Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Samstag, 11. Mai 2002 
3 «Konkrete 
Gesten bedeuten uns unendlich viel» Regierungschef Otmar Hasler besuchte Ground Zero, den Ort des Schreckens Zwei Wörter: Ground Zero. Es handelt sich um absolutes Sperrgebiet, um einen Ort des Gedenkens inmitten einer pul­ sierenden Millionenmetropole. Und dennoch: Auf Einladung des New Yorker Bürgermeisters durfte die liechtensteinische De­ legation 
am Donnerstag jenen Ort besuchen, an dem vor acht Monaten die Zwillingstürme des World Trade Centers zusam­ menstürzten. Das Volksblatt durfte an diesem Lokalaugen­ schein im «Herz der Finsternis» teilnehmen. IVo.lJgang /.ecltner ans Neu- Yor k I s sind Bilder, die man lausend Mal sehen und dennoch kaum begreifen kann. I s war jener historische 11. Sep­ tember 2001. an dem diese Bilder um die Welt gingen. Man ist geneigt von Bildern des namenlosen Schreckens zu sprechen. Doch der Schrecken, das Un- lassbare, hat einen Namen: Ground /.cro. Jenes gigantische Loch, jene grässliche Narbe, die heute, fast Henau acht Monate nach dem Terrorinferno, immer noch die Stadt New York zeich­ net. Auf Einladung der Stadt New York wurde die liechtensteinische Delegati­ on am Donnerstagnachmittag direkt an den Rand des Abgrunds geführt. Dort, wo seit dem Tag der Katastrophe Polizisten, Bauarbeiter und Feuer­ wehrleute täglich 24 Stunden im Ein­ satz sind, um die Überreste der Toten /u bergen und die Trümmer des World Irade Centers beiseite geschafft wer­ den. Dort, wo die Aulraumearbeiten mehr sind, als blosse Schuttbeseiti­ gung. Dort, wo der amerikanische Iraum dem amerikanischen Alptraum trotzt. Schweigen und versuchen, zu verstehen Heutzutage wird mit dem Begriff «Betroffenheit» inflationär umgegan­ gen. Man sollte sich deshalb hüten, dieses starke Wort zu gebrauchen. Und dennoch: Es war tiefe Betroffenheit, 
Sie schwiegen, gingen ihren Gedanken nach und versuchten zu verstehen, v.l.n.r.: 
stellvertretende Landtagsabgeordnete Monica Bereiter-Amann, 
Regierungschef Ot­ mar Haslcr, Dr. C 
irrlindr Mani-Christ, Leiterin der Stabsstelle für Öffentlichkeitsarbeit, und Landtagsabgeordneter Hugo Quaderer. die man im (iesicht der Besucher aus Liechtenstein ablesen -konnte. Denn diese schwer lassbarc Atmosphäre - jler Hauch des Todes gepaari mit der beinahe körperlich spürbaren unbän­ digen Willensstarke der Bürger New Yorks - lässt den Besucher erschauern, lasst den Besucher demütig schweigen, setzt die eigenen, oft kleinen Sorgen in eine andere, eine neue Relation. Die Mitglieder der liechtensteinische Delegation - Regierungschef Otmar Hasler, die l.andtagsmitglieder Monica Bereiter-Amann und Hugo (Juaderer, Stabsstellenleiterin Gerlinde 
Manz-Christ sowie Liechtensteins Bot­ schafterin Claudia Pritsche - taten dann auch das. was man hier am Ground Zero tut. Sie schwiegen, gin­ gen ihren Gedanken nach und versuch­ ten, das Unbegrcifbare zu begreifen. Eine kleine Geste «Ich habe aus meinem Department 37 Kollegen am 11. September verlo­ ren», erzählt jener Police Officer, der die liechtensteinische Delegation vor Ort über die Arbeiten am Ground Zero informiert. «Aber das New Yorker Fire- Department verlor, sogar 343 Feuer­wehrleute», 
so sein stockender Nach­ satz. Für ihn sei es zum Teil auch The­ rapie, wenn er im Gespräch mit aus­ ländischen Gästen den Horror Revue passieren lassen könne, verriet er dem Volksblatt. «Thank you» Dina Hanna, Mitarbeiterin des New Yorker Bürgermeisters, zeigte sich dann sichtlich gerührt, als Regierungs­ chef Otmar Hasler ihr ein Geschenk des Landes Liechtenstein überreichte. Zehn Waisenkinder, Jugendliche, die am II. September einen oder gar beide 
Elternteile verloren haben, werden im August nach Liechtenstein eingeladen. Fünf 
Tage Ferien für 11 Amerikaner, fünf Tage, die als Geste der Anteilnah­ me ganz Liechtensteins zu verstehen sind. «Es bedeutet uns unendlich viel, dass Menschen aus Europa auch acht Monate nach dem II. September noch an uns denken und sogar konkrete Gesten setzen», so Dina Hanna, die das Geschenk mit glänzenden Augen ent­ gegennahm. «Thank 
you.» Zwei Worte, deren Wirkung, deren Bedeutung ma^jt wohl nur verstehen kann, 
wenn man hier steht. Hier am Abgrund. Kl M.AMI Auf nach Washington Neben diesem emotional belastenden l'rogrammpunkt standen für Regie­ rungschef Otmar Haslcr am Donners­ tag aber auch zahlreiche Arbeitsge­ spräche, Repräsentationsaufgaben und Vorbereitungen auf künftige Ter­ mine auf dem «Polit-Stundenplan». Heim bilateralen Arbeitstreffen mit dem andorranischen Regierungschef wurden mögliche gemeinsame Strate­ gien in Sachen 
OECD besprochen. Zu­ dem war Otmar Hasler von UN-Gene­ ralsekretär Kofi Annan zum Dinner der Staatschefs ins UNO-Gebäude eingeladen 
worden. Dort traf der Re­ gierungschef mit so unterschiedlichen Personen wie Nelson Mandela, den Präsidenten Südafrikas, Microsoft- Boss Bill 
Gates oder Harry Belafonte zusammen. Aber auch der wohl hei­ kelste Termin der US-Reise will gut geplant sein. US-Finanzminister Paul O 'Neill bat Haslcr am Freitag in Wa­ shington zum Arbeitsgespräch. Unser Bild zeigt Regierungschef Ot­ mar Hasler während der Ansprache von Bill Gates anlässlich des Mittag­ essens, welches von Generalsekretär Kofi Annan zu Ehren der an der Son­ dersession über Kinder anwesenden Staats- und Regierungschefs gegeben wurde.
	        

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