Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

1 2 Montag, 10. Juni 2002 
LAND UND LEUTE Liechtensteiner VOLKSBLATT pur Vivaldis «Vier Jahreszeiten».und Uraufführung der «3 Intermezzi» von Johannes Harneit Das Feldkirch-Festival ragt aus dem Festivalreigen nicht nur heraus durch ausgesuchte Musi- ker/-innert, auch das Programm bietet Aussergewöhnliches. Am Freitagabend waren «Die Vier Jahreszeiten»'von Antonio Vi- valdi zu hören und, für das Festival geschrieben, die Urauf­ führung der «3 Intermezzi» von Johannes Harneit. Gerolf Hause r Anzunehmen ist, dass Vivaldis «Vier Jahreszeiten» in «jedem Ohr» sind, wird diese Musik doch vielfach be­ nutzt, um nicht zu sagen missbraucht: als Backgroundmusik in Restaurants und Supermärkten, in der Werbung oder im Film (z.B. in «Pretty Woman»), wobei selbstverständlich nur die leicht zu konsumierenden Sätze verwendet werden. Geschlossene Einheit In Feldkirch erklangen selbstver­ ständlich alle 12 Sätze, gespielt vom Balthasar-Neumann-Ensemble mit Daniel Sepec (Violine und Leitung), und selbstverständlich spielte das En­ semble, in dem sich Spitzenmusiker . aus ganz Europa zusammengeschlos­ sen haben (gegründet von Thomas Hengelbrock, dem musikalischen Lei­ ter des Feldkirch-Festivals) auf histori-Daniel 
Sepec leitete souverän das Balthasar-Neumann-Ensemble und glänzte als hervorragender Geiger. * sehen Instrumenten. All das ist noch keine Garantie für Qualität. Tatsäch­ lich aber glänzte das Ensemble nicht nur durch technische Perfektion; über­ ragend war die dynamische Gestal­ tung der Musik, die man selten so aus­geprägt 
und in so geschlossener Ein­ heit zu hören bekommt. Um nur einige Beispiel zu nennen: im «Herbst» ein Allegro, das man als einfach schön be­ zeichnen muss und ein Adagio molto, prächtig gestaltet durch das Hervorhe­ben 
der Theorbe oder das grossartige Pizzicato im Largo des «Winters». Die «Vier Jahreszeiten» sind Violinkonzer-. te. 
Der ausgezeichnete Geiger Daniel Sepec, er ist Konzertmeister des Bal­ thasar-Neumann-Ensembles, der Wie­ ner Akademie und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, leitete das Ensemble souverän und machte, auch hier nur ein Beispiel, im Adagio- Presto des «Sommers» das Gegenüber von lastender Hitze und brausendem Gewitterwind fast sichtbar. Blick in die Gegenwart Der 1963 geborene Hamburger Jo­ hannes Harneit ist ein Barock-Kenner und schrieb drei Intermezzi zu den «Quattro stagioni» für historisches In­ strumentarium.. Auf ganz unterschied­ liche Weise antworten die Intermezzi auf die altbekannte Musik, lassen sie in neue Klänge übergehen und suchen den Bezug zum Raum. Zum Konzept des Feldkirch-Festivals gehört auch, alte und neue Musik miteinander zu verbinden, den Zuhörer/-innen damit die Chance bietend, dass das eine die Ohren öffnet für das andere. So wur­ den die drei Intermezzi nicht vor oder nach Vivaldi gespielt, sondern zwi­ schen die «Vier Jahreszeiten» gelegt, um, wie Johannes Harneit vor Beginn des 
Konzertes sagte, «so etwas wie Fenster in. einem Museum zu schaffen, die den Blick freigeben in die Gegen­ wart». Das erste Intermezzo wurde, 
Der 1963 geborene Hamburger Johan­ nes Harneit ist ein Barock-Kenner und schrieb drei Intermezzi zu den «Quattro stagioni» fiir historisches Instrumenta­ rium. nach dem Frühling, auf der Bühne ge­ spielt und zeigte etwas wie vor einem Ausbruch Schwelendes. Das Zweite wurde in die Pause verlegt, gespielt auf der Bühne, im Foyer und im Trep­ penhaus: jene auf der Bühne spielten, als das Publikum wieder in den Saal kam weiter, die anderen Musiker ge­ sellten sich dazu und nahtlos ging es über in Vivaldis «Herbst». Das dritte Intermezzo wurde dominiert von der Gitarre, die wie das Schlagen einer Uhr den Winter, den Ablauf des. Jahres ankündigte. Bunter Melodienreigen »Es geht mein Herz auf Wanderschaß», unter diesem Motto fand im Rathaus­ saal Vaduz die traditionelle Matinee des Trachtenchors statt. Auf die Gäste war­ tete ein Reigen bunter Lieder aus ver­ schiedenen Ländern. Der Chor vermit­ telte eine Harmonie von Klang und Ge­ wand. Zusammengestellt und dirigiert wurde das Konzert von Helge Riechert. Einzelne Solos der Akkordeonspielerin Elisabeth Hiipmann bereicherten die Veranstaltung. Zudem kam das Publi­ kum in den Genuss einer Uraufführung. Das Stück *Auf dem Heuberg», kompo­ niert von .dem ehemaligen Chormitglied Adolf Marxer, war bei der Matinee erst­ mals öffentlich zu hören. Mit diesem jährlichen musikalischen Festakt be­ dankte sich der Verein bei seinen Passiv­ mitgliedern, Gönnern und der Gemeinde Vaduz für die grosszügigen Zuwendun­ gen. Überdies waren selbstverständlich auch alle Chorfreunde herzlich will­ kommen. (Bild:J.J. Wucherer) Eine perfekte musikalische Einheit Jazznacht mit dem Kenny-Werner-Trio beim Feldkirch-Festival Es wäre nicht das Feldkirch-Festival, das genre- und spartenübergreifende Veranstaltungen in den Vordergrund stellt, wenn nicht auch der Jazz auf­ tauchen würde- Das Kenny-Werner- Trio mit Kenny Werner (Klavier)', Ari Hoenig (Schlagzeug) und Johannes Weidenmüller (Bass) bestritt die «Jazznight» am Freitagabend. •  Gerolf Hause r Ari Hoenig wechselte im Alter Von zwölf Jahren von, der Geige und dem Klavier zum Schlagzeug, das er in sei­ ner Geburtsstadt Philadelphia und an der 
University of North Texas studier­ te. Johannes Weidenmüller, geboren in Heidelberg, durchlief eine klassi­ sche Ausbildung. Er studierte Cello und später Kontrabass an der Kölner Musikhochschule. Seit 1995 lehrt er an der New School New York Bass, Ensemble-Spiel und Theorie. «Ich habe die.Entscheidung getroffen, nie mehr Aufnahmen von einem Trio im Studio zu machen. Es bringt einfach nicht die ganze Geschichte der grossartigen 
Dinge zum Ausdruck, die spontan auf der Bühne ablaufen, wenn wir die Re^ sonanz des zuhörenden und zuschau­ enden Publikums haben», sagt Kenny Werner über sein Trio. Grosses Musikerlebnis Über die Zukunft sagt Kenny Wer­ ner: «Ich möchte mich immer noch mehr in der Glückseligkeit der Musik verlieren. Nicht nur ich geniesse die­ sen Zustand, sondern er findet seinen Widerhall auch im Publikum. Auf die-, se Weise erweckt uns die Musik zu dem, was wir wirklich sind.» Kenny Werner kann aber nicht nur schöne Sprüche machen, er zeigte Freitag­ nacht im Pförtnerhaus tatsächlich •Improvisationen vom Allerfeinsten und eine perfekte musikalische Einheit mit Johannes Weidenmüller am Bass und Ari Hoenig am Schlagzeug. Das Treffen dieser drei aussergewöhnlich talentierten Musiker verblüffte nicht nur mit hervorragenden Arrange­ ments der meist von Werner geschrie­ benen Stücke, gerade die Improvisa­ tionen, die unglaubliche Spontaneität, das offene Miteinander und Ineinan­der 
schufen ein grandioses Musiker­ lebnis. Ein wenig peinlich-' wirkte der, vermutlich von Thomas Hengelbrock, inszenierte Schluss. Das Trio 
spielte so etwas wie eine «Give peace a chance»- Melodie, Hengelbrock und weitere 
Musiker/-innen begannen im Saal mitzusingen, um schliesslich auf der Bühne eine durch die Musik entstan­ dene Einheit zu zelebrieren. Geschieht so etwas spontan, kann man nur den Hut ziehen vor der Wirkung der 
Mu­ " ''S! m&m L Der Schlagzeuger Ari Hoenig, .Pianist Kenny Werner und Bassist Johannes Wei- denmüller (von links) schufen in der Jazznight beim Feldkirch-Festival ein gran­ dioses Musikerlebnis. 
sik; ist es inszeniert, wirkt es heute, über 30 Jahre nach Woodstock, ein­ fach kitschig. Der Pianist Kenny Werner wurde 1951 in Brook­ lyn geboren. Mit elf Jahren nahm er eine Single mit einem 15-Mann-0r- chester auf und hatte einen Fernseh­ auftritt, bei dem er Stride-Piano spiel­ te. Während er noch an der High- school war, pflegte er seine Liebe zur klassischen Musik, indem' er an der Manhattan School of Music einen Kla- vier-Konzertfach-Abschluss machte. Werners Bedürfnis zu improvisieren begann ihn aus der Welt der Klassik in die Welt des Jazz zu tragen. Deshalb ging er 1970 an die Berklee School of Music. In .Boston traf er auf seine Kla­ vierlehrerin und sein spirituelles Vor­ bild, Madame ChalofF. «Sie war die ers­ te Person, die ich getroffen habe, die spirituelle und musikalische Aspekte vereinte», erinnert sich Werner. 1987 ging Kenny Werner an die Jazzabtei­ lung der New School in New York Ci­ ty, wo er sechs Jahre lang Jazztheorie und Harmonielehre unterrichtete.
	        

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