Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Samstag, 1. Juni 2002 
7 Regierungsrat Alois Ospelt nimmt zu Fragen zum Raumplanungsgesetz Stellung Das geplante Raumplanungsge­ setz: Stärkung oder Schwä­ chung der Gemeindeautono­ mie? Rückzonierungen oder gar Enteignungen? Regierungsrat Alois Ospelt nimmt zu diesen kritischen Fragen Stellung. Mit Regierungsrat.Alois Ospelt sprach Martin Frommel t Volksblatt: Herr Regierungsrat, warum werden Bodenbesitzer im Zuge des Raumplanungsgesetzes enteignet? Alois Ospelt: Es wird niemand ent­ eignet und in dieser Vorlage ist in kei­ ner Weise von irgendwelchen Enteig­ nungen die Rede. Raumplanung hat gar nichts mit Enteignung zu tun. Im Gegenteil: Es wird ja ausdrücklich 
ga- Es wird niemand enteignet rantiert, dass die bestehenden Bauzo­ nen nicht angetastet werden! Das Ge­ setz ist in die Zukunft gerichtet und will verhindern, dass ohne nachgewie­ senes Bedürfnis weitere Siedlungsaus­ dehnungen 
ausserhalb der bestehen­ den Bauzonen erfolgen. Es geht auch nicht einseitig um Ökologie und Na­ turschutz, sondern darum, die überge­ ordneten Interessen von Gesellschaft, Wirtschaft und Natur möglichst in Einklang zu bringen. Hauptmanko der Vorlage ist aber doch, dass sie keine Lösung für jene bietet, die teuren Boden ausserhalb von Bauzonen erworben haben, in der Annahme, dass diese Grund­ stücke dereinst einmal eingezont werden: Diese werden doch fak­ tisch enteignet? Man kann doch nicht sagen, dass je-, mand, der ausserhalb der Bauzonen Boden erworben hat, dies in Unkennt­ nis entweder der Gesetzeslage oder der Zonenpläne gemacht hat. Wer ange­ nommen hat, dass daraus dereinst Bauzone wird, der hat spekuliert; ei­ nen Rechtsanspruch auf Baugrund hat er aber nicht. Es kann nicht sein, dass man bei jedem Stück Boden ausser­ halb der Bauzonen davon ausgehen darf, dass darauf einmal gebaut wird. Wehn freilich die Entwicklung rasant vorwärts geht, dann werden viele die- • ser Grundstücke 
vielleicht einmal der Bauzone zugeordnet. Raumplanung hat aber die Gesamtinteressen im Blick. Wir wollen ja den ganzen Grund und Boden nicht nur unter dem Aspekt der baulichen Nutzung sehen. Wir wollen ja auch Natur- und Erho­ lungsgebiete, Boden für die landwirt­ schaftliche Produktion. Es ist ein zent-. rales Anliegen des 
Raumplanungsge- Die Gemeinden bestimmen selbst setzes, dass die Bevölkerung in ihren Gemeinden über die künftige Nutzung des beschränkten Bodens ausserhalb der bestehenden Bauzonen selbst ent­ scheiden soll. Man könnte aber doch einen Kom- promiss suchen und den Gemeinden einen kleinen Teil in Reserve- und nicht-zonierten Gebieten als Jong­ liermasse geben, um die härtesten Fälle lösen zu können? Die Gemeinden bestimmen selbst, wie sie die Flächen nutzen. Das Raum­ planungsgesetz setzt ja 
keine absolute Grenze, sondern bestimmt, dass aus­ serhalb der Bauzonen unter bestimm­ ten Kriterien auch in Zukunft eine bauliche Entwicklung möglich ist. Bei der Informationstour durch die Gemeinden konnten viele Vorbehal­ te ausgeräumt werden: Die Vorste­her 
sind aber offensichtlich nach wie vor der Ansicht, dass das Ge­ setz eine Schwächung der Gemein- deautonomie bedeutet: Sehen Sie das anders? 
 5 Ich sehe, vor allem aufgrund der von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen, keine Schwächung. Im Gegenteil: Die Gemeindeautonomie wird in ihrem Kern gestärkt, vor allem darin, dass die Gemeinden, wie im Ge­ meindegesetz festgehalten, für Orts­ und Zonenplanung zuständig sind. Es wird deutlich unterstrichen, dass die Gemeinden für die Planungen zustän­ dig sind. Die Kompetenz der Landes­ behörde wird auf die Überprüfung der Rechtmässigkeit beschränkt. Die 
Lan- Gemeindeautonomie wird gestärkt desbehörde kann also keine Ermes­ sensentscheide mehr treffen. Dies ist gegenüber heute eindeutig eine Stär­ kung der Gemeindeautonomie. Wei­ ters werden auch die Zuständigkeiten klar geregelt. Letztlich ist der Wille der Bürgerinnen und Bürger massgebend. Der politische Entscheid hinsichtlich der Ortsplanung und der -entwick- lung der Gemeinde ist letztlich in die Hände der Gemeindeversammlung, al­ so aller stimmberechtigten Bürgerin­ nen und Bürger gelegt. In diesem Sin­ ne sehe ich eine ganz wesentliche Stärkung der Kernkompetenz der Ge­ meinde. Tempo und Richtung der Ent­ wicklung zu bestimmen, ist Sache der Gemeinden und ihrer Einwohnerinnen und Einwohner. Das Raumplanungs­ gesetz steckt nur den Rahmen ab, mit klaren Regeln und Zuständigkeiten. Das führt zu weniger Rechts- und Kompetenzstreitigkeiten, wie sie heute zu oft vorkommen. Zu den Bauzonen: Betreffend Aus­ baugrad sollen nun die verschiede­ nen Zonenarten einer separaten Be­ trachtungswelse unterzogen wer­ den: Helsst das, dass beispielswei­ se die Unterländer Gemeinden einen 
höheren Bedarf an Bauzonenflächen nicht mit einem erhöhten Bedarf an Arbeitsplätzen begründen müssen? Wenn eine Gemeinde beispielsweise ihre Industrie- und Gewerbezone 
aus- Kein Einschränkung innerhalb Bauzone drücklich erweitern will, hat sie dies mit einer fundierten Ortsplanung zu begründen. Aber es ist schon so: Es gilt für alle Zonenarten, dass diese dann erweitert werden können, wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass die Reserven dieser Zonenart aus­ geschöpft sind. Immer wieder werden Befürchtun­ gen geäussert, dass man innerhalb der Bauzone eingeschränkt wird ... Innerhalb der Bauzone gibt es auf keine Art und Weise irgendeine zu­ sätzliche Einschränkung. Das ist ein völlig unbegründetes Missverständnis. Werden die Gemeinden also weiter­ hin völlig frei bleiben, Innerhalb der gesetzlichen Bauzone Baulandumle- gungen und Erschliessungsmass­ nahmen durchzuführen? .. Richtig. Die Gemeinden sind völlig frei, diese Massnahmen nach ihrem Ermessen unter Wahrung der allge­ meinen Planungsgrundsätze durchzu­ führen. Wie werden die teilweise erschlos­ senen Parzellen zugeteilt? Auch das ist eine Frage, die im Zu­ ständigkeitsbereich der Gemeinde zu entscheiden ist. Werden die gültigen Zonenpläne weiterhin Gültigkeit haben: Gibt es also keinerlei Rückzonierungen? Es gibt keinerlei Rückzonierungen I Die heute rechtskräftig bestehenden Bauzonen bleiben bestehen. Die beste­ henden Zonenpläne werden durch das Raumplänungsgesetz direkt nicht tan­ giert. Kritisiert wird, dass der Ausbaugrad 
Schublade seien: Wie sehen Sie das? . Nun, die Regierung schlägt jetzt in ihrer Stellungnahme an den Landtag vor, dass die Gemeinden ihre Planun­ gen nach ihrem Ermessen überarbei­ ten. Zu den horrenden Planüngskosten ist zu sagen, dass fast, alle im Gesetz erwähnten Instrumente und 
Planun- Keine neuen Planungen »Es gibt keinerlei Rückzonierungen! Die heute rechtskräfiig bestehenden Bauzonen bleiben bestehen»: Regierungsrat Alois Ospelt zum Raumplanungsgesetz. 80 Prozent betragen muss, ehe die Bauzone erweitert werden kann, weil so Wohnghettos forciert wer­ den. Es gibt verschiedene Siedlun­ gen, In der praktisch alle Parzellen bebaut sind, aber mathematisch ge­ sehen nur zu 50 Prozent überbaut sind: Sind diese 80 Prozent dem­ nach nicht viel zu hoch? Nein. Wir haben auch viele Flächen nicht in diese Berechnung der 80 Pro­ zent miteinbezogen. Es gibt viele Par­ zellen, auf denen ein Gebäude steht und noch eine grössere Restnutzung möglich wäre. Parzellenteile, die nicht mit einem freistehenden Gebäude überbaut werden können, werden J . nicht in diese Kapazitätsberechnung einbezogen. Es gibt auch viele Flächen, die zu mehr als 100 Prozent genützt sind. Zudem könnte in all die­ sen Zonen der bauliche 
Ausnützungs- Den Boden besser nutzen grad künftig noch erhöht werden. Der Ausnützungsgrad ist aber nicht eine Frage des. Raumplanungsgesetzes, sondern der jeweiligen Gemeindebaii- ordnung. Verdichtete Bauweise hat mit einem Ghetto nichts zu tun. Auch in dicht überbautem Gebiet sind hohe Wohn- 
und Lebensqualität durchaus möglich. Andererseits ist der Eigentü­ mer natürlich frei, wie er sein Grund­ stück bebauen will. Wehn man aber den Gesamtwert des Bodens als knap­ pes 
Gut betrachtet, dann muss man ihn einfach besser nutzen. So gesehen wirkt das Raumplanungsgesetz im Allgemeinen auf eine bessere wirt­ schaftliche Nutzung des Bodens hin.. Das bedeutet aber keineswegs weniger Lebensqualität, sondern kann viel­ mehr zu einer neuen Kultur des gesell­ schaftlichen Zusammenlebens führen. Seitens der Gemeinden wird die Pflicht zur regelmässigen Überarbei­ tung der Planungen als Unding be­ zeichnet: Damit seien horrende Pla­ nungskosten verbunden, die nicht zu verantworten und nur für die 
gen schon heute erbracht werden; da kommt also nichts Neues auf die Ge­ meinden zul Letztlich verringert eine gute Planung Kosten, indem Fehlent­ wicklungen, die ein Vielfaches kosten würden, verhindert werden. Die Verbandsbeschwerde soll jetzt zwar eingeschränkt werden: Warum wird sie nicht völlig fallengelassen,' sie ist ja schon im Naturschutzge­ setz geregelt? Das Naturschutzgesetz bezieht sich nur auf die Naturwerte. Nach dem überarbeiteten Vorschlag der Regie­ rung soll die Beschwerdelegitimation, nun lediglich auf die inventarisierten öder geschützten Landschaften redu­ ziert werden. Im Gemeindebereich sind die direkt-demokratischen Rechte sehr 
stark. Wenn eine Gemeindever­ sammlung im Hinblick auf eine ange­ strebte Entwicklung über eine Bauzo­ nenerweiterung entschieden hat, dann kann ich mir nicht Vorstellert, 
dass dieser Entscheid von einem Verband in Frage gestellt wird. Letztlich liegt aber der Entscheid über die Frage der Beschwerdelegitimation beim Land­ tag. Die Regierung hat jetzt eine Zwi­ schenlösung vorgeschlagen, die keine generelle Beschwerdelegitimation vor­ sieht. Sind Sie nach der Informationstour durch die Gemeinden jetzt zuver­ sichtlicher als vorher, dass das Gê setz bei der sehr wahrscheinlichen Volksabstimmung angenommen wird? Ja. Ich bin insofern zuversichtlich, als es bei diesen Veranstaltungen 
si- Vorlage ist weniger streng formuliert eher gelungen ist, die Leute mit den Inhalten und Schwerpunkten der Vor­ lage vertrauter zu machen. Dabei konnten auch verschiedene Befürch­ tungen und Ängste ausgeräumt wer­ den. Für die Akzeptanz des Gesetzes werden wir weitere Anstrengungen unternehmen müssen, um der Bevöl­ kerung die Inhalte der Gesetzesvorlage näher zu bringen." Unsere Gesetzesvor­ lage ist im Vergleich zu den Nachbar­ ländern, die alle schon über ein Raum- planungsgesetz verfügen, offener und weniger streng formuliert. Trotzdem oder gerade deswegen sollten wir nicht das einzige Land sein, das sich die Chance für eine geregelte und wohl geordnete räumliche Entwickr lung verbaut. PARTNER . -sJ> dia Cihanoaii Iii4er & Uebö^nierei^ialtört^SiQ Ihr ? ? Tel. 0901 57 59 97 ' * Nür yySunrj8gpg|$^ V
	        

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