Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Weh&Oh Schaan. Schaan entscheidet und wir können nichts dagegen tun. Dabei hätten die Schaaner ohne weiteres die Möglichkeit, ihren Schwerverkehr über die Benderer Strasse abzuleiten, die Strassen- infrastruktur besteht schon seit Jahrzehnten. Wer bestimmt in der Volksrepu­ blik? Marxer: Die Industrie. Für die Hilti ist der Nendler Anschluss günstiger. Und die hat in Schaan das Sagen. Hat Nendein durch die Auflösung des Fürstentums verloren? Marxer: Nicht durch die Auflö­ sung des Fürstentums, sondern des Staates. Rundherum hat sich alles verändert, die Schaanwälder haben sich an Vorarlberg verra­ ten, die Eschner machen ihr Graf­ schaftsprojekt, und die Schaaner hat der Republikhafer gestochen. Wir 
Nendler waren überrumpelt, überfordert, hatten auch keine Pläne, wie sie wohl in den ande­ ren Dörfern schon länger existiert haben. Plötzlich sind wir selbst­ ständig und haben das weder gewollt noch gekannt. Und fra­ gen uns: Wer sind wir? Was sollen wir hier? Sie spielen auf die Identitäts- und Legitimationsfrage Liechten­ steins vorder Verfassungsabstim- mung an? Marxer: Das weiss ich nicht. Ich weiss nur, dass Nendeln ein klei­ nes Dorf ist. Aus dem macht man keinen Staat oder gar eine Staats­ form. Hier leben ein paar Hundert Leute. Was ist man hier? Gut, Nendler. Das reicht bis an den Scheidgraben und den Waldrand. Mehr nicht. Aber mit Grafschaft und Volksrepublik rundum reicht es, 
dass Du dort keine Arbeit bekommst. Weil Du Nendler bist. 
Verstehen Sie? Wir sind nichts,was über das Dorf hinaus­ geht, aber das reicht, dass man anderswo jetzt nicht dazugehört und benachteiligt wird. Das macht Probleme. Und gleich wie Du es drehst: es ist immer lächer­ lich. Was sind wir? Ein Ofenka­ chelnstamm? Eine Schlamm­ sammlerdemokratie? Die Volksrepublik verspricht, Nendeln in ihr Förderprogramm aufzunehmen, wenn der Zubrin­ ger gebaut werden kann. Was hal­ ten Sie davon? Marxer: Das ist .wirklich hinter- fotzig. Die Volksrepublik macht uns absichtlich schwach, um uns dann kaufen zu können. Wir als Niemandsland passen doch der Volksrepublik und der Grafschaft bestens ins Konzept. Ich vermute sogar, dass es zwischen den Sena­ toren und der Grafschaft und ver­ mutlich auch Vorarlberg bereits im vornherein Absprachen gege­ ben hat. Wir sind allen dreien als Strassenkurve nützlich. Man hat beschlössen, dass wir die Ver­ kehrsdeponie sind. Und uns so Tcraft- und formlos wie möglich gewollt. Absichtlich. Ausserdem werden wir weiter schwach gehalten. Die Keramikfabrik alleine hat nicht Arbeit für das ganze Dorf. Die Kontingente für Nendler Arbeitskräfte in der Volksrepublik und in der Graf­ schaft sind absichtlich niedrig gehalten. Sie holen sich lieber Pendler aus Tisis und Tosters. Warum? Weil Schaan uns dann 
kaufen kann. Und seinen Auto­ bahnzubringer in Nendeln bekommt. Wie werden Sie sich wehren? Marxer: Das weiss ich noch nicht. Sehen Sie, dieses Dorf ist gelähmt. Wir wissen überhaupt nicht, was wir mit uns anfangen sollen. Mich erinnert das sehr an die Zeit vor der Verfassungsab­ stimmung.. Vor dem Neuen - und ich meine nicht die damalige Regierungsvorlage - hatte man Angst, das Alte war nicht mehr praktikabel, das Verfassungsan­ gebot eine Nötigung,und nichts davon wollte man wahrhaben. Hat sich nur an die Vorstellung eines heilen Liechtensteins mit einem guten Fürsten geklammert, wie in einem Volksschullesebuch. Das hat eine Spannung aufge­ baut, dass dann das Ganze ein­ fach zerplatzt ist. Päng. Liechten­ stein weg. Das Gleiche kann mit Nendeln passieren. So wie sich die Leute hier jetzt fühlen, könn­ te Nendeln einfach verschwin­ den. Ffffft. Weg. In Abgas aufge­ löst. Ich weiss noch nicht, wie wir uns wehren werden. Aber ich hof­ fe, dass der Widerstand gegen den Schaaner Autobahnzubringer uns wieder ein Gespür für uns selbst gibt. Und damit vielleicht eine Zukunft...
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.