Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
KULTUR Dienstag, 11. Juni 2002 1 1 Plastische Bilder einer wilden Welt Stefan Sprengers Vernissage und Lesung bei den 6. Liechtensteiner Literaturtagen Am vergangenen Wochenende waren sechs Literat/-innen aus dem In- und Ausland ?u den Liechtensteiner Literaturtagen eingeladen, auf dem Areal der Stein-Egerta zu lesen und mit den Zuhörern über das Vorge­ tragene und die Vortragenden zu diskutieren. Gerolf Hause r Der Samstag begann mit einer Vernis­ sage, bei der Stefan Sprenger seine «Is­ land-Kartographien» zeigte. Der Nach­ mittag stand Im Zeichen von Lesun­ gen, der" Abend brachte eine Urauf­ führung und eine Leseperformance. Man riecht Schwefel 'Hansjörg Quaderer, der zusammen mit Mathias Öspelt (als ArGe LieLit) die Llternturtnge organisiert, charakte^ rlsierte 
Stefan Sprengers fünf mit ge­ riebener Tusche bearbeitete Island- Kartographien (entstanden Ende 1998):«.. .Die Kartographien zeichnen sich durch.eine Hellhörigkeit aus; sie öffnen eine Topographie mit feinsten Haarrissen und Chiffren. Kenntlich wird die völlige Hingabe an urweltli­ che Landschaften; ein Membran-Wer- den In einsamsten Wanderungen; ein sich Aussetzen, in Schwingung gera­ ten, völlig offen und porös werden ... Spuren, Schlieren, Elllpsoldenschwär- me sind In diese Landkarten eingelas­ sen, In einer Subtllltät von Wasserzei­ chen zuweilen. Als ob den energeti­ schen isländischen Landschaften mit Sprache nicht beizukommen wäre... Der Nachvollzug von Island geschieht 
Im Rahmen der Literaturtage gab es im Haus Stein Egerta eine Vernissage von Stefan Sprenger. (Bild: Paul Trümmer) In erinnerter Nachträglichkeit, nicht als herkömmlicher Kommentar, son­ dern sprachlos-beredt. Wo Landschaf­ ten zu sich kommen, well sie nur noch mit Tusche bedacht werden. Man riecht Schwefel In diesen Karten ...» 
«Askiä», eine Lesung Hinein verwoben in die plastischen Bilder der «nach kontinentalen Mass- stüben unvorstellbar wilden und 
un-zeichnet 
Stefan Sprenger In seiner Er­ zählung «Askia», die er am Samstag­ nachmittag las, eine Frau und einen Mann, der «eine erregende Geschichte wittert» um Jene Frau, deren «religiöse berechenbaren Natur der Insel Island», Phantasmagorle Ini Schoss der geolo­gischen 
Gebärmutter Askia» seine Neugierde weckt; die Geschichte einer Frau, die sich von der Pilgerin zur Heilsverkünderin wandelt. Sprenger schildert nicht nur die Extremsituation der Landschaft, vielmehr Jene der See- lenzustände, der Unmöglichkeit, sich zu vermitteln, verstanden zu werden, Ja sich selbst zu verstehen. Dabei wer­ den die beiden Personen besonders be­ tont, Indem Stefan Sprenger die Sätze mit «er» bzw. «sie» beginnen lässt:-«Er Ist der bekannteste Fernsehreporter seines Landes...», «sie hat mit ihrem früheren Namen auch Ihre Herkunft abgelegt ...», «sie erhält Zeichen, hat sogar Visionen, aberwartet auf das ei­ ne, das erlösende Wort In ihrer Seele: Gott soll endlich «gut» sagen ...» Gut zu Ihrem Unternehmen, das sie als ei­ ne letzte, endgültige Prüfung empfin­ det: die drei Ostertage dort verbringen, wo sie glaubt zu spüren, dass ein Vul-, kanausbruch bevorsteht, In der Askia - ein Unterfangen, das «selbst für is­ ländische Verhältnisse bizarr Ist», da diese Gegend Im Winter unzugäng­ lich, menschenleer und für «notorisch schlechtes Wetter bekannt Ist». So er­ führt sie, die Namenlose, von Spren­ gers Erzählung zur Bekannten ge­ macht, sie, die Pilgerin, «die auf der Insel das findet, was sie von Jesus aus der Bibel kennt: Einsamkeit, Wüste und Entrückung», sie erführt Rlr Ihr Unternehmen keine Hilfe, Ja Ableh­ nung, zweifelt selbst an Ihrem Vorha­ ben. Und er, versteht der Chronist, «dass die Askia ihr Gethsemane Ist, ih­ re Schädelstätte Ist?» Es sind Sprach­ bilder, mit denen es Stefan Sprenger gelingt, sowohl die Geografle wie auch Seelenlandschaften aufzuzeigen. Ein grosses Festival ging zu Ende Die letzten Konzerte und Abschlusspressekonferenz des Feldkirch Festivals Es waren 18 Konzerte und sieben Begleitveranstaltungen (Vorträge, Ausstellungen usw.) die das Feld­ kirch Festival bei seiner zweiten Durchführung, dieses Jahr vom 30. Mai bis zum 9, Juni, für 5300 über­ wiegend begeisterte Besucher/-innen- geboten hatte. Gerajf Hause r Bei der gestrigen Abschluss-Presse- konferenz konnten Thomas Hengel­ brock (künstlerischer Leiter) und Feldkirchs Bürgermeister Wilfried Berchiold zu Recht sagen, der Mut zu Neuem habe sich gelohnt und den 280 Künstlern sei es gelungen, die Pro- grammintentlonen zu vermitteln. Für das Festival 2003 versprach Wilfried Berchtold eine bessere Infrastruktur , (tatsächlich war organisatorisch nicht alles reibungslos verlaufen). Thomas Hengelbrock verriet, dass das Festival 2003 unter dem Motto «Gottesspuren» stehen wird. Seelenfrieden finden Von den letzten vier Konzerten des 
diesjährigen Festivals konnten wir nur zwei besuchen: Das Stück «Man­ fred», Musik und Schauspiel von Robert Schumann nach der dramati­ schen Dichtung von Lord Byron urid «Vivaldl meets Jazz», «Aufgeregter Seelenzustand - Bettlektüre: Manfred von Byron - schreckliche Nacht». Dies war, 1628, die Reaktion Schumanns auf die erste Lektüre von Byrons dra­ matischem Gedicht. Schumann sah In «Manfred», dem Drama des grossen Einsamen, seine eigene Natur gespie­ gelt. Manfred ist, umgetrieben von ei­ ner In die Vergangenheit zurückwei­ senden Schuld, ein Gezeichneter, der Zwiesprache hält mit Geistern im Ver- • such, seinen Seelenfrieden zu finden. «Will man einen Charakter von solch romantischer Zerrissenheit und Ein­ samkeit zeigen, bedarf es eines her­ ausragenden Künstlers für die Titel­ rolle», hiess es Im Programmheft. Ei­ gentlich sollte man Klaus Maria Bran­ dauer so bezeichnen dürfen. Bei der Aufführung Im Montforthaus aller­ dings, zu einer wie Immer ausgezeich­ neten Musik des Balthasar-Neumanh- Chors und -Ensembles (unter der Lel-Das Balthasar-Neuinann-Ensemble als phänomenal homogener Klangkörper, begeisterte wieder das Publikum. Klaus Maria Brandauer gelang es nur teilweise, die Zerrissenheit des *Ma\\fred* von 
Robert Schumann darzustellen. 
tung von Thomas Hengelbrock), schi­ en Brandauer wl<? Indisponiert. So kam die Zerrissenheit der Manfred-Fi­ gur leider nur zu spärlich über die Bühne. Homogener Klangkörper Ebenfalls im Montforthaus waren am Sonntagabend bei «Vivaldl meets Jazz» das Kenny Werner Jazztrio, das Tscho Thelsslng Quartett, das Baltha- sar-Neumann-Ensemble und als Soli­ sten Daniel Hope und Daniel Sepcc (Violine), Jan Brönnlmann (Saxophon) und Daniel Sehenker (Trompete) zu 
hören. Wieder gilt es uneingeschränk­ tes Lob dem phänomenal homogenen Klangkörper des Balthasar-Neumann- Ensembles und den beiden Solisten Daniel Hope und Danlei Scpec auszu­ sprechen. Das wurde deutlich bei VI- valdls Slnfonla aus «L'Ollmpiade», vor­ allem aber bei dem Concerto grosse a- Moll. Das. dann folgende Concerto grosso d-Moll fand eine Zusammen­ führung von Barockmusik und Jazz, Indem nicht nur. nach den einzelnen Sätzen, sondern auch nach einzelnen musikalischen Phrasen das Kenny Werner Trio (Kenny Werner, Klavier, 
Johannes Weidenmüller, Bass und Ari Hoerlg, Schlagzeug) Vlvaldls Musik mit Jazzimprovisationen ergänzte - eine spannende Bereicherung. Den Rest des Abends aber mit Kompositio­ nen von Kenny Werner sollte man schnell vergessen, Da erklangen Strel- chersätze wie Begleitmusik zu einem schlechten Film, weder harmonisch noch musikalisch Neues, oder doch wenigstens Interessantes bietend; da­ zwischen erklang das Trio mit, sagen wir, gehobener Barmusik. Schade, denn das lag welter unter dem hohen Niveau des Festivals,
	        

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