Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

34 Donnerstag, 17. Januar 2002 
RELIGION Liechtensteiner VOLKSBLÄTT IM BUCKPUNKT Verurteilt zum Dienen? Patriarchalische Denkweisen und Strukturen haben es bis heute ge­ schafft, das Strickmuster erster Bibel­ auslegungen weiter zu entfalten: Der Mann ist Mensch - die Frau Helferin; der Mann ist Schöpfung - die Frau Verführerin; der Mann herrscht - die Fr au ist   zum Dienen verdammt. In sehr persönlichen Berichten und mit Blick auf ungezählte Frauen aus biblischen Zeiten bis heute, zeigt die Autorin, wie notwendig, aber auch wie schwer es ist, männlich dominierte Bilder und Denkweisen hinter sich zu lassen und Frauen zu entdecken, die durch ihr Le­ ben und Wirken die Kirchengeschichte geprägt haben. Ob Frauen in Zukunft Kirchengeschichte schreiben werden, bleibt offen. Es hängt auch davon ab, ob die Männer der Kirchenleitung die Frauen endlich ernst nehmen. jsrm) Ingrid Thurner «Verurteilt zum Die­ nen? - Frauen leben in der Kirche* (Bild) ist im Verlag Styria erschienen. Sternstunde Religion Neuen Elan und frischen Wind brin­ gen die neuen Äbte Martin Werten und Daniel Schönbächler in ihre Benedikta nerabteien. Der erst vor wenigen Wo­ chen gewählte Theologe und Psycho­ loge Martin Werten ist mit 39 Jahren ein junger Abt in Einsiedeln. Der Ger­ manist und Kunsthistoriker Daniel Schönbächler ist seit einem Jahr im Amt und gilt als Manager in. der Mönchskutte, "der auch einmal mit dem Gleitschirm über Disentis schwebt. Beide Äbte sind davon über­ zeugt, dass die Mönche mit ihrer Spiri­ tualität den Menschen in einer moder­ nen Gesellschaft viel zu sagen haben. «Mit dem Herzen hören» die Äbte von Einsiedeln und Disentis im Ge­ spräch. Sonntag, 27. Januar, 10 Uhr Schweizer Fernsehen SF DRS. Gott schlägt Geld Rund vierzig Prozent aller Amerikaner, die im Internet surfen, suchen dort nach religiösen Informationen. Sehr viel weniger nutzen das Web fiir Bank­ oder Börsengeschäfte oder fiir Glücks^ spiele; besonders gefragt waren nach dem 11. September Informationen zum Islam. Beachtliches Programm Nach dem Weltgipfel.der Reljgionen in Assisi am 24. Januar stehen. mindes­ tens zwei Reisen (Bulgarien und Kana­ da), drei grosse Heiligsprechungen (Kapuziner Pater Pio, Opus-Dei-Grün- der Josemaria Escriva de Balaguer und der mexikanische Seher der Jungfrau von Guadalupe, Juan Diego Cuatlato- atzin) sowie einige schwere Personal­ entscheidungen an. Überschattet wer­ den die Zukunftspläne von der weiter­ hin schwachen Gesundheit des Paps­ tes, der am 18. Mai das 82. Lebensjahr vollendet und am 16. Oktober sein 25. Pontifikatsjahr beginnt. . *•' . 
0 0' zur Gebetswoche für die Einheit der Christen vom 18. bis 25. Januar in Liechtenstein «Nur eine versöhnte Christen­ heit ist glaubwürdig». Dies kam bei einer ökumenischen Feier, an der Kirchenverantwortliche und Bischöfe aus neun christli­ chen Kirchen im vergangenen November im Grossmünster Zürich sich versammelten, zum Ausdruck. Vom 18. bis 25. Ja*- nuar 2002 wird in all unseren Kirchen fiir die Einheit der Christen gebetet und es finden ökumenische Gottesdienste statt. Theres Matt Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und -der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) haben ge­ meinsam eine «Charta Oecumenica» für die Kirchen in Europa verabschie­ det, 
in der sie sich verpflichten, Frie­ den und soziale Gerechtigkeit zu för­ dern und für die kirchliche Einheit ein­ zutreten. Für den 24. Januar 2002 lud der Papst die Vertreter der Religionen der Welt zu einer multireligiösen Be­ gegnung nach Assisi ein, um für die Überwindung der Gegensätze und für. die Förderung des wahren Friedens zu beten. Oekumenische Zusammenarbeit Die «Charta Oecumenica» beschreibt grundlegende ökumenische Aufgaben und will auf allen Ebenen des kirchli­ chen Lebens eine ökumenische Kultur des Dialogs und der Zusammenarbeit fördern. Die wichtigste Aufgabe der Kirchen ist es, gemeinsam das Evange­ lium durch Wort und Tat für das Heil Gebetswoche o Freitag, 18. Januar, 7.30 Uhr ökumenischer Schülergottesdienst in der Evangelischen Kirche in Va­ duz. o Sonntag, 20. Januar, 18 Uhr ökumenischer Gottesdienst in der Pfarrkirche in Mauren unter Beteili­ gung von katholischen, orthodoxen und evangelischen Christen. • Dienstag, 22. Januar, 19.30 Uhr Abendandacht in der Evangelischen Kirche im Ebenholz" mit anschlies­ sendem Gespräch' im Treffpunkt zum Thema: «Christliche Erziehung - wie sagen es katholische oder evangelische Eltern ihren Kindern?» • Mittwoch, 23. Januar, 7.30 Uhr Ökumenischer Schülergottesdienst in der Pfarrkirche St. Florin in Va­ duz. 
Kürzlich trafen sich im Grossmünster in Zürich kirchenverantwortliche und Bischöfe aus neun christlichen Kirchen. Im Bild von links: Kardinal Miloslav VIk (Erzbischof von Prag), Bischof Kurt Koch (Bischof von Basel), Bischof Makarios (Centre orthodoxe, Genf), Gregorios Ibrahim (Erzbischof von Aleppo, Syrien), Bischof Zakarian (armenische Kirche). aller Menschen zu verkündigen. Ange­ sichts vielfältiger Orientierungslosig­ keit, Entfremdung von christlichen Werten, abör auch mannigfacher Su­ che nach Sinn, sind Christen heraus­ gefordert, ihren Glauben zu bezeugen. Es gilt, gemeinsam das Evangelium zu verkündigen, aufeinander zuzuge­ hen, gemeinsam zu handeln, mitein­ ander zu beten, Dialoge fortzusetzen. Es wurde betont: Je mehr sich die ein­ zelnen Christen und Kirchen Christus nähern, desto näjier kommen sie auch einander. Und weiter: Je mehr sich je­ der von uns bekehrt und Christus zu­ wendet, um so kleiner wird auch die Entfernung zwischen den Brüdern und Schwestern. Kennen- und Verstehenlernen Ökumene beinhaltet das Bemühen um Einheit, um Zusammengehen im engeren Sinn zwischen christlichen Konfessionen, im weiteren Sinn auch das gegenseitige respektvolle Suchen zwischen den Weltreligionen. Der Dia­ log zwischen den christlichen Glau­ bensgemeinschaften dient dem öku­ menischen Anliegen nur, wenn er Grenzen der Bekenntnisse nicht ver­ wischt, sondern gegenseitiges Kennen­ lernen und Verständnis fördert. Junge Christen suchen Vertrauen und Verständnis. Dies wurde deutlich beim letztjährigen Taize-Treffen in Budapest mit 70 000 Jugendlichen. Höhepunkt war. dabei der ökumeni­ sche Sonntagsgottesdienst in der St.Stephans-Basilika. Frere Roger be­ tonte unter anderem «Es ist wichtiger, 
andere zu verstehen, als selbst ver­ standen zu werden». Fünf christliche Kirchen In einem Wortgottesdienst am kom­ menden Sonntag, 20. Januar in der Pfarrkirche Mauren singen und beten katholische, evangelische, evange- lisch-methodistische, evangelisch-lu­ therische und orthodoxe Christinnen und Christen gemeinsam. Gesanglich begleitet von der Gastgemeinde der evangelisch-methodistischen Gemein­ de Sevelen mit Pfarrer Patrick Sieg­ fried und begrüsst von Pater Anto Po- onoly, Pfarrer von Mauren, sowie 
Sprecherinnen verschiedener Konfes­ sionen, verkündet Karin Ritter, Pfarre­ rin der evangelischen Kirche Ebenholz, das Wort Gottes aus der Bibel. Die Pre­ digt hält Renate Daub, Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche Va­ duz. Dr. Cyril Deicha von der orthodo­ xen Kirche, Präsident des Kirchenver­ bandes, führt in den dritten Teil ein mit Lobpreis und Ikonenbetrachtung von Ljubomir Kotarcic, orthodoxer Priester. Gemeinsam wird das Glau­ bensbekenntnis des Konzils von Nicäa (381 n.Chr.) gebetet. Bittgebet umfrie­ den und Empfang des Segens schües- sen den Wortgottesdienst ab. Vespergottesdienst orthodoxer Christen am 7. Dezember 2001 St. Josefskirchlein in Vaduz. Seit über siebzig Jahren leben orthodoxe Christen in Liechtenstein; heute sind es 226 Gläubige, darunter 40 Schüler. Calvins Nachfolgerin denkt frei Isabelle Graessie ist die erste Moderatorin der reformierten Genfer Pfarrerschaft «Wir können in der Kirche nicht wei­ terfahren wie bisherl» warnt Isabelle Graessl£ (42). Als erste Frau seit 460 Jahren. steht die Universitätstheolo- gin und Pfarreriri der «Compagnie des pasteurs et des diacres» der re­ formierten Kantonalkirche Genfs als Moderatorin vor. Reformator Calvin hat die Institution im Jahre 1541 ins Leben gerufen. Josef Bossart Die grauen Wohnblöcke an der Rue Gourgas in Genfs Plainpalais-Quartier erinnern an den fundamentalen Ber tonglauben der sechziger Jahre. Mitten drin das mausgraue Kirchengebäude mit dem «Centre Protestant d'Etudes», dem Arbeltsort von Isabelle Graesste, wo sie dem Bildungsdienst für Er­ wachsene der Genfer Kirche vorsteht. Die 42-Jährige mit den kastanienbrau­ nen Haaren, die einem wenig später in der Bibliothek des Zentrums in roter v ' 
Ledeijatke, schwarzem Rollkragenpul­ li und mit freundlichem Lächeln ge­ genüber sitzt, spricht nicht die wolkige Diplomatensprache, wie sie Kirchen­ leute üblicherweise gerne pflegen. Isa­ belle Graessld 
bekennt freimütig: «Die Kirche macht, heute vielen Menschen keine Lust mehr». Und deshalb hätten viele Zeitgenossen immer noch das Bild einer Kirche in sich, «die bloss langweilig und staubig ist.» Grundlegende Reform nötig Kein Blatt, vor den Mund nahm die ..gebürtige Elsässeriri letzten Herbst, als eine Studie einen besorgniserregenden Rückgang der Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und Bestattungen in den reformierten Kantonalkirchen der Schweiz dokumentierte. Es brauche heute nichts weniger denn eine «grundlegende Reform des westlichen Protestantismus», warnte sie in' ihrem Kommentar. Und: «Unsere.Tradition ist früher oder später dem Untergang ge­ weiht, wenn sich nicht bald eine in ih­rer 
Bedeutung, mit der protestanti­ schen Reformation des 16. Jahrhun­ derts vergleichbare Bewegung be­ merkbar macht.» Die Prüfung des Übergangs Die Kirche stehe heute an einem Scheideweg und komme deshalb um diese Übergangsprüfung nicht herum, die zwei wesentliche Fragen beinhalte: «Was muss die Kirche hinter sich las­ sen, um in die Zukunft gehen zu kön­ nen? Und: 
Was muss sie tief in ihrem Gedächtnis bewahren, weil es nämlich, von 
konstitutiver Bedeutung ist?» Isa­ belle Graessld sei in ihrem eigenen Glauben davon überzeugt, dass das Evangelium neue und noch ungeahnte Formen von Kirche ermögliche. Über den aktuellen Stand der Theo­ logie will sich die Moderatorin im Ja­ nuar mit ihren Kollegen unterhalten. Als Moderatorin hat sie nicht nur die Aufgabe, die Genfer Pfarrerschaft nach.äussen zu vertreten sowie deren Ansprechpartnerin in spirituellen und 
seelsorgerlichen Fragen zu sein, son­ dern auch zu veranlassen, dass die theologische Fortbildung der Pfarrer und Diakone den gebührenden Raum erhält. «Ich empfehle meinen Kolleginnen und Kollegen, Radio zu hören, Fernse­ hen zu schauen, in Nachrichtenmaga­ zinen zu blättern und andere Bücher als theologische zu lesen. Denn oft stelle ich mit Besorgnis fest, dass zwi­ schen ihnen und der heutigen Gesell? schaft ein Graben klafft.» Und noch et­ was will sie den Pastoren und Diakö­ nen ans Herz legen: «Wenn ihr nichts zu sagen habt, dann sollt ihr auch nicht predigen!» Damit sie etwas zu sagen hätten, müssten sie sich eben die nötige Vorbereitungszeit dafür neh­ men und weniger Wichtiges, zum Bei­ spiel endlose Sitzungen hintanstellen. Denn eines sei heute nahezu unver­ zeihlich, sagt sie: wehrlose Kirchgän­ gerinnen und Kirchgänger zu langwei­ len und mit Unverständlichem zu belästigen.
	        

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