Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Samstag, 27. April 2002 
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«Souveränität niuss immer neu verteidigt werden» IGH-Klage: Verfahrensbevollmächtigter und zwei Experten aus dem Beraterstab nehmen Stellung kerrcchtlichc Fragen. Nur in Den Haag ist zu entscheiden, oh und in welchem Ilmlang das Fürstentum Liechtenstein gegenüber Deutschland Anspruch auf Respekt vor seiner Souveränität und Eigenstaatlichkeit hat. Und nur der Gerichtshof in Den Haag entscheidet, welche Folgerungen sich aus der Ein­ beziehung liechtensteinischen Vermö­ gens in das deutsche Reparationsregi- nir ergehen. Landtagsvizepräsident Wolff be­ fürchtet, dass sich das Verhältnis zwischen Liechtenstein und Deutschland durch die IGH-Klage aiorm verschlechtern wird. Bewer­ ten Sie dies genauso? (inepfert: Liechtenstein ist weiter- lin an guten und freundschaftlichen le/ichungen /u Deutschland interes- iert. Im Vorfeld des Gerichtsverfah- ens haben diplomatische Konsultatio­ nen über zwei Jahre lang zu keinem ;onkreten Frgebnis geführt. Die deut- ichen Verhandlungsführer haben je- .locb betont, dass sie die Finreichung der Klage nicht als einen feindseligen Vorgang ansehen und die guten Bezie­ hungen dadurch nicht beeinträchtigt wurden. Hafner: Die I rfahrung mit den bis­ herigen Verfahren vor derartigen Ge-richtsinstanzen 
zeigt, dass internatio­ nale Gerichtsverfahren gerade Span­ nungen reduzieren und zum Abbau von Konflikten beitragen. Die 
Fnt- Spannungen abbauen scheidung einer neutralen Drittinstanz ist auch für den unterlegenen Staat leichter zu akzeptieren. Blurpenwitz: Internationale Ge­ richtsbarkeit beruht ausschliesslich auf dem Konsensprinzip. Der Gerichts­ hof übt ja seine Kompetenzen nur mit Zustimmung der Verfahrcnsbctciligten aus. Liechtenstein und Deutschland haben durch ihren Beitritt zum Fu- ropäischen Übereinkommen zur fried­ lichen Beilegung von Streitigkeiten gemeinsam die prozessuale Grundlage für das jetzt anhangige Verfahren ge­ schaffen; sie bekennen sich gemein­ sam z.u einer überaus hoch entwickel­ ten Form der friedlichen Streitbeile­ gung, nämlich der auf friedlichem ju­ ristischem Wege. Schon deshalb kann es zu keiner Verstimmung in den ge­ genseitigen Beziehungen kommen. Nach intensiven Diskussionen hat der Landtag Jetzt 2,4 Millionen Fran- •Eiii Staat, aus dessen Verhalten zu schlicssen ist, dass er seine Rechte nicht wahrnehmen will, verlieft schliesslich sein Recht zur Durchsetzung»: Völker- rechtsexpertc Gerhard Hafner. Hl KI,AMI Montag, 29. April 2002, 19:00 Uhr im Gemeindesaal Ruggell r £> 
mitdenken mitreden mitentscheiden miteinander für 
Liechtenstein Raumplanung. Die Chance Liechtensteins 
ken für die Klage bewilligt. Wie hoch schätzen Sie die Gesamtauf­ wendungen und die Dauer des Fal­ les ein? Goepfert: Wir rechnen mit einer Verfahrensdauer zwischen fünf und sieben Jahren. Andere Staaten haben in vergleichbaren Fallen Budgets in Hohe von 30 bis 60 Millionen Franken bereitgestellt. Die Aufwendungen für Liechtenstein werden jedoch deutlich darunter liegen, obwohl Liechtenstein ein kleines Land ist, das nicht auf grosse eigene Ressourcen zurückgrei­ fen kann. Die Bundesrepublik Deutschland verfügt beispielsweise über eine eigene völkerrechtliche Ab­ teilung im Auswärtigen Amt, das deutsche Bundespresseamt beschäftigt eine Vielzahl von Mitarbeitern, die für derartige Fälle gerüstet sind. Um da­ rauf reagieren zu können, muss Liech­ tenstein sich jeweils externer Berater bedienen. Letztlich müssen diese Kosten aber auch als eine Investition in die Zu­ kunft des Staates Liechtenstein ange­ sehen werden. Um es ganz klar zu sa­ gen: Bemüht sich der Staat Liechten­ stein nicht um eine endgültige Klärung der Rechtslage bei dem Inter­ nationalen Gerichtshof, so ist künfti­ gen Verletzungen der Eigentumsrechte von liechtensteinischen Bürgern und Unternehmen im Ausland Tür und Tor geöffnet. Für Unmut hat auch der enorme Per­ sonalaufwand bei der Besetzung der Counsels gesorgt . . . Hafner: . . . dennoch ist unser Bera­ terteam - verglichen mit anderen Fäl­ len vor dem Internationalen 
Ge- Investition in die Zukunft richtshof - relativ klein. Fin aktuelles Beispiel: Zur Zeit wird vor dem Inter­ nationalen Gerichtshof die Grenzstrei­ tigkeit zwischen Nigeria und Kamerun verhandelt. Allein auf der Seite Kame­ runs unterstützen mehr als 17 Völker­ rechtler den Verfahrensbevollmächtig­ ten. Das gesamte Team umfasst sogar S6 Personen. Äquatorial Guinea ist in diesem I all ein sogenannter Nebenin­ tervenient; dennoch ist es zusätzlich zum Sonderbeauftragten durch vier Advisers, vier Counsels, zwei Rcchts- experten und technische Experten vertreten. Gemessen daran ist unser Team klein. Dennoch ist es sehr effizi­ ent, denn wir erarbeiten die Schriftsät­ ze in kollektiver Verantwortung. Die Entwürfe zu den einzelnen Teilen ar­ beitet der spezialisierte Counsel aus, anschliessend bearbeiten wir sie ge­ meinsam weiter. Auf diese Weise sind wir alle in die Ausarbeitung des ge­ samten Textes integriert, und wir ver­ meiden Informationsverluste. Blumenwitz: Sie müssen ausserdem bedenken, dass es in diesem Rechts­ streit darum geht, sehr komplexe his­ torische Zusammenhänge zu verdeut­ lichen. Zum Thema des deutschen Nachkriegsreparationsrcgimes hat es bislang kaum Forschungen gegeben; es fehlt an umfassenden Dokumenta­ tionen, die uns die Arbeit erleichtern würden. Die europäische Nachkriegs­ ordnung kann internationalen Gerich­ ten zum jetzigen Zeitpunkt nur mit'ei- nem erheblichen Aufwand erläutert werden. Landtagsvizepräsident Peter Wolff schätzt die Gewinnchancen in Den Haag auf maximal fünf Prozent. Wie beurteilen Sie als Prozessführer die Chancen? Goepfert: Die Erfolgschancen sind bei komplexen Rechtsfragen nie leicht einzuschätzen. Wir müssen grundsätz­ lich zwei Problembereiche 
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so mehr muss sich Liechtenstein auch auf völkerrechtlicher Ebene zur Wehr setzen, wenn der Hauptkriegsschuldige Deutschland neutrales liechtensteinisches Vermögen wie deutsches Auslandsvermögen behandelt und in das deutsche Re­ parationsregime eingliedert»: Völkerrechtsexperte Dieter Blumenwitz. den: Erstens die Frage, ob die Klage zulässig ist, zweitens, ob sie auch in der Sache selbst begründet ist. Unsere Argumente für beide Problembereiche sind sehr überzeugend, und ich kann mir kaum Gegenargumente vorstellen, die unseren Standpunkt entkräften könnten. Sind solche Prognosen auf den Aus­ gang des Verfahrens aus juristi­ scher Sicht seriös? Goepfert: Der Beschluss, Klage vor dem IGH zu erheben, wurde seinerzeit von allen im Parlament vertretenen Parteien unterstützt. Jetzt öffentlich über Gewinnchancen der eingereich­ ten Klage zu spekulieren und damit dem Ausland ein Bild der Zerrissenheit zu vermitteln, schadet der Position Liechtensteins in höchstem Masse. Denn Ictztendlich geht es auch darum, wie Liechtenstein sich selber sieht, nämlich als eigenständiger Staat, der sich gegen Missachtung durch einen anderen Staat wehrt. Die IGH-Klage verfolgt legitime Interessen eines Staates - den Schutz seiner Bürger - die es durchzusetzen gilt. Schlechtes Signal für Ausland Es wurde von der Opposition die For­ derung erhoben, d)e Klage zurückzu­ ziehen. Welche Folgen hätte eine Zürücknahme der Klage zum Jetzi­ gen Zeltpunkt? Hafner: Das Fürstentum hat im letz­ ten Jahr die Klage eingebracht und damit der Staatengemeinschaft zur Kenntnis gegeben, dass es die Rechts­ ansicht Deutschlands nicht teilt. Sollte diese Klage jetzt - insbesondere ohne dass irgendein Zwingender außenpo­ litischer Grund hierfür erkenntlich wäre - zurückgezogen werden, so würde die Internationale Staatenge­meinschaft 
dies als Einverständnis mit der Rechtsansicht Deutschlands inter­ pretieren. Liechtenstein würde damit sein Einverständnis erklären, dass Deutschland den liechtensteinischen neutralen Status nicht anerkennen müsse, dass liechtensteinisches Ver­ mögen als deutsches Vermögen be­ zeichnet und für deutsche Zwecke ver­ wendet werden dürfe, Deutschland sich somit hieran bereichern könne und im übrigen jederzeit seine aussen- politische Haltung zum Nachteil Liechtensteins ändern dürfe. Das hätte nicht nur gravierende Folgen für das Verhältnis zu Deutschland, sondern auch für die Beziehungen zu allen an­ deren Staaten der Welt. Wenn nämlich aus dem Verhalten Liechtensteins zu schliessen ist, da$s es der Rcchtsauf- fassung Deutschlands zustimmt, so ist dies nicht nur gegenüber Deutschland wirksam, sondern auch gegenüber al­ len anderen Staaten. Jeder andere Staat könnte dann Liechtenstein ent­ gegenhalten, dass es sich an seiner ge­ genüber Deutschland eingenommenen Position festhalten lassen müsse und das Recht, andere Argumente vorzu­ bringen, durch die Rücknahme der Klage verwirkt habe. PARTNER IV '- . .. :/. : Wie stphervdie Ctancen in der ; Liebs? Hier erhalten Sie Ihr ; >/ Partnerhproskop Tei. Ö901 5T59 97 Nur über Nltelnstjfa von Ornngo jnd SwsscomjnöQllch.
	        

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