Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

28 Samstag, 6. Juli 2002 
AUSLAND Liechtensteiner VOLKSBLATT Streit um Öko­ punkte-System BERLIN: Im Streit um die Fortsetzung des Ökopunkte-Systems für den Al­ penverkehr ist es zu. einer ersten Annäherung gekommen. Deutschland, Italien, Österreich und Griechenland wollten noch in diesem Herbst Ar­ beitsgruppen bilden, die eine Neuauf­ lage oder Alternativen erarbeiten sol­ len, sagte der deutsche Verkehrsmi­ nister Kurt Bodewig am Freitag in Ber­ lin. Bodewig hatte sich zuvor mit sei­ nen Amtskollegen aus den drei Län­ dern getroffen. Mit dem Ökopunkte-System wird der Lästwagenverkehr durch Öster­ reich kontrolliert und begrenzt. Jedes Land, von dem aus Güter per Lastwa­ gen durch Österreich geliefert werden, verfügt 
über eine bestimmte Zahl an Ökopunkten. Diese werden bei jedem Transit elektronisch abgebucht. Das Ökopunkte-System endet 2003.-Im Ge­ gensatz zu Österreich wollen Italien und Griechenland es nicht verlängern, sondern streben eine alternative Lö­ sung an. Das bestätigte der italienische Verkehrsminister Pietro Lunardi. Die Arbeitsgruppen sollen die Daten des Transitverkehrs zusammenfuhren und erarbeiten, wie der Güterverkehr über die Alpen noch mehr auf die Schiene verlagert werden kann. Der Landeshauptmann des öster­ reichischen Bundeslandes Tirol, Wen­ delin Weingartner, kritisierte Bodewigs Haltung zur Finanzierung eines entlas­ tenden Tunnels am Brenner Pass. Ita­ lien habe Bereitschaft gezeigt, sich zu beteiligen, Deutschland dagegen nicht. Bombenanschläge in Algerien ALGIER: Eine Serie von Bombenan­ schlägen mit mindestens 36 Toten hat am- Freitag in Algerien den 40. Jahres­ tag der Unabhängigkeit von Frank­ reich überschattet. Das folgenschwers­ te Attentat ereignete sich in Larba südöstlich von Algier, wo auf einem belebten Markt mindestens 35 Men­ schen getötet und 36 verletzt wurden. Einen weiteren Toten gab es bei einer Bombenexplosion im Osten des Lan-. des, wie die Nachrichtenagentur APS berichtete. An einem Mittelmeerstrand wurde bei einem Anschlag ein Kind leicht verletzt. Der Sprengsatz auf dem Markt von Larba war laut APS unter einem Kanaldeckel versteckt. Unter den Opfern befanden sich auch viele junge Menschen, die zum Einkaufen unterwegs waren. Es war das schwer­ ste Attentat in Algerien in diesem Jahr überhaupt. Zunächst bekannte sich niemand zu den Attentaten. REKLAME Shorley- für natürlich frische Energie Shorley ist die Mischung von 60% Schweizer Apfel­ saft mil 40% natürlichem Mineralwasser. Der Gehalt . . an Fruchtzucker und Fruchtsäurcn des Apfels, und Mineralstoffe der Mineral­ quelle Passugg, machen Shorley zum erfrischenden Dursilöschcr. Shorley - das natürlichste Spottlergetrünk! . (Erhältlich beim Getränkehändler) 
Amoklauf am El-Al-Schalter Ägypter tötet zwei Menschen und wird erschossen - Israel spricht von Terroranschlag LOS ANGELES: Am El-Al-Schal- ter auf dem Flughafen von Los Angeles hat ein seit zehn Jahren in Amerika lebender Ägypter wild um sich geschossen. Der 41-Jährige, der mit zwei Pisto­ len und einem Messer bewaff­ net war, tötete zwei Menschen und verletzte drei weitere, be­ vor er von Wachmännern der israelischen Fluggesellschaft er­ schossen wurde. Der Zwischenfall ereignete sich ge­ stern gegen Mittag (Ortszeit) am ame­ rikanischen Unabhängigkeitstag, an dem überall in den USA hohe Sicher­ heitsvorkehrungen herrschten. Das israelische Aussenministerium sprach von einem Terroranschlag, für den bewusst der 4. Juli gewählt wor­ den sei, legte aber keine Beweise vor. Die US-Bundespolizei FBI erklärte, vorerst gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mann Verbindungen zu Terrorgruppen gehabt habe. Allerdings könne ein terroristisches Motiv nicht ausgeschlossen werden. Der stellver­ tretende EI-Al-Direktor Jizchak Amitai sagte, bei der Fluggesellschaft sei kei­ ne Terrorwarnung eingegangen. Bei den beiden Todesopfern handelt es sich um eine 25 Jahre alte Mitarbei­ terin der El-Al-Bodenabfertigung und einen 46-jährigen jüdischen Juwelier aus Los Angeles. Der Vater von acht 
Der Flughafen von Los Angeles, der drittgrösste der USA, wurde nach dem Schusswechsel grösstenteils gesperrt. Kindern hatte einen. Freund zum Flug­ hafen gebracht. Verletzt wurden die beiden Wachmänner, die den Täter überwältigten, sowie eine Frau; eine weitere erlitt einen Herzanfall. Der- Name des Todesschützen wurde mit Hesham Mohamed Hadayet ange­ geben. Er sei vor zehn Jahren aus Ägypten nach Kalifornien gekommen und habe in Irvine südlich von Los 
Angeles als Chauffeur gearbeitet. FBI- Beamte durchsuchten seine Wohnung .und beschlagnahmten nach eigenen Angaben einen Computer und zahlrei­ ches Schriftmaterial. Nachbarn' be­ schrieben Hadayet als ruhig. Aller­ dings habe er sich vehement über die amerikanischen Flaggen beschwert, die Hausbewohner nach den Terroran­ schlägen vom lf. September am Bal­kon 
aufgehängt hätten. In Kairo ver­ hörten Polizeibeamte die Frau Hada- yets, die mit ihren beiden-Kindern dort bei Verwandten Urlaub machte. Auch der Vater und die Schwester des Täters wurden vernommen, wie ein Familien­ angehöriger mitteilte. Der israelische Aussenminister Schi­ mon Peres lobte die «schnelle Reaktion und den Mut» der El-Al-Wachleute. Breite NATO-Erweiterung Von Kandidaten und Mitgliedern befürwortet RIGA: Die NATO-Kandidatenländer haben sich ebenso wie führende Ver­ treter der Verteidigungsallianz für eine breite Osterweiterung der NATO ausgesprochen. «Wir können einen grossen Schritt machen mit der Erweiterung der NATO durch alle europäischen Demokratien, die bereit sind, die NATO-Verantwort- lichkeiten zu teilen», sagte der ameri­ kanische Präsident George W. Bush am Freitag in einer Videobotschaft an die Ministerpräsidenten der neun NATO- Kandidatenländer und Kroatiens. Beitrag zur Stabilität Die Regierungschefs beraten bis heute Samstag in der lettischen Haupt­ stadt Riga über gemeinsame Strategien für die angestrebte Mitgliedschaft in der Allianz. Der gastgebende lettische 
Ministerpräsident Andris Berzins sag­ te, die Kandidaten wollten künftig in­ nerhalb der NATO ihren Beitrag zur Stabilität in der Welt leisten. Viele Redner, darunter der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski, betonten, dass die historische Teilung Europas erst durch eine zweite Oster­ weiterung der NATO überwunden wer­ den könne. Der gemeinsame Kampf gegen der Terrorismus, zu dem auch Bush erneut aufforderte, war weiteres Thema. Kroatien noch nicht dabei Albanien, Bulgarien, Estland, Lett­ land, Litauen, Mazedonien, Rumänien, Slowenien 
und die Slowakische Repu­ blik werden von der NATO formlich als Bewerber anerkannt. Kroatien wartet noch auf die Einstu­ fung als Kandidat. 
Hormonfleisch-Skandal Betrieb in Niedersachsen gesperrt BERLIN: Der Skandal um hormon- verseuehtes Schweinefleisch und Tierfutter aus den Niederlanden zieht Kreise. In Niedersachsen wurde bereits ein Mastbetrieb gesperrt, wie das Land­ wirtschaftsministerium in ' Hannover am Freitag mitteilte. Nach Angaben des niederländischen Agrarministeri­ ums wurden 321 belastete Tiere nach Deutschland exportiert, weitere nach Belgien, Spanien und Italien. Das Ver­ braucherministerium in Berlin wies Vorwürfe zurück, es habe zu spät rea­ giert. Der parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger sagte, grosse Teile des verseuchten Schweinefleisches sei­ en bereits verzehrt. Er hob aber hervor, dass Experten zufolge nach ersten Auswertungen keine konkrete Gefahr-' 
dung für den Menschen bestehe. Er. kritisierte, dass wieder die Mischfutter- Industrie «geschlampt und nicht "auf- gepasst» habe. Die Bauern und die Ver­ braucher seien die Leidtragenden. Ber­ ninger erneuerte die Forderungen nach einem Hilfsfonds der Futtermit­ telindustrie für betroffene Landwirte sowie nach stärkeren Eingangs­ kontrollen. Das Ministerium bereite entsprechende Gesetze vor. In den Niederlanden wurden über 2000 Schweinemastbetriebe aufgefor­ dert, eine Woche lang nicht zu schlachten, bis die Herkunft des Hor­ mons geklärt ist. Vermutungen zufolge soll 
es von einem Futtermittelprodu­ zenten in Belgien stammen. Landwirt­ schaftsminister Laurens Jan Brink­ horst ersuchte die belgischen Behör­ den um Unterstützung bei den Ermitt­ lungen. Grausame Erschiessung von 59 Italienern Sieben Jahre Freiheitsstrafe für ehemaligen SS-Offizier Friedrich Engel HAMBURG: Der. ehemalige 
SS-Offi- MÖHL Mosterei Möhl AG,9320Arbon,Tel.07l 4474074 lifo über SiH-HtrHellnng:   www.moehl.th 
TYodilion teil 1893 
zier Friedrich Engel ist vom Hambur­ ger Landgericht wegen Mordes in 59 Fällen zu sieben Jahren Freiheitsstra­ fe verurteilt worden. Die Tötung der italienischen Gefangenen im Zweiten Weltkrieg sei grausam und nicht rechtmässig gewesen, sagte der Vor­ sitzende Richter Rolf Seedorf am Freitag. Auf Befehlsnotstand könne Engel sich nicht berufen. Das Gericht verzichtete wegen des ho­ hen Alters des 93-Jährigen auf eine sofortige Inhaftierung. Unklar ist, ob Engel die Haft später antreten muss. Auf Grund seines Alters kann er auf Haftverschonung hoffen. Ohnehin muss das Urteil zunächst rechtskräftig werden. Staatsanwalt Jochen Kuhl­ mann rechnete aber damit, dass das Verfahren jetzt vor den Bundesge­ richtshof kommt. «Ich bin sicher, dass die Verteidigung Revision einlegt», er­ klärte er. Verteidigung fiir Freispruch Die Richter folgten mit dem Urteil nicht dem Antrag des Staatsanwalts 
und der Nebenkläger, die auf lebens­ lange Haft plädiert hatten. Sowohl der Staatsanwalt als auch die Anwältin der Nebenkläger betonten aber, sie könnten mit dem'Urieil leben. Die Ver­ teidigung hatte Freispruch gefordert. Engel, der das Urteil gefasst aufnahm, wollte den Richterspruch nicht kom­ mentieren. Der SS-Mann war zur Tatzeit im Mai 1944 Leiter das Aussenkommandos des Reichssicherheitsdienstes (SD) in Genua. Die Exekutionen in der Nähe von Genua waren als Vergeltung für einen Partisanen-Anschlag auf ein deutsches Soldatenkino, bei dem fünf Soldaten getötet worden waren, be­ fohlen worden. Engel hatte die Schuld stets bestritten und sich auf Befehls­ notstand berufen. Hitler habe für sol­ che Fälle eine Vergeltung im Verhält­ nis zehn zu eins angeordnet. Derartige Erschiessungen waren nach Einschätzung des Gerichts im Zweiten Weltkrieg gewohnheitsrecht­ lich gedeckt. Allerdings sei im vorlie­ genden Fall die «Hümanitätsschranke» überschritten worden, betonte Seedorf. Die italienischen Gefangenen wurden 
Der ehemalige SS-Ofßzier Friedrich Engel ist wegen Mordes in 59 Fällen zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. 
(Bild: Keystone) 
an einer Grube erschossen und fielen nach der Erschiessung auf die Leichen der vor ihnen Getöteten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Opfer die Tötung vorher mitanhören und teilweise auch mitansehen mussten. «Einen Befehl für eine Tötung auf die­ se Art haben Sie nicht erhalten», sagte Seedorf zu Engel. Seedorf erklärte die Herabsetzung des Strafmasses vom üblichen «lebens­ länglich» auf nur sieben Jahre unter anderem mit der langen Zeitspanne zwischen Tat und Urteil. Die StrafVer- folgungsbehörden seien ein halbes Jahrhundert lang untätig gewesen. «Der Fall lag in der Obhut der italieni­ schen Strafverfolgungsbehörden, und es ist nichts geschehen», betonte der •Richter. Ohnehin seien, sollte Engel die Haftstrafe tatsächlich verbüssen müs­ sen, in Anbetracht seines Alters die sieben Jahre einer lebenslänglichen Haft gleichzusetzen. Engel war bereits 1999 in Abwesenheit von einem italie­ nischen Gericht- wegen 246-fachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er lebte seit Kriegsende weit­ gehend unbehelligt in Hamburg.
	        

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