich 
Auf der Gafadura-Hütte ist die Frau die Chefin: Charlotte Wohlwend. auch gut möglich, mit einem Regen­ schirm auf die Gafadura-Hütte zu lau­ fen. Sie kennen das Leben auf der Gafa- dura-Hütte. Was hat sich verändert, seit sie das erste Mal hier oben ge- wlrtet haben? Fritz Wohlwend: Der Betrieb wurde rationalisiert und die Küche moderni­ siert. Heute funktioniert die Küche. Die Kundschaft hat sich auch verändert. Waren es damals erst vereinzelt Biker, die den Weg hier hinauf gefunden ha­S/e 
sorgen für das Wohl der Wanderer und Biker: Das Wirte-Ehepaar Charlotte und Fritz Wohlwend und die beiden Angestellten Thomas und Christian. ben, sind es heute 50 Prozent Biker und 50 Prozent Wanderer. Charlotte Wohlwertd: Die Menukar- te haben wir im Salatangebot ausge­ baut. Ansonsten haben wir die Karte nicht sonderlich verändert. Was wir auf der Karte haben, ist täglich erhält­ lich. Spezialangebote schreiben wir auf die Tafel. ... und dort Ist auch zu lesen, wann es die berühmte Llnzertorte gibt? Fritz Wohlwend: Ja, die zwi­ schenzeitlich berühmt-berüchtigte 
Linzertorte gibts, solangs hat. Deshalb ist sie auch nicht auf der Karte. Wir haben das Kuchenangebot mit Rüebli- und Zucchinitorte ausgebaut, doch die Linzer scheint nach wie vor der Renner zusein... Was fasziniert Sie an der Arbelt auf der Gafadura-Hütte? Charlotte Wohlwend: Für mich ist es die Vielfältigkeit, die ich schätze: Jeder Tag ist anders und man weiss im voraus nie, was morgen geschieht und trotzdem muss man immer auch vo­raus 
planen und sich organisieren. Was ich auch sehr schätze, sind die Freundschaften mit Besuchern, die wir über die Jahre aufbauen und aufrecht erhalten konnten. Fritz Wohlwend: Es ist schön, wenn man einem Gast eine Freude machen kann mit einem guten Nachtessen oder wenn jemand sagt: «Das war jetzt aber ein gutes Frühstück». Der Kontakt mit Menschen gefallt mir, obwohl auch klar ist, dasS man es nie allen recht machen kann. Wir versuchen aber, je­ den Tag unser Bestes geben zu kön­ nen. Wie bewältigen Sie den enormen Ar­ beltsaufwand? Fritz Wohlwend: Meine Frau ist die Chefin und dann haben wir mit Chris­ tian und Thomas zwei Festangestellte. Ich bin der erste Handlangerund dann ist klar, dass man viele Freiwillige braucht, die spontan raufleommen und aushelfen können. Ohne diese wäre es nicht möglich und wir sind froh, dass wir eine lange Liste an freiwilligen Helferinnen und Helfern haben. Charlotte Wohlwend: Unsere beiden Söhne und deren Freundinnen helfen tüchtig mit. Sie kommen immer, wenn es geht. Der jüngere Sohn sagt oft: «Gafadura ist meine Heimat.» Und das stimmt fiir uns auch. Wir sind hier oben zu Hause und bis im Herbst komm ich nur ein-, zweimal ins Tal, wenn ich zum Friseur gehe...
	        

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