Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
AUSLAND Montag, 8. Juli 2002 1 7 Internationale Aids-Konferenz in Barcelona eröffnet BARCELONA: Trotz verbesserter Behandlungsmethoden ist die Immunschwächekrankheit Aids weltweit weiter auf dem Vor­ marsch. Der Direktor des UN-. AIDS-Programms, Peter Piot, sagte am Sonntag zum Auftakt der Internationalen Aids-Kon­ ferenz in Barcelona, es gebe keine Anzeichen ' für einen Rückgang der Epidemie. Die Welt sei jedoch in den vergan­ genen Jahren auf die Aids- Tragödie aufmerksam gewor­ den, und Politiker in aller Welt seien bereit, sich für den Kampf gegen die Seuche einzusetzen. «Aus historischer Perspektive stehen wir immer noch am Anfang der Epide­ mie», sagte Piot. «Es gibt keine Anzei­ chen für einen Rückgang, noch nicht einmal in den am stärksten betroffe­ nen Ländern.» Besonders in China, den ehemaligen Sowjet-Staaten und ande­ ren Ländern in Asien habe die Zahl der HIV-Infektionen stark zugenommen. Jetzt sei es wichtig, die erfolgreichen Strategien gegen die Ausbreitung von Aids auf immer mehr Regionen auszu­ dehnen, um so Verhältnisse wie in 
Zur Eröffnung der internationalen Aids-Konferenz in Barcelona gingen in Spa­ nien viele Menschen 
auf die Strassen. • Afrika frühzeitig zu verhindern. «Aids beginnt ganze Nationen in Afrika zu destabilisieren», sagte Piot. «Ein desta­ bilisierter Teil der Welt, egal wie weit er weg sein mag, hat jedoch auch Aus­ wirkungen auf das eigene Land.» Im. vergangenen Jahr hätten eine Million Kinder in .Afrika ihre. Lehrer an Aids 
verloren. Die Bedingungen für die in-, ternationalen Finanzhilfen miissten verändert werden, damit auch verhält­ nismässig erfolgreiche 
Länder in Afri­ ka eine Chance auf Hilfe hätten. Als . Beispiel nannte er Botswana 
-, das wirt­ schaftlich auf dem richtigen Weg sei und sich um eine flemokratische Re­gierung 
bemühe. Das Land habe kei­ nen Anspruch auf finanzielle Hilfen, werde jedoch von der Ajds-Epidemie stark belastet und drohe, auf den Stand eines Entwicklungslandes zurückzufallen. 40 Mio Menschen betroffen Seit der letzten Aids-Konferenz vor zwei Jahren in Südafrika seien aber auch Fortsehritte erzielt worden, sagte Piot. Aids sei weltweit ein wichtiges Thema geworden. Immer, mehr Politi­ ker seien bereit, den Kampf gegen Aids anzugehen, und : 
immer mehr Geld fliesse in Programme gegen die Im­ munschwächekrankheit. Für die Be­ kämpfung des HI-Virus und Aids in den ärmeren Ländern sollen seinen Angaben zufolge in diesem Jahr 2,8 Milliarden Dollar ausgegeben werden. Benötigt würden allerdings zehn Milli­ arden Dollar pro Jahr. Zur 14. Interna­ tionalen Aids-Konferenz versammeln sich mehr als 15 000 Mediziner und Politiker aus der ganzen Welt. In dieser Woche wollen sie über neue Behand­ lungsmethoden und die iPrävention ei­ ner Krankheit sprechen, die weltweit rund 40 .Millionen Menschen betrifft. Die Experten erklärten jedoch, eine Impfung oder eine Heilung werde es in der nahen Zukunft nicht geben. Ausschreitungen Unruhige Parade des Oranier-Ordens PORTADOWN: In Nordirland wird nach den Ausschreitungen am Sonn­ tag bei der jährlichen Parade des protestantischen Oranier-Ordens in der Stadt Portädown eine Eskalation der Gewalt für die nächsten Tage be­ fürchtet. Rund 2000 Personen betei­ ligten sich am Sonntag an dem Marsch in Portädown. Anschliessend durchbrach eine kleine Gruppe eine Barriere, die das katholi­ sche Viertel rund um die Garvaghy Road von der Parade abschirmte. Das könnte der Auftakt zu neuer Gewalt in • Nordirland gewesen sein. Dje Umzüge des Oranier-Ordens führen meist durch katholische 
Wohnviertel und werden von der katholischen, Bevölkerung als Provokation empfunden. In der Ver­ gangenheit kam es immer wieder zu •blutigen Unruhen. Mit ihren alljährli­ chen Paraden in der gesamten Provinz erinnern die nordirischen Protestanten 
an den Sieg Wilhelms von Oranien über den katholischen König Jakob II. am 12. Juli 1690. Bei dem Marsch in Portädown schlug .eine Gruppe von Protestanten an der Absperrung zum katholischen Viertel mit Regenschir­ men auf die Polizisten ein und warf mit Steinen. Es gab einige Verletzte. Die Oranier konnten zwar nicht in die Garvaghy Road vordringen, doch ein Teil von ihnen kündigte an, sich nicht zurückzuziehen. Die Behörden hatten gehofft, mit einem Grossaufgebot von 2000 Polizisten und Soldaten in die­ sem JahrZusammenstösse verhindern zu können. Vor der Parade hatte David Jones, der Sprecher der Oranier, er­ klärt: «Wenn wir diese Strasse hinun­ tergehen, dann wird das auf würdige Art und Weise geschehen.» Die Teil­ nehmer des Marsches würden Polizis­ ten und Soldaten jenseits der. eigens für die Parade errichteten Strassen- sperren nicht angreifen. 
Neues Grundgesetz Kerngebilde für eine dauerhafte Verfassung GAZA: Die palästinensische Autono- miebehörde hat am Sonntag ein neu­ es Grundgesetz offiziell eingeführt. Es handle sich dabei um «das Kern­ gebilde für eine dauerhafte Verfas­ sung», die erst nach Einrichtung ei­ nes palästinensischen Staates gelten solle. Dies sagte der palästinensische Justiz­ minister Ibrahim el Däghma am Sonn­ tag vor Journalisten in Gaza. Das Grundgesetz war im Mai bereits von Palästinenserpräsident Jassir Arafat sowie vom palästinensischen Paria? ment gebilligt worden. Daghma rief alle palästinensischen Minister und Repräsentanten dazu auf, das neue Ge­ setz zu respektieren und einzuhalten. Es regle im Detail die Rechte und Pflichten der palästinensischen Bürger sowie die Arbeit der drei Gewalten. Das neue Grundgesetz sei nur solange als palästinensische Verfassung zu be? 
trachten, bis ein unabhängiger Staat eingerichtet werde, betonte der Justiz­ minister. Faktoren wie die gegenwärti­ ge Notstandslage angesichts der israe­ lischen Besatzung und Militäraktionen seien in dem Gesetzeswerk 
berücksich­ tigt worden. Erfolg der Reformkräfte Daghma rief die internationale Ge­ meinschaft zur Zusammenarbeit mit den Palästinensern auf, um ein rasches Ende der Besatzung und die Einrich­ tung eines eigenen Staates herbeizu­ führen. Die Einführung des Gesetzes wird als Erfolg der palästinensischen Reformkräfte gewertet. Das Parlament hatte Arafat jahrelang dazu gedrängt, das 
Grundgesetz zu billigen. Arafat hatte eine Unterzeichnung bis Ende Mai stets mit der Begründung abge­ lehnt, Palästina sei noch kein unab­ hängiger Staat und könne daher keine Verfassung haben. Herber Rückschlag für Afghanistan Ermordung von Vizepräsident Kadir stört Pläne des Präsidenten KABUL: Hadschi Abdul Kadir war ei­ ne Ausnahmeerscheinung in der af­ ghanischen Politik. Seine Ermordung am Samstag ist nach Meinung vieler Experten ein schwerer Rückschlag für Präsident Hamid Karsai. Als Paschtüne gehörte er zu der Volks­ gruppe, der auch die Mehrheit der Taliban angehören. Als Mitglied des Kabinetts von Karsai war er gleich­ zeitig einer der wenigen mächtigen Provinzfursten, die sich zu der vom Westen unterstützten Übergangsre­ gierung bekannten. Nach der Ermordung Kadirs dürfte Karsais Ziel, die unterschiedlichen Volksgruppen des Landes zu einen und Afghanistan dauerhaft zu befrieden, nun wieder schwieriger geworden sein. «Ernster Schlag» Für Ahmed Rashid, Autor des viel beachteten Buches «Taliban», setzte Kadir ein Zeichen für andere Warlords, ebenfalls mit Karsai zusammenzuar­ beiten. Der Mord an dem Minister sei deshalb «ein ernster Schlag» für den Präsidenten. Zahlreiche Beobachter, unter ihnen der ehemalige EU-Sonder- gesandte für Afghanistan, Klaus-Peter Klaiber, hatten die Integration der 
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Der afghanische Vizepräsident Had­ schi Abdul Kadir wurde am Sonntag zu Grabe getragen. 
gionalen Machthaber als grösste Her­ ausforderung für Karsai bezeichnet. Der Posten für Kadir war nicht der ein­ zige Schachzug Karsais, um'die Ak­ zeptanz seiner Regierung zu erhöhen. Der. üsbekische General Abdul Ra­ schid Dostum, Anführer der gegen die Taliban siegreichen Nordallianz, hatte in der ersten Übergangsregierung Kar­ sais das Amt des stellvertretenden Ver­ teidigungsministers 
inne. Auch Ismail Khan, selbst ernannter Herrscher der westafghanischen Provinz Herat, er­ hielt damals einen Kabinettsposten. Integrationsfigur für paschtu­ nische Volksgruppe Kadir, der vor der Taliban-Herr-, schaft Mitte der 90er Jahre zuerst nach Pakistan und später nach Deutschland flüchtete, war eine der wenigen Inte- gratiosfiguren für die grosse paschtu­ nische Volksgruppe. In der Region um die ostafghanische Stadt Dschalalabad genoss er grossen Rückhalt. . Grund dafür war nicht zuletzt seine einstige Nähe zu dem im September 2001 ermordeten legendären Nordalli­ anz-Führer Achmed Schah Massud. Zudem stand Kadir einem weiteren als Märtyrer verehrten Mudschahedin sehr nahe: Der im Oktober von den Ta­liban 
hingerichtete Abdul Hak war sein Bruder. Hoffnung bleibt Doch nicht alle glauben, der An­ schlag auf Kadir werde das Land Af­ ghanistan umgehend und ernsthaft destabilisieren. Der Mord zeige zwar, dass Gewalt in Afghanistan immer noch an der Tagesordnung sei, sagt ein Vertreter der Internationalen Schutz­ truppe für Afghanistan (ISAF). «Ich denke aber nicht, dass die Tat Teil ei­ ner gross angelegten Verschwörung ist.» Die Lage in Kabul habe sich in den letzten Monaten stark verbessert und werde positiv bleiben, gibt der 1SAF- Mann sich optimistisch. Auch Ahmed Rashid hat trotz des Attentats vom Samstag noch Hoffnung. Die Tat - zu­ sammen mit dem irrtümlichen US- Bombenangriff auf ein ausschliesslich von Paschtunen bewohntes Dorf In Zentralafghanistan - könnte auch zu einer Welle der Sympathie für die Paschtunen führen. Auf diese Weise würde auch ein Beitrag zur Versöh­ nung in dem Land geleistet, wo Pasch­ tunen wegen ihrer Unterstützung der Taliban bis heute benachteiligt wer­ den. 
Übereinkunft mit Pharmafirmen GEORGETOWN: Dje Staaten der Kari­ bik haben mit sechs Pharmaunterneh­ men eine Übereinkunft geschlossen, die ihnen um bis zu 90 Prozent im Preis reduzierte Medikamente für die Behandlung von Aids-Patienten si­ chert. Nach dem südlichen Afrika, wo es bereits ähnliche Verträge mit der In­ dustrie gibt, hat die Karibik die höchs­ te Rate von HIV-Infektionen weltweit. Unter den sechs Pharmaunternehmen war neben dem britischen Konzern GlaxoSmithKline und dem Schweizer Unternehmen Hoffmann-LaRoehe auch . der deutsche Pharma-Riese Boehringer Ingelheim. Das Abkommen sollte in dieser Woche während der Aids-Konferenz in Barcelona unter­ zeichnet werden.. Nach über 20 Jahren frei BERLIN/TINDOUF: Nach über 20:Jah- ' ren Gefangenschaft sind am Sonntag 101 marokkanische Kriegsgefangene auf deutsche Vermittlung von der Westsahara-Befreiungsfront «Pölisa- rio» freigelassen worden. Sie wurden in der algerischen Wüstenortschaft Tiiidouf Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) übergeben und mit einem Rotkreuz-Flugzeug nach Marokko zurückgeflogen. In Tindouf liegen die Lager der aus der marokka­ nisch besetzten Westsahara geflüchte­ ten Saharauis. Seit einem 1991 zwi­ schen Marokko und der Westsähara- Befreiüngsfront geschlossenen Waf­ fenstillstand bemühen sich die Verein­ ten Nationen um eine friedliche Beile­ gung des Konflikts um die ehemals spanische Kolonie Westsahara. Dieser dauert seit 1976 an. DURBAN: Aus Angst, Israel könne ihm die Rückreise ins Westjordanland ver­ wehren, hat Palästinenserpräsident Jassir Arafat eine Einladung zum Gip­ feltreffen der Organisation der Afrika­ nischen Einheit (OAU) abgelehnt. Die OAU habe ,dem palästinensischen Volk und Arafat ihre Solidarität bekundet. Die Organisation will sich am Dienstag in Afrikanische Union umbenennen. Arafat hatte in der Vergangenheit wie­ derholt Gipfeltreffen der OAU besucht. Er hat jedoch das Westjordanland seit seinem 
Hausarrest in Ramallah jm Ja­ nuar nicht mehr verlassen. Kommt es zu Neuwahlen? ANKARA: Angesichts der angeschla­ genen Gesundheit des türkischen Re­ gierungschefs Bülent Ecevit hat sein Stellvertreter Devlet Bahceli von der Partei der Nationalen Aktion am Sonntag vorgezogenen Neuwahlen vorgeschlagen. Der Umengang sollte am 3. November stattfinden, sagte Bahceli vor Journalisten in der nord­ westlichen Provinz Bursa, wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichte­ te. Das Parlament müsse Anfang Sep­ tember seine Sommerpause unterbre­ chen und binnen zwei Tagen eine"ent­ sprechende Entscheidung fällen. Mi­ nisterpräsident Ecevit bekräftigte da­ gegen am Sonntag, dass er nicht die Absicht habe zurückzutreten. Er wisse zudem genau, wann es an der Zeit sei zurückzutreten, sagte er dem türki­ schen Nachrichtensender CNN. Nie­ mand brauche ihn darauf aufmerksam zu machen.
	        

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